Vereinsrecht: Virtuelle Mitgliederversammlungen können weiter stattfinden

Virtuelle Mitgliederversammlungen sind auch ohne entsprechende Satzungsregelung nun bis zum 31.8.2022 möglich. Das sehen die neuen Übergangsregelungen im „Aufbauhilfegesetz 2021“ vor (zuletzt bis Ende 2021). Es empfiehlt sich aber, die Möglichkeit zur virtuellen Versammlung in der Vereinssatzung zu regeln, wenn diese weiter genutzt werden soll.

Quelle: AufbhG 2021 vom 10.9.2021, Art. 16 des „Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze“

Patienteninformationsblätter: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur eingeschränkt der AGB-Kontrolle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur einer eingeschränkten Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Das war geschehen

Der Beklagte ist ein Verband von Augenärzten. Er empfiehlt seinen Mitgliedern, ein Patienteninformationsblatt zu verwenden. Dort werden die Patienten zunächst darüber aufgeklärt, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr besteht, dass sich ein Glaukom (sog. Grüner Star) entwickelt, ohne dass frühzeitig Symptome auftreten. Deshalb werde eine allerdings von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlte Früherkennungsuntersuchung angeraten. Das Formular enthält anschließend folgende Passage: „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“

Darunter kann der Patient die Erklärungen „Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom).“ oder „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“ ankreuzen. Schließlich sind die Unterschriften des Patienten und des Arztes vorgesehen.

Verbraucherschutzverband klagt

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, meint, bei der Erklärung, die Patienteninformation gelesen und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten sei, handele es sich um eine unzulässige Tatsachenbestätigung. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung dieser Klausel (ggf. mit dem Zusatz „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“) zu empfehlen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Das Landgericht (LG) hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat sie das Oberlandesgericht (OLG) abgewiesen. Die Revision des Klägers beim BGH hatte keinen Erfolg.

Der BGH: Die angegriffene Klausel ist wirksam. Das Informationsblatt unterrichtet die Patienten über das Risiko eines symptomlosen Glaukoms und über die Möglichkeit einer (auf eigene Kosten durchzuführenden) Früherkennungsuntersuchung. Die umstrittene Klausel dient der Dokumentation der hierüber erfolgten Aufklärung und der Entscheidung des Patienten, ob er die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchte.

Vom Patienten unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular

Für die ärztliche Aufklärung gelten durch die Rechtsprechung des BGH entwickelte eigenständige Regeln, die auch das Beweisregime erfassen. Hiernach können unter anderem die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt herangezogen werden. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für den Inhalt der dem Patienten erteilten Aufklärung stellt in positiver wie auch in negativer Hinsicht insbesondere ein dem Patienten zur Verfügung gestelltes oder von diesem unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular dar. Dem Umstand, dass es sich um formularmäßige Mitteilungen, Merkblätter oder ähnliche allgemein gefasste Erklärungen handelt, hat der BGH dabei jeweils keine einer Beweiswirkung entgegenstehende Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat er auf die Vorteile vorformulierter Informationen für den Patienten hingewiesen und diesen selbst dann einen Beweiswert beigemessen, wenn sie nicht unterschrieben sind. An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 angeknüpft.

In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags fügt sich die angegriffene Klausel ein, sodass sie mit der Rechtslage übereinstimmt. (BGH, Urteil vom 2.9.2021, III ZR 63/20, PM 168/21)

Schadensmeldung: EC-Karte verloren? Schnell handeln!

Wer den Verlust der EC-Karte bemerkt und erst nach 30 Minuten veranlasst, die Karte zu sperren, verstößt gegen seine Obliegenheiten und kann keinen Ersatz von zwischenzeitlichen Abhebungen mit der Karte verlangen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M.

Die Klägerin hat in der Schadensanzeige mitgeteilt, um 10.10 Uhr den Verlust der Karte bemerkt zu haben. Später behauptete sie, den Verlust ihrer Geldbörse mit der EC-Karte erst um 10.30 Uhr bemerkt zu haben. Um 10.42 Uhr habe sie die Karte sperren lassen, mit der bereits um 10.15 Uhr und um 10.16 Uhr zweimal 500 Euro abgehoben wurden.

Das AG sah es als nicht ausgeschlossen an, dass die Klägerin EC-Karte und PIN gemeinsam verwahrt habe und stellt auf die Schadensmeldung ab. Wer ein Mobiltelefon mit sich führe, müsse direkt die Kartensperre veranlassen. Wäre dies um 10.10 Uhr geschehen, hätten die missbräuchlichen Abhebungen nicht stattfinden können. (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.8.2021, 32 C 6169/20)

Steuererklärung: Warnung: Wiederholt Betrugs-E-Mails im Umlauf

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) warnt vor Betrügern, die über die E-Mail-Adresse „steuerzahler@bzst.tax-official.com“ versuchen, an Informationen von Steuerzahlern zu gelangen. Sie versenden E-Mails mit dem Titel „Bekanntmachung über die Steuererklärung“ und behaupten, die Bürger könnten über einen Link weitere Informationen zu ihrem Steuererstattungsanspruch erhalten. Das BZSt warnt davor, hierauf zu reagieren bzw. den Link in der E-Mail zu öffnen.  (BZSt, Meldung vom 7.9.2021)

Privatschule: Probejahr mit beschränkter Kündigungsmöglichkeit erlaubt

In einem Privatschulvertrag wurde ein „Probejahr“ mit beidseitiger Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Eine Kündigung des Vertrags in diesem Zeitraum ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken aber nicht ohne Weiteres erlaubt mit Rücksicht auf die Nachteile, die die Beendigung des Schulverhältnisses für den weiteren Lebensweg eines Schülers mit sich bringen kann.

Die Kündigung sei unwirksam, wenn sie rechtsmissbräuchlich sei. Hier hatten sich Eltern und Schüler den pandemiebedingten Regeln der Schule widersetzt. Zu Recht gehe die Schule davon aus, dass ein solches Verhalten geeignet sei, das notwendige schulische Vertrauensverhältnis zu beeinträchtigen. Das OLG: Die Kündigung war hier daher nicht rechtsmissbräuchlich. (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9.9.2021, 5 W 29/21)

KfW-Förderprogramm: Bessere Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsneubaus

Seit dem 21.10.2021 ist ein neues Programm gestartet, mit dem der genossenschaftliche Wohnungsbau gefördert wird.

Wie bisher können Privatpersonen beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine Förderung beantragen, wenn sie eine Genossenschaftswohnung selbst nutzen. Mit dem neuen Programm sollen Haushalte gefördert werden, wenn sie sich an genossenschaftlichen Neubauvorhaben mit Geschäftsanteilen beteiligen. Geplant ist ein zinsgünstiges Darlehen mit einem Förderzuschuss in Höhe von 15 Prozent.

Schadenersatz: Schwierig: Wer haftet beim Unfall auf dem Bahnhof?

Ein Fahrgast der Deutschen Bahn stürzt auf einem Bahnhof. Doch gegen wen muss er seine ggf. bestehenden Ansprüche richten? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sagt nun: Vertragliche Ansprüche muss er gegen das Eisenbahnverkehrsunternehmen richten, mit dem er den Beförderungsvertrag abgeschlossen hat. Für deliktische Ansprüche kommt als Anspruchsgegner auch das Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Betracht, das den Bahnhof betreibt. Die Deutsche Bahn AG kann er in diesen Fällen nicht in Anspruch nehmen.

Sturz in der Unterführung

Ein Fahrgast des Personennahverkehrs war im Hauptbahnhof in einer dortigen Personenunterführung gestürzt. Er verlangte Schmerzensgeld und materiellen Schadenersatz nach dem OLG aber vom falschen Beklagten.

Geflecht von Bahn-Unternehmen

Die Deutsche Bahn AG hatte lediglich für einen Dritten, die DB Regio AG, die Fahrkarte verkauft. Die Deutsche Bahn AG ist auch nicht Betreiberin des Hauptbahnhofs. Diese Aufgabe nimmt die DB Station & Service AG wahr. Auch sei die Deutsche Bahn AG nicht Netzbetreiberin gewesen. Hiervon gebe es eine Vielzahl, wobei die DB Netz AG und die DB RegioNetz AG zu den größten Eisenbahninfrastrukturunternehmen gehörten. (OLG Hamm, Urteile vom 26.6. und 11.8.2021, 11 U 38/21)

Hausratversicherung: Kein Versicherungsschutz für im Haus erpresstes Geld vom Sparbuch

Ein Versicherungsnehmer wurde durch Drohung mit Gewalt gegen Tochter und Enkelkind in seiner Wohnung erpresst, von seinem Sparbuch Geld abzuheben und herbeizuschaffen, das sich außerhalb des Versicherungsorts auf der Bank befand. Kein Fall für die Hausratversicherung das folgt aus einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln.

Das OLG: Dies gilt auch, wenn sich das Sparbuch zum Tatzeitpunkt in der Wohnung befand. Bei einem Sparguthaben auf einem Sparbuch handelt es sich um ein durch den Einleger/Sparer der Bank gewährtes Darlehen, das nach Kündigung durch den Sparer als Darlehensgeber von der Bank zurückzuzahlen ist. Bei dem Sparbuch handelt es sich hingegen um eine sich hierüber verhaltende Schuldurkunde, deren Eigentümer der Gläubiger der Darlehensforderung gegen die Bank ist. (OLG Köln, Beschluss vom 19.7.2021, 9 U 172/20)

Operationsfolgen: Vorhaut vor 18 Jahren entfernt: Kein Schmerzensgeld für Spätfolgen

Ein 24-jähriger Mann aus Kleve, dem als Kind im Alter von fünf Jahren wegen einer diagnostizierten Phimose operativ die Vorhaut entfernt wurde und der darunter heute leidet, kann von dem behandelnden Urologen kein Schmerzensgeld verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden.

Bei dem Kläger wurde 2003 eine hochgradige Phimose diagnostiziert, eine Verengung der Vorhaut des Penis. Die Vorhaut wurde darauf operativ mittels Zirkumzision entfernt. Der Kläger meint, eine Salbentherapie, wie sie heute üblich ist, hätte ausgereicht. Darüber hätten seine Eltern aufgeklärt werden müssen. Er leide erheblich unter den Folgen. Deshalb verlangt er von dem Urologen und dem Träger des Krankenhauses, in dem der Eingriff 2003 durchgeführt wurde, 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Die Klage hatte das Landgericht (LG) bereits abgewiesen. Auch die Berufung des jungen Mannes bleibt ohne Erfolg. Er hat nicht beweisen können, dass die seinerzeit gestellte Diagnose einer hochgradigen Phimose falsch war.

Auch hat das OLG nicht feststellen können, dass die aufgrund dieser Diagnose durchgeführte Zirkumzision behandlungsfehlerhaft war. Denn die Behandlung durch den Urologen ist anhand der im Jahr 2003 geltenden Standards zu beurteilen. Diese hat das Gericht mit sachverständiger Hilfe festgestellt. Danach durfte der Urologe im Jahr 2003 davon ausgehen, dass die operative Entfernung der Vorhaut aufgrund der festgestellten Verengung geboten war. Über die Möglichkeit einer Salbentherapie musste er nicht aufklären, denn dies war nach den damaligen Verhältnissen nicht als gleichwertige Therapieform etabliert. Aus der maßgeblichen Sicht des Jahres 2003 ist dem Arzt und damit auch dem Krankenhaus nichts vorzuwerfen.

Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) hat der Senat nicht zugelassen. Dagegen kann der Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.7.21, I-8 U 165/20, PM 20/21 vom 1.7.2021)

Mobilfunkvertrag: Vertragsbindung bei Verlängerung mit neuem Smartphone über zwei Jahre hinaus zulässig

Ein Mobilfunkvertrag kann sich bei einem Tarifwechsel, den der Kunde vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit mit neuem Endgerät selbst wünscht, in zulässiger Weise um weitere 24 Monate ab dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit verlängern. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden und damit ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts (LG) Bonn bestätigt.

Verbraucherverband klagte

Der klagende Verbraucherverband hatte ein bundesweit agierendes Fest- und Mobilfunknetzunternehmen wegen Unterlassung in Anspruch genommen, weil dessen Vorgehensweise bei einer vorzeitigen Tarif- und Preisänderung mit neuem Endgerät zu einer unzulässigen bindenden Laufzeit des Vertrags von mehr als zwei Jahren führen könne. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der ursprüngliche Mobilfunkvertrag mehrfach verlängert worden, zuletzt im September 2019 ca. fünf Monate vor Ablauf der Mindestlaufzeit. Hierbei übernahm der Sohn des ursprünglichen Kunden den Vertrag, wobei ein Tarifwechsel stattfand und ein neues Endgerät erworben wurde. In ihrem Bestätigungsschreiben zu den geänderten Vertragsdetails führte die Beklagte u.a. aus, dass sich die Mindestvertragslaufzeit ab dem ursprünglichen Ende der Laufzeit um 24 Monate verlängere.

Das sagen die gerichtlichen Instanzen

Das LG hatte den Unterlassungsanspruch abgelehnt und die Klage abgewiesen. Dieser Auffassung hat sich das OLG angeschlossen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht von einem erstmaligen Abschluss eines Mobilfunkvertrags, sondern von einer Verlängerung des ursprünglichen Vertrags auszugehen sei. Dies ergebe die Auslegung der zugrundeliegenden Vertragserklärungen, in denen ausdrücklich von einer Vertragsverlängerung die Rede sei, der der Kunde zustimme. Die mit dem Tarifwechsel verbundene umfassende Änderung der Vertragsdetails ändere hieran nichts. Gegen die Annahme eines Neuabschlusses spreche insbesondere, dass die Leistungen nach der Änderung sofort wirksam wurden und die für die Zukunft vereinbarten Leistungen unmittelbar vor Ablauf des ursprünglichen Vertrags als vereinbart gelten sollten.

Interessenabwägung

Dieses Verständnis trage auch den Interessen der Vertragsparteien Rechnung: Zwar habe der Kunde ein Interesse, den Vertrag möglichst zeitnah zu beenden, um ohne vertragliche Bindung einen neuen Mobilfunkvertrag abschließen zu können, der sich an den aktuellen Konditionen orientiert. Dem stehe aber das Interesse des Unternehmens entgegen, die zulässige und vereinbarte Vertragslaufzeit einzuhalten, so dass aus seiner Sicht allein die Änderung des Vertrags mit neuen Konditionen zweckmäßig erscheine. Der Kunde erhalte somit im Gegenzug für eine verlängerte Bindung eine Änderung der Vertragskonditionen und die Möglichkeit, ein Handy zu vergünstigten Konditionen zu erwerben.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. (OLG Köln, Urteil vom 28.5.2021, Az. 6 U 160/20, PM 11/21 vom 28.6.2021)