Autobahnunfall: Bundespolizisten kann Mitschuld an Unfall treffen

Halten sich Polizisten nach Sicherung einer Unfallstelle noch knapp eine halbe Stunde nach einem vorausgegangenen Unfallereignis am Rand der linken Fahrbahn einer Autobahn auf dem ca. 70 cm breiten Zwischenstreifen zwischen dem Fahrbahnrand und der auf dem Mittelstreifen befindlichen Betonschutzwand auf, ohne den herannahenden Verkehr ausreichend zu beobachten und sich hinter die Betonschutzwände zu begeben, und werden sie deshalb tragisches Opfer eines weiteren Verkehrsunfalls, trifft sie eine Mitschuld. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat insoweit einen Mitverschuldensanteil der betroffenen Polizeibeamten an der Entstehung des Verkehrsunfalls im Umfang von 1/3 ausgesprochen.

Tödlicher Unfall: PKW überfuhr Polizeibeamte

Die klagende Bundesrepublik Deutschland nimmt die Beklagten (Fahrer, Versicherer und Halter) als Dienstherr zweier ihrer bei dem streitigen Verkehrsunfall im November 2015 verletzten Bundespolizeibeamter und eines dabei getöteten Bundespolizeibeamten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Auf der BAB A4 war es bei Kirchheim zu einem Verkehrsunfall gekommen. Ein involviertes Fahrzeug blieb dabei auf dem linken von drei Fahrstreifen liegen, Trümmerteile befanden sich auf den beiden anderen Spuren. Drei sich auf dem Heimweg befindliche Bundespolizisten passierten die Unfallstelle und entschlossen sich, anzuhalten, und die Unfallstelle abzusichern. Nachfolgend ca. 30 Minuten später und nachdem die beiden rechten Fahrspuren vom Verkehr wieder befahren wurden kollidierte der mit einem PKW die dritte Fahrspur der BAB A4 befahrende beklagte Fahrer frontal mit einem der drei sich auf dem Zwischenstreifen befindlichen Polizisten. Der Polizeibeamte wurde durch diesen Verkehrsunfall getötet. Nachfolgend kollidierte der beklagte Fahrer mit den beiden weiteren Beamten, die teilweise erheblich verletzt wurden. Der beklagte Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

So entschied das Landgericht

Die Klägerin begehrt nun Ersatz der von ihr an die Hinterbliebenen erbrachten Leistungen in Höhe von knapp 350.000 Euro. Ausgehend von der vollständigen Haftung des beklagten Fahrers hat das Landgericht (LG) der Klage in Höhe von rund 210.000 Euro stattgegeben. Die Klageabweisung bezog sich auf Leistungsteile, die das LG als nicht auf die klagende Bundesrepublik übergegangen angesehen hat.

So entschied das Oberlandesgericht

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Grundsätzlich hafteten die Beklagten für die unfallbedingten Schäden, bestätigte der Senat die Entscheidung des LG. Die Haftung beschränke sich allerdings im Umfang auf 2/3. „Die geschädigten Beamten haben sich als Fußgänger im Bereich der Fahrbahn der BAB A4 verkehrswidrig verhalten und dadurch eine nicht unerhebliche Schadensursache gesetzt,“ begründete das OLG die angenommene Mitschuld. Das nur in Ausnahmefällen zulässige Betreten einer Autobahn dürfe nur mit höchstmöglicher Sorgfalt und so kurz wie möglich erfolgen.

Beamte befanden sich nicht nur möglichst kurz auf der Autobahn

Hier hätten sich die Beamten fahrlässig selbst gefährdet, als sie sich noch knapp eine halbe Stunde nach dem Unfallereignis „auf dem linken Seitenstreifen befanden, ohne den herannahenden Verkehr zumindest sorgfältig zu beobachten und ohne angemessen auf diesen Verkehr zu reagieren“. Der zeitliche Abstand zwischen dem ersten und dem hier streitigen Unfall folge aus den überzeugenden Angaben der vernommenen Zeugen. Aus den Zeugenaussagen folge zudem, dass die linke Fahrspur unmittelbar vor dem hier streitgegenständlichen Unfall über mehrere 100 Meter komplett frei gewesen und vom Wetter her gut einsehbar gewesen sei.

Der Zeuge habe auch angegeben, dass zwei dunkle Fahrzeuge am Ende der Fahrspur zu erkennen gewesen seien, die ziemlich schnell und hintereinander an den anderen Fahrzeugen vorbeigefahren seien. Damit sei davon auszugehen, dass bei aufmerksamer Beobachtung des herannahenden Verkehrs eine rechtzeitige Reaktion aller drei Beamten etwa durch das Überklettern der die beiden Fahrbahnen trennenden und ca. 92 cm hohen Betonschutzwände möglich gewesen und der Unfall vermieden worden wäre.

Bewerte man die beiderseitigen Verursachungsbeiträge, sei von einer Haftung von 1/3 aufseiten der handelnden Beamten und zu 2/3 von den Beklagten auszugehen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Teil-Grundurteil und Teil-Endurteil vom 5.12.2024, 15 U 104/22, PM 70/24

Haftung: Stichflamme: Schaden beim Tanken aus Benzinkanister

Schäden beim Betankungsvorgang sind nur beim Betrieb eines Fahrzeugs eingetreten, wenn sich bei der Schadensentstehung die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr realisiert hat. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden festgestellt.

Das war geschehen

Die Klägerin nahm die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Gebäudeversicherer aufgrund eines Schadensfalls aus übergegangenem Recht in Anspruch. Die Beklagte zu 1) ist Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 2) versuchte, am 26.7.2017 in einer Tiefgarage der Beklagten in Leipzig sein Fahrzeug mit Benzin aus einem Plastikkanister zu betanken. Nachdem er Tankdeckel und Benzinkanister geöffnet hatte, um den Kraftstoff einzufüllen, wurde der Benzinkanister durch eine Stichflamme in Brand gesetzt, was zu erheblichen, vor allem Verrußungsschäden am Objekt der Versicherungsnehmerin der Klägerin führte. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) blieb unversehrt, da dieser noch nicht mit dem eigentlichen Befüllen des Tanks begonnen hatte und es ihm gelang, den brennenden Kanister in hinreichender Entfernung vom Fahrzeug abzustellen.

Die Klägerin hat sich darauf berufen, der Brand sei „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (hier: § 7 Abs. 1 StVG) entstanden, weil der Brand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem (geplanten) Betankungsvorgang gestanden habe Die Beklagte hat dem entgegengehalten, der Brand sei noch vor dem Betanken durch eine statische Aufladung des vom Fahrzeug unabhängigen Kanisters entstanden. Ein hinreichender Zusammenhang mit dem Betrieb des zu betankenden Fahrzeugs sei deshalb zu verneinen.

Landgericht: Klage stattgegeben

Das Landgericht (LG) hat nach Anhörung eines sachverständigen Zeugen der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung beider Beklagten, mit der sie die Klageabweisung begehren. Sie rügen vor allem, das LG habe die Grenzen der prozessualen Darlegungslast verkannt und die Reichweite des § 7 Abs. 1 StVG nicht richtig eingeschätzt.

Oberlandesgericht: Klage abgewiesen

Das OLG gab den Beklagten Recht, hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Ein Schaden sei zwar bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d. h., wenn das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit)geprägt wurde. Hier sei das Fahrzeug bei dem Brand aber unbeteiligt gewesen, habe keine Ursache für die Entzündung des Kanisters gesetzt und sei auch nicht durch den Brand am Kanister beschädigt worden. Eine dem Kraftfahrzeug innewohnende Gefahr habe sich damit nicht verwirklicht.

Zwar sei das Tanken ein Betriebsvorgang und der Tank an sich ein Betriebsteil, der geeignet ist, das Merkmal „beim Betrieb“ auszufüllen. Mit der Betankung im eigentlichen Sinne war hier aber noch nicht begonnen worden, sodass sich eine vom Fahrzeug, hier speziell vom Tank ausgehende spezifische Gefahr (noch) nicht verwirklichen konnte. Weder in erster noch in zweiter Instanz habe die Klägerin den Vortrag der Beklagten bestritten, wodurch der Kanister sich durch eine statische Aufladung selbst entzündet hatte, bevor mit der Betankung begonnen worden war. Dies sei auch plausibel, denn ebenso unstreitig ist das Fahrzeug nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.

Quelle: OLG Dresden, Urteil vom 1.10.2024, 4 U 446/24

Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge: Drogenkonsum: Radfahren darf nicht verboten werden

Die Fahrerlaubnis-Verordnung bietet keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (u. a. Fahrräder, Mofas, E-Scooter). Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden. Damit sind zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig wieder berechtigt, mit solchen Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen.

Unter Amphetaminen auf dem E-Scooter bzw. betrunken auf dem Rad

Ein Antragsteller fuhr unter dem Einfluss von Amphetamin einen E Scooter. Der andere Antragsteller wies bei einer Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Beide besitzen keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (z. B. Pkw). In beiden Fällen untersagten die Fahrerlaubnisbehörden ihnen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Die hiergegen gerichteten Eilanträge lehnten die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Gelsenkirchen ab. Die Beschwerden der Antragsteller hatten beim OVG Erfolg.

Einschlägige Normen nicht verhältnismäßig

Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die streitigen Anordnungen können nicht auf die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden, wonach die Fahrerlaubnisbehörde jemandem das Führen von Fahrzeugen zu untersagen hat, der sich als hierfür ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Denn diese Norm ist nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.

Ein solches Verbot schränkt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen deutlich ein. Außerdem sind fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich. Die Vorschrift berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend klar, in welchen Fällen jemand ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist und wann Eignungszweifel bestehen.

Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.

Quelle: OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024

Schadenersatz: Feststellungsinteresse beim Unfall mit Leasingfahrzeug

Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus.

Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden

Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.

Keine Leistungsklage erforderlich

Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.

Quelle: LG Halle, Urteil vom 10.10.2024, 4 O 224/24

Beweisaufnahme: Mit 190 Stundenkilometern im Dunkeln auf der Autobahn

Konnte ein Unfall vermieden werden oder nicht? Diese Frage stellt sich bei vielen Verkehrsunfällen. In einem Fall des Landgerichts (LG) Braunschweig war dies jedoch recht eindeutig.

Am Ende der Beweisaufnahme stand fest, dass der mit 190 km/h auf der linken Spur der Autobahn im Dunklen herannahende Beklagte den Unfall mit dem Spurwechsler problemlos durch eine Bremsung mit mittlerer Intensität hätte vermeiden können. Das ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, die nicht immer so eindeutig zu beantworten ist, wie im Fall des LG.

Das LG weiter: Als die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs erhöhender Umstand war zu berücksichtigen, dass der Zeuge die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h mit der gefahrenen Geschwindigkeit von 190 km/h deutlich überschritten hat. Verstärkt wird diese Gefahrerhöhung dadurch, dass es zum Unfallzeitpunkt bereits dunkel war.

Quelle: LG Braunschweig, Urteil vom 24.10.2024, 4 O 1139/22

Bundesgerichtshof: Betreiber einer Waschanlage haftet für abgerissene Anbauteile

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für einen Fahrzeugschaden entschieden.

Das war geschehen

Der Kläger verlangt Schadenersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet: „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen: Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…). Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“ Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: „Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“

Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeugausstattung gehörende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschädigt wurde. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 3.219,31 Euro, eine Nutzungsausfallentschädigung (119 Euro) für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.

Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht (LG) die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Sie führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH: Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schadenersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Geschuldet sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Hierbei trägt grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Abweichend davon muss sich allerdings der Schädiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens entlasten, sondern auch darlegen und ggf. beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.

Ursache der Beschädigung liegt bei Autowaschanlage

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Es kam zu der Beschädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug, wie dasjenige des Klägers, mit einer serienmäßigen Ausstattung, wie dem betroffenen Heckspoiler, konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.

Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht. Das Fahrzeug des Klägers war vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.

Heckspoiler gehörte zur Serienausstattung

Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler…)“ erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört und ordnungsgemäß befestigt war, sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“ einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Waschanlagennutzer schon nicht hinreichend klar, dass gegebenenfalls von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.

Quelle: BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 39/24, PM vom 21.11.2024

Sorgfaltspflicht: Trotz Sondersignal langsam in die Kreuzung einfahren

Auch wenn der Fahrer des nicht vorfahrtsberechtigten Einsatzfahrzeugs Sondersignale nutzt, muss er sich in einen Kreuzungsbereich langsam hineintasten. So sieht es das Landgericht (LG) Köln.

Besonderheiten des Falls

Im konkreten Fall war streitig und blieb nach der Beweisaufnahme offen, ob Blaulicht und Martinshorn des Polizeifahrzeugs schon vor der Kreuzung oder erst nach Einfahrt in die Kreuzung eingeschaltet wurden. Wer das Sonderrecht der Straßenverkehrsordnung (hier: § 38 Abs. 1 StVO) für sich in Anspruch nimmt (hier das beklagte Land), muss jedoch beweisen, dass er neben dem blauen Blinklicht auch das Einsatzhorn verwendet hat. Dennoch war das Land nur bereit, 60% des Schadens zu tragen.

Sorgfaltspflichten beachten

Wer ein Sondersignal nutzt, muss sorgfältig beobachten, ob sein Signal von allen anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wird. Bei einer Kollisionsgeschwindigkeit des Polizeifahrzeugs von 25 bis 32 km/h beim Zusammenstoß mit dem Querverkehr ist es ausgeschlossen, dass dieser Pflicht Genüge getan wurde, entschied das LG. Dementsprechend musste das Land 100 % des Schadens tragen.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 5.12.2024, 5 O 204/23

Schutzbehauptung: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen (unbewusster) Einnahme harter Drogen

Das Verwaltungsgericht (VG) München musste sich in einem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Behauptung des Vertauschens/Manipulierens der Blutprobe und zur Behauptung der unbewussten Aufnahme von Betäubungsmitteln durch ein Antidepressivum auseinandersetzen.

Drogenaufnahme nur versehentlich: hohe Anforderungen der Rechtsprechung

Das VG hat die Einwände des Betroffenen nicht gelten lassen. Es bezieht sich in dieser Frage auf die Rechtsprechung der Obergerichte.

Soweit der Konsum von Amphetamin als solcher bestritten wird, setzt die erfolgreiche Behauptung einer ggf. unbewussten Drogenaufnahme oder einer Vertauschung/Manipulation voraus, dass der Betroffene nachvollziehbar und in sich schlüssig einen Sachverhalt darlegt, der ein derartiges Geschehen ernsthaft möglich erscheinen lässt. Daran fehlte es hier. Das alleinige Bestreiten des Konsums wobei der Betroffene hier sogar eine angekündigte eidesstattliche Versicherung schuldig geblieben war und der möglichen Erklärung des Antragstellers, dass die Probe vertauscht/manipuliert worden sei oder hilfsweise, dass er ein Antidepressivum nehme, reichte dem VG jedenfalls nicht aus.

Keine nachvollziehbaren Angaben des Betroffenen

Es fehlte ihm bereits an nachvollziehbaren Angaben, wie die Probe vertauscht/manipuliert worden sein soll. Die schwerwiegenden und möglicherweise strafrechtlich relevanten Mutmaßungen, der Polizist sei mit den Proben alleine gewesen und könnte diese vertauscht haben, seien äußerst vage. Sie werden jedenfalls durch die Stellungnahmen des Labors („4-Augen-Prinzip“) und der Polizei entkräftet. Zudem sei weder ersichtlich noch im Ansatz plausibel vorgetragen, wie mit Amphetamin kontaminiertes Blut in dieser Situation in das Probenröhrchen des Betroffenen gelangt sein soll. Der Vortrag sei somit als bloße Schutzbehauptung zu werten. Dem Antragsteller bleibe es im Übrigen unbenommen, eine DNA-Analyse mit der Rückstellprobe zu veranlassen und diese im Hauptsacheverfahren vorzulegen. Warum dies vonseiten des Antragstellers zur Untermauerung seiner Vorwürfe nicht längst vorgenommen wurde, war für das VG nicht nachvollziehbar.

Quelle: VG München, Beschluss vom 30.8.2024, M 6 S 24.3538

„Promillefahrt“: Keine Fahruntüchtigkeit durch Schnaps-Pralinen

Ein Angeklagter hatte behauptet, seine Fahruntüchtigkeit versehentlich herbeigeführt zu haben. Seine Erklärung: der Verzehr von Schnaps-Pralinen. Den alkoholischen Gehalt der Pralinen habe er nicht bemerkt. Das glaubte ihm das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. nicht.

Mit 1,32 Promille Auto gefahren

Nach den Feststellungen des Gerichts fuhr der Angeklagte im Januar 2024 gegen drei Uhr morgens mit seinen Pkw durch Hofheim am Taunus. Er hatte dabei eine Blutalkoholkonzentration von 1,32 ‰. Dadurch war er nicht mehr in der Lage, sein Fahrzeug mit der im Straßenverkehr erforderlichen Sicherheit zu führen. Seine Fahruntüchtigkeit, so das AG, habe der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.

Das AG belegte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr mit einer Geldstrafe und ordnete die Entziehung der Fahrerlaubnis an. Der Angeklagte hatte angegeben, dass er nach einem Saunabesuch unterzuckert in seinem Fahrzeug auf dem Parkplatz eingeschlafen sei. Er habe von einem unbekannten Pärchen einen Beutel mit annähernd tischtennisball-großen, vermutlich mit Vodka gefüllten Pralinen angeboten bekommen. Von diesen habe er acht oder neun Stück gegessen. Dass diese Pralinen mit Alkohol gefüllt waren, habe er beim Verzehr nicht bemerkt.

Angaben nicht glaubhaft: Schutzbehauptung

Diese Angaben hielt das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme für nicht glaubhaft. Nach Einschätzung der Sachverständigen hätte der Angeklagte zum Erreichen der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,32 ‰ ca. 0,2 bis 0,3 Liter eines hochprozentigen Getränks (40 bis 60 %) trinken müssen. Dies entspräche mindestens 132 Pralinen der Marke „Mon Chéri“. Auch wenn man zugunsten des Angeklagten davon ausgehe, dass dieser nicht neun, sondern sogar zwölf tischtennisball-große Pralinen verzehrt habe, hätte jede dieser Pralinen immer noch mehr als 2 cl, also jeweils einen „Shot“, eines 40 %-igen alkoholischen Getränks enthalten müssen. Ob man ein solches Produkt überhaupt noch als „Praline“ bezeichnen und käuflich erwerben könne, sei zweifelhaft. Jedenfalls sei es bei dieser Menge „absolut fernliegend“, dass der Angeklagte die Alkoholfüllung nicht wahrgenommen haben wolle. Es handele sich um eine nicht glaubhafte Schutzbehauptung.

Quelle: AG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.8.2024, 907 Cs 515 Js 19563/24, PM 9/24

Stadtverwaltung: Bewohnerparkausweis auch für im Ausland zugelassene Fahrzeuge

Mit einem aktuellen Urteil hat das Verwaltungsgericht (VG) Gießen die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt.

Das war geschehen

Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweise zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.

Verwaltungsgericht gab der Studentin recht

Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.

Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.

Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.

Quelle: VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI, PM vom 19.22.2024