Vorfahrtverletzung: Wenn der Rennradfahrer auf der Straße fährt…

Jedenfalls bei einer krassen Vorfahrtverletzung durch den Schädiger trifft den vorfahrtsberechtigten Rennradfahrer kein Mitverschulden, wenn er trotz vorhandenen Radwegs auf der Straße fährt. Daher hat das Landgericht (LG) Köln offengelassen, ob dem Rennradfahrer die Benutzung des kombinierten Geh- und Radwegs zumutbar war und ob das entsprechende Verkehrsschild für ihn sichtbar war. |

Entscheidend: Zurechnungszusammenhang

Hier war der sogenannte Zurechnungszusammenhang entscheidend, also der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Schaden. Dieser besteht immer, wenn der Eintritt des Schadens die spezifische Folge der Gefahren ist, vor denen die verletzte Vorschrift den Verkehr schützen will.

Krasser Verkehrsverstoß des Autofahrers

Hier hätte der Zurechnungszusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Verkehrsteilnehmers und seiner späteren Beteiligung an einem Verkehrsunfall bestehen können. Dafür genügt es laut dem LG aber nicht schon, dass der Unfall ohne den Verkehrsverstoß vermieden worden wäre, weil der Verkehrsteilnehmer sich bei verkehrsordnungsgemäßer Fahrweise nicht an der Unfallstelle befunden hätte. Vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die Gefahr erhöht haben, die zu vermeiden dem Verkehrsteilnehmer durch die in Frage stehende Norm aufgegeben war. Davon kann bei einem krassen Vorfahrtverstoß des Unfallgegners aber nicht ausgegangen werden. Denn die Straßenverkehrsordnung (hier: § 2 Abs. 4 S. 2 StVO) will typische Gefahrensituationen im gemischten Verkehr verhindern. Dazu gehört etwa die Gefährdung von Radfahrern mit nicht immer vermeidbarer schwankender Fahrlinie infolge zu großer Fahrzeugdichte und zu geringen Seitenabstands, nicht aber die Gefährdung durch vermeidbare Vorfahrtverstöße anderer Verkehrsteilnehmer.

Quelle | LG Köln, Urteil vom 23.10.2023, 15 O 424/21

Bußgeld: Wichtig: Selbstbeherrschung (nicht nur) im Straßenverkehr

Ein Abschleppunternehmer schlug aus Wut auf die Motorhaube eines Polizeifahrzeugs. Sein Jähzorn machte alles noch schlimmer, wie ein Fall des Amtsgerichts (AG) Ellwangen zeigte.

Das war geschehen

Der Inhaber eines Pannendienstes hatte sein Telefon in der Hand, während er privat mit seinem Pkw fuhr. Zwei Streifenbeamte zeigten ihn deswegen an. Ob sich das Telefon an Mund oder am Ohr befand, konnten die Beamten jedoch vor dem AG acht Monate später nicht mehr sagen.

So schilderten die Polizisten den Vorfall

Erinnern konnten sie sich aber daran, dass der Unternehmer aufgebracht war, die Tat als „Kleinigkeit“ bezeichnet hatte und geäußert hatte, er werde nie wieder Fahrzeuge für die Polizei abschleppen. Anschließend habe er wütend auf die Motorhaube des Streifenwagens geschlagen.

Daran erinnerte sich der Unternehmer (nicht)

Der Abschleppunternehmer meinte, evtl. sein Telefon in der Hand gehabt zu haben, um es an einer anderen Stelle zu platzieren. Zum Telefonieren hätte er seine Handyschutzhülle aufklappen und sein Smartphone durch Eingabe eines Codes entsperren müssen. Geld spiele keine Rolle, es solle jeder „seine Worte sprechen, wie es war“.

Das Amtsgericht fand deutliche Worte

Die Antwort des AG ließ nicht lange auf sich warten: Es verdoppelte die Regelgeldbuße auf 200 Euro. An der Glaubwürdigkeit der Polizisten hatte es keinen Zweifel. Es spreche sogar für die beiden, wenn sie sich nach acht Monaten nicht mehr an die Position des Handys beim Unternehmer erinnern konnten, wohl aber an die respektlosen Begleitumstände.

Polizeibeamte waren „überaus glaubhaft“

Wörtlich fuhr das AG fort: „Vom Jähzorn des Betroffenen, der sofort laut wird, wenn ihm ein Satz nicht genehm ist, konnte sich das Gericht in der Hauptverhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen.“ Auch das führte dazu, dass es die Aussagen der Beamten zum Verhalten des Unternehmers als „überaus glaubhaft“ beurteilte.

Quelle: AG Ellwangen, Urteil vom 14.4.2023, 7 OWi 36 Js 5096/23

Mittäterschaft: Straßenverkehrsgefährdung ist auch durch Mitfahrer möglich

Ein sog. „verkehrsfeindlicher Inneneingriff“, der zur Annahme eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr führt, kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Nicht der Angeklagte, sondern sein Bruder war gefahren

Der Angeklagte war zusammen mit seinem Bruder, der den Pkw steuerte, zu einem mit einem Dritten vereinbarten Treffpunkt gefahren. Dort war der Bruder des Angeklagten auf diesen Dritten zugefahren. Der Angeklagte und sein Bruder hatten dabei in Kauf genommen, dass der Dritte tödliche Verletzten erleiden konnte. Dies entsprach dem Tatplan beider. Der Geschädigte konnte auf die Motorhaube des Pkw springen und sich abrollen; er blieb unverletzt und ergriff die Flucht.

Kein eigenhändiges Delikt

Die hier in Rede stehende Straßenverkehrsgefährdung gemäß Strafgesetzbuch (hier: § 315b Abs. 1 StGB) ist kein eigenhändiges Delikt, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann. Der BGH hat die Verurteilung auch des Angeklagten daher nicht beanstandet.

Das war der Tatbeitrag

Der Angeklagte hatte das Kraftfahrzeug zwar nicht eigenhändig geführt. Er hatte aber das Tatfahrzeug zur Verfügung gestellt, das Fahrziel vorgegeben und war während der Tatausführung im Fahrzeug anwesend. Er konnte zudem Einfluss auf die Handlungen seines Bruders nehmen und wies ein erhebliches Tatinteresse auf, nachdem er zuvor mit dem Geschädigten Beleidigungen und Bedrohungen ausgetauscht hatte.

Quelle: BGH, Beschluss vom 16.8.2023, 4 StR 227/23

Geschwindigkeitsmessung: Softwareveränderung beim standardisierten Messverfahren

Oft sind Geschwindigkeitsmessungen angreifbar. In einem Fall des Kammergerichts (KG) Berlin ging es darum, welche Folgen eine Veränderung der Software des Messgeräts hatte.

Das KG stellt fest: Wird bei der konkreten Messung mit dem Geschwindigkeitsmessverfahren Poliscan FM1 mit der Softwareversion 4.4.9. der Messbereich eine sog. Hilfsgröße nicht erfasst, wird das Messergebnis dadurch nicht unverwertbar. Gleiches gilt, wenn die Rohmessdaten nicht gespeichert werden. Wird die Gerätesoftware verändert, entfällt dadurch in der Regel nicht die Standardisierung. Der Betroffene hat weder einen einfachgesetzlichen noch einen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch darauf, dass die Beweismittel hier: die Erfassung von Messgrößen im Messbereich generiert werden.

Auch die mit der aktualisierten Gerätesoftware gewonnenen Messdaten unterliegen keinem (ungeschriebenen) Beweisverwertungsverbot. Ein solches käme nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Rechtsverstößen in Betracht, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch unberücksichtigt geblieben sind.

Quelle: KG, Beschluss vom 8.12.2023, 3 ORbs 229/23

Schadenersatzanspruch: Auch für alte Kleinwagen gibt es eine Nutzungsausfallentschädigung

Ist ein Fahrzeug mehr als fünf Jahre alt, stuft das Amtsgericht (AG) Aue-Bad Schlema die Nutzungsausfallentschädigung um eine und bei mehr als zehn Jahren um zwei Gruppen ab.

So rechnete das Amtsgericht

Wenn ein ca. 15 Jahre alter Kleinwagen mit ca. 194.000 km Laufleistung, der ohne Altersabstufung in die Gruppe B gehört, betroffen ist, wird jedoch nur eine Gruppe abgestuft. Denn tiefer geht es nicht. So gab es im vom AG entschiedenen Fall einen Tagessatz von 23 Euro.

Der Versicherer hatte nur minimale Vorhaltekosten erstattet. Das lehnt das Gericht ab. Denn das komme nur in Betracht, wenn ein Fahrzeug nicht nur alt, sondern in einem so schlechten Zustand ist, dass seine Nutzbarkeit deutlich eingeschränkt ist.

Entgangene Fortbewegungsmöglichkeit

Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass sich hinter den Vorhaltekosten letztlich kaum mehr als die Fixkosten wie Steuern, Versicherung etc. verbergen, es sich hierbei also um einen weitaus geringeren Betrag handelt. Mit zunehmendem Fahrzeugalter spiele letztlich nur die entgangene Fortbewegungs- und Transportmöglichkeit eine Rolle. Allein aufgrund des Alters des Fahrzeugs könne daher nicht ohne Weiteres von einer weiteren Einschränkung des Nutzungswerts bis zum Betrag von Vorhaltekosten ausgegangen werden.

Quelle: AG Aue-Bad Schlema, Urteil vom 28.2.2024, 3 C 241/23

Drogenfahrt: Anfangsverdacht für Anordnung einer Blutprobe

Bei der Anordnung der Entnahme einer Blutprobe kann sich die Frage des sog. Richtervorbehalts stellen. Das bedeutet, dass nur ein Richter bestimmte Maßnahmen anordnen kann. Das Amtsgericht (AG) Ratzeburg hatte zu entscheiden, wann eine Blutprobe durch einen Polizeibeamten angeordnet werden kann.

Polizist vermutete eine Drogenfahrt und ordnete Blutprobe an

In dem Fall hatte der Fahrer eines Pkw bei einer Standkontrolle auf einem BAB-Rastplatz sehr nervös gewirkt. Er konnte nicht stillstehen und hatte deutlich zitternde Hände. Ebenso führte er häufig seine Hände an verschiedene Körperstellen, einmal zum Kratzen am Hals, einmal, um in seine Hosentaschen zu greifen. Zudem war er redselig und aus Sicht des kontrollierenden Polizeibeamten unangepasst euphorisch. Aus diesen Beobachtungen leitete der den Verdacht ab, dass der Betroffene eine Drogenfahrt begangen haben könnte. Da der Pkw-Fahrer einen Urintest verweigerte, wurde eine Blutprobe angeordnet. Nach deren Ergebnis befanden sich im Blut des Betroffenen 3,9 ng/ml THC.

Verteidigung hatte keinen Erfolg

Zwar sei die Anordnung einer Blutprobe im Bußgeldverfahren eine Maßnahme, die grundsätzlich mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar ist. Hier habe die Blutentnahme aber nicht durch einen Richter angeordnet werden müssen.

Der Gesetzeswortlaut fordert einen „einfachen“ Verdacht, also keinen hinreichenden oder gar dringenden Tatverdacht. Ein solcher Anfangsverdacht setzt nur voraus, dass zureichende, über bloße Vermutungen hinausreichende, tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen.

Entscheidend: viele Auffälligkeiten beim Autofahrer

Das AG hat dem Verteidiger zwar zugestanden, dass die von dem Polizeibeamten geschilderten Umstände isoliert betrachtet den Verdacht einer Drogenfahrt nicht begründen könnten. Entscheidend sei indessen, dass eine Vielzahl von Besonderheiten beim Betroffenen vorgelegen haben, die eben diesen Verdacht begründeten.

Mag man durch die Situation der polizeilichen Kontrolle noch die Nervosität des Betroffenen erklären können, gilt dies nicht für das Hinzutreten zitternder Hände sowie einer in der Situation unangemessenen Euphorie. Derartige kumulative, situationsuntypische Reaktionen sind gerade durch die Einnahme von Betäubungsmittel zu erklären.

Quelle: AG Ratzeburg, Urteil vom 22.12.2023, 31a OWi 46/23 jug.

Versicherungsschutz: Tödlicher Motorradunfall auf dem Rückweg vom Urlaub: Unfallversicherung muss Witwe Rente zahlen

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Klägerin ein Anspruch auf Sterbegeld und Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht, nachdem ihr Ehemann einen tödlichen Motorradunfall erlitten hatte.

Ehemann der Klägerin bei Verkehrsunfall tödlich verletzt

Der Ehemann der Klägerin war Inhaber eines Autohauses in Berlin und als Unternehmer freiwillig bei der beklagten Berufsgenossenschaft versichert. Die Klägerin war in dem Autohaus angestellt tätig. Die gemeinsame Wohnung der Eheleute lag etwa 14 km vom Autohaus entfernt. Am 19.8.2013 reisten beide gemeinsam auf ihrem Motorrad aus einem mehrtägigen Urlaub in Thüringen die rund 400 km lange Strecke zurück nach Berlin, der Ehemann lenkte das Motorrad. Da die Tochter des Ehepaares während des Urlaubs die Geschäfte des Autohauses weitergeführt hatte und wegen eines Zahnarzttermins um 14:00 Uhr auf ihrer Arbeit abgelöst werden sollte, wollten sich die Eheleute aus Thüringen kommend direkt zum Autohaus begeben. Dort sollten von beiden die weiteren Geschäfte aufgenommen werden, ohne zuvor in die Familienwohnung zu fahren. Bereits auf dem Berliner Stadtgebiet, noch bevor sich die Wege zum Autohaus und zur Familienwohnung gabelten, kam es gegen 13:25 Uhr zu einem Verkehrsunfall, bei dem sich die Klägerin erheblich verletzte und ihr Ehemann verstarb.

Berufsgenossenschaft lehnte Sterbegeld ab

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen (Sterbegeld und Witwenrente) zu erbringen. Ihr Ehemann habe sich bei dem Unfall nicht auf einem versicherten Arbeitsweg befunden, sondern lediglich auf einem privat veranlassten Rückweg von einer Urlaubsreise. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin und die Berufung vor dem LSG blieben zunächst ohne Erfolg. Auf die vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene und von der Klägerin eingelegte Revision hin hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts sowie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Landessozialgericht spricht Hinterbliebenenleistungen zu

Das LSG hat jetzt entschieden: Der Ehefrau stehen Hinterbliebenenleistungen zu. Der tödliche Motorradunfall stelle für den Ehemann als freiwillig versicherten Unternehmer einen Arbeitsunfall dar.

Zum einen sei der Ehemann versichert gewesen, weil er sich selbst zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem direkten Weg zum Autohaus begeben wollte, um dort seiner Arbeit nachzugehen. Zum anderen habe Versicherungsschutz auch deshalb bestanden, weil die objektiven Begleitumstände und die Angaben der Ehefrau darauf schließen ließen, dass der verunglückte Ehemann seine Frau direkt zum Autohaus gefahren habe, damit diese dort die gemeinsame Tochter bei der Arbeit habe ablösen können. Damit liege ein versicherter, sogenannter „Betriebsweg“ vor, der nicht auf das Betriebsgelände beschränkt sei, aber dennoch im unmittelbaren betrieblichen Interesse liege.

Dem Versicherungsschutz stehe nicht entgegen, dass der Weg aus dem Urlaub (von einem „dritten Ort“ aus) angetreten worden sei und mithin erheblich länger gewesen sei, als es die Strecke von der Wohnung zur Arbeit gewesen wäre. Entscheidend sei, dass der zurückgelegte Weg die direkte Strecke zum Autohaus gewesen sei bzw. dass der subjektive Wille in erster Linie auf die Wiederaufnahme der Arbeit gerichtet gewesen sei. Dies hat das LSG anhand der vorliegenden Indizien des Falls bejaht. Insbesondere seien auch der Unfallzeitpunkt (13:25 Uhr) und der Zeitpunkt, zu dem die Tochter im Autohaus abgelöst werden sollte (14:00 Uhr), zeitlich stimmig.

Quelle: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.1.2024, L 21 U 202/21, PM vom 1.2.2024

Abschleppkosten: Versicherer-Einwand von zu großem Abschlepp-Lkw

Die Abschleppunternehmer rechnen üblicherweise nach Einsatzstunden ab, wobei im Stundensatz die Kosten für das Fahrzeug und den Fahrer enthalten sind. Die Preis- und Strukturbefragung des Verbands Bergen und Abschleppen (VBA) differenziert dabei im unteren Segment nach Abschleppfahrzeugen unter und über zwölf Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (zGG). Das Amtsgericht (AG) Pforzheim musste einen Fall entscheiden, bei dem der Abschleppunternehmer mit einem 13-Tonner vorgefahren kam.

Der Versicherer trug vor, bei dem konkreten Gewicht des zu transportierenden Fahrzeugs hätte auch ein 11-Tonner genügt. Auf dieser Grundlage hatte er die Abschleppkosten nur reduziert erstattet.

Das Gericht entschied: Es möge es sein, dass ein 11-Tonner genügt hätte. Doch sei dies im Vorhinein nicht abschätzbar.

Quelle: AG Pforzheim, Urteil vom 11.1.2024, 9 C 1207/23

Kosten für Leerfahrt: Abschleppen eines Privatfahrzeugs von Carsharing-Parkplatz darf angeordnet werden

Das Ordnungsamt darf einen privaten Pkw, der auf einem Carsharing-Parkplatz abgestellt worden ist, unabhängig davon abschleppen lassen, ob ein Carsharing-Fahrzeug an der Nutzung dieses Parkplatzes konkret gehindert worden ist. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und die Klage der Fahrzeugführerin gegen einen Leistungs- und Gebührenbescheid abgewiesen.

Die Klägerin hatte ihren Pkw auf einer Fläche abgestellt, die durch Verkehrsschilder als Parkplatz für Carsharing-Fahrzeuge gekennzeichnet war. Ein Mitarbeiter der städtischen Verkehrsüberwachung stellte den Verstoß fest und beauftragte einen Abschleppwagen. Kurz vor dessen Eintreffen erschien die Klägerin und entfernte ihr Fahrzeug von dem Parkplatz. Die Stadt machte ihr gegenüber mit Leistungs- und Gebührenbescheid die Kosten der Leerfahrt des Abschleppwagens geltend und setzte eine Verwaltungsgebühr fest. Zur Begründung ihrer Klage gegen diesen Bescheid trug die Klägerin vor, sie habe nur elf Minuten auf dem Carsharing-Platz geparkt und zu dieser Zeit seien noch weitere Parkplätze frei gewesen, sodass ein Abschleppen nicht notwendig gewesen sei.

Das VG: Die Beauftragung des Abschleppwagens war rechtmäßig. Ein Fahrzeug, das auf einem nach der Beschilderung ausschließlich Carsharing-Fahrzeugen vorbehaltenen Parkplatz steht, aber nicht am Carsharing teilnimmt, wird so betrachtet, als wenn es in einem absoluten Halteverbot stünde. Die Abschleppmaßnahme war verhältnismäßig, weil die Funktion der Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge nur gewährleistet ist, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Carsharing-Fahrzeug am Parken gehindert hat. Das Abschleppen ist auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass von einem zu Unrecht auf einem Carsharing-Parkplatz abgestellten Fahrzeug eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgeht.

Quelle: VG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2024, 14 K 491/23, PM vom 28.2.2024

Verkehrsstrafen: Doppeltes Fahrverbot bei doppeltem Verkehrsverstoß

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Fahrverbot ist auch dann festzusetzen, wenn gegen den Autofahrer bereits ein Fahrverbot wegen einer ähnlich gelagerten, kurz zuvor begangenen, Ordnungswidrigkeit vollstreckt wurde.

Nach den Feststellungen des Gerichts in einem Bußgeldverfahren hielt der betroffene Pkw-Führer fahrlässig den erforderlichen Mindestabstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht ein. Der Abstand betrug nach den Feststellungen des Amtsgerichts weniger als 3/10 des halben Tachowertes. Etwa sechs Wochen vor diesem Verstoß hatte der Autofahrer an derselben Messstelle ebenfalls den Mindestabstand unterschritten. Deswegen war gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden. Dieses Fahrverbot hatte der Autofahrer im Zeitpunkt der nun durchgeführten Hauptverhandlung bereits vollständig verbüßt.

Das AG verhängte nach durchgeführter Beweisaufnahme gegen den Autofahrer wegen der Abstandsunterschreitung ein Bußgeld nebst einem weiteren Fahrverbot von einem Monat. Dass der Autofahrer in der Zwischenzeit bis zur Verhandlung bereits ein Fahrverbot wegen einer kurz zuvor an derselben Stelle begangenen Abstandsunterschreitung verbüßt hatte, sei kein ausreichender Grund, von dem weiteren Fahrverbot abzusehen.

Das Fahrverbot solle als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für den jeweiligen Verkehrsverstoß auf den Betroffenen spezialpräventiv wirken. Diese Funktion werde unterlaufen, wenn von dem Fahrverbot abgesehen werde. Der Autofahrer sei durch die getrennte Ahndung der beiden Verkehrsverstöße auch nicht schlechter gestellt. Zwar hätte bei einer gemeinsamen Aburteilung der beiden Verstöße nur ein Fahrverbot festgesetzt werden können. Wegen der besonders beharrlichen Neigung des Autofahrers, Verkehrsregeln zu überschreiten, wäre in diesem Fall aber allein ein zweimonatiges Fahrverbot tat- und schuldangemessen gewesen.

Quelle: AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.11.2023, 971 OWi 916 Js 59363/23, PM 2/24