Fehlende Kraftfahreignung: Zahlreiche Parkverstöße = Führerschein weg?

Ein Kraftfahrer, der innerhalb eines Jahres zahlreiche Parkverstöße begeht, ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, sodass ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden kann. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.

Ein Autofahrer hatte innerhalb eines Jahres 174 Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten anhängig. Darunter befanden sich 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Behörde hat dem Kläger daher die Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Kraftfahreignung entzogen.

Das VG hat dies bestätigt. Auch eine große Zahl lediglich von Bagatellverstößen begründet die mangelnde Fahreignung. Die große Anzahl zeigt, dass der Kraftfahrer offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und er solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht. Besonderes Gewicht haben diese Verstöße, wenn sie, wie hier, an einem bestimmten Ort gehäuft auftreten und der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er seine persönlichen Interessen über das Allgemeinwohl stellt.

Der Autofahrer hatte zwar geltend gemacht, dass die Verstöße möglicherweise von Familienangehörigen begangen worden seien. Das half ihm aber nicht. Das VG: Auch derjenige ist charakterlich zum Führen eines Kfz ungeeignet, der durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen und nichts dagegen unternimmt.

Quelle: VG Berlin, Urteil vom 28.10.2022, 4 K 456/21

Gewerblicher Verleih: Sondernutzungsgebühr für E-Scooter zulässig

Die von der Stadt Köln festgesetzten Sondernutzungsgebühren für den Betrieb von gewerblichen Verleihsystemen für E-Scooter sind rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln entschieden. Damit hat es die Klagen von vier E-Scooter-Betreibern abgewiesen. Einen in diesem Zusammenhang gestellten Eilantrag hat das VG ebenfalls abgelehnt.

Der Rat der Stadt Köln änderte im Mai 2022 die Sondernutzungssatzung und erließ neue Gebührentarife. Danach können Betreiber von E-Scooter-Verleihsystemen mit Gebühren von 85 bis 130 Euro pro Fahrzeug und Jahr belegt werden. Auf Grundlage der so geänderten Satzung setzte die Stadt Köln Ende Juli 2022 gegen die im Stadtgebiet aktiven Verleiher Gebühren in Höhe von bis zu 450.000 Euro fest. Sie begründete dies unter anderem damit, dass von ordnungswidrig auf Fuß- und Radwegen abgestellten E-Scootern erhebliche Beeinträchtigungen für die Allgemeinheit ausgingen.

Gegen die Gebührenbescheide erhoben vier E-Scooter-Verleiher Ende August 2022 jeweils Klage beim VG. Einer stellte zudem einen Eilantrag. Die Betreiber machen geltend, dass die Gebühren praktisch dazu führten, das Angebot von E-Scootern im Stadtgebiet zu verhindern. Dies widerspreche dem Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz (FaNaG NRW). Zudem seien die Gebühren unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu denen für Leihfahrräder und Carsharing-Angeboten.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat zur Begründung ausgeführt: Die Gebühren tragen dem Umstand Rechnung, dass es infolge der Verleihsysteme der Klägerinnen immer wieder zu Behinderungen auf Fuß- und Radwegen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte oder umgefallene E-Scooter kommt. Ähnliches kommt in Bezug auf Leihfahrräder seltener vor. Zudem leisten sowohl Bike- als auch Carsharing-Angebote einen größeren Beitrag zur Reduzierung des individuellen Autoverkehrs als E-Scooter. Die Gebühren führen auch nicht dazu, dass jegliche Form des E-Scooter-Verleihs unwirtschaftlich wird. Das FaNaG NRW bezweckt nicht den Schutz des spezifischen Geschäftsmodells der Klägerinnen.

Gegen die Urteile steht den Beteiligten die Berufung und gegen den Eilbeschluss die Beschwerde zu, über die jeweils das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster entscheiden würde.

Quelle: VG Köln, Urteil vom 11.1.2023, 21 K 4871/22, 21 K 4874/22, 21 K 4923/22, 21 K 5019/22, 21 L 1439/22, PM vom 11.1.2023

Schadenminderungspflicht: Restwert: Versicherung hat keinen Anspruch auf „Abwarten“

Oft schreiben Versicherungen Geschädigte an und appellieren „Verkaufen Sie Ihr beschädigtes Fahrzeug bitte nicht sofort zu dem im Gutachten angegebenen Restwert. Wir können Ihnen sicher ein besseres Angebot vermitteln. Bitte warten Sie unsere Nachricht ab, damit Ihnen keine Nachteile entstehen.“ So geschah es auch in einem Fall des Amtsgerichts (AG) Soest. Dieses hat nun hinsichtlich der Frage Klartext gesprochen, ob sich der Geschädigte daran halten muss.

Nein so das AG. Solche Schreiben sind für Geschädigte ohne rechtliche Relevanz. Das gilt sogar auch, wenn es vor dem Verkauf des Unfallwagens eintrifft. Denn es gilt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Danach muss der Schädiger, will er die Schadenminderungspflicht aktivieren, dem Geschädigten eine Verwertungsmöglichkeit zeigen, die er ohne Weiteres realisieren kann. Auf „Abwarten“ des Geschädigten hat die Versicherung keinen Anspruch.

Quelle: AG Soest, Urteil vom 25.7.2022, 14 C 22/22

Bußgeldverfahren: Zugang zu Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts

Der Verfassungsgerichtshof (VGH) für das Land Baden-Württemberg hat entschieden: Der Betroffene in einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat einen Anspruch auf Einsicht in Wartungs- und Reparaturunterlagen des Geschwindigkeitsmessgeräts. Wird ihm dies verwehrt, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor.

Das war geschehen

Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, als Kraftfahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h überschritten zu haben. Ihm wurde deshalb zunächst mit Bußgeldbescheid und anschließend durch Urteil des Amtsgerichts (AG) eine Geldbuße in Höhe von 160 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt. Während des Bußgeldverfahrens begehrte der Beschwerdeführer die Übermittlung der Ermittlungsakte, der Rohmessdaten sowie der Lebensakte und der Wartungs-/Reparatur-/Eichnachweise des Messgeräts. Die Bußgeldbehörde stellte dem Beschwerdeführer die Ermittlungsakte sowie einige der gewünschten Rohmessdaten zur Verfügung. Eine Einsicht in die Lebensakte und in die Wartungs-/Reparatur-/Eichnachweise des Messgeräts erhielt er nicht.

Amtsgericht und Oberlandesgericht verneinten Anspruch auf Akteneinsicht

Das Amtsgericht lehnte den wiederholten Einsichtsantrag in die o.g. Unterlagen sowie den Antrag auf Übermittlung der 126 Einzelmessdaten mit der Begründung ab, dass die Beweiserhebung als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich anzusehen sei. Zudem bestehe kein Anspruch auf Beiziehung der Lebensakte sowie auf Bildung eines größeren Aktenbestandes, zumal eine Lebensakte nach den Angaben der Bußgeldbehörde nicht geführt werde. Das Oberlandesgericht (OLG) sah in der amtsgerichtlichen Entscheidung keine Rechtsfehler. Im Hinblick auf die Ablehnung der Beiziehung von Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweisen des Messgeräts habe der Messbeamte als Zeuge angegeben, dass keine eichrelevanten Störungen oder Defekte aufgetreten seien, sodass das AG im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nicht verpflichtet gewesen sei, beim Verwender des Messgeräts Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe anzufordern, zumal der Messbeamte solche auch verneint habe.

Verfassungsgerichtshof „kassierte“ Urteile

Der VGH: Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens aufgrund der unterbliebenen Einsichtsgewährung in die Wartungs- und Reparaturunterlagen rügt, zulässig und begründet. Das Urteil des AG sowie der Beschluss des OLG verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, indem darin jeweils unter Annahme eines Gleichlaufs der gerichtlichen Aufklärungspflicht mit dem Einsichtsrecht des Betroffenen dessen Zugang zu den Wartungs-/Reparaturunterlagen des Messgeräts abgelehnt wurde.

Recht auf faires Verfahren

Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt hat, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen. Im Rechtsstaat muss dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Dabei wendet sich das Gebot zur fairen Verfahrensgestaltung nicht nur an die Gerichte, sondern ist auch von allen anderen staatlichen Organen zu beachten, die auf den Gang eines Strafverfahrens Einfluss nehmen, demgemäß auch von der Exekutive, soweit sie sich rechtlich gehalten sieht, bestimmte Beweismittel nicht freizugeben. Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordert daher „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits. Der Beschuldigte hat deshalb ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte.

„Waffengleichheit“ für Beschuldigte gegenüber den Verfolgungsbehörden

Der Beschuldigte eines Strafverfahrens bzw. Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens hat neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Dadurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, weil er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind. Die möglicherweise außerhalb der Verfahrensakte gefundenen entlastenden Informationen können von der Verteidigung zur fundierten Begründung eines Antrags auf Beiziehung vor Gericht dargelegt werden. Der Betroffene kann so das Gericht, das von sich aus keine sachlich gebotene Veranlassung zur Beiziehung dieser Informationen sieht, auf dem Weg des Beweisantrags oder Beweisermittlungsantrags zur Heranziehung veranlassen.

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.1.2023, 1 VB 38/18, PM vom 16.1.2023

Keine Rechtsgrundlage: Stadt Düsseldorf darf „Auto-Posen“ nicht verbieten

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat nun klargestellt: Die Stadt Düsseldorf darf „Auto-Posen“, also Imponiergehabe mit meist Pkw, in ihrem Stadtgebiet nicht verbieten. Damit sind auch Zwangsgelder ausgeschlossen, um ein solches Verbot durchzusetzen.

Geklagt hatte ein 22-jährger Autofahrer. Die Stadt hatte ihm vorgeworfen, mit einem hochmotorisierten Mercedes AMG C63 mit laut heulendem Motor an einer Ampel losgefahren zu sein, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu ziehen. Sie verbot ihm dieses „Auto-Posen“ im ganzen Stadtgebiet für die Dauer von drei Jahren. Für weiteres „Posen“ drohte sie ihm ein Zwangsgeld von 5.000 Euro an. Das VG hat das Verbot aufgehoben.

Das VG: Für ein derartiges Vorgehen gegen „Auto-Poser“ steht der Stadt nach derzeit geltendem Recht keine Rechtsgrundlage zur Verfügung. Es können für das Stadtgebiet keine eigenen Verkehrsverbote nach NRW-Landesrecht erlassen werden. Der Straßenverkehr in Deutschland ist abschließend durch Bundesrecht geregelt, u.a. durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG), die Straßenverkehrsordnung (StVO) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Demnach kann das „Auto-Posen“, das gegen § 30 Abs. 1 StVO verstößt, derzeit lediglich mit einem Bußgeld von 80 bis 100 Euro geahndet werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwehr künftiger Gefahren werden für das „Auto-Posen“ derzeit nach Bundesrecht keine Punkte beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg eingetragen.

Das Fazit des Gerichts: Da das Bundesrecht bislang das „Auto-Posen“ nicht als besonders schwerwiegende Gefahr für die Verkehrssicherheit einschätzt und deshalb hierfür keine Punkte vorsieht, kann die örtliche Ordnungsbehörde keine strengeren Maßstäbe anlegen und eigenständig Zwangsgelder oder Verkehrsverbote aussprechen.

Quelle: VG Düsseldorf, Urteil vom 1.9.2022, 6 K 4721/21

Verkehrsverstoß: Wenn der Beifahrer eine „Blitzer-App“ nutzt …

Nutzt der Beifahrer auf seinem Handy eine „Blitzer-App“, kann dies zu einem Bußgeld führen und zwar für den Fahrer. Das hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden.

Ein Mann fuhr mit seinem Pkw zu schnell. Die Polizei hielt ihn an. Auf dem Handy seiner Beifahrerin fand die Polizei eine aktive „Blitzer-App“. Der Fahrer behauptete vor dem Amtsgericht (AG), dass diese nicht auf seinem Handy installiert oder aktiviert war. Trotzdem erhielt er eine Geldbuße von 100 Euro. Denn er habe bei der Kontrolle durch die Polizei das Handy weggeschoben. Das deute darauf hin, dass er die verbotene App während der Fahrt genutzt habe.

Seine Beschwerde wies das OLG Karlsruhe zurück. Es stellte klar: Der Fahrer verstößt nicht nur gegen das Verbot, eine „Blitzer-App“ zu nutzen, wenn sich diese auf seinem Handy befindet. Ebenfalls mit einem Bußgeld belegt ist es, wenn der Fahrer die App nutzt, die auf einem Beifahrerhandy installiert und aktiviert ist. Das im Gesetz vorausgesetzte „verwenden“ setzt keine eigene Tätigkeit des Fahrers voraus, so das OLG. Es genügt, wenn er sich verbotene Funktionen (passiv) zunutze macht.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 7.2.2023, 2 ORbs 35 Ss9/23

Beweismittel: Polizei darf Halter nicht ohne Belehrung befragen

Kleine formale Fehler können eine große Wirkung haben. Das wurde nun wieder einmal durch eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth bestätigt. Im Kern ging es darum, ob bei einer nicht genügenden Belehrung ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der vom Betroffenen/Beschuldigten gemachten Angaben besteht vor allem, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs befragt wird.

Das LG: Der Halter eines Kraftfahrzeugs ist vor einer polizeilichen Befragung zur Fahrereigenschaft im Rahmen von Unfallfluchtermittlungen als Beschuldigter zu belehren, soweit seine Fahrereigenschaft nicht aufgrund anderer Erkenntnisse ausgeschlossen ist. In diesen Fällen ist es regelmäßig ermessensfehlerhaft, eine sogenannte „informatorische Befragung“ durchzuführen.

Das LG stellte darüber hinaus fest, dass Erkenntnisse aus einer polizeilichen Befragung des Halters ohne vorherige Beschuldigtenvernehmung in diesem Fall unverwertbar sind.

Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28.6.2022, 5 Qs 40/22

Unfallschaden: Probefahrt- und Verbringungskosten als Reparaturkosten

Berechnet die Werkstatt nach einer Unfallschadenreparatur mit Probefahrt-Notwendigkeit den Aufwand der Probefahrt, argumentieren Versicherer oft, diese dürfe nicht berechnet werden. Dem ist das Amtsgericht (AG) Hameln jetzt entgegengetreten.

Das AG: Ist eine Tür erneuert worden, wobei sämtliche Anbauteile der beschädigten Tür an der neuen Tür montiert wurden, und die Tür dann eingebaut und eingestellt wird, ist die Probefahrt zum Aufspüren eventueller Klapper- und Windgeräusche notwendig. Im Übrigen darf die Probefahrt auch berechnet werden, weil sie Teil der notwendigen Arbeiten und damit Bestandteil der Reparatur ist.

Außerdem hatte das AG einen Sachverständigen beauftragt, die üblichen sog. Verbringungskosten zu ermitteln. Dabei handelt es sich um Transportkosten, die bei der Werkstatt entstehen, wenn das beschädigte Fahrzeug für bestimmte Arbeiten in einen Lackiererei- oder Karosseriebetrieb verbracht wird. Das Ergebnis: In der Region seien zwischen 130 und 150 Euro üblich. Damit liegt dem AG nun ein entsprechendes Gutachten vor, das die diese Position deutlich kürzenden Versicherer ärgern, Geschädigte aber freuen dürfte.

Quelle: AG Hameln, Urteil vom 22.3.2022, 35 C 97/21

Schadenersatz: Miettaxikosten bei unfallbeschädigtem Taxi

Der Eigentümer eines gewerblich genutzten Fahrzeugs ist bei dessen Beschädigung nicht von vornherein auf die Geltendmachung seines entgangenen Gewinns zu verweisen, sondern kann grundsätzlich stattdessen die höheren Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verlangen. Die Grenze der Ersatzfähigkeit ist bei einem beschädigten Taxi erst überschritten, wenn die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Darauf hat jetzt das Landgericht (LG) Stade hingewiesen.

Diese Grenze der Unverhältnismäßigkeit werde nicht allein durch den entgangenen Gewinn des Unternehmers bestimmt. Ebenso seien auch dessen sonstige schutzwürdige Belange zu berücksichtigen, z. B. den guten Ruf seines Betriebs nicht zu gefährden und mit vollem Wagenpark disponieren zu können. Eine „Regelgrenze“ (von z. B. 200 Prozent Mietwagenkosten gegenüber entgangenem Gewinn) gebe es nicht. Miettaxikosten von 180 Euro pro Tag sprengen den Rahmen nicht, wenn diese Maßstäbe angelegt werden.

Quelle: LG Stade, Beschluss vom 26.10.2022, 4 S 30/22

Geldstrafe: Rettungsgassen müssen sofort gebildet werden

Wenn auf der Autobahn der Verkehr zum Stillstand kommt, muss man eine Rettungsgasse bilden. Diese einfache, aber möglicherweise lebensrettende Methode, um Rettungsfahrzeugen ungehindert Zugang zu einer Unfallstelle zu gewährleisten, ist mittlerweile allgemein bekannt. Aber ab wann muss eine solche Rettungsgasse gebildet werden? Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg jetzt entschieden.

Ein Autofahrer war auf der Autobahn A 1 Richtung Osnabrück unterwegs. Der Verkehr auf der dreispurigen Autobahn war ins Stocken geraten und teilweise zum Erliegen gekommen. Viele Fahrzeuge hatten bereits eine Rettungsgasse gebildet. Der Mann befuhr dagegen die mittlere Spur eher linksseitig, während die anderen Fahrzeuge sich möglichst rechts auf der Mittelspur hielten.

Das Amtsgericht (AG) verurteilte den Mann zu einer Geldbuße in Höhe von 230 Euro. Das OLG hat diese Entscheidung bestätigt: Eine Rettungsgasse muss gebildet werden, sobald Fahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit führen oder zum Stillstand kämen. Schrittgeschwindigkeit oder Stillstand müssen nicht erst über eine gewisse Zeit andauern. Die Rettungsgasse muss vielmehr sofort gebildet werden. Einem Autofahrer steht auch keine Überlegungsfrist zu. Eine solche ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies gilt umso mehr, wenn ein Fahrer, wie im vorliegenden Fall und wie wohl meistens, wegen des Stop-and-Go-Verkehrs mit längeren Stillstandphasen habe rechnen müssen.

Der Mann muss jetzt die Geldbuße zahlen und die Verfahrenskosten tragen. Ein Fahrverbot hat das AG nicht verhängt, weil es zu keiner konkreten Behinderung eines Rettungsfahrzeugs gekommen war.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.9.2022, 2 Ss(Owi) 137/22, PM vom 28.10.2022