Wettbewerbsverstoß: Wettbewerbsrechtliche Haftung für Affiliate-Partner

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der Betreiber eines Affiliate-Programms, also eines Partnerprogramms, das eine Schnittstelle zwischen Verkäufer- und Websitebetreiber herstellt, haftet nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt.

Das war geschehen

Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform „Amazon“ beteiligt. Im Rahmen des von der Beklagten betriebenen Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Website Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil vom Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Website, die sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen befasste und zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach, u. a. für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform. Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend und hat die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates zuzurechnen sei, auf Unterlassung verklagt.

So sahen es die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers lägen nicht vor.

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sog. „innere Grund“ für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Website des Affiliates fehlte es an einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten und damit am „inneren Grund“ der Zurechnung.

Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen , deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren.

Beklagte hatte eigenen Geschäftsbetrieb nicht erweitert

Es fehlt im Streitfall auch an der für eine Haftung erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte. Der Affiliate wird bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse. Die Beklagte musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat.

Quelle: BGH, Urteil vom 26.1.2023, I ZR 27/22, PM 18/23 vom 26.1.2023

Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Keine Verrechnung vororganschaftlicher Verluste im Organkreis

Während des Bestehens der Organschaft können laufende Verluste der Organgesellschaft nicht zu einem Verlustvortrag auf Ebene der Organgesellschaft führen. Ebenso können vorvertragliche Verluste der Organgesellschaft nicht auf den Organträger übertragen werden und somit in den Organkreis einfließen. Demzufolge bleiben vororganschaftliche Verluste der Organgesellschaft während des Organschaftsverhältnisses ungenutzt. So lautet die Sichtweise des Bundesfinanzministeriums (BMF).

Beachten Sie: Verpflichtet sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag, ihren Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft unter gewissen Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz). Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.

Mit dem aktuellen Schreiben nimmt das BMF zu einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2021 Stellung. Dieser hatte in seiner Begründung ausgeführt, dass eine Umwandlung auch zu einem Wert oberhalb des Buchwerts und bis zum gemeinen Wert vorgenommen werden könnte, um so bei der Organgesellschaft bestehende vororganschaftliche Verluste zu nutzen.

Quelle: BMF-Schreiben vom 10.2.2023, IV C 2 – S 2770/19/10006 :008

Urheberschutz: Musik im Verkaufsraum eines Pizzalieferservices verletzt keine Urheberrechte

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Lieferservicebetreiber schuldet den Urhebern keinen Schadenersatz wegen Abspielens von Musik im Verkaufsraum.

Das war geschehen

Die Klägerin nahm den Beklagten anlässlich einer vermeintlich öffentlichen Wiedergabe auf Schadenersatz wegen widerrechtlicher Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke in Anspruch. Vorausgegangen waren drei Besuche eines Außendienstmitarbeiters der Klägerin in der vom Beklagten betriebenen Pizzeria. Dabei sei jeweils ein Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Nach Würdigung des AG habe in dem konkreten Fall keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes stattgefunden. Eine solche setze zum einen voraus, dass viele Personen beschallt werden, wenn auch nicht notwendig gleichzeitig. Auch dürfe es sich nicht bloß um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln.

TV-Gerät beim Lieferdienst: keine Öffentlichkeit

Bereits hieran fehle es: Der Beklagte betreibe in erster Linie einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch ordern und das Geschäft überwiegend nicht betreten. Die Anzahl der Selbstabholer beschränke sich auf ca. 10 Personen pro Tag. Darüber hinaus im Geschäft anwesende Mitarbeiter und Familienangehörige des Beklagten stellten keine Öffentlichkeit dar. Zum anderen setze eine öffentliche Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer (hier der Beklagte) gezielt an das Publikum wendet. Das Publikum müsse außerdem für die Wiedergabe bereit sein und nicht bloß zufällig erreicht werden. Auch diese Voraussetzung hat das AG verneint.

Publikum wird nur nebenbei beschallt

Wichtig: Die Selbstabholer werden vergleichbar den Wartenden in einer Zahnarztpraxis ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht, während sie auf ihre Pizza warten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: AG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.12.2022, 32 C 1565/22 (90), PM vom 31.1.2023

Handelsregister: Geschäftsführer müssen die Einsehbarkeit ihrer Daten hinnehmen

Das Handelsregister soll allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich über die Verhältnisse einer (Handels-)Gesellschaft zu informieren. Zu diesem Zweck sieht die Handelsregisterverordnung (§ 43 HRV) u. a. vor, dass neben dem Namen eines Geschäftsführers auch dessen Geburtsdatum und Wohnort in das Register aufzunehmen sind. Hiergegen wandte sich der Geschäftsführer einer GmbH, der um seine Sicherheit fürchtete: Da er beruflich mit Sprengstoff umgehe, sah er die Gefahr, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat nun entschieden, dass der Geschäftsführer die Veröffentlichung dieser Daten hinnehmen muss.

Funktionsfähige und verlässliche öffentliche Register sind für die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs unerlässlich. Geschäftspartner sollen sich zuverlässig informieren können, so das OLG. Auch datenschutzrechtliche Widerspruchsrechte gegen die Aufnahme der Daten bestehen nicht.

Das OLG hat offengelassen, ob eine Löschung der Angaben bei einer tatsächlichen erheblichen Gefährdung eines Geschäftsführers in Betracht komme. Im vorliegenden Verfahren hatte der Geschäftsführer eine solche Gefährdung aber nicht näher konkretisiert. Zudem ist in dem Register ohnehin keine genaue Anschrift, sondern nur der Wohnort angegeben. Gegen den Beschluss wurde Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.

Quelle: OLG Celle, Beschluss vom 24.2.2023, 9 W 16/23, Rechtsbeschwerde beim BGH, II ZB 7/23; OLG Celle, PM vom 16.3.2023 „Persönliche Daten im Handelsregister“

Freiberufler und Gewerbetreibende: Steuermindernde Rückstellung für Altersfreizeit

Betriebe, die ihren Mitarbeitern zusätzliche freie Arbeitstage in Form von Altersfreizeit (nicht Altersteilzeit) gewähren, können hierfür eine steuermindernde Rückstellung bilden. Gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Köln ist aber bereits die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Nach dem Manteltarifvertrag stand den Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten.

Bei einer Betriebsprüfung lehnte das Finanzamt die hierfür gebildete (steuermindernde) Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ab, da die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Insbesondere hätten die Arbeitnehmer keine Mehrleistungen erbracht, die der Betrieb zu bezahlen hätte. Das FG Köln sah das aber anders.

Hintergrund: Nach dem Handelsgesetzbuch (§ 249 Abs. 1HGB) sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Es muss also eine Verbindlichkeit vorliegen, die dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss ist. Dies ist der Fall, wenn eine Verbindlichkeit dem Grunde nach besteht oder mit Wahrscheinlichkeit entstehen wird und hinsichtlich der Höhe dieser Verbindlichkeit Ungewissheit besteht. Die Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit muss wahrscheinlich sein.

Das FG Köln stellte in seiner Entscheidung u. a. Folgendes heraus: Der Betrieb hatte die Gewährung weiterer freier Arbeitstage verbindlich zugesagt. Die Beschäftigten traten mit ihrer Arbeitskraft in Vorleistung. Die entsprechende Gegenleistung wird von dem Unternehmen demgegenüber erst in der Zukunft erbracht.

Damit ist die Verpflichtung des Betriebs zur Gewährung zusätzlicher freier Arbeitstage bereits vor dem Eintritt in die Arbeitsfreistellung entstanden und wirtschaftlich verursacht worden. Dem steht, so das FG Köln, nicht entgegen, dass die Zusage an die vergangene Dienstzeit und an die zukünftige Betriebstreue der einzelnen Beschäftigten gebunden ist.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Finanzverwaltung hat der BFH die Revision zugelassen, sodass es bald eine höchstrichterliche Entscheidung geben wird.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 10.11.2021, 12 K 2486/20, Rev. BFH, IV R 22/22

SEPA-Lastschrift: Wann beginnt die Anfechtungsfrist?

Eine Zahlung im Weg der SEPA-Lastschrift ist erst mit ihrer vorbehaltlosen Einlösung durch die Schuldnerbank insolvenz-anfechtungsrechtlich vorgenommen worden. So hat es nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Nach der Insolvenzordnung (hier: § 140 Abs. 1 InsO) gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die gesamten Erfordernisse vorliegen, an welche die Rechtsordnung die Entstehung, Aufhebung oder Veränderung eines Rechtsverhältnisses knüpft. Auf den Zeitpunkt der Handlung des Schuldners oder des Anfechtungsgegners kommt es nicht an.

Im SEPA-Basislastschriftverfahren tritt nach dem BGH die Erfüllung der dem Einzug zugrunde liegenden Forderung mit der vorbehaltlosen Gutschrift auf dem Gläubigerkonto ein, auflösend bedingt durch die rechtzeitige Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Zahlers gegen den Zahlungsdienstleister. Der Gläubiger erlangt mit der vorbehaltlosen Gutschrift die erforderliche uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über den Zahlbetrag.

Die Lastschrift ist also für den Gläubiger insolvenzrechtlich riskant: Sie ist zwar einfach zu handhaben, hat aber gegenüber anderen Zahlungsmethoden, etwa einem Dauerauftrag, bei regelmäßig gleichbleibenden Leistungen (Ratenzahlungen) deutliche Nachteile.

Quelle: BGH, Urteil vom 13.10.2022, IX ZR 70/21

Entgangener Gewinn: Betriebsschließungsversicherung in der COVID-19-Pandemie

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Einer Versicherungsnehmerin stehen auf der Grundlage vereinbarter Versicherungsbedingungen Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in Niedersachsen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie während des sog. „zweiten Lockdowns“ zu. Der Versicherer ist hingegen nicht verpflichtet, eine Entschädigung aus Anlass der Betriebsschließung während des sogenannten „ersten Lockdowns“ zu zahlen.

Das war geschehen

Die Versicherungsnehmerin (Klägerin) hält bei dem beklagten Versicherer eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung. Sie begehrt aufgrund der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in der Zeit vom 18.3. bis zum 25.5.2020 Entschädigungsleistungen sowie die Feststellung, dass der Versicherer verpflichtet ist, ihr den aus der erneuten Schließung ab dem 2.11.2020 entstandenen Schaden zu ersetzen. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)“ zugrunde. Nach Ziff. 8.1 BBSG 19 ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Fall einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung den entgehenden Gewinn und fortlaufende Kosten bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit.

Beherbergungsverbot in der Corona-Pandemie

Mit Allgemeinverfügung vom 18.3.2020 untersagte der zuständige Landkreis u. a. Betreibern von Beherbergungsstätten, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen. Nach vorübergehender Lockerung der Maßnahmen war es Betreibern von Beherbergungsstätten durch die am 2.11.2020 in Kraft getretene Niedersächsische Corona-Verordnung erneut untersagt, Übernachtungsangebote zu unterbreiten und Übernachtungen zu touristischen Zwecken zu gestatten. Die Klägerin bot daraufhin in der Zeit vom 18.3. bis zum 25.5.2020 und ab dem 2.11.2020 keine Übernachtungen zu touristischen Zwecken an.

Gerichtliche Instanzen urteilten widersprüchlich

Das Landgericht (LG) hatte entschieden, dass die Zahlungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt und die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der erneuten Schließung des versicherten Betriebes entstandenen Schaden zu ersetzen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) die Zahlungsklage insgesamt abgewiesen und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen beider Parteien zum BGH.

Bundesgerichtshof: Versicherungsklausel war missverständlich

Der BGH hat die Revisionen beider Parteien zurückgewiesen. Hinsichtlich der Revision der Beklagten stellte er fest: In der Bezugnahme in Ziff. 3.4 BBSG 19 auf die im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger ist keine Beschränkung des Leistungsversprechens auf den Rechtszustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu sehen. Dies ergibt sich aus der Unklarheitenregel des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 305c Abs. 2 BGB). Die mehrfache Bezugnahme der Bedingungen auf das IfSG ohne Angabe einer konkreten Gesetzesfassung oder eines Zeitpunkts, auf den es für die Frage ankommt, welcher Rechtszustand zugrunde zu legen ist, kann den Versicherungsnehmer, der die Bedeutung der Verweisung zu erschließen versucht, auf der einen Seite zu dem Verständnis führen, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls maßgeblich ist. Auf der anderen Seite ist auch eine Auslegung dahin möglich, dass eine Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung erfolgen soll. Der Klausel lässt sich nach ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinns und Zwecks mangels einer ausdrücklichen Beschränkung nicht eindeutig entnehmen, dass die Beklagte mit ihr zur Festlegung des Inhalts des Leistungsversprechens auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich benannten Krankheiten und Krankheitserreger verweist. Vielmehr ist auch die Auslegung möglich, die Klausel erfasse mit ihrer Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG die zum Zeitpunkt der behördlichen Anordnung namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger. Diese Auslegungszweifel gehen zulasten des Verwenders.

COVID-19 fehlte im Katalog der Infektionen

Hinsichtlich der Revision der Klägerin hat der BGH entschieden: Es fehlte an der nach Ziff. 3.4 BBSG 19 vorausgesetzten o. g. namentlichen Nennung der Krankheit oder des Krankheitserregers im Zeitpunkt der ersten Betriebsschließung durch die Allgemeinverfügung vom 18.3.2020. Mit der Begrenzung des Leistungsversprechens auf „die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass nur die in diesen Vorschriften mit Namen bezeichneten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen. Zwar bedeutet es für den Versicherungsnehmer in der Sache keinen Unterschied, ob die auf einer Erweiterung der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger beruhende Schließung seines Betriebs ihre Grundlage in einem formellen Gesetz oder in einer Rechtsverordnung hat. Dessen ungeachtet bleibt es aber die eigenverantwortliche Entscheidung des Versicherers im Rahmen seines Leistungsangebots, ob auch solche Erweiterungen des Kreises der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger durch eine Rechtsverordnung vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen. Indem die Klausel unmissverständlich die namentliche Benennung der Krankheiten und Krankheitserreger in den §§ 6 und 7 IfSG verlangt, macht sie für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Anliegen der Beklagten erkennbar und nachvollziehbar, den Versicherungsschutz jedenfalls auf die im Gesetz selbst benannten Krankheiten und Krankheitserreger zu begrenzen.

Aufzählung der Krankheitserreger war abschließend

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bedingungen, dass in Ziff. 3.4 BBSG 19 die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der hier vereinbarten Bedingungen in der Weise abschließend definiert werden, als sie in den §§ 6 und 7 IfSG unter Nennung ihres Namens aufgeführt sein müssen, um Anlass für die Gewährung von Versicherungsschutz sein zu können. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist hinreichend erkennbar, dass der sich nach Ziff. 3.4 BBSG 19 aus dem Wortlaut der §§ 6 und 7 IfSG ergebende Katalog versicherter Krankheiten und Krankheitserreger nicht sämtliche nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasst und daher Lücken im Versicherungsschutz bestehen können. Ihm wird durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des IfSG vom Versicherungsschutz erfasst wird.

Quelle: BGH, Urteil vom 18.1.2023, IV ZR 465/21, PM 12/23

Kryptowährungen: Veräußerungsgewinne sind steuerpflichtig

Erzielt ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen Veräußerungsgewinne, sind diese als privates Veräußerungsgeschäft zu versteuern. Das hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Das war geschehen

Ein Steuerpflichtiger hatte Kryptowährungen erworben, getauscht und wieder veräußert. Hierbei handelte es sich um private Geschäfte mit Bitcoins, Ethereum und Monero. 2017 erzielte er daraus einen Gewinn in Höhe von 3,4 Millionen Euro.

Mit dem Finanzamt kam es zum Streit, ob der Gewinn der Einkommensteuer unterliegt. Die vom Steuerpflichtigen beim Finanzgericht (FG) Köln erhobene Klage war überwiegend erfolglos und auch der BFH bejahte nun die Steuerpflicht.

Bundesfinanzhof: Kryptowährungen sind „anderes Wirtschaftsgut“

Bei Kryptowährungen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegen. Denn virtuelle Währungen (Currency Token, Payment Token) stellen nach Auffassung des BFH ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) dar.

Beachten Sie: Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen. Er umfasst neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerpflichtiger etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbstständigen Bewertung zugänglich sind.

Kryptowährungen sind Zahlungsmittel

Diese Voraussetzungen sind bei virtuellen Währungen gegeben. Bitcoin, Ethereum und Monero sind wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge Verwendung finden. Technische Details virtueller Währungen sind für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung.

Beachten Sie: Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, unterliegen daraus erzielte Gewinne oder Verluste der Besteuerung. Gewinne bleiben aber steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im Jahr weniger als 600 Euro beträgt (§ 23 Abs. 3 S. 5 EStG).

Ein strukturelles Vollzugsdefizit, das einer Besteuerung entgegensteht, liegt nicht vor: Denn für den BFH sind keine gegenläufigen Erhebungsregelungen vorhanden, die einer Besteuerung entgegenstehen und es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass seitens der Finanzverwaltung Gewinne und Verluste nicht ermittelt und erfasst werden können.

Beachten Sie: Dass es trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden (z. B. Sammelauskunftsersuche) in Einzelfällen gelingen kann, sich der Besteuerung zu entziehen, begründet kein strukturelles Vollzugsdefizit.

Quelle: BFH, Urteil vom 14.2.2023, IX R 3/22

Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Wechselseitiger Verkauf von Anteilen: Anteilsrotation unter Wert ist nicht anzuerkennen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass durch eine Anteilsrotation von zwei GmbH-Gesellschaftern untereinander kein Steuersparpotenzial generiert werden kann, wenn die Kaufpreise die realen Wertverhältnisse in krasser Weise verfehlen.

Das war geschehen

Der Entscheidung des BFH lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem sich zwei zu jeweils 50 % an einer GmbH beteiligte Gesellschafter ihre Anteile im Wege einer Anteilsrotation gegenseitig zu einem Kaufpreis von 12.500 Euro veräußerten. Die Anschaffungskosten der GmbH-Anteile beliefen sich auf 500.000 Euro, sodass sich ein steuerlicher „Verlust“ vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens von 487.500 Euro ergab. Der gemeine Wert der GmbH belief sich entsprechend einer Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren auf ca. 1,5 Mio. Euro.

Das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Sachsen und auch der BFH sahen hierin einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne der Abgabenordnung (§ 42 AO).

Gesellschafter darf Anteile veräußern, …

Entsteht ein „Verlust“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 17 EStG) im Zuge einer Anteilsrotation aufgrund eines Kaufpreises, der den echten Wert des veräußerten GmbH-Anteils widerspiegelt, ist dieser Verlust auch für steuerliche Zwecke zu berücksichtigen. Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO liegt nicht vor. Denn es steht dem Gesellschafter frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt.

… aber den Verkauf nicht missbräuchlich gestalten

Entsteht der Verlust allerdings im Zuge einer Anteilsrotation, weil der Kaufpreis den Wert des veräußerten GmbH-Anteils krass verfehlt, führt dies zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. Folglich ist die Anteilsrotation als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen und der Veräußerungsverlust wird nicht anerkannt.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.9.2022, IX R 18/21

Bundesfinanzministerium: Unterstützung der Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien: Maßnahmen der Finanzbehörden

Um die Betroffenen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien zu unterstützen, hat das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Verwaltungsregelungen erlassen. Sie gelten für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 6.2.2023 bis zum 31.12.2023 durchgeführt werden.

Das Schreiben enthält Ausführungen zu folgenden Aspekten:

  • Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen,
  • Maßnahmen von steuerbegünstigten Körperschaften für durch das Erdbeben geschädigte Personen,
  • Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen,
  • Lohnsteuer,
  • Aufsichtsratsvergütungen,
  • Umsatzsteuer und
  • Schenkungsteuer.

Beachten Sie: Unter anderem genügt als Nachweis einer Spende ein Einzahlungs- oder Überweisungsbeleg, ohne dass eine Spendenbescheinigung vorgelegt werden muss.

Quelle: BMF-Schreiben vom 27.2.2023, IV C 4 – S 2223/19/10003 :019