Heilmittelwerbegesetz: Online-Apotheke darf „Abnehmspritze“ nicht bewerben

Das Landgericht (LG) München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. „Abnehmspritze“ gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist.

Fragebogen ausfüllen, Medikament bekommen?

Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbehandlungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichtsreduktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht. Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.

Zulässige Fernbehandlung?

Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antragsstellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der dann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.

Landgericht: kein allgemein anerkannter fachlicher Standard

Dem folgte das LG nicht: Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspreche nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr sei vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man in drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.

Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten schon aufgrund der räumlichen Distanz geleistet werden könne.

Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.

Werbung für den Absatz von Medikamenten

Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.

Quelle: LG München I, Beschluss vom 3.3.2025, 4 HK O 15458/24, PM 3/25

Mobilfunklizenzen: Verfahrensbeschleunigung: Öffentliche Zustellung einer Klage gegen Unternehmen aus China

In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt a. M. klagte ein Hersteller u.a. von Mobilfunkgeräten mit Niederlassung in Deutschland gegen ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen. Die chinesische Beklagte ist Inhaberin von Patenten, die für mehrere Mobilfunkstandards essenziell sind. Sie hat sich dazu verpflichtet, Lizenzen für diese Patente zu fairen Bedingungen zu erteilen. Die Klägerin wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die chinesische Beklagte ihr Mobilfunklizenzen zu bestimmten Konditionen gewährt.

Beschleunigung des Verfahrens

Zur Durchführung des Verfahrens bedarf es zunächst der förmlichen Zustellung der Klageschrift. Grundsätzlich wäre die Zustellung im Wege der Rechtshilfe unter Beteiligung chinesischer Stellen am Sitz der Beklagten in der Volksrepublik China vorzunehmen. In Ausnahmefällen kann nach der Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch davon abgesehen werden und das Gericht eine öffentliche Zustellung anordnen, etwa wenn die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Das hat das LG hier für die Zustellung in der Volksrepublik China angenommen. Es hat eine öffentliche Zustellung bewilligt.

Das LG: Das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordert, dass dieser in angemessener Zeit zu erlangen ist. Keinen Erfolg verspricht die Zustellung daher, wenn die Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde, dass ein Zuwarten der betreibenden Partei billigerweise nicht zugemutet werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob die Dauer einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht mehr zumutbar ist, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.

Der übliche Weg dauert zu lange

Die Klägerin, so das LG, habe dargelegt, dass die Auslandszustellung in der Volksrepublik China nicht stets gelingt und auch dann einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr in Anspruch nimmt. Nach der Erfahrung anderer deutscher Gerichte, die sich mit der Erfahrung der Kammer deckt, nimmt die Zustellung in der Volksrepublik China einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Bei dieser Sachlage überwiegen die Interessen der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz die Interessen der Beklagten im Hinblick auf die Gefährdung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Das LG hat der Klägerin allerdings aufgegeben, die Beklagte auf nicht-förmlichem Weg zu informieren, dass hier in Deutschland die öffentliche Zustellung der Klage erfolgt.

Quelle: LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.1.2025, 2-06 O 426/24, PM vom 7.2.2025

Verrechnungspreise: Betriebsprüfungen: Transaktionsmatrix ist vorzulegen

Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden die Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreiszwecke in der Abgabenordnung (hier: § 90 Abs. 3 und Abs. 4 AO) angepasst. Ein neuer Bestandteil ist die Transaktionsmatrix. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu nun Stellung bezogen.

Transaktionsmatrix: Tabelle mit vorgegebenen Elementen

Die Transaktionsmatrix ist eine tabellarische Übersicht, die relevante Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält.

Das BMF führt auf, was in der Transaktionsmatrix anzugeben ist:

  • Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle (z. B. Warenlieferung und Dauersachverhalt),
  • an den Geschäftsvorfällen Beteiligte unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
  • Volumen und Entgelt (in EUR) der Geschäftsvorfälle (z. B. Darlehensvolumen und Zins oder Entgelt für eine Warenlieferung oder Dienstleistung),
  • vertragliche Grundlage (Benennung der Vertragsunterlage),
  • angewandte Verrechnungspreismethode (z. B. Kostenaufschlagsmethode oder Preisvergleichsmethode),
  • betroffene Steuerhoheitsgebiete und
  • Angabe, ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen.

Zudem sind dem Schreiben als Anlage zwei Beispiele für eine Transaktionsmatrix angefügt. Abweichungen durch den Steuerpflichtigen sind nur unter den im Schreiben genannten (zeitlichen) Voraussetzungen zulässig.

Vorgaben ab 2025

Bei einer Außenprüfung sind ab 2025 (ohne gesondertes Verlangen) innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen: die Stammdokumentation bei Überschreiten der Größenklassen, Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und die Transaktionsmatrix.

Transaktionsmatrix auch für Vorjahreszeiträume

Da eine Prüfungsanordnung, die im Jahr 2025 ergeht, i. d. R. auch Prüfungszeiträume vor 2025 umfasst, muss eine Transaktionsmatrix in diesen Fällen auch für die Vorjahre erstellt werden. Die 30-Tage-Frist gilt für ein im Jahr 2025 gestelltes Vorlageverlangen hinsichtlich der Transaktionsmatrix, auch wenn die Prüfungsanordnung vor 2025 ergangen ist.

Beachten Sie: Werden keine ertragsteuerlichen Auslandssachverhalte geprüft, sind die o. g. Unterlagen nur auf gesondertes Verlangen vorzulegen.

Quelle: BMF, Schreiben vom 2.4.2025, IV B 3 – S 0225/00019/004/009

Schadenersatz: Unternehmen aufgepasst: Werklohnrechnungen gehackt und unbefugt verändert

Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss er nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen, wenn dieser die Rechnung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 82 DS-GVO) besteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt.

Das war geschehen

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, erneut ihre Werklohnforderung zu zahlen, nachdem der Betrag wegen einer Manipulation der per E-Mail versandten Rechnung durch kriminell handelnde Dritte dem Konto eines Unbekannten gutgeschrieben wurde.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Installation von Haustechnik. Sie führte für die Beklagte Installationsarbeiten durch und rechnete die erbrachten Leistungen ihr gegenüber in drei Abschlagsrechnungen ab. Diese wurden jeweils als Anlage zu einer E-Mail im PDF-Format übersandt. Die ersten zwei Abschlagsrechnungen beglich die Beklagte per Überweisung an die auf den Rechnungen angegebenen Bankverbindungen der Klägerin.

Die dritte Abschlagsrechnung über rund 15.000 Euro, die zugleich die Schlussrechnung war, versandte die Klägerin ebenfalls als Anlage im PDF-Format per E-Mail. Diese Rechnung war jedoch auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert worden, so dass die Beklagte den Rechnungsbetrag auf das Konto des unbekannten Dritten überwies. Auf dem Konto der Klägerin ging deshalb auf die Schlussrechnung keine Zahlung ein.

Keine Erfüllung durch Zahlung an unbekannten Dritten

Das Landgericht (LG) hat die Beklagte deshalb zur erneuten Zahlung verurteilt, weil eine Erfüllung durch die Zahlung an den unbekannten Dritten nicht eingetreten ist. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, sodass die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch hat, den sie der Klageforderung gemäß § 242 BGB entgegenhalten kann. Die Klägerin hat nach Auffassung des LG keine Pflichtverletzung begangen, weil die von ihr vorgetragenen Schutzvorkehrungen in Form einer Transportverschlüsselung per SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) über TLS (Transport Layer Security) beim E-Mail-Verkehr mit Vertragspartnern ausreichend sind.

So sah es das Oberlandesgericht

Das OLG hat in zweiter Instanz das Urteil des LG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat entschieden, dass die Zahlung der Beklagten an einen Dritten zwar keine Erfüllung der Forderung bei der Klägerin bewirkt. Im Gegensatz zum Landgericht hat es jedoch einen Schadenersatzanspruch der Beklagten bejaht, den diese der Werklohnforderung der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten kann, so dass sie die Forderung nicht noch einmal bezahlen muss.

Dieser Schadenersatzanspruch ergibt sich nach der Entscheidung des OLG aus Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, weil die Klägerin im Zuge der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beklagten bei Versand der streitgegenständlichen E-Mail mit Anhang gegen die Grundsätze der Art. 5, 24 und 32 DS-GVO verstoßen hat. Das OLG hält die Transportverschlüsselung, die beim Versand der streitgegenständlichen E-Mail in Form von SMTP über TLS verwendet worden sein soll, nicht für ausreichend und damit auch nicht als zum Schutz der Daten „geeignet“ im Sinne der DS-GVO.

Das OLG hob hervor, dass heute jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten seiner Kunden computertechnisch verarbeitet, bewusst sein muss, dass der Schutz dieser Daten hohe Priorität auch beim Versenden von E-Mails genießt. Unternehmen müssen diesen Schutz durch entsprechende Maßnahmen so weit wie möglich gewährleisten.

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unabdingbar

Gerade bei sensiblen oder persönlichen Inhalten ist nach der Entscheidung des OLG nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz im Sinne der DS-GVO geeignet, wenn ein hohes finanzielles Risiko durch Verfälschung der angehängten Rechnung für den Kunden besteht. Dass Kunden von Unternehmen bei einem Datenhacking Vermögenseinbußen drohen, ist ein Risiko, das dem Versand von Rechnungen per E-Mail immanent ist und deshalb eine entsprechende Voraussicht und ein proaktives Handeln erfordert. Der dafür erforderliche technische und finanzielle Aufwand kann auch von einem mittelständischen Handwerksbetrieb erwartet werden, wenn es seine Rechnungen nicht per Post versendet.

Quelle: OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2024, 12 U 9/24, PM 1/25

Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Organschaft im Zusammenhang mit atypisch stiller Beteiligung

Eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft steht der Anerkennung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft grundsätzlich nicht entgegen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Hintergrund: Eine Organschaft führt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dazu, dass nicht mehr die Organgesellschaft ihren Gewinn zu versteuern hat, sondern der Organträger.

Beachten Sie: Die gemäß Körperschaftsteuergesetz (hier: §§ 14 ff. KStG) enthaltenen Regelungen für die Organschaft führen im Ergebnis dazu, dass z. B. in Konzernen die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne sämtlicher Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern hat, aber Verluste und Gewinne der verschiedenen Tochtergesellschaften dabei auch unmittelbar miteinander verrechnet werden können. Insbesondere dieser steuerliche Vorteil hat zu einer weiten Verbreitung der Organschaft in Deutschland geführt.

Das war geschehen

Im Streitfall hatte eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Danach war die „abhängige“ GmbH als Organgesellschaft verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen.

Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand.

Bundesfinanzhof widerspricht Vorinstanzen

Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei, das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere. Die Organschaft sei daher insgesamt nicht anzuerkennen. Dem ist der BFH aber nun entgegengetreten.

§ 14 Abs. 1 KStG setzt einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) und die strikte Erfüllung der zivilrechtlichen Vertragspflichten voraus. Was als ganzer Gewinn abzuführen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Gewinnbeteiligungen, die einem stillen Gesellschafter zustehen, sind im Zivilrecht aber als Geschäftsunkosten vom Gewinn der GmbH abzusetzen. Dies betrifft sowohl die typische als auch die atypisch stille Gesellschaft.

Folglich ist der hiernach verbleibende „Rest-Gewinn“ (im Streitfall also die 90 %) der ganze Gewinn, der an den Organträger abgeführt werden muss. Dass eine (typische oder atypische) stille Beteiligung zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.

Quelle: BFH, Urteil vom 11.12.2024, I R 33/22, Abruf-Nr. 247403; unterwww.iww.de; PM 21/25 vom 3.4.2025

Säumniszuschläge: Spätestens seit März 2022 sind 12 % p. a. nicht zu beanstanden

Säumniszuschläge werden festgesetzt, wenn die Zahlung nicht pünktlich erfolgt. Nach der Abgabenordnung (hier: § 240 AO) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 %. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass wegen des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Zuschläge bestehen.

Darüber hinaus hat der BFH in diesem Verfahren Folgendes entschieden: Wenn das Finanzamt zwar Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, deren Wirkung aber von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig macht, bewirkt die spätere Leistung der Sicherheit im Regelfall, dass die AdV mit (Rück-)Wirkung ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung eintritt und zuvor etwaig entstandene Säumniszuschläge entfallen.

Beachten Sie: Das Finanzamt kann allerdings ausdrücklich anordnen, dass die Wirkung der AdV erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung der Sicherheit beginnt.

Quelle: BFH, Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25 (AdV)

Bundesfinanzministerium: Umsatzsteuerzahler: Anwendungsschreiben zur neuen Kleinunternehmerregelung

Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die nationale Kleinunternehmerregelung mit Wirkung ab dem Jahr 2025 reformiert. Zudem kann die Kleinunternehmerregelung nun auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Infolge der gesetzlichen Neuregelungen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Anwendungsschreiben veröffentlicht und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst und ergänzt.

„Echte“ Befreiung

Durch die Neuregelung sind von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer nun befreit (zuvor wurde die Umsatzsteuer „nicht erhoben“). Die Folge ist, dass ein dennoch in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag unter den Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes (hier § 14c Abs. 1 UStG: „unrichtiger Steuerausweis“) geschuldet wird.

Rechnungen an Endverbraucher ausgenommen

Allerdings entsteht keine Umsatzsteuer, wenn der Kleinunternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher stellt.

Bindend: Fünfjahresfrist

Zudem führt das BMF Folgendes aus: Ein vor 2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bindet den Unternehmer auch für die Zeit nach dem 1.1.2025 weiterhin für insgesamt mindestens fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 3 S. 3 UStG).

Beachten Sie: Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die abgegebene Erklärung gilt.

Quelle: BMF-Schreiben vom 18.3.2025, III C 3 – S 7360/00027/044/105

Freiberufler und Gewerbetreibende: Schwärzungen im Fahrtenbuch eines Berufsgeheimnisträgers

Berufsgeheimnisträger können in ihrem Fahrtenbuch Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Diese Berechtigung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Gegebenenfalls muss der Berufsträger substanziiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem Umfang erforderlich waren und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, gegen die die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist.

Der Rechtsanwalt hatte die Eintragungen in der Spalte „Grund der Fahrt/besuchte Personen“ mit drei Ausnahmen bei allen beruflichen Fahrten geschwärzt. Das war dem FG zu viel. Die Richter fanden es ungewöhnlich, dass ein Anwalt bei nahezu jeder geschäftlichen Fahrt geheimhaltungsbedürftige Daten in sein Fahrtenbuch einträgt. In der vorgelegten Form wurde das Fahrtenbuch deshalb nicht anerkannt.

Quelle: FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024, 3 K 111/21, Rev. BFH, VIII R 35/24

Ladenöffnungszeiten: Das nächste Weihnachtsfest kommt bestimmt: Sonntagsverkauf von Christbaumschmuck im Gartenmarkt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der sonntägliche Verkauf von Dekorationsartikeln und Christbaumschmuck in einem Gartenmarkt verstößt nicht gegen das Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen.

Das war geschehen

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt Gartenmärkte in Nordrhein-Westfalen und verkaufte dort an einem Sonntag im November des Jahres 2022 neben Blumen und Pflanzen auch Dekorationsartikel und Christbaumschmuck. Die Klägerin hält dies für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Landgericht (LG) hat die Klage mit Blick auf das von der Klägerin begehrte Verbot des Verkaufs von künstlichen Tannenzweigen, Motivanhängern, Zimtstangen und Glaskugeln abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sonntägliche Verkauf der in Rede stehenden Waren stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar, weil sie dem Randsortiment zuzurechnen sind. Ihr Verkauf ist deshalb nach dem Ladenöffnungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LÖG NW) an Sonn- und Feiertagen zulässig. Als kleinteilige Accessoires zu den von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Blumen und Pflanzen haben Dekorationsartikel und Christbaumschmuck lediglich ergänzenden, in Umfang und Gewichtigkeit deutlich untergeordneten Charakter.

Die Zugehörigkeit von Waren zum Randsortiment richtet sich nach ihrer hauptsächlichen Zweckbestimmung und nicht nach ihrer darüber hinaus möglichen Nutzung. Zudem muss das Randsortiment anders als das Kernsortiment nicht zum sofortigen Ge- oder Verbrauch bestimmt sein. Auch ist nicht erforderlich, dass Waren des Randsortiments gleichzeitig oder kombiniert mit Waren des Kernsortiments erworben werden. Es stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß dem Grundgesetz (hier: Art. 3 Abs. 1 GG) dar, dass das Randsortiment nur in den aufgrund ihres Kernsortiments privilegierten Verkaufsstellen sonn- und feiertags verkauft werden darf, in sonstigen Verkaufsstellen aber nicht. Die Differenzierung danach, ob das Kernsortiment den typischerweise an Sonn- und Feiertagen anfallenden Bedarf befriedigt, ist sachlich gerechtfertigt.

Quelle: BGH, Urteil vom 5.12.2024, I ZR 38/24, PM Nr. 230/24

Freiberuflichkeit: Einkünftequalifizierung bei Arztpraxen: Arbeitsteilung führt nicht zu gewerblichen Einkünften

Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Hintergrund: Ärzte und Zahnärzte erzielen aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 18 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Gemeinschaftspraxis.

Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte (nach § 15 EstG) einzustufen sind mit der Konsequenz der Gewerbesteuerpflicht. Und darum ging es in folgendem Fall:

Das war geschehen

Eine Partnerschaftsgesellschaft betreibt eine Zahnarztpraxis. Einem ihrer Seniorpartner oblag die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs (z. B. Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften).

Zahnarzt hatte im Jahr fünf Patienten

Der Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Mitsozien und der angestellten Zahnärzte eingebunden. Er beriet im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und generierte hieraus einen geringfügigen Umsatz.

Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz stuften die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein. Dem folgte der BFH allerdings nicht: Alle Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus freiberuflicher und damit selbstständiger Arbeit.

Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, also

  • die persönliche Berufsqualifikation sowie
  • das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt.

Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit im vorgenannten Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.

Beachten Sie: Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.

Eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit ist demzufolge vorliegend anzunehmen. Auch in diesem Fall entfaltet der Berufsträger Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören.

Bundesfinanzhof: Führung und Organisation ist Grundlage für freiberufliche Tätigkeit

Beachten Sie | In diesem Zusammenhang stellte der BFH Folgendes heraus: Die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen. Sie ist demzufolge auch Ausdruck seiner freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie seiner persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit.

Quelle: BFH, Urteil vom 4.2.2025, VIII R 4/22, PM 19/25 vom 27.3.2025