Architektenleistung: Architekt ist kein Rechtsberater des Bauherrn

Der Architekt ist kein Rechtsberater des Bauherrn. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.

Architekt formulierte Klauseln

Der Architekt hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dieses Aufgabengebiet hat zwar Berührungspunkte zu Rechtsdienstleistungen. So kann es zum Erreichen der Ziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen, um den Bauherrn zu beraten.

Im Fall des BGH verlangte die Klägerin vom beklagten Architekten Schadenersatz. Anfang 2010 beauftragte der Rechtsvorgänger der Klägerin den Architekten mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes. Der Beklagte stellte der Klägerin unter anderem einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte.

Unter Verwendung dieses Bauvertragsentwurfs beauftragte die Klägerin im März 2011 auch ein Unternehmen mit Erd- und Kanalisations- sowie Rohbauarbeiten. Dieser Vertrag enthält unter „E. Auftragsbestätigung“ folgende Vereinbarung: „Die Fa. … gewährt … ein Skonto von 3 Prozent bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft.“

Rechtsstreit durch die Instanzen

Von der Schlussrechnung des Unternehmens behielt die Klägerin einen solchen Skontoabzug von 105.125,00 Euro netto (125.098,75 Euro brutto) ein. In einem Rechtsstreit der Klägerin gegen das Unternehmen erhob diese Widerklage auf Zahlung von 125.098,75 Euro mit der Begründung, die Skontoklausel sei als AGB unwirksam, sodass die Klägerin diesen Betrag zu Unrecht von der Schlussrechnung einbehalten habe. In diesem Prozess schlossen die Klägerin und das Unternehmen einen Vergleich, in dem sich die Klägerin den von der Schlussrechnung zurückbehaltenen Betrag auf die von ihr gegen das Unternehmen geltend gemachten Ansprüche anrechnen ließ. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei der auf die Schlussrechnung des Unternehmens vorgenommene Skontoabzug nur deshalb nicht verblieben, da die vom beklagten Architekten vorgeschlagene Skontoklausel unwirksam gewesen sei. Der Beklagte sei deshalb zum Schadenersatz in Höhe von 125.098,75 Euro verpflichtet.

Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz

Der BGH hat festgestellt, dass der Architekt durch die Zurverfügungstellung der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RFD) verstoßen hat. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hatte das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht geprüft und deshalb eine hierauf gestützte Haftung des Beklagten in seine Erwägungen nicht einbezogen.

Keine Erlaubnis zur Rechtsberatung

Der BGH betont: Ein Architekt ist kein Rechtsberater des Bauherrn. Seine rechtsberatende Tätigkeit war auch nicht durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gedeckt. Daran ändert auch nichts, dass sich der Architekt zur Formulierung der Skontoklausel der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hatte.

Gericht muss erneut entscheiden

Der BGH konnte allerdings nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses erforderliche weitere Feststellungen treffen kann.

Quelle: BGH, Urteil vom 9.11.2023, VII ZR 190/22

Leistungszeitbestimmung: Bauvertrag: Entbehrlichkeit der Mahnung

Eine Klausel in einem Bauvertrag, die vorsieht, dass die Ausführungszeit zwölf Monate beträgt und vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung, spätestens vier Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn beginnt, beinhaltet keine den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB) genügende Leistungszeitbestimmung. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken.

Grundsatz

Der außergerichtliche Eintritt des Verzugs setzt als Regel eine Mahnung in Form eines ernsthaften Leistungsverlangens voraus. Die Mahnung ist allerdings in den Fällen des § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich.

Ausnahme

Neben der kalendermäßigen Bestimmung eines konkreten Datums für die Leistungserbringung begründet die Entbehrlichkeit der Mahnung auch, dass der Leistung ein Ereignis vorausgehen muss und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Das OLG hat diese Voraussetzungen verneint, weil es mit den o. g. alternativen Möglichkeiten an einer hinreichenden Bestimmtheit des Fristbeginns fehle.

Leistungszeitpunkt stand bei Vertragsschluss nicht fest

Für den Fristbeginn wird an die Erteilung der Baugenehmigung angeknüpft. Für sich genommen würde dies den Anforderungen eines Ereignisses i. S. v. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügen. Die Alternative des Abrufs durch den Bauherrn kann nach dem OLG aber nur dahingehend verstanden werden, dass der Auftraggeber durch einen späteren Abruf der Leistung den Ausführungsbeginn und damit auch das Ende der Ausführungsfrist hinauszögern konnte, sodass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Leistungszeitpunkt nicht auch nicht mittelbar über den Eintritt eines bestimmten Ereignisses feststand.

Quelle: OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.10.23, 2 U 196/22

Architektenleistung: Wärmeschutz und Energiebilanzierung keine Grundleistungen im Leistungsbild Gebäude

Fragen des Wärmeschutzes und der Energiebilanzierung gehören zu den speziellen Ingenieurleistungen für Bauphysik. Sie unterfallen der Fachplanung durch Sonderfachleute. Daher stellen sie keine Grundleistungen im Leistungsbild Gebäude dar. Das hat jetzt das OLG (OLG) Frankfurt a. M. entschieden.

Wurden Leistungen zum Wärmeschutz und zur Energiebilanzierung nicht beauftragt, ist der Architekt für diesen fachlichen Bereich allerdings insoweit verantwortlich, wie seine Fachkenntnisse dies ermöglichen. Zu mehr ist er jedoch nicht verpflichtet.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 4.5.2021, 15 U 142/18

Honorarordnung: Volles Honorar, auch wenn nicht alle Grundleistungen erbracht wurden

Allein mit der Rüge, es seien nicht alle gemäß Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (hier: § 34 HOAI) aufgeführten Grundleistungen erbracht worden, kann der Auftraggeber das Honorar nicht wirksam mindern. Es sind nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt notwendig, um die Vertragsziele zu erreichen. Das OLG Celle hat sich damit gegen die bisherige Teilleistungs- und Kürzungsrechtsprechung gestellt.

Um diese Problematik ging es

Ein Bauherr hatte einen Architekten beauftragt, für den Umbau und die Modernisierung seines Wohnhauses Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 3 und 5 bis 8 nach der HOAI 2013 zu erbringen. Der Architekt rechnete nach Mindestsätzen ab. Weil der Auftraggeber nur einen Teil zahlte, erhob der Architekt Klage.

Der Auftraggeber wehrte sich mit dem Argument, die Kürzung sei berechtigt, weil der Architekt nicht alle Grundleistungen (= Teilleistungen) aus der jeweiligen Leistungsphase erbracht habe.

Oberlandesgericht: keine Honorarkürzungen

Das OLG gab dem Architekten Recht: Nach § 3 Abs. 2 HOAI sind Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, in Leistungsbildern erfasst. Die Bezeichnung als „im Allgemeinen erforderlich sind“ soll klarstellen, dass nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt zur Erreichung des Vertragsziels notwendig sind. Insbesondere sind nicht alle (in § 34 Abs. 3 HOAI (Anhang 10.1) aufgeführten) Grundleistungen vollständig zu erbringen, wenn die Beauftragung und die notwendig damit verbundenen Leistungen zum vertraglichen Leistungsumfang dies nicht erforderlich machen. Dies ergibt sich aus der Erfolgsbezogenheit des Architektenvertrags, der die Entstehung einer umfassenden gebrauchsfähigen Architektentätigkeit voraussetzt.

Der Auftraggeber hatte bereits nicht behauptet, dass der Kläger bestimmte Grundleistungen nicht erbracht hat, die aber erforderlich gewesen wären, um die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Allein die vom Auftraggeber erhobene Rüge, es seien nicht alle Grundleistungen erbracht worden, führt ohne einen Mangel in der Bauwerksleistung nicht zu einer Vergütungsminderung bzw. einem Schadenersatzanspruch gegen den Architekten.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 2.8.2023, 14 U 200/19

Betretungsverbot: Kein eigenmächtiges Einschreiten zum Schutz von Bäumen bei Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück

Das Amtsgericht (AG) Hannover hat jetzt im Wege einer sog. einstweiligen Verfügung ein Betretungsverbot für eine Baustelle im Zuge einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung ausgesprochen. Es hat einem Nachbarn untersagt, eine Baustelle zu betreten, um Bäume zu schützen.

Das war geschehen

Die Beteiligten des Verfahrens sind Nachbarn. Die Antragsteller errichten auf ihrem Grundstück einen Neubau. Für das Bauvorhaben besteht eine Baugenehmigung. Auf dem Grundstück der Antragsgegnerin befinden sich mehrere Bäume, unter anderem eine Birke, deren Wurzelwerk bis auf das Nachbargrundstück reicht.

An zwei Tagen betrat die Antragsgegnerin das Grundstück der Antragsteller und behinderte die dort durchgeführten Baggerarbeiten. Im Verfahren hat die Antragsgegnerin sich darauf berufen, dass sie zum Schutz des Wurzelwerks der auf ihrem Grundstück befindlichen Bäume eingeschritten sei. Sie sei davon ausgegangen, dass die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Bestimmungen zum Schutz der auf den benachbarten Flächen befindlichen Gehölzen, Bäumen und Hecken nicht eingehalten worden seien. Daher habe sie befürchtet, dass es durch die Baggerarbeiten zu irreparablen Schäden am Wurzelwerk ihrer Bäume komme.

So sah es das Gericht

Das AG hat den Antragstellern Recht gegeben und der Antragsgegnerin aufgegeben, das Betreten des Nachbargrundstücks zu unterlassen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass allein das bloße Betreten eines Grundstücks durch unbefugte Personen ohne den Willen des Besitzers unzulässig sei (sog. Besitzstörung). Auch der angestrebte Schutz der Bäume der Antragsgegnerin ändere daran nichts.

Selbsthilfemaßnahmen verstießen gegen Besitzschutzrechte

Das AG betonte: Unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegnerin wegen der ihrerseits befürchteten Schädigung des Wurzelwerkes des auf ihrem Grundstück befindlichen Baumbewuchses überhaupt Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche zustehen, wären sie selbst, wenn sie bestünden keine taugliche Grundlage für die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Selbsthilfemaßnahmen. Dies erkläre sich insbesondere aus dem Sinn und Zweck der von Antragstellerseite geltend gemachten Besitzschutzansprüche. Sie sollen die Kontinuität der bestehenden Besitzlage gegen Eingriffe schützen und so den allgemeinen Rechtsfrieden wahren. Die Besitzschutzrechte erschöpften sich daher darin, verbotene Übergriffe rückgängig zu machen und den eigenmächtig Handelnden in die Bahnen des justizförmigen Verfahrens zur Durchsetzung seines Rechts zu zwingen.

Vor diesem Hintergrund hätte es der Antragsgegnerin oblegen, sich zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche (zivil-)gerichtlicher Hilfe zu bedienen. Alternativ hätte sie gegenüber den zuständigen Behörden auf ein behördliches Einschreiten notfalls mittels verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes hinwirken können und müssen.

Quelle: AG Hannover, Urteil vom 16.10.2023, 435 C 8845/23, PM vom 17.10.2023

Wohnraum: Zweckentfremdungsverbot kann auch für Bauruine gelten

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Ein ursprünglich zu Wohnzwecken errichtetes Gebäude kann allein durch bewussten jahrelangen Leerstand und dadurch bedingten baulichen Verfall nicht der Geltung des Zweckentfremdungsverbots entzogen werden.

Eine Bauentwicklungsgesellschaft kaufte im Jahr 1998 ein Mehrfamilienhaus in Berlin-Mitte, um ein Investitionsvorhaben mit dem Ziel der Sanierung und Wiederherstellung von 23 Wohnungen durchzuführen. Das Haus stand spätestens seit 1998 leer. Von einer beantragten und erteilten Baugenehmigung zur Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes machte sie keinen Gebrauch. Vielmehr teilte sie dem Bezirksamt 2015 mit, dass das Wohngebäude zur dauernden Wohnnutzung nicht mehr geeignet sei, weil es weder über eine Heizung noch über Bäder und Toiletten verfüge und die Böden einsturzgefährdet seien. Im Jahr 2019 beantragte die Bauentwicklungsgesellschaft einen sog. Negativattest mit dem Inhalt, dass es sich bei den Räumlichkeiten nicht um schützenswerten Wohnraum handle, der dem Zweckentfremdungsverbot unterfalle, und kündigte an, das Gebäude beseitigen zu wollen. Das Bezirksamt lehnte die Erteilung des Negativattests ab.

Die dagegen gerichtete Klage hat das VG abgewiesen. Das betroffene Gebäude stelle zweckentfremdungsrechtlich geschützten Wohnraum dar, weil es weiterhin zur dauernden Wohnnutzung geeignet sei. Zwar sei das Gebäude in seinem derzeitigen stark sanierungsbedürftigen und baufälligen Zustand aktuell nicht bewohnbar. Zu Wohnzwecken errichtete Gebäude unterfielen aber auch dann dem Zweckentfremdungsverbot, wenn sie sich noch mit objektiv zumutbarem Aufwand in einen bewohnbaren Zustand versetzen ließen. Davon sei hier auszugehen, weil die Bauentwicklungsgesellschaft nicht nachgewiesen habe, dass ihr eine Wiederherstellung der Bewohnbarkeit unzumutbar sei. Dies sei nur der Fall, wenn die ansetzbaren Wiederherstellungskosten höher seien als die in zehn Jahren erzielbare Rendite. Von den tatsächlichen Wiederherstellungskosten seien dabei solche nicht berücksichtigungsfähig, die auf in der Vergangenheit unterlassene Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen zurückzuführen seien.

Denn andernfalls wäre es möglich, durch gezielten Leerstand Wohnraum zu vernichten und das Zweckentfremdungsverbot zu umgehen. Wenn wie hier Räumlichkeiten über einen erheblichen Zeitraum leer gestanden hätten, ohne dass Maßnahmen zur Instandhaltung ergriffen worden seien, sei zu vermuten, dass Kosten für eine Wiederherstellung der Bewohnbarkeit vermeidbar gewesen wären und deshalb nicht zu berücksichtigen seien.

Das Gericht hat gegen das Urteil die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zugelassen.

Quelle: VG Berlin, Urteil vom 12.7.2023, VG 6 K 264/21, PM vom 18.9.2023

Gebührenbescheid: Kein Wasseranschlussbeitrag für Photovoltaik-Freiflächenanlage

Die Eigentümer eines Grundstücks, auf dem eine Photovoltaik-Freiflächenanlage errichtet worden ist, sind nicht verpflichtet, für die Möglichkeit, das Grundstück an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen, einen Anschlussbeitrag nach dem Kommunalabgabengesetz NRW zu zahlen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster jetzt entschieden.

Das meinten die Grundstückseigentümer

Die Eigentümer sind von einem Wasserversorgungsverband zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von rund 46.000 Euro für eine vor ihrem Grundstück verlaufende Frischwasserleitung herangezogen worden. Nach dem Bebauungsplan darf auf dem Grundstück nur eine Photovoltaik-Freiflächenanlage errichtet werden. Die Eigentümer hielten den Heranziehungsbescheid für rechtswidrig. Insbesondere machten sie geltend, die Möglichkeit, das Grundstück an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen, vermittle ihnen keinen wirtschaftlichen Vorteil, wie er für die Beitragserhebung erforderlich sei. Für eine Photovoltaik-Freiflächenanlage bestehe kein Bedarf an einer (leitungsgebundenen) Wasserversorgung.

So sah es der Wasserversorgungsverband

Der Wasserversorgungsverband vertrat demgegenüber die Ansicht, jedenfalls für die von Zeit zu Zeit erforderliche Reinigung der Solarpanels sowie unter Brandschutzgesichtspunkten sei eine Wasserversorgung nützlich bzw. notwendig.

So entschieden die Gerichte

Das Verwaltungsgericht (VG) Münster hatte auf die Klage der Eigentümer den Beitragsbescheid aufgehoben. Die dagegen gerichtete Berufung des Wasserversorgungsverbands hatte nun beim OVG keinen Erfolg.

Das OVG sagt: Ein Wasseranschluss ist für die Grundstücksnutzung mit einer Photovoltaik-Freiflächenanlage regelmäßig nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil verbunden. Ein wirtschaftlicher Vorteil liegt vor, wenn die Wasserversorgung die bauliche Nutzung des Grundstücks erst ermöglicht oder sie zumindest verbessert. Bei einer allein zulässigen Bebauung mit einer Photovoltaik-Freiflächenanlage ist dies typischerweise nicht der Fall. Die Bereitstellung von Löschwasser ist in der Regel so auch hier nicht Aufgabe des Grundstückseigentümers.

Wasser für die Reinigung der Solarpanels ist auch anderweitig beschaffbar

Durch die Reinigung, die typischerweise in einem zeitlichen Abstand zwischen einem und mehreren Jahren sinnvoll ist, wird die Effektivität der Anlage gewährleistet und ihre Lebensdauer günstig beeinflusst. Dies ist hier aber ausnahmsweise kein beitragsrelevanter Vorteil, weil der Eigentümer der Anlage den seltenen Bedarf an Reinigungswasser durch gleichwertige private Vorkehrungen decken kann, die für ihn ökonomisch sinnvoller sind.

An eine Gleichwertigkeit von Wasserversorgungs- und -entsorgungsalternativen gegenüber entsprechenden Leistungen öffentlich-rechtlicher Einrichtungen sind zwar sehr strenge Anforderungen zu stellen. Jedoch stehen einer Reinigung der Solarpanels durch Unternehmen, die das hierfür erforderliche Wasser etwa im Tank heranschaffen, weder öffentliche noch private Belange entgegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Reinigungsbedarf für Photovoltaik-Freiflächenanlagen nur sehr selten besteht und typischerweise langfristig planbar ist, sodass eine ständig verfügbare Wasserleitung keinen erkennbaren Vorteil bietet. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsträger hat zwar grundsätzlich die Möglichkeit, satzungsrechtlich einen Anschluss- und Benutzungszwang für sein Leitungsnetz anzuordnen, was die Berufung auf die alternative Gebrauchsmöglichkeit ausschließen würde. Vorliegend sieht die Satzung des beklagten Wasserversorgungsverbands eine Anschluss- und Benutzungspflicht jedoch nur für Grundstücke vor, auf denen regelmäßig Wasser verbraucht wird. Gerade das ist aufgrund des zu erwartenden größeren zeitlichen Abstands zwischen den einzelnen Reinigungen einer Photovoltaik-Freiflächenanlage nicht der Fall.

Das OVG hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Hiergegen kann der Beklagte Beschwerde einlegen.

Quelle: OVG Münster, Urteil vom 29.8.2023, 15 A 3204/20, PM vom 29.8.2023

Lärmimmissionen: Tischtennisplatte auf Spielplatz darf bleiben

Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat die Klage der Eigentümerin eines Wohnhauses abgewiesen, mit der sie im Wesentlichen die Entfernung einer Tischtennisplatte von dem in ihrer Nachbarschaft gelegenen Spielplatz begehrt.

Lärmbelästigung durch Tischtennisplatte?

Der Klägerin gehört ein Einfamilienhaus in einem Dorfgebiet der beklagten Ortsgemeinde. Auf dem angrenzenden Grundstück befindet sich ein von der Ortsgemeinde betriebener Kinderspielplatz, der ausweislich der Beschilderung die Benutzung für Kinder unter 14 Jahre in der Zeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr gestattet. Im Frühjahr 2023 wurde zusätzlich zu den vorhandenen Spielgeräten eine Tischtennisplatte auf dem Spielplatz aufgestellt. Hiergegen setzte sich die Klägerin mit der beim erkennenden Gericht erhobenen Klage zur Wehr, mit der sie die Entfernung der Tischtennisplatte, hilfsweise die zeitliche Einschränkung des Spielbetriebs von Dritten begehrt. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, die Benutzung der Tischtennisplatte gehe mit erheblichen Lärmbelästigungen, auch während der Ruhezeiten, einher. Zudem werde die Tischtennisplatte nicht nur von Kindern, sondern auch von älteren Jugendlichen und Erwachsenen bespielt.

Ortsbesichtigung

Das VG hat die Klage nach einer Ortbesichtigung abgewiesen. Ein Anspruch auf Entfernung der Tischtennisplatte bestehe nicht. Schädliche, der Beklagten zurechenbare Umwelteinwirkungen im Sinne der einschlägigen Vorschriften lägen hier nicht vor.

Privilegierte und sozialadäquate Geräusche

Geräuscheinwirkungen, die von Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen ausgingen, würden vom Gesetzgeber privilegiert und stellten im Regelfall keine immissionsschutzrechtlich relevante Störung dar. Dies treffe auch auf den vorliegenden Spielplatz zu. Dieser sei nach seiner Gesamtkonzeption auf spielerische oder körperlich spielerische Aktivitäten von Kindern bis 14 Jahre aus der umliegenden Umgebung zugeschnitten. Die Tischtennisplatte als kleinräumige Anlage ergänze das bestehende Angebot, diene dem Bewegungsbedürfnis von Kindern bis 14 Jahren und sei auch nicht als Sportanlage zu qualifizieren. Der Spielplatz mitsamt Tischtennisplatte stelle auch keinen von der Privilegierung abweichenden Sonderfall dar. Der Spielbetrieb auf einem Spielplatz sei typischerweise mit einer deutlich wahrnehmbaren Geräuschkulisse verbunden, von der sich die unregelmäßigen und impulsartigen Spielgeräusche beim Tischtennis samt Anfeuerungsrufen nicht nennenswert abheben. Die hiervon ausgehenden Lärmimmissionen stellten somit keine wesentliche Störung dar und seien von den Nachbarn als sozialadäquat hinzunehmen.

Keine Schutzbedürftigkeit

Zudem sei die Nachbarschaft des im Dorfgebiet angesiedelten Spielplatzes aufgrund dessen Gebietscharakters weniger sensibel und schutzbedürftig als in anderen Gebieten, sodass entsprechend höhere Anforderungen an eine Ausnahme von der Privilegierung zu stellen seien.

Missbräuchliche Nutzung ist durch Polizei und Ordnungsrecht zu unterbinden

Schließlich habe die Klägerin mangels subjektiv-rechtlichen Anspruchs auch keinen Abwehranspruch gegen Geräuschimmissionen, die auf die Benutzung außerhalb der festgelegten Öffnungszeiten bzw. die Benutzung durch Jugendliche oder Erwachsene zurückzuführen seien. Eine solche Benutzung außerhalb des Widmungszwecks sei missbräuchlich und der Beklagten mangels Schaffung besonderer Anreize nicht zuzurechnen. Störungen dieser Art seien daher polizei- und ordnungsrechtlich zu beseitigen.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz beantragen.

Quelle: VG Trier, Urteil vom 24.7.2023, 9 K 1721/23.TR, PM 14/23

Betriebserlaubnis: Schon ansässiges erlaubtes Glücksspielangebot in einem Gebäudekomplex ist privilegiert

Die Ansiedlung von Stellen zur Vermittlung von Sportwetten in einem Gebäudekomplex, in dem sich bereits eine glücksspielrechtlich erlaubte Spielhalle oder Spielbank befindet, ist unzulässig. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf mit zwei Urteilen entschieden und damit die Klagen einer Veranstalterin von Sportwetten und einer Wettvermittlerin abgewiesen.

Wenn Spielhalle oder Spielbank vorhanden ist, sind keine Sportwetten möglich

Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 dürfen konzessionierte Wettveranstalter in Deutschland Sportwetten über stationäre Wettvermittlungsstellen anbieten. Für den Betrieb einer stationären Wettvermittlungsstelle bedarf es einer Erlaubnis. Gesetzlich vorgesehen ist zudem, dass in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befindet, Sportwetten nicht vermittelt werden dürfen.

Trennungsgebot

Unter Berufung auf dieses sog. Trennungsgebot lehnte die Bezirksregierung Düsseldorf den Antrag einer Wettveranstalterin und einer Wettvermittlerin auf Erteilung einer Betriebserlaubnis in Mülheim/Ruhr ab. Das VG hat diese Bescheide in ihren Urteilen bestätigt und ausgeführt: Das Trennungsgebot begründet grundsätzlich keine einseitige Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen.

Vielmehr setzt sich im Fall des Zusammentreffens der unterschiedlichen Glücksspielangebote in einem Gebäude oder Gebäudekomplex regelmäßig das am jeweiligen Standort bereits ansässige glücksspielrechtlich erlaubte Spielangebot gegenüber der hinzutretenden Glücksspielstätte durch, unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine Spielhalle bzw. Spielbank oder eine Wettvermittlungsstelle handelt.

Gemeinwohl überwiegt

Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen das Trennungsgebot bestehen nicht. Denn das Gemeinwohlziel, einem übermäßigen Spieltrieb zu begegnen, indem der unmittelbare Kontakt zwischen den verschiedenen Glücksspielarten in räumlicher Nähe vermieden wird, ist von überragender Bedeutung. Demgegenüber tritt der Eingriff in die Rechte von Wettveranstaltern und Wettvermittlern zurück.

Gegen die Urteile kann jeweils die Zulassung der Berufung beantragt werden, über die das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.

Quelle: VG Düsseldorf, Urteile vom 4.10.2023, 3 K 7177/21 und 3 K 7178/21, PM vom 4.10.2023

Aktuelle Gesetzgebung: Ersatzbaustoffverordnung: neue Vorgaben seit 1.8.2023

Seit dem 1.8.2023 wurden erstmals die Vorgaben der Ersatzbaustoffverordnung (ErsatzbaustoffV) für die Verwertung mineralischer Abfälle wie Bodenaushub, Bauschutt oder Schlacken deutschlandweit vereinheitlicht. Die Regelungen gewährleisten einen einheitlich hohen Umweltschutzstandard, geben Herstellern sowie Verwendern Rechtssicherheit und machen damit Ersatzbaustoffe für Bauvorhaben künftig noch attraktiver. So werden der Verbrauch an Primärbaustoffen reduziert und natürliche Ressourcen und das Klima geschont.

Mit der neuen ErsatzbaustoffV will das Bundesumweltministerium (BMU) weiter in Richtung Kreislaufwirtschaft im Bausektor vorangehen. So sollen die „Kleinstaaterei“ bei der Frage der recycelten Baustoffe beendet und bundesweit einheitliche Regeln erschaffen werden.

Hohes Abfallaufkommen mit großem Recycling-Potenzial

Mineralische Abfälle sind massebezogen der größte Abfallstrom in Deutschland. Jedes Jahr fallen in Deutschland rund 250 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an, wie zum Beispiel Bau- und Abbruchabfälle (Bauschutt), Bodenmaterial (z. B. ausgehobene Erde), Schlacken aus der Metallerzeugung und Aschen aus thermischen Prozessen. Das sind etwa 60 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland. In mineralischen Abfällen steckt ein enormes Recycling-Potenzial, weil diese zu hochwertigen mineralischen Ersatzbaustoffen aufbereitet werden können. Diese Recycling-Baustoffe kommen schon heute an vielen Stellen zum Einsatz, vor allem bei sogenannten technischen Bauwerken, also beim Bau von Straßen, Bahnstrecken, befestigten Flächen, Leitungsgräben, Lärm- und Sichtschutzwällen oder im Hochbau als Recycling-Beton. Die stetig zunehmende Bauaktivität in Deutschland verbraucht Ressourcen und macht es erforderlich, das hochwertige Recycling von Baustoffen zu fördern. Je mehr vorhandene Recycling-Potenziale genutzt werden, desto mehr werden wertvolle Ressourcen gesichert und die Wirtschaft in Deutschland unabhängiger von Importen gemacht.

Rechtsgrundlagen angepasst

Um die Nachfrage nach Ersatzbaustoffen durch rechtsverbindliche Qualitätsstandards bundesweit zu vereinheitlichen und zu stärken, wurde im Jahr 2021 die Ersatzbaustoffverordnung beschlossen. Unmittelbar mit dem Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung tritt auch eine erste Änderung in Kraft. Mit der ersten Änderung werden für den Vollzug wichtige Details angepasst, wie die Aufnahme von Kriterien zur Anerkennung sogenannter Güteüberwachungsgemeinschaften. Damit wird die Gütesicherung der hergestellten Ersatzbaustoffe gestärkt.

Bauherren, die sich bisher mit den spezifischen Regelungen der Bundesländer auseinandersetzen und ggf. eine wasserrechtliche Erlaubnis beantragen mussten, können nun qualitätsgeprüfte Ersatzbaustoffe rechtssicher ohne wasserrechtliche Erlaubnis bundesweit verwenden.

Quelle: Verordnung zur Änderung der Ersatzbaustoffverordnung und der Brennstoffwechsel-Gasmangellage-Verordnung, BGBl. 2023 I Nr. 186 vom 18.7.2023