Nachtragsforderung: Riskant: Rechtsberatung durch Architekten

In letzter Zeit häufen sich die Entscheidungen dazu, dass es nicht zu den Aufgaben des Architekten gehört, Rechtsfragen zu bearbeiten. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt eine neue Variante hinzugefügt und sich klar positioniert.

Das OLG: Ob eine Nachtragsforderung des bauausführenden Unternehmers berechtigt ist, liegt außerhalb der Fragestellungen, für deren Richtigkeit der Architekt mit seiner Rechnungsprüfung im Verhältnis zum Auftraggeber einzustehen hat.

Quelle: OLG Frankfurt, Beschluss vom 2.3.2023, 21 U 69/21

HOAI: Keine Honorarkürzung, wenn nicht alle Grundleistungen erbracht wurden

Allein mit der Rüge, es seien nicht alle in § 34 HOAI aufgeführten Grundleistungen erbracht worden, kann der Auftraggeber das Architektenhonorar nicht wirksam mindern. Die Bezeichnung „im Allgemeinen erforderlich“ in § 3 Abs. 3 HOAI soll nämlich klarstellen, dass nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt notwendig sind, um die Vertragsziele zu erreichen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Maßgeblich sind die vertraglichen Vereinbarungen

Maßgeblich sind nach dem OLG nicht die in der HOAI genannten Leistungsbilder, sondern die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Was ein Planer vertraglich schuldet, ergibt sich aus dem Vertrag, in der Regel also aus dem Recht des Werkvertrags. Der Inhalt dieses Vertrags ist nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts zu ermitteln.

Die HOAI enthält keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen. Die in der HOAI geregelten „Leistungsbilder“ sind Gebührentatbestände für die Berechnung des Honorars der Höhe nach.

Daraus folgt, dass es sich bei den Vorgaben des § 34 Abs. 3 und Anlage 10.1 HOAI nicht um eine abschließende Darstellung, sondern um eine Auslegungshilfe handelt.

Es müssen nicht stets alle Grundleistungen erbracht werden

Die in Anlage 10.1 aufgeführten Grundleistungen sind nicht alle zwingend für einen vollständigen Honoraranspruch zu erbringen, wenn dies für den vereinbarten Leistungsumfang nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich auch aus § 3 Abs. 2 S. 1 HOAI, wonach die in den Leistungsbildern erfassten Grundleistungen im Allgemeinen zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags erforderlich sind.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nicht immer alle in der jeweiligen Leistungsphase aufgeführten Grundleistungen zur Lösung der jeweiligen konkreten Planungsaufgabe zwingend erbracht werden müssen. Sind bestimmte Grundleistungen nicht zur Lösung der konkreten Planungsaufgabe erforderlich, führt es nicht zu einer Honorarkürzung, wenn diese nicht erforderlichen Leistungen nicht erbracht wurden.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 7.2.2024, 14 U 12/23

Gebäudesanierung: Architekt haftet bei falscher Energieberatung

Ein Architekt, der bei der Gebäudesanierung seine Kunden nicht nur in technischer Hinsicht berät, sondern auch Ratschläge zum Erhalt von Fördermitteln erteilt, muss für Schäden einstehen, wenn er die Fördervoraussetzungen fehlerhaft einschätzt. So hat es das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden.

Empfehlung des Architekten

Die Frau hatte sich zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann dazu entschlossen, ihr Mehrfamilienhaus energetisch sanieren zu lassen und wollte dafür möglichst auch Fördermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten. Sie ließ sich dahingehend von einem Architekten beraten, der auch Leistungen im Bereich der Energieberatung anbietet. Dieser empfahl, das Objekt in Wohnungseigentum umzuwandeln, da dies eine Voraussetzung für die Gewährung von KfW-Fördermitteln im Rahmen des Programms „Energieeffizient Sanieren“ sei.

Kfw verweigerte Fördermittel

Entsprechend der Beratung des Architekten stellte das Ehepaar den Antrag auf die Fördermittel, noch bevor die Umwandlung des Hauses in Wohnungseigentum vollzogen war. Nachdem die Sanierungsarbeiten durchgeführt und die Umwandlung in Wohnungseigentum abgeschlossen waren, rief das Ehepaar die Fördermittel ab. Die KfW verweigerte jedoch die Auszahlung, da nach den Förderbedingungen nur Eigentümer von bestehenden Eigentumswohnungen antragsberechtigt seien; eine Umwandlung in Wohnungseigentum erst nach Antragstellung genüge dagegen nicht. Die nun entgangenen Vorteile verlangten die Eigentümer von dem Architekten ersetzt.

Architekt erbrachte Rechtsdienstleistung

Das LG gab der Klage statt. Der Architekt habe nicht nur auf technischer Ebene zugearbeitet, sondern mit seiner beratenden Tätigkeit zu den Fördervoraussetzungen der geplanten Sanierungsmaßnahme eine sogenannte Rechtsdienstleistung erbracht. Da die Information über die Voraussetzungen für die KfW-Förderung der geplanten Maßnahme unzureichend gewesen sei, habe er seine Schutzpflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt. Hätten die Eheleute den Antrag erst nach der Umwandlung in Wohnungseigentum gestellt, hätten sie die Fördermittel erhalten. Den daraus entstandenen Schaden muss der Architekt nun erstatten.

Das LG: Der Architekt kann sich im Nachhinein nicht darauf berufen, er arbeite im Rahmen der Energieberatung nur auf technischer Ebene.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 25.1.2024, 7 O 13/23, PM vom 28.3.2024

Privilegiertes Bauvorhaben: Kleinwindenergieanlagen für Eigengebrauch im Außenbereich

Die Errichtung von Kleinwindenergieanlagen ist ein im Außenbereich baurechtlich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windenergie, auch wenn es nicht mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms der öffentlichen Energieversorgung, sondern der Deckung des privaten Verbrauchs dient. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz.

Landkreis lehnte Erlass eines Bauvorbescheids ab

Die Kläger beantragten, ihnen einen Bauvorbescheid zur Errichtung von vier Kleinwindenergieanlagen (Gesamthöhe 6,5 m) auf ihrem Grundstück im Außenbereich zu erteilen. Der Landkreis lehnte dies mit der Begründung ab, die Anlagen seien nicht als im Außenbereich privilegierte Vorhaben der Nutzung der Windenergie zu behandeln, da die Privilegierung auf solche Windenergieanlagen zu beschränken sei, die der öffentlichen Versorgung dienten. Zudem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen. Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtete den beklagten Landkreis, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Landkreises wies das OVG zurück.

Privilegiertes Bauvorhaben auch bei Privatnutzung der erzeugten Energie

Das VG habe den Beklagten zu Recht zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids verpflichtet. Bei der Errichtung und dem Betrieb der vier Kleinwindenergieanlagen handele es sich um ein der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB), das im Außenbereich zugelassen werden könne.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ließen sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal herleiten, wonach das Vorhaben nicht nur der Nutzung der Windenergie, sondern mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms auch der öffentlichen Energieversorgung dienen müsse. Gegen ein solches ungeschriebenes Erfordernis sprächen auch Sinn und Zweck der Norm. Diese diene letztlich einer umwelt- und ressourcenschonenden Energieversorgung mittels einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien, wozu Windenergieanlagen auch dann beitrügen, wenn sie allein zur Deckung eines privaten Verbrauchs errichtet würden. Die überragende Bedeutung dieses Ziels habe der Gesetzgeber mehrfach in seiner weiteren Normsetzung herausgestellt.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem Urteil des OVG aus dem Jahr 2018, an dem der dort erkennende Senat in Bezug auf den geforderten öffentlichen Versorgungszweck in einer neueren Entscheidung aus dem Jahr 2023 ersichtlich nicht mehr festhalte.

Keine Gefahr von Wildwuchs

Nicht nachvollziehbar sei die vom Beklagten ferner geltend gemachte Befürchtung, dass bei einer Privilegierung von allein der privaten Versorgung dienenden Kleinwindenergieanlagen ein Wildwuchs derartiger Vorhaben zulasten der Landschaft drohe. Denn die Errichtung einer Kleinwindenergieanlage im Außenbereich komme unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur in Betracht, wenn der erzeugte Strom entweder durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder ins Stromnetz eingespeist werde. Dies sei jedoch regelmäßig nicht der Fall, da ein Endabnehmer vor Ort im Außenbereich nur in Ausnahmefällen vorhanden sei und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsaspekten ausscheide. Dem privilegierten Vorhaben stünden auch keine öffentlichen Belange entgegen.

Quelle: OVG Koblenz, Urteil vom 4.4.2024, 1 A 10247/23.OVG, PM 6/24

Fristüberschreitung: Investoren müssen Vertragsstrafe an Planungsverband zahlen

Zwei Investoren sind zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 300.000 Euro nebst Zinsen an einen Planungsverband verpflichtet worden, weil sie die Erteilung einer Baugenehmigung zur Realisierung eines Hotelbauvorhabens nicht rechtzeitig beantragt haben. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz.

Frist für Bebauungsplan vereinbart

Im Dezember 2016 schloss der Planungsverband mit den Investoren einen städtebaulichen Vertrag. In diesem verpflichteten sich die Investoren, binnen 36 Monaten ab Inkrafttreten eines vom Planungsverband aufzustellenden Bebauungsplans einen vollständigen Bauantrag zur Errichtung eines Hotelbaus zu stellen. Unterbleibt eine rechtzeitige Bauantragstellung, ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 15.000 Euro monatlich, höchstens in Höhe von 300.000 Euro, vorgesehen.

Frist überschritten: Vertragsstrafe

Weil die Investoren ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen waren, verlangte der Planungsverband zunächst außergerichtlich und dann mit seiner Klage, die vereinbarte Vertragsstrafe zu zahlen. Die Investoren beriefen sich dagegen auf Formfehler beim Zustandekommen des Vertrags und machten geltend, die Stellung eines vollständigen Bauantrags sei ihnen unmöglich gewesen, weil der Planungsverband Gestaltungsvorgaben nicht hinreichend konkret vorgegeben habe. Ferner stünde ein Lärmschutzkonflikt mit den Betreibern der auf dem Plateau vorhandenen Freilichtbühne einer Umsetzung des Hotelkonzepts entgegen.

Anforderungen eingehalten

Die Klage hatte Erfolg. Der Verband habe einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe, so das VG. Der Vertrag sei frei von Verfahrens- und Formfehlern zustande gekommen und entspreche den an einen städtebaulichen Vertrag zu stellenden gesetzlichen Anforderungen.

Rechtzeitigkeit wäre möglich gewesen

Den Investoren sei es zudem möglich gewesen, rechtzeitig vollständige Bauantragsunterlagen einzureichen. Insbesondere habe der Lärmschutzkonflikt zwischen dem geplanten Hotelvorhaben und der Freilichtbühne die Vorlage vollständiger Bauantragsunterlagen nicht unmöglich gemacht. Eine Lösung des Konflikts wäre vielmehr im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens herbeizuführen gewesen.

Gegen die Entscheidung wurde Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz erhoben.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 6.12.2023, 4 K 388/23.KO, PM 1/24

Vertragsgestaltung: Aufgaben der Tragwerksplanung

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat entschieden: Ein Tragwerksplaner ist nur verpflichtet, den Prüfbericht des Prüfingenieurs und die diesem beigefügten Bewehrungspläne zu prüfen, wenn eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen wurde.

Wichtige Entscheidung

Diese Aussage ist für das Tagesgeschäft der Tragwerksplanung wichtig, da es in den meisten Fällen für den Tragwerksplaner von Eigeninteresse sein dürfte, Prüfbericht und Prüfeintragungen durchzusehen. Denn der Prüfingenieur könnte ja auch eigene Mängel verhindern helfen. Schwierig wird es, wenn der Prüfingenieur eine andere Auffassung vertritt, aber dennoch kein Planungsfehler vorliegt. Dann muss man abwägen.

Das gehört nicht zu den Aufgaben eines Tragwerksplaners

Das OLG hat auch noch weitere Feststellungen getroffen: Es gehört danach nicht zu den Aufgaben eines Tragwerksplaners, geänderte Ausführungspläne des Architekten an das bauausführende Unternehmen weiterzuleiten. Dies ist ein ständiges Streitthema. Um hier Auseinandersetzungen zu vermeiden, ist es wichtig, zu Planungsbeginn eine Regelung zu treffen, wer welche Pläne an wen weiterleitet. In den meisten Fällen macht es Sinn, dass der Objektplaner hier koordinierend Regelungsvorschläge macht und dafür Sorge trägt, dass seine Pläne an die ausführenden Unternehmen weitergeleitet werden.

Schutzwürdiges Eigeninteresse erforderlich

Außerdem, so das OLG, setzte ein Anspruch des Auftraggebers auf Lieferung von Plänen nach Abschluss der Bauarbeiten ein schutzwürdiges Eigeninteresse voraus. Daran fehle es, wenn der Auftraggeber das Bauwerk jahrelang ohne die verlangten Pläne nutzen und verwalten konnte. Hierdurch wird klargestellt, dass Planungsbüros im Regelfall nicht jahrelang als Planarchiv für ehemalige Auftraggeber fungieren müssen.

Quelle: OLG München, Urteil vom 16.5.2023, 9 U 1801/21 Bau

Bauaufsichtsbehörde: Untersagung der ungenehmigten Nutzung eines Einfamilienwohnhauses als Monteursunterkunft

Die ungenehmigte Nutzung eines Einfamilienwohnhauses als Monteursunterkunft darf nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Neustadt an der Weinstraße untersagt werden.

Das war geschehen

Die Stadt Ludwigshafen hatte durch ihre Bauaufsichtsbehörde eine Ortsbesichtigung durchgeführt, die ein zur Wohnnutzung genehmigtes Einfamilienhaus betraf. Hierbei stellte sie fest, dass sich in dem Wohnraum im Erdgeschoss zwei Einzelbetten und in einem Wohnraum im Dachgeschoss vier weitere Betten befanden. Insgesamt wohnten dort sechs männliche Personen. Die Stadt untersagte daraufhin gegenüber dem Eigentümer die Nutzung des Hauses für die Zwecke einer „Monteursunterkunft“ bzw. für eine „Beherbergung“ und ordnete hierfür die sofortige Vollziehung an. Dieser legte Widerspruch ein und stellte wegen des Sofortvollzugs zudem einen Eilantrag beim VG. Der Antrag blieb hinsichtlich der Nutzungsuntersagung ohne Erfolg.

So argumentierte das Verwaltungsgericht

Nach der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (hier: § 81 LBauO) könne die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung solcher Anlagen untersagen, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstießen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten.

Dies sei hier der Fall. Die von der Stadt ausgesprochene Nutzungsuntersagungsverfügung sei nicht zu beanstanden, da die tatsächliche Nutzung des Einfamilienhauses als Monteursunterkunft oder sonst als Beherbergungsbetrieb weder genehmigt noch genehmigungsfrei sei. Vorliegend sei nämlich von einer tatsächlich nicht Wohnzwecken dienenden Nutzung des Einfamilienwohnhauses auszugehen.

Definition der „Wohnnutzung“

Eine Wohnnutzung zeichne sich durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts aus. Dies setze bestimmte Ausstattungsmerkmale des Gebäudes voraus. Erforderlich seien insbesondere eine Küche bzw. Kochgelegenheit sowie Toiletten und Waschgelegenheiten, die auch in Gestalt von Gemeinschaftseinrichtungen zur Verfügung stehen könnten.

Der Begriff des Wohnens verlange zudem, dass Aufenthalts- und private Rückzugsräume vorhanden seien, die eine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises erst ermöglichten. Auch Wohnheime etwa Studentenwohnheime könnten daher als Wohngebäude einzustufen sein, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung und Ausstattung Wohnbedürfnisse erfüllen könnten und sollten. Die Grenzen des Wohnens seien allerdings überschritten, wenn das Gebäude wie im Fall einer Unterkunft für Monteure aufgrund seiner spartanischen Ausstattung lediglich als Schlafstätte diene und auch einfache Wohnbedürfnisse nicht befriedige. Dabei spiele zudem die Wohndichte eine Rolle. Der Umstand, dass sich zwei Bewohner einen Schlafraum teilten, spreche zwar nicht zwingend gegen eine Wohnnutzung im Rechtssinne; die dadurch bewirkte Einschränkung der Privatsphäre schließe aber unter Berücksichtigung der hierzulande üblichen Wohnstandards die Annahme einer Wohnnutzung jedenfalls dann regelmäßig aus, wenn zwischen den Bewohnern keine persönliche Bindung bestehe bzw. sich diese Bindung in dem gemeinsamen Interesse an einer möglichst kostengünstigen Unterbringung erschöpfe.

Mindestanforderungen der Wohnnutzung waren zwar erfüllt…

Zwar verfüge das Wohnhaus hier mit zwei Toiletten und einer Küche über die für eine Wohnnutzung erforderlichen Mindestanforderungen. Alle Räume seien aber sehr spartanisch lediglich mit Betten und Schreibtischen eingerichtet.

…Bewohner lebten aber „aus dem Koffer“

Die Bewohner lebten augenscheinlich „aus dem Koffer“, Kleiderschränke oder auch sonstiger Stauraum seien nicht vorhanden. Zudem spreche das Vorbringen des Antragstellers im Eilverfahren, wonach die Bewohner allesamt unter der Woche als Monteure an weit entfernten Orten beschäftigt seien und lediglich am Wochenende oder im Urlaub in dem Haus verweilten, erheblich dafür, dass der Zweck des Zusammenlebens nicht über das Interesse an einer günstigen Unterkunft hinausgehe und tatsächlich kein Interesse an einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit bestehe, sondern das Haus lediglich als Schlafplatz zwischen den Arbeitsaufträgen diene. Insbesondere wegen der Unterbringung in Mehrbettzimmern und des vollständigen Fehlens von Aufenthaltsräumen sei nicht ersichtlich, dass die Unterkunft über den Nutzen als Schlafstätte hinaus Wohnbedürfnisse befriedige.

Quelle: VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 4.1.2024, 4 L 1213/23.NW, PM 2/24

Festpreisvereinbarung: Preisanpassung beim Bauvertrag aufgrund von Materialkostensteigerungen

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Ein Bauunternehmen kann die zu einem Festpreis vereinbarte Errichtung eines Massivhauses nicht unter Verweis auf unvorhersehbare Materialpreissteigerungen verweigern, wenn es eine Formularklausel in den Bauvertrag eingebracht hat, die ihm eine unbegrenzte einseitige Anpassung der Vergütung ermöglicht.

Bauvertrag des Bauunternehmens unterzeichnet

Das klagende Ehepaar und das beklagte Bauunternehmen schlossen im Dezember 2020 einen Vertrag, in dem sich das Unternehmen dazu verpflichtete, auf dem Grundstück der Kläger ein Massivhaus zu einem Pauschalpreis von rund 300.000 Euro zu errichten. Hierzu verwendeten die Parteien ein Vertragsmuster des Unternehmens, in dem es heißt, dass beide Seiten bis zum Ablauf eines Jahres ab Vertragsunterzeichnung an den vereinbarten Preis gebunden seien, wenn innerhalb von drei Monaten nach Vertragsschluss mit den Bauarbeiten begonnen werde. Unter Verweis auf diese Bestimmung teilte das Unternehmen den Eheleuten im Juni 2021 mit, dass sich der vereinbarte Preis um etwa 50.000 Euro erhöhe. Es begründete den Schritt mit außerordentlichen und nicht vorhersehbaren Preissteigerungen beim Baumaterial.

Bauherren akzeptierten Preiserhöhung nicht

Das Ehepaar akzeptierte die Preiserhöhung nicht und forderte das Unternehmen seinerseits auf, mit den Bauarbeiten zu beginnen. Auf die Weigerung des Unternehmens erklärten die Eheleute die Vertragskündigung und beauftragten ein anderes Bauunternehmen mit der Errichtung eines Massivhauses zu einem höheren als dem mit der Beklagten vereinbarten Festpreis.

Wer trägt Mehrkosten?

Mit ihrer Klage haben die Eheleute verlangt, festzustellen, dass das beklagte Bauunternehmen verpflichtet ist, ihnen Mehrkosten bei der Errichtung des Hauses zu ersetzen, die deshalb entstehen, weil das Unternehmen sich geweigert hat, den Vertrag zum vereinbarten Preis zu erfüllen.

So entschieden die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben. Hiergegen hat das Bauunternehmen Berufung eingelegt. Es hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass eine Errichtung des Hauses zum ursprünglich vereinbarten Preis existenzbedrohend und ihm daher nicht zumutbar gewesen sei.

Das OLG hat das Bauunternehmen auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung hingewiesen, woraufhin es sein Rechtsmittel zurückgenommen hat. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass den Eheleuten der geltend gemachte Ersatz zustehe. Die Weigerung des Unternehmens, zum vereinbarten Preis zu erfüllen, habe sie zur Vertragskündigung und zur Beauftragung eines anderen Unternehmens veranlasst. Hierauf zurückzuführende Mehrkosten des Baus müsse das Unternehmen ersetzen.

Bauunternehmen schuldete den Hausbau zum Festpreis

Das Bauunternehmen habe den Bau des Hauses zum vereinbarten Festpreis geschuldet. Die Preisanpassungsklausel im Vertrag sei unwirksam gewesen. Sie benachteilige die Kunden des Unternehmens unangemessen, wenn es die vereinbarte Vergütung durch die Festlegung der Listenpreise ohne Begrenzung einseitig anheben könne. Die Kunden könnten der Bestimmung bei Vertragsschluss nicht entnehmen, mit Preissteigerungen welchen Umfangs sie zu rechnen hätten.

Bauunternehmen hatte Risikoabsicherung in der Hand

Gerade Besteller eines Neubaus seien darauf aber in besonderem Maße angewiesen. Häufig sei die Finanzierung auf den Festpreis ausgerichtet, sodass schon vermeintlich geringfügige Änderungen die Kunden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen könnten. Das Unternehmen habe die Vertragserfüllung zum vereinbarten Preis auch nicht verweigern dürfen, weil sich die Vertragsgrundlage aufgrund unvorhersehbarer Materialpreissteigerungen geändert habe, denn es habe bei Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt, sich mit einer Bestimmung gegen dieses Risiko abzusichern, die auch den Interessen seiner Kunden Rechnung getragen hätte.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.7.2023, 5 U 188/22, PM vom 15.2.2024

Brandschutz: Fenster in Brandwänden sind unzulässig und zu verschließen

Öffnungen in Brandwänden sind unzulässig und deshalb auf Aufforderung der Bauaufsichtsbehörde auch zu verschließen, wenn der angrenzende Nachbar sich mit diesen einverstanden erklärt hat und die Behörde erst nach längerer Zeit gegen den baurechtswidrigen Zustand vorgeht. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz.

Nachbar stimmte Einbau von Fenstern zu

Das Wohngebäude der klagenden Grundstückseigentümer steht auf der Grenze zum Nachbargrundstück. Die grenzständige Brandwand des Gebäudes wies zunächst an zwei Stellen Glasbauflächen auf. Im Jahr 2009 wurde eine Glasbaufläche durch ein öffenbares Fenster ersetzt, einige Jahre später kam es an der zweiten Stelle zu einem Fenstereinbau. Daraufhin gab der Beklagte, die Bauaufsichtsbehörde, den Klägern auf, die Fenster zu beseitigen und die dabei entstehenden Öffnungen feuerbeständig zu verschließen. Die Kläger wandten sich gegen die Anordnung und machten geltend, der unmittelbar angrenzende Grundstücksnachbar habe schriftlich erklärt, mit den Fenstern einverstanden zu sein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid im Wesentlichen zurückgewiesen, verlangte aber nur noch einen hochfeuerhemmenden Abschluss der Brandwand. Die Kläger verfolgten die Aufhebung der Anordnung mit einer Klage weiter. Sie führten zusätzlich an, infolge der Zustimmung des Nachbarn und des jahrelangen Nichteinschreitens der Bauaufsichtsbehörde sei bei ihnen ein Vertrauenstatbestand entstanden, der eine baubehördliche Anordnung ausschließe. Das VG wies die Klage ab.

Brandwände: Öffnungen unzulässig

In Brandwänden seien Öffnungen von Gesetzes wegen unzulässig. Von der gesetzlichen Vorgabe dürfe nur ausnahmsweise unter Beachtung des öffentlichen Interesses des Schutzes der Allgemeinheit vor Brandgefahr und des Bauinteresses des Bauherrn abgewichen werden. Das Einverständnis eines Nachbarn zur Abweichung von dem Öffnungsverbot allein mindere das allgemeine Brandschutzbedürfnis nicht, zumal wenn wie hier ein weiterer Nachbar durch die betreffende Brandschutzwand gesetzlich geschützt werde, dieser der Baumaßnahme aber nicht zugestimmt habe.

Der Beklagte habe seine Befugnis zum Einschreiten gegen den baurechtswidrigen Zustand auch nicht verwirkt, weil er trotz dessen Kenntnis über längere Zeit hinweg nicht eingeschritten sei. Eingriffsbefugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr unterlägen nicht der Verwirkung durch die Verwaltung. Die bloße Untätigkeit der Bauaufsichtsbehörde könne auch kein Vertrauen beim Bauherrn begründen, dass die Behörde nicht mehr gegen die rechtswidrige Baumaßnahme vorgehen werde. Die Kläger könnten sich deshalb auch nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil sie eigenmächtig die Glasbausteine durch Fenster ersetzt hätten, ohne zuvor den notwendigen Bauantrag gestellt oder die Baubehörde sonst einbezogen zu haben.

Quelle: VG Mainz, Urteil vom 6.12.2023, 3 K 39/23.MZ, PM 1/24

Naturschutz: Zulässigkeit nachträglicher artenschutzrechtlicher Beschränkungen des Betriebs von Windenergieanlagen

Die Naturschutzbehörden sind grundsätzlich befugt, gegenüber Betreibern bestandskräftig genehmigter Windenergieanlagen nachträgliche Anordnungen zur Verhinderung von Verstößen gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zu treffen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach Genehmigungserteilung wesentlich geändert hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Zeitweise Abschaltung der Anlage

Die Klägerin wendet sich gegen nachträgliche zeitliche Beschränkungen des Betriebs ihrer bestandskräftig genehmigten Windenergieanlagen, die die Beklagte gestützt aus Gründen des Fledermausschutzes angeordnet hat. Die im Jahr 2006 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung enthält keine Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Fledermäusen. Nachdem später Totfunde verschiedener Fledermausarten im Bereich der Anlagen gemeldet und Bestandserfassungen zu Fledermäusen angestellt worden waren, verfügte die Beklagte unter näheren Maßgaben zu meteorologischen Rahmenbedingungen eine nächtliche Abschaltung der Anlagen vom 15. April bis zum 31. August eines Jahres. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

Wenn sich die Sach- oder Rechtslage ändert, sind nachträgliche Anordnungen möglich

Das BVerwG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Eine bestandskräftige immissionsschutzrechtliche Genehmigung steht nachträglichen artenschutzrechtlichen Anordnungen auf der gesetzlichen Grundlage (hier: § 3 Abs. 2 BNatSchG) nicht generell entgegen. Das BNatSchG (§ 44 Abs. 1 Nr. 1) begründet eine unmittelbare und dauerhafte Verhaltenspflicht, die auch bei Errichtung und Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Windenergieanlagen zu beachten ist.

Zwar ist aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlagenbetrieb auch als rechtmäßig anzusehen. Das gilt aber nur in den Grenzen der auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bezogenen Feststellungswirkung der Genehmigung, wonach die genehmigte Anlage mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Aufgrund der Anknüpfung an den Genehmigungszeitpunkt erstreckt sich diese Feststellungswirkung nicht auf nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage, wie im vorliegenden Fall. Die streitige Anordnung bewirkt auch keine der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde vorbehaltene (Teil-)Aufhebung der Genehmigung.

Es war rechtlich auch einwandfrei, so das BVerwG, dass das OVG hier einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bejaht hat, weil durch den Betrieb der Windenergieanlagen das Tötungs- und Verletzungsrisiko von Exemplaren der besonders geschützten Fledermausarten signifikant erhöht sei.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 19.12.2023, 7 C 4.22, PM 95/23