(Kein) Veräußerungsgeschäft: Doch keine Besteuerung teilentgeltlicher Grundstücksübertragungen?

Wird ein Grundstück teilentgeltlich (z. B. im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge) innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist gemäß Einkommensteuergesetz (§ 23 EStG) übertragen, führt dies nach bisheriger Sichtweise hinsichtlich des entgeltlichen Teils zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen meint aber, dass § 23 EStG bei einer teilentgeltlichen Übertragung unterhalb der historischen Anschaffungskosten nicht anzuwenden ist.

Hintergrund: Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Besteuerung im Sinne des § 23 EStG. Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die

  • im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.

Bisherige Rechtslage: Trennungstheorie

Bei teilentgeltlicher Übertragung kann sich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des entgeltlichen Teils ergeben. Hier ist nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums die Trennungstheorie anzuwenden.

Beispiel

Vater V ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das er zum 1.8.2018 für 100.000 Euro angeschafft hat. Er überträgt das Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zum 1.1.2024 auf seinen Sohn S, der das Grundstück bebauen will. Das Grundstück hat zum Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert von 180.000 Euro. Entsprechend muss S seine Schwester X. mit 90.000 Euro auszahlen.

V hat das Grundstück innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 EStG hinsichtlich des Gleichstellungsbetrags teilentgeltlich (zu ½) an S veräußert und erzielt in diesem Umfang einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Dieser beträgt 40.000 Euro (90.000 Euro Teilentgelt abzüglich der hälftigen Anschaffungskosten von 50.000 Euro). Der unentgeltlich übertragene Teil löst bei V keine Steuerpflicht aus. Allerdings gehen die Besteuerungsmerkmale (Anschaffung am 1.8.2018 zu 50.000 Euro) auf S als unentgeltlichen Rechtsnachfolger über.

Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen

Das FG Niedersachsen hat es in einem vergleichbaren Fall abgelehnt, die teilentgeltliche Übertragung der Besteuerung nach § 23 EStG zu unterwerfen. Das FG verweist hierzu u. a. auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt und zwar selbst dann, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiterveräußern.

Das FG kommt zu dem Ergebnis, dass auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG ausscheidet.

Bei einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung realisiert der Schenker keinen tatsächlichen Wertzuwachs. Ein nach § 23 EStG zu besteuernder Gewinn kann nicht entstehen, da der Ertragsteuer keine Vermögensverschiebungen im Privatvermögen unterliegen. Ein Wertzuwachs erfolgt nur beim Beschenkten, der damit den Regularien des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge) unterliegt.

Beachten Sie: Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung die Revision eingelegt. Man darf gespannt sein, wie die Entscheidung des BFH ausfallen wird. In geeigneten Fällen sollten Steuerpflichtige ihre Steuerbescheide im Einspruchsweg offenhalten und auf die gesetzliche Verfahrensruhe verweisen.

Quelle: FG Niedersachsen, Urteil vom 29.5.2024, 3 K 36/24

Sonderleistungen: Steuerfreie Corona-Sonderzahlung: Nun ist der Bundesfinanzhof gefragt

Konnte ein Arbeitgeber Sonderleistungen, wie z. B. Urlaubsgeld worauf arbeitsrechtlich kein Anspruch bestand teilweise als steuerfreie Corona-Sonderzahlung nach § 3 Nr. 11a Einkommensteuergesetz auszahlen? Damit muss sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Revisionsverfahren (VI R 25/24) befassen. Vorgelegt hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen. Es hat auf sein steuerzahlernachteiliges Urteil vom 24.7.2024 (9 K 196/22) die Revision zugelassen.

Außergewöhnliche Belastungen: Prozesskosten bei drohendem Verlust der Existenzgrundlage

Prozesskosten sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Eine gesetzliche Ausnahme gilt nur, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Über einen solchen Fall musste jüngst das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entscheiden.

Das war geschehen

Im Streitfall ging es um die Frage, ob Prozesskosten im Zusammenhang mit der drohenden Rückabwicklung der unentgeltlichen Übertragung eines Forstbetriebs als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Der Steuerpflichtige hatte 2015 u. a. einen Forstbetrieb gegen Altenteilleistungen übertragen bekommen. In der Folge beendete er seine Angestelltentätigkeit für den Betrieb und führte diesen als Selbstständiger fort. Im selben Jahr forderte die Übergeberin aber dann gerichtlich die Rückübertragung des Betriebs bzw. die Grundbuchberichtigung. Begründung: Sie sei bei der Übertragung demenzbedingt geschäftsunfähig gewesen. Hiergegen setzte sich der Steuerpflichtige vor den Zivilgerichten zur Wehr.

Die entstandenen Prozesskosten machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend, was das Finanzamt ablehnte. Vor dem FG Niedersachsen war er dann erfolgreich.

Gefahr für die Existenzgrundlage

Der Steuerpflichtige hat seine lebensnotwendigen Bedürfnisse ganz überwiegend aus den Erträgen des von der Rückübertragung bedrohten Forstbetriebs bestritten. Aus der maßgeblichen Sicht des Jahres der Inanspruchnahme wären ihm bei einer Rückübertragung übrige Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags verblieben. Die Berührung des steuerlichen Existenzminimums erfüllt den Tatbestand der Gefahr für die Existenzgrundlage.

Verlust der Existenzgrundlage muss nicht dauerhaft sein

Dem drohenden Verlust der Existenzgrundlage steht auch nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige bei einer Rückübertragung erneut eine Angestelltentätigkeit hätte aufnehmen können. Der Verlust der Existenzgrundlage erfordert keinen dauerhaften Verlust der materiellen Lebensgrundlage. Auch kann, so das FG, dem Steuerpflichten nicht entgegengehalten werden, im Notfall die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen zu können.

Beachten Sie: Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung die Revision eingelegt. Somit können geeignete Fälle über einen Einspruch vorerst offengehalten werden.

Quelle: FG Niedersachsen, Urteil vom 15.5.2024, 9 K 28/23, Abruf-Nr. 243968 unter www.iww.de; Rev. BFH, VI R 22/24

Ehrenamtliche Tätigkeit: Steuerliche Behandlung der Aufwandsentschädigung eines Freiberuflers

Erhält ein ehrenamtlich tätiger Steuerpflichtiger für öffentliche Dienste aus einer öffentlichen Kasse eine Aufwandsentschädigung, kann er im Einzelfall nachweisen, dass ihm höhere, nicht durch die steuerfreie Pauschale gedeckte tatsächliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit entstanden sind, die zu Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geführt haben. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Thüringen ist aber Voraussetzung, dass diese Aufwendungen unmittelbar ausschließlich oder ganz überwiegend durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlasst sind.

Als Nachweis genügt insoweit nicht der durch Belege untermauerte Vortrag anteiliger auf den Kläger entfallenden höheren Fixkosten einer Freiberuflerpraxis als „Sowieso-Kosten“. Denn diese Berechnung trägt Elemente in sich, die wirtschaftlich einem teilweisen Ausgleich eines Verdienstausfalls bzw. eines Zeitverlusts sehr nahekommen. Und solche Ersatzleistungen sind nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 12 S. 2 EstG) ausdrücklich von der Steuerbefreiung ausgenommen.

Beachten Sie: Die Problematik betrifft alle Freiberufler und Gewerbetreibende, die neben ihrer freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben und dafür eine Aufwandsentschädigung erhalten. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof (BFH) im Revisionsverfahren positionieren wird.

Quelle: FG Thüringen, Urteil vom 11.5.2023, 4 K 401/22, Rev. BFH, VIII R 29/23

Handwerkerleistungen: Keine Steuerermäßigung bei eigenmächtiger Vorauszahlung

Aufwendungen für Handwerkerleistungen sind bei einer Vorauszahlung nicht steuerbegünstigt, wenn diese im Veranlagungszeitraum vor Ausführung der Handwerkerleistungen eigenmächtig erbracht wird. Dies hat das Finanzgericht (FG) Düsseldorf entschieden.

Hintergrund: Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen erhalten Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung in Höhe von 20 % der Aufwendungen (nur Lohnkosten) gemäß Einkommensteuergesetz (§ 35a Abs. 3 EStG), höchstens jedoch 1.200 Euro im Jahr. Die Steuerermäßigung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung erhält und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Handwerkerleistung erfolgt.

Nach der Entscheidung des FG Düsseldorf genügt eine per E-Mail seitens des Auftraggebers mitgeteilte und eigenmächtig vorgenommene Vorauszahlung dem Rechnungserfordernis (gemäß § 35a Abs. 5 S. 3 EstG) nicht. Im Streitfall hatte ein Ehepaar in den letzten Tagen des Jahres 2022 einen Abschlagsbetrag ohne Aufforderung des Handwerksbetriebs überwiesen, obwohl die Arbeiten erst im Jahr 2023 durchgeführt und auch dann erst in Rechnung gestellt werden sollten.

Vorauszahlungen können nur steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie marktüblich sind. Eine Anzahlung ohne jegliche Aufforderung des Leistungserbringers, mithin letztlich „ins Blaue hinein“, ist weder als marktüblich noch als sonst sachlich begründet anzusehen.

Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2024, 14 K 1966/23 E

Freiberufler und Gewerbetreibende: Informationen zur Wirtschafts-Identifikationsnummer

Ab November 2024 wird jedem wirtschaftlich Tätigen durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Wirtschafts-Identifikationsnummer stufenweise ohne Antragstellung zugeteilt. Das hat das BZSt am 12.8.2024 mitgeteilt.

Hintergrund: Die Wirtschafts-Identifikationsnummer dient als einheitliches und dauerhaftes Identifizierungsmerkmal und gilt zugleich als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer nach dem Unternehmensbasisdatenregister. Durch sie sollen elektronische Datenverarbeitungen registerübergreifend verbessert und wirtschaftlicher gestaltet werden. Auf diese Punkte geht das BZSt näher ein:

  • Aufbau und Vergabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer,
  • Abgrenzung zur Steuernummer, Identifikationsnummer, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie zur bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer,
  • Mitteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer,
  • Informationen zum Datenschutz.

Quelle: BZSt, Die Wirtschafts-Identifikationsnummer, abrufbar unter www.bzst.de/widnr

Abgabenordnung: Bundesverfassungsgericht gefragt: Ist die Höhe der Aussetzungszinsen verfassungswidrig?

Für Aussetzungszinsen gilt ein gesetzlicher Zinssatz von 6 % p. a. (0,5 % pro Monat). Diese Höhe hält der Bundesfinanzhof (BFH) für verfassungswidrig und hat daher das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen.

Aussetzungszinsen

Ein Einspruch und eine Klage haben im Steuerrecht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet: Der Steuerpflichtige muss die festgesetzte Steuer zunächst zahlen.

Beachten Sie | Auf Antrag soll aber eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese sogenannte Aussetzung der Vollziehung (AdV) ist in der Abgabenordnung (§ 361 AO) geregelt.

Für den Steuerpflichtigen bedeutet das, dass er die Steuer zunächst nicht zahlen muss. Es droht aber eine Belastung mit Zinsen, wenn sein Rechtsmittel endgültig ohne Erfolg bleibt und er die Steuer „nachträglich“ zahlen muss. Er muss dann nämlich für die Dauer der AdV und in Höhe des ausgesetzten Steuerbetrags Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat (6 % p. a.) entrichten. Die Höhe dieser Aussetzungszinsen regelt § 237 i. V. mit 238 Abs. 1 S. 1 AO.

Nachzahlungs-/Erstattungszinsen

Es gibt allerdings auch andere Verzinsungstatbestände, z. B. für Steuererstattungen und Steuernachzahlungen. Hier war der Gesetzgeber wegen eines Beschlusses des BVerfG vom 8.7.2021 verpflichtet, den Zinssatz von 0,5 % pro Monat bzw. von 6 % p. a. anzupassen. Da sich der Beschluss des BVerfG allerdings nicht auf die Aussetzungszinsen und andere Teilverzinsungstatbestände erstreckte, wurde der Gesetzgeber nur bei den Nachzahlungs- und Erstattungszinsen tätig. Hier beträgt der Zinssatz seit dem 1.1.2019 nun lediglich 0,15 % pro Monat bzw. 1,8 % pro Jahr.

Bundesfinanzhof hält 6 % AdV-Zinsen p. a. für verfassungswidrig

Nach Auffassung des BFH ist ein Zinssatz i. H. von 6 % p. a. für Aussetzungszinsen im Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 mit dem Grundgesetz unvereinbar. Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase ist dieser Zinssatz der Höhe nach evident nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen.

Zudem werden Steuerpflichtige, die AdV-Zinsen schulden und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, seit dem 1.1.2019 ungleich behandelt. Diese Zinssatzspreizung ist für den BFH verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Quelle: BFH, Beschluss vom 8.5.2024, VIII R 9/23

Kapitalgesellschaften: Fremd-Geschäftsführer in der GmbH seiner Ehefrau ist sozialversicherungspflichtig

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat Folgendes entschieden: Ist ein Geschäftsführer einer GmbH nicht am Gesellschaftskapital beteiligt, unterliegt er selbst dann der Sozialversicherungspflicht, wenn er die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie ein Alleininhaber führt.

Hintergrund: Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH.

Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen.

Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der

  • mindestens 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder
  • bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt.

Beachten Sie: Hiervon kann auch bei besonderer Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen nicht abgesehen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Betroffene faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hindern, er also „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist. So lautet die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Im Streitfall war der Ehemann als Fremd-Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt. Alleinige Gesellschafterin war vielmehr seine Ehefrau, deren Weisungsrecht er unterlag. Diese Weisungsgebundenheit war weder aufgehoben noch eingeschränkt. Für das LSG Nordrhein-Westfalen war es unerheblich, dass der Ehemann die Möglichkeit hatte, als Vermieter der Betriebsstätte und wesentlicher Betriebsmittel sowie als Darlehensgeber wirtschaftlichen Druck auf die GmbH auszuüben. Denn dies eröffnet dem Fremd-Geschäftsführer keine erforderliche umfassende Einflussmöglichkeit, die der Stellung eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers entspricht.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.4.2024, L 8 BA 126/23

Arbeitnehmer: Entfernungspauschale: Erhöhung nur ab dem 21. Kilometer verfassungskonform

Für die Jahre 2022 bis 2026 gilt ab dem 21. Entfernungskilometer eine erhöhte Entfernungspauschale i. H. von 0,38 Euro. Für die ersten 20 Kilometer erfolgte indes keine Anpassung (weiterhin 0,30 Euro). Dagegen hatte ein Arbeitnehmer geklagt. Denn wegen seiner geringen Entfernung (acht Kilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte) partizipierte er von der Erhöhung nicht. Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Denn das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hält die Neuregelung nicht für verfassungswidrig. Das FG hatte jedoch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Doch sie wurde nicht eingelegt, sodass das Urteil rechtskräftig ist.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.3.2024, 16 K 16092/23)

Betriebsausgabenabzug: Häusliches Arbeitszimmer von Selbstständigen: Aufzeichnungspflichten beachten

Die Aufzeichnungspflichten nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 4 Abs. 7 des EStG) für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, nur erfüllt, wenn sämtliche Aufwendungen einzeln fortlaufend in einem gesonderten Dokument oder Datensatz aufgezeichnet werden. Eine reine Belegsammlung mit Aufaddieren der Positionen nach Abschluss des Veranlagungszeitraums ist nicht ausreichend. Da der Bundesfinanzhof (BFH) gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hessen kürzlich die Revision zugelassen hat, ist mit einer weiteren Präzisierung der Rechtsprechungsgrundsätze zu rechnen.

Hintergrund: § 4 Abs. 5 EStG schränkt den Abzug für gewisse Betriebsausgaben ein. So wirken sich z. B. Aufwendungen für Geschenke an Geschäftspartner und Kunden nur steuermindernd aus, wenn eine Grenze von 50 Euro eingehalten wird. Und auch für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer besteht eine Abzugsbeschränkung.

Aufzeichnungspflichten

Darüber hinaus sind die Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 4, 6b und 7 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Abs. 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie besonders aufgezeichnet sind.

Beachten Sie: Bei den Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 7 EStG handelt es sich um eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug. Bei Verstößen droht das Abzugsverbot. Dieses Abzugsverbot wird auch bei einer Gewinnermittlung per Einnahmen-Überschussrechnung so umgesetzt, dass die betroffenen Aufwendungen dem Gewinn als Betriebseinnahmen hinzugerechnet werden.

Finanzierungs- und Energiekosten dürfen geschätzt werden

Nach Ansicht der Finanzverwaltung bestehen keine Bedenken, wenn die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallenden Finanzierungskosten im Wege der Schätzung ermittelt werden und nach Ablauf des Wirtschafts- oder Kalenderjahrs eine Aufzeichnung aufgrund der Jahresabrechnung des Kreditinstituts erfolgt. Entsprechendes gilt für die verbrauchsabhängigen Kosten (z. B. Wasser- und Energiekosten). Es reicht aus, Abschreibungsbeträge einmal jährlich zeitnah nach Ablauf des Kalender- oder Wirtschaftsjahrs aufzuzeichnen.

Jahrespauschale ausgenommen

Beachten Sie: Beim Abzug der Jahrespauschale (1.260 Euro) bestehen die besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 7 EStG nicht.

Quelle: FG Hessen, Urteil vom 13.10.2022, 10 K 1672/19, Rev. BFH: VIII R 6/24