Datumsfehler: Scheidungsbeschluss: Falsches Ehedatum hindert Eintrag ins Eheregister nicht

Das Standesamt muss eine Scheidung trotz falschem Heiratsdatum im Eheregister eintragen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle klargestellt.

Fehler des Gerichts

Die Ehe wurde geschieden. Im Tenor des Scheidungsbeschlusses war aufgrund eines Versehens der Eheleute ein falsches Heiratsdatum angegeben. Die von der Frau beantragte Berichtigung lehnte das Amtsgericht (AG) ab. Das Standesamt weigerte sich, die Scheidung in das Eheregister einzutragen. Im Hinblick darauf begehrt die Frau erfolglos Verfahrenskostenhilfe für eine Beschwerde.

Folgen des Fehlers

Der Scheidungsbeschluss ist nicht zu berichtigen. Eine Berichtigung beseitigt nämlich nur Fehler bei der Willensäußerung, nicht aber bei der Willensbildung des Gerichts. Die irrtümliche Annahme des AG über das Heiratsdatum betrifft die Willensbildung.

Das Verfahren, das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe festzustellen, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn eine solche Feststellung wirkt nur unter den Ehegatten, unter denen die Scheidung unstreitig ist, und bindet das Standesamt deshalb nicht. Die Scheidung ist als Folgebeurkundung zur Eheschließung in das Eheregister aufzunehmen. Grundlage dafür kann nur der rechtskräftige Scheidungsbeschluss, nicht aber eine bloß zwischen den Ehegatten wirkende Feststellung sein.

Scheidung einzutragen

Der rechtskräftige Scheidungsbeschluss hat trotz des unrichtigen Heiratsdatums im Tenor die Ehe geschieden, sodass die Scheidung vom Standesamt einzutragen ist. Die falsche Datums- und Registerbezeichnung ist eine im Hinblick auf die Scheidung in jeder Hinsicht unschädliche Falschbezeichnung. Das Standesamt nimmt Eintragungen aufgrund vorgelegter öffentlicher Urkunden, aber auch eigener Ermittlungen vor. Aus dem Scheidungsbeschluss, der dem Standesamt als öffentliche Urkunde vorliegt, kann ohne Weiteres und unmittelbar auf die Scheidung geschlossen werden. Es gibt keinen Grund, der das Standesamt daran hindern könnte, die Scheidung als Folgetatsache zur Eheschließung einzutragen.

Quelle: OLG Celle, Beschluss vom 19.10.2023, 17 WF 148/23

Infektionsschutzgesetz: Zwangsgeldandrohung: Impfpflicht auch für Schulkinder

Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hat in einem Eilverfahren entschieden: Die Kriterien des BVerfG zur Masernimpfung u. a. bei Kindergartenkindern sind auch auf Schulkinder übertragbar. Das bedeutet: Die Eltern müssen die Impfung ihrer eine Schule besuchenden Kinder nachweisen.

Der Kreis forderte die Eltern von zwei schulpflichtigen Kindern unter Androhung von Zwangsgeld dazu auf, nachzuweisen, dass ihre Kinder gegen Masern geimpft sind oder aus medizinischen Gründen nicht dagegen geimpft werden können. Die Eltern hielten die Anordnungen für eine unzulässige Impfpflicht ihrer Kinder. Ihre Eilanträge dagegen blieben jedoch erfolglos.

Die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes waren im Fall des VG erfüllt (hier: § 20 Abs. 12 S. 1, Abs. 13 S. 1 IfSG). Die Eingriffe in das Recht der Eltern auf Gesundheitssorge sowie der Erziehung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder waren gerechtfertigt. Denn die Masernimpfung dient den überragend gewichtigen Rechtsgütern des Grundrechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen.

Zwar können Eltern, anders als bei Kindergartenkindern, nicht vermeiden, dass ihre schulpflichtigen Kinder immunisiert werden. Eine Impfung nach den medizinischen Standards dient aber dem Kindeswohl. So hatte es bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden.

Quelle: VG Minden, Beschluss vom 6.11.2023, 7 L 882/23 und 7 L 883/23

Testament: Wirksame Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes

Die Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes führt nicht zur (Teil-) Nichtigkeit eines Testaments. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat jetzt auf eine Beschwerde hin dem Erbscheinsantrag u.a. des behandelnden Arztes stattgegeben.

Das war geschehen

Die Erblasserin hatte ihren behandelnden Arzt in mehreren Testamenten, zuletzt in einem Testament aus dem Jahr 2021, neben weiteren Freunden und Verwandten zum Miterben eingesetzt. Das Testament aus dem Jahr 2021 hatte sie ihrem Arzt vorgelegt und ihn um Bestätigung ihrer Testierfähigkeit gebeten. Der Arzt hatte einen entsprechenden Vermerk auf dem Testament angebracht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragen nunmehr der behandelnde Arzt und zwei weitere Miterben, einen Erbschein auf der Grundlage dieses Testaments zu erteilen.

Miterbe focht Testament an

In dem Erbscheinsverfahren hatte einer der übrigen Miterben das Testament mit der Begründung angefochten, es liege ein Verstoß gegen die Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (§ 32 BO-Ä) vor. Gemäß § 32 Abs. 1 BO-Ä ist es „Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten (…) Geschenke oder andere Vorteile (…) sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Des Weiteren sei die herzkranke und pflegebedürftige Erblasserin testierunfähig gewesen. Der Miterbe hatte seinerseits einen Erbscheinsantrag auf der Grundlage eines vorangegangenen Testaments gestellt.

Nachlassgericht gab Miterben Recht

Das Nachlassgericht hatte beide Erbscheinsanträge zurückgewiesen. Das Testament aus dem Jahr 2021 sei in Bezug auf die Erbeinsetzung des behandelnden Arztes wegen eines Verstoßes gegen § 32 BO-Ä teilnichtig, sodass keiner der beiden Erbscheinsanträge zutreffend sei.

Beschwerde des Arztes hatte Erfolg

Vor dem OLG hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde u.a. des behandelnden Arztes Erfolg. Der Arzt sei wirksam als Miterbe eingesetzt worden, stellte das OLG fest.

Die berufsständische Regelung in der Satzung der Landesärztekammer stelle zwar im Ausgangspunkt ein Verbotsgesetz i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 134 BGB) dar. Eine verfassungskonforme Auslegung ergebe jedoch, dass ein etwaiger Verstoß des Arztes nicht zur Nichtigkeit der Testierung durch den Erblasser führe. Anders als vergleichbare Verbotsgesetze für den Bereich der Pflege in Heimen, deren Schutzbereich auch den Testierenden erfasse, richte sich § 32 BO-Ä in erster Linie an den behandelnden Arzt als Mitglied der Ärztekammer. Die Vorschrift enthalte demnach kein an den Testierenden gerichtetes Testierverbot. Eine solche Auslegung würde einen unangemessenen Eingriff in die durch das Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützte Testierfreiheit darstellen, so das OLG.

Konkrete Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin lagen nach Ansicht des OLG ebenfalls nicht vor.

Die Entscheidung ist anfechtbar. Weil es sich um eine bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage handelt, hat das OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.12.2023, 21 W 91/23, PM 1/24

Geburtsgeschlecht: Eintragung ins Geburtsregister: Was die Eltern meinen, zählt nicht

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Eltern dürfen den Eintrag im Geburtsregister nicht für eine spätere Entscheidung des Kindes freihalten. Es ist in jedem Fall sein körperliches Geschlecht einzutragen.

Eltern wollten kein Geschlecht eintragen lassen

Die Eltern verlangten vom Standesamt, das Geschlecht ihres im Rahmen einer Hausgeburt zur Welt gekommenen Neugeborenen im Geburtsregister als „ohne“ einzutragen. Das ist zwar möglich. Dafür ist es aber erforderlich, dass Neugeborene keinem Geschlecht zuzuordnen ist.

Hausgeburt ohne ärztliche Unterlagen

Wegen der Hausgeburt war die einzige vorliegende Angabe zum Geschlecht die der Hebamme. Sie hatte im Formular zur Geburtsanzeige bei der Angabe des Geschlechts ein Kreuz im Kästchen „ohne“ gesetzt. Ärztliche Unterlagen gab es nicht.

Auf Nachfragen durch die Kreisverwaltung berief sich die Hebamme auf ihre (nach dem Gesetz nicht existente) Schweigepflicht und antwortete nicht. Es konnte nicht aufgeklärt werden, warum sie das o. g. Kreuz gesetzt hatte bzw. weswegen das Kind keinem Geschlecht zuzuordnen gewesen sein sollte.

Standesamt verweigerte Eintragung und bekam Recht

Folge: Das Standesamt weigerte sich, die Geburt entsprechend dem Wunsch der Eltern „ohne Geschlecht“ einzutragen. Das OLG verwarf den Einwand der Eltern, sie müssten die geschlechtliche Identität des Neugeborenen schützen. Denn dieses habe zum einen noch keine Vorstellung von seiner Geschlechtszugehörigkeit. Zum anderen sei es unerheblich, ob die Eltern es subjektiv als divers oder geschlechtslos ansähen. Schließlich fehle es an einem Recht der Eltern, den Eintrag bis zu einer späteren Entscheidung des Kindes selbst offenzuhalten. Relevant seien ausschließlich die körperlichen Merkmale des Kindes.

Quelle: OLG München, Beschluss vom 1.9.2023, 31 Wx 210/23 e

Testamentsgestaltung: Darf der Lebensgefährte nicht ins Haus?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm war mit der Wirksamkeit einer testamentarischen Bedingung befasst, die ein Hausverbot vorsah. Es stellte klar: Eine solche Bedingung ist sittenwidrig.

Das war geschehen

Die Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter im Wesentlichen ein Hausgrundstück mit einem freistehenden Einfamilienhaus, in dem die Mutter und die Tochter mit der Enkelin bis zu deren Auszug in verschiedenen Wohnungen lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt.

Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. In dem Testament, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür allerdings zwei Bedingungen formuliert: Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten.

Zur Überwachung des Verbots wurde der Beklagte als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös jeweils zu ¼ der Tochter und der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.

War die Bedingung des Betretungsverbots nichtig?

Die Erbinnen verlangten vor dem Landgericht (LG), festzustellen, dass die Bedingung des Betretungsverbots nichtig sei, weil sie dieses für sittenwidrig hielten. Das LG gab der Klage statt. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung an das OLG Hamm. Da das OLG die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz zur Sittenwidrigkeit teilte, nahm der Beklagte seine Berufung zurück, sodass das Urteil des LG rechtskräftig wurde.

Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, sei immer nur anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstands betreffen, seien dagegen regelmäßig zulässig. Hier weise zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stehe hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Zugang zur schon vorher genutzten Wohnung plötzlich verwehrt sein soll. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit sei aber der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge sei davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte, sodass die Sittenwidrigkeit nur dazu führe, dass die Bedingung entfällt.

Quelle: OLG Hamm, 10 U 58/21, PM vom 19.7.2023

Betreuungsanspruch: 4,3 km sind eine zumutbare Entfernung zur Kindertagesstätte

Mit dem Angebot eines Kitaplatzes, der per Auto 4,3 km bzw. mit dem Fahrrad 3,2 km vom Wohnort entfernt ist, hat die Stadt den Betreuungsanspruch eines zweijährigen Kindes erfüllt. So sieht es das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster.

Kein „Rundum-Sorglospaket“ geschuldet

Das OVG: Die Stadt ist auch nicht verpflichtet, dem Kind einen Betreuungsplatz in einer näher gelegenen Einrichtung eines freien Trägers oder in anderen Wunscheinrichtungen zu verschaffen.

Allgemein gilt: Ob es zumutbar ist, vom Wohnort des Kindes aus eine Kita zu erreichen, hängt von den konkreten örtlichen Verhältnissen wie auch von allgemeinen und individuellen Bedarfsgesichtspunkten ab. Alle Transportmittel und Nahverkehrsverbindungen sind zu berücksichtigen. Selbst, wenn sich das Kind z. B. nur widerwillig anschnallen lässt, bleibt der angebotene Kitaplatz zumutbar. Es entspricht der Lebenswahrscheinlichkeit, dass das Kind seinen Widerwillen bei entsprechender Gewöhnung ablegen wird.

Keine Eilbedürftigkeit

Für den Anspruch, die Stadt solle gegenüber dem freien Träger der nahegelegenen Einrichtung auf eine Betreuung des Kindes hinwirken, fehlte es laut OVG schon an einer besonderen Eilbedürftigkeit, nachdem ein bedarfsgerechter und zumutbarer Kitaplatz angeboten worden ist.

Quelle: OVG Münster, Beschlüsse vom 28.9.2023, 12 B 683/23, 12 B 811/23, 12 B 854/23

Bundesverwaltungsgericht: Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen rechtsstaatswidriger Adoption in der DDR

Wer in der ehemaligen DDR in rechtsstaatswidriger Weise adoptiert wurde, hat einen Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung gemäß dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (hier: § 1 VwRehaG) durch Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit dieser Adoption, wenn sie zu den in der Vorschrift genannten Folgen geführt hat und diese noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Gerichtlich angeordnete Adoption mit Folgen

Der Kläger wurde 1972 geboren. 1975 ließen seine Eltern sich scheiden. Nach dem Tod seiner allein erziehungsberechtigten Mutter im folgenden Jahr beantragte sein Vater die Übertragung des Erziehungsrechts und verwies auf seinen Ausreiseantrag. Beide Anträge wurden abgelehnt; der Kläger wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. 1979 beantragten die Pflegeeltern die Adoption des Klägers. Sein aus politischen Gründen inhaftierter und anschließend in die Bundesrepublik entlassener Vater verweigerte die Einwilligung in die Adoption. Diese wurde 1981 gerichtlich ersetzt. 1982 beschloss der zuständige Jugendhilfeausschuss die Annahme des Klägers an Kindes statt durch seine Pflegeeltern. Deren Ehe wurde 1983 geschieden. Das Erziehungsrecht wurde dem Adoptivvater zugesprochen. Dieser wurde 1984 wegen wiederholter Misshandlung des Klägers zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Kläger wurde bis zum Erreichen seiner Volljährigkeit in verschiedenen Heimen und Jugendwerkhöfen untergebracht.

2014 beantragte er seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen seiner Adoption, als deren Folge er heute noch unter schweren Gesundheitsschädigungen leide. Der Beklagte lehnte den Antrag 2019 ab, weil Adoptionen nicht der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung unterlägen. Der Klage auf Rehabilitierung hatte das Verwaltungsgericht (VG) allerdings ohne Ansprüche auf Beschädigtenversorgung stattgegeben.

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, festzustellen, dass die Adoption des Klägers rechtsstaatswidrig war. Die hierfür einschlägige Vorschrift (§ 1 VwRehaG) ist auf Adoptionen in der ehemaligen DDR anwendbar mit der Maßgabe, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen an die Stelle der Aufhebung der Adoption die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit tritt.

Die im Einigungsvertrag und im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen familienrechtlichen Vorschriften regeln die Aufhebung von Adoptionen abschließend, stehen jedoch einer Rehabilitierung in sonstiger Weise nicht entgegen. Die Betroffenen von einer solchen Rehabilitierung und den mit ihr verbundenen Versorgungsansprüchen auszuschließen, wäre auch vor dem Gleichbehandlungsgebot nicht zu rechtfertigen.

Adoption diente nicht dem Kindeswohl

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rehabilitierung des Klägers liegen vor. Seine Adoption war mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats schlechthin unvereinbar. Sie verstieß in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit und stellt sich als Willkürakt im Einzelfall dar, weil sie sachfremden Zwecken diente. Nach den Feststellungen des VG war sie nicht wie nach dem Familienrecht der DDR erforderlich am Kindeswohl orientiert, sondern diente dazu, den Vater des Klägers zu disziplinieren und eine gemeinsame Ausreise zu verhindern. Ihre Folgen wirken noch unmittelbar schwer und unzumutbar fort. Der Kläger hat schlüssig glaubhaft gemacht, dass seine fortwirkenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wesentlich auf seine Adoption und seine Misshandlungen in der Adoptivfamilie zurückzuführen sind.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 19.10.2023, 8 C 6.22, PM 74/23

Eilantrag: Gendern in der Schule ist zulässig

Greift es in das elterliche Erziehungsrecht ein, wenn in einer Schule gegendert wird? Mit dieser Frage musste sich jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Berlin befassen.

Ein Vater wandte sich mit einem Eilantrag gegen die Verwendung einer genderneutralen Sprache an den Gymnasien seiner Kinder. Vor Gericht unterlag er jedoch.

Das VG: Vor dem Hintergrund des staatlichen Erziehungsauftrags in der Schule ist nicht erkennbar, dass das elterliche Erziehungsrecht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit verletzt ist und die Schulaufsicht einschreiten müsste. Genderneutrale Sprache in Lehrmaterialien überschreitet nicht den durch die Rahmenlehrpläne eingeräumten Spielraum bei der Gestaltung von Unterrichtsmaterialien. Dies gilt auch, weil genderneutrale Sprache Gegenstand von Unterrichtseinheiten ist. Eine genderneutrale Kommunikation der Schulen verstößt zudem nicht gegen die deutsche Amtssprache, da diese selbst bei Verwendung von Sonderzeichen hinreichend verständlich bleibt.

Der Vater konnte keine schweren und unzumutbaren Nachteile seiner Kinder durch die Schreib- und Sprechweise nachweisen, zumal der Spracherwerb bei den beiden Zehntklässlern weitgehend abgeschlossen sein dürfte.

Quelle: VG Berlin, Beschluss vom 24.3.2023, VG 3 L 24/23

Infektionsschutz: Masernimpfung bei Schulkindern ist Pflicht

Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hat zwei Eilanträge abgelehnt, mit der sich die Eltern gegen infektionsschutzrechtliche Verfügungen des Kreises Gütersloh gerichtet hatten.

Die Eltern haben zwei schulpflichtige Kinder. Der Kreis Gütersloh forderte sie mit zwei Bescheiden auf, bis zum 29.9.2023 nachzuweisen, dass für ihre Kinder ein ausreichender Impfschutz gegen Masern bestehe oder die Kinder aus medizinischen Gründen nicht gegen Masern geimpft werden können. Für den Fall, dass den Aufforderungen nicht nachgekommen werde, drohte der Kreis den Eltern ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro an.

Die Eltern, die keinen entsprechenden Nachweis vorgelegt hatten, meinten, bei den Anordnungen handle es sich um eine unzulässige Impfpflicht ihrer Kinder. Ihre Eilanträge blieben erfolglos. Die Bescheide, so das VG, seien bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei das Infektionsschutzgesetz (hier: § 20 Abs. 12 S. 1, Abs. 13 S. 1 IfSG), dessen Voraussetzungen erfüllt seien. Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Kriterien zur Masernimpfung u.a. bei Kindergartenkindern seien auf den vorliegenden Fall im Wesentlichen übertragbar. Die Eingriffe in das Recht der Eltern auf Gesundheitssorge sowie der Regelung der Erziehung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder seien gerechtfertigt, da die Masernimpfung den überragend gewichtigen Rechtsgütern des Grundrechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen diene.

Zwar könnten die Eltern anders als etwa bei Kindergartenkindern einer Immunisierung ihrer Kinder so nicht ausweichen. Dabei sei aber zum einen zu berücksichtigen, dass eine Impfung nach den auch vom BVerfG nicht in Zweifel gezogenen medizinischen Standards als dem Kindeswohl dienlich zu betrachten sei. Ferner hätten die Eltern aufgrund der Schulpflicht anders als im Fall eines betroffenen Kindergartenkindes nicht mit einem Betreuungsverbot zu rechnen.

Quelle: VG Minden, Beschlüsse vom 6.11.2023, 7 L 882/23 und 7 L 883/23, PM vom 7.11.2023

Bundessozialgericht: Eltern können „Elterngeld Plus“ auch bei längerer Arbeitslosigkeit beanspruchen

„Elterngeld Plus“ kann auch beansprucht werden, wenn ein Elternteil während der Partnerschaftsbonusmonate für längere Zeit erkrankt und keine Lohnfortzahlung mehr erhält. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) jetzt entschieden.

Anspruch auf zusätzliche vier Monate „Elterngeld Plus“ als Partnerschaftsbonus haben Eltern nur, wenn beide Elternteile ihr Kind betreuen und gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden erwerbstätig sind. Während einer Arbeitsunfähigkeit besteht die Erwerbstätigkeit nach den Richtlinien des Bundesfamilienministeriums zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nur bis zum Ende der Lohnfortzahlung weiter.

Der Kläger war kurz nach Beginn der Partnerschaftsbonusmonate erkrankt und über das Ende der Lohnfortzahlung hinaus arbeitsunfähig. Daher hatte die Elterngeldstelle die Leistungsbewilligung aufgehoben und das „Elterngeld Plus“ für die vollen vier Monate vom Kläger zurückgefordert. Die Aufhebung und Rückforderung erfolgten zu Unrecht.

Das BSG: Eltern sind auch dann „erwerbstätig“, wenn sie ihre auf die vorgeschriebene Zahl an Wochenstunden festgelegte Tätigkeit während einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit tatsächlich nicht ausüben können, jedoch das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die konkrete Tätigkeit voraussichtlich wieder aufgenommen werden wird. Eine andere Auslegung des BEEG widerspricht dem Ziel des „Elterngeld Plus“, die partnerschaftliche Betreuung des Kindes bei gleichzeitiger Teilzeittätigkeit beider Eltern wirtschaftlich abzusichern.

Quelle: BSG, Urteil vom 7.9.2023, B 10 EG 2/22 R PM 29/23