Erbstreit: Das ungewöhnliche Testament

Dass ein Testament nicht zwingend auf einem weißen Blatt Papier entstehen muss, zeigt ein Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. Es ging letztlich darum, ob jemand Erbe geworden war oder nicht.

Gastwirt verstarb Testament auf „Kneipenblock“

Verstorben war ein Gastwirt aus dem Landkreis Ammerland. Seine Partnerin sah sich als Erbin und beantragte, einen Erbschein zu erteilen. Als Testament legte sie dem Gericht einen Kneipenblock vor, den sie im Gastraum hinter der Theke aufgefunden habe. Dort war unter Angabe des Datums und einer Unterschrift auch der Spitzname einer Person („X“) vermerkt. Auf dem Zettel hieß es lediglich „X bekommt alles“.

Amtsgericht: Testierwille fehlte

Das Amtsgericht (AG) sah die Partnerin nicht als Erbin an. Es war der Auffassung, dass nicht sicher feststellbar sei, dass mit dem Kneipenblock ein Testament errichtet werden sollte. Daher fehle der für ein Testament erforderliche Testierwille.

Oberlandesgericht: Testament wirksam

Der auf das Erbrecht spezialisierte Senat des OLG gelangte zu einer anderen Bewertung. Der handschriftliche Text auf dem Zettel sei ein wirksames Testament.

Das OLG war aufgrund der Einzelheiten des Verfahrens überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück selbst verfasst hatte und dass er mit dem genannten Spitznamen allein seine Partnerin gemeint habe. Auch, dass der Erblasser mit der handschriftlichen Notiz seinen Nachlass verbindlich regeln wollte, stand für den Senat aufgrund von Zeugenangaben fest.

Dass sich die Notiz auf einer ungewöhnlichen Unterlage befinde, nicht als Testament bezeichnet und zudem hinter der Theke gelagert war, stehe der Einordnung als Testament nicht entgegen. Zum einen sei es eine Eigenart des Erblassers gewesen, für ihn wichtige Dokumente hinter dem Tresen zu lagern. Zum anderen reiche es für die Annahme eines Testaments aus, dass der Testierwille des Erblassers eindeutig zu ermitteln sei und die vom ihm erstellte Notiz seine Unterschrift trage. Das OLG stellte die Partnerin daher als rechtmäßige Erbin fest.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.12.2023, 3 W 96/23, PM 10/24

Scheidungsrecht: Außereheliche Beziehung mit Folgen nicht immer Härtefall

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Eine Ehefrau, die aufgrund einer außerehelichen Beziehung ein Kind erwartet, kann sich nicht wegen unzumutbarer Härte vor Ablauf des sogenannten Trennungsjahrs scheiden lassen kann.

Abwarten auf Ablauf des Trennungsjahrs unzumutbar?

Die Eheleute leben seit August 2023 getrennt. Die Ehefrau ist bereits wieder in einer anderen Beziehung und erwartete aus dieser im Juni 2024 ein Kind. Deshalb wollte sich die Ehefrau noch vor Ablauf des sogenannten Trennungsjahrs scheiden lassen und beantragte hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Sie beruft sich unter anderem darauf, dass das Abwarten des sogenannten Trennungsjahrs für ihren Ehemann eine unzumutbare Härte darstelle.

Das Amtsgericht (AG) hat den Verfahrenskostenhilfeantrag für die Härtefallscheidung zurückgewiesen. Hiergegen ging die Ehefrau mit ihrer Beschwerde vor.

Härtegründe müssen in der Person des anderen Partners vorliegen

Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Härtefallscheidung nicht vorliegen würden. Eine Ehe könne vor Ablauf des ersten Trennungsjahrs nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für einen Ehepartner aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstelle. Der von der Ehefrau gestellte Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahrs habe keine Aussicht auf Erfolg. Bei ihrer Schwangerschaft handele es sich nicht um einen Umstand, der in der Person des Ehemanns begründet sei. Umstände, die ausschließlich oder wenigstens vornehmlich in der Person des die Scheidung beantragenden Ehegatten ihre Ursache haben, seien insoweit für den von ihm gestellten Scheidungsantrag nach dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes von vornherein irrelevant.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.2.2024, 2 WF 26/24, PM vom 8.4.2024

Grundrente: Anrechnung des Ehegatteneinkommens verfassungsgemäß

Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte der Klägerin eine Altersrente. Einen Grundrentenzuschlag nach dem Sozialgesetzbuch VI (hier: § 76g SGB VI) für langjährige Versicherung berücksichtigte sie nicht, weil das anzurechnende Einkommen des Ehemannes höher als der Zuschlag war. Zu Recht, wie das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen nun bestätigte.

Klägerin rügte Grundrechtsverstoß

Die Klägerin rügte, dass die Einkommensanrechnung gemäß § 97a Abs. 1 SGB VI gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoße. Verheiratete und unverheiratete Menschen würden ungleich behandelt und durch den Familienstand „verheiratet“ benachteiligt, weil das Gesetz eine Einkommensanrechnung bei unverheirateten Personen nicht vorsehe. Das SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid ab.

Landessozialgericht: kein Grundrechtsverstoß

Die dagegen gerichtete Berufung hat das LSG nun zurückgewiesen. Die von der Beklagten angewandte gesetzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig. Der Nachteil der Einkommensanrechnung werde bei Gesamtbetrachtung aller an die Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft anknüpfenden Regelungen sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in anderen Regelungsbereichen im Ergebnis ausgeglichen.

Einkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs

Dabei sei zudem zu berücksichtigen, dass das Ziel der Grundrente nach dem Willen des Gesetzgebers neben der Anerkennung der Lebensarbeitsleistung eine bessere finanzielle Versorgung von langjährig Versicherten sei. Dieses Ziel werde erreicht. Dem Grundrentenberechtigten verbleibe bei Einbeziehung des Einkommens des Ehegatten ein Einkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs. Er stehe besser da als jemand, der wenig oder gar nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend versichert gearbeitet habe und entsprechend wenig oder gar nicht in diese eingezahlt habe.

Das gelte zwar auch für jemanden, der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit jemandem zusammenlebe, der entsprechende Einkünfte habe. Allerdings seien Ehepartner aufgrund der unterhaltsrechtlichen wechselseitigen Verpflichtung wirksamer als in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft versorgt.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.1.2024, L 18 R 707/22, PM vom 15.3.2024

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Kindertagesstätte kann das Recht der Eltern, ordentlich zu kündigen, nicht beschneiden

Eine private Kindertagesstätte (Kita) kann das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Erziehungsberechtigten bis zum Beginn der Vertragslaufzeit nicht ausschließen. So hat es das Landgericht (LG) LG München entschieden.

Ordentliche Kündigung bis Vertragsbeginn ausgeschlossen

Die Eltern schlossen mit der Kita zwei Betreuungsverträge über die Aufnahme ihrer beiden Kinder in der Tagesstätte zum 1.1.22. Nach Nr. 8 des Betreuungsvertrags war die ordentliche Kündigungsfrist bis Vertragsbeginn ausgeschlossen und betrug danach drei Monate zum Monatsende.

Eltern kündigten gleichwohl

Im März 2021 erklärten die Eltern die Kündigung sowie den Rücktritt von beiden Verträgen. Grund dafür war nach ihrer Darstellung Folgendes: Nach Abschluss der Betreuungsverträge hätten sie erfahren, dass sich die Mutter des Vaters einer schwierigen Operation unterziehen müsse. Um die Mutter nicht zu gefährden und einem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen, könnten sie ihre Kinder nicht in die Obhut der Kindertagesstätte geben. Die Betreiber der Kita bestätigten den Erhalt der Kündigung, wiesen diese jedoch insoweit zurück, als eine Kündigung nach den Vertragsbedingungen erst zum 30.4.22 möglich sei. Die Aufnahmegebühr sowie das Betreuungsgeld seien vorher zu entrichten unabhängig davon, ob die Kinder die Kita auch besuchen. Dies sei dem Umstand der Planungssicherheit für die Kita geschuldet.

Die Betreiber der Kita haben die Kinder nicht betreut. Dennoch zogen sie Beträge von den Eltern ein. Diese begehren, die eingezogenen Beträge zurückzuzahlen.

Kündigung wirksam

Das LG: Die Eltern haben die Betreuungsverträge für beide Kinder wirksam gekündigt. Der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung bis zum Beginn der Vertragslaufzeit ist unwirksam. Die streitgegenständliche Regelung ist mit dem Benachteiligungsverbot im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht vereinbar. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gilt nur einseitig für die Eltern, obwohl die Eltern ein ebenso hohes, wenn nicht sogar höheres Planungsbedürfnis aufweisen als Kitas. Dieser einseitige Ausschluss benachteiligt die Eltern unangemessen zumal die vertragliche Regelung den Eltern eine zeitlich äußerst lange Vertragsbindung abverlangt, ohne eine gleich gelagerte Betreuungssicherheit einzuräumen.

Im Rahmen der Gesamtabwägung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts dem Wortlaut nach selbst greift, wenn es der Kindertagesstätte gelänge, die frei gewordenen Plätze erfolgreich an andere Kinder zu vergeben dadurch erhielte die Kita de facto über einen Zeitraum von vier Monaten für den Platz eine doppelte Bezahlung.

Quelle: LG München, Urteil vom 31.10.2023, 2 O 10468/22

Testamentsanfechtung: Wann wird ein Testament durch ein widersprüchliches neues Testament aufgehoben?

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat entschieden, wann ein Widerspruch vorliegt, durch den ein älteres Testament ganz oder teilweise aufgehoben wird.

Vier handschriftliche Testamente

Die Erblasserin verstarb ledig und kinderlos. Sie hatte zwei Geschwister: eine Schwester und einen Bruder, die beide vorverstorben sind. Insgesamt hinterließ die Erblasserin vier handschriftlich verfasste Testamente.

Im ersten Testament vom 3.4.2007 setzte sie ihre Schwester als Alleinerbin und ihren Bruder als Ersatzerben ein. Dieses Testament änderte sie am 26.4.2009 durch Durchstreichen derart, dass die Ersatzerbenstellung des Bruders aufgehoben wurde mit der Bemerkung, dass er gestorben sei. Im Testament vom 26.4.2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Später ergänzte sie den Text mit folgendem unvollständigen Wortlaut: „Für den Fall, dass meine Schwester das Erbe nicht antreten kann, setze ich meine Großnichte als“. Im Testament vom 18.10.2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Weiter heißt es in dem Testament: „Für den Fall, dass meine Schwester verstorben ist, setze ich zur Nacherbin meine Großnichte ein.“ Schließlich testierte sie am 27.14.2016 erneut und setzte wiederum ihre Schwester als Alleinerbin ein. In diesem Testament wurde weder eine Ersatzerbschaft noch eine Nacherbschaft angeordnet und die Großnichte wurde nicht mehr erwähnt.

Die Großnichte beantragte einen Alleinerbschein. Dem traten die Kinder des vorverstorbenen Bruder entgegen. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Erblasserin habe mit ihrer letzten Verfügung von Todes wegen die vorangegangenen Testamente aufgehoben. Der gegen diesen Beschluss durch die Großnichte eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen.

So sah es das Oberlandesgericht

Die Großnichte könnte ihre Alleinerbenstellung allein aus dem Testament vom 18.10.2009 herleiten. Diese Stellung sei indes von der Erblasserin vollständig aufgehoben worden, als sie am 27.4.2016 ein neues Testament errichtet habe, in dem die Großnichte nicht mehr als Ersatzerbin berufen sei, so das OLG.

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 2258 Abs. 1 BGB) werde durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als dass das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch stehe. Ein derartiger Widerspruch liege zum einen vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar seien, die getroffenen Anordnungen also nicht nebeneinander Geltung erlangen könnten, sondern sich gegenseitig ausschließen. Ein Widerspruch sei zum anderen (auch) gegeben, wenn die einzelnen Anordnungen einander zwar nicht entgegengesetzt seien, aber die kumulative Geltung der mehreren Verfügungen den in einem späteren Testament zum Ausdruck kommenden Absichten des Erblassers zuwiderliefe. Das sei der Fall, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, nämlich abschließend und umfassend (ausschließlich) habe neu regeln wollen. So liege der Fall hier.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2023, I-3 Wx 189/23

Download: Steuertipps für Familien: Kindergeld und weitere Vergünstigungen

Das Finanzministerium Baden-Württemberg stellt einen Ratgeber „Steuertipps für Familien“ zur Verfügung. Der 100 Seiten umfassende Ratgeber gibt neben Informationen rund um das Kindergeld u. a. einen Überblick über die Steuervergünstigungen für Familien und Alleinerziehende. Er kann unter https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/startseite/service/publikation/did/steuertipps-fuer-familien heruntergeladen werden.

Umgangsrecht: Vertragsstrafen und vertragsstrafenähnliche Klauseln zur Durchsetzung von Umgangsvereinbarung unzulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Elternvereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind kann nicht unter Umgehung einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einer vertragsstrafenähnlichen Klausel erzwingbar gemacht werden.

Das war geschehen

Die Antragstellerin ist peruanische Staatsgehörige. Aus ihrer 2002 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sind eine 2007 geborene Tochter und ein 2012 geborener Sohn hervorgegangen. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war in Deutschland, wo der Antragsgegner weiterhin lebt und arbeitet. Die Antragstellerin siedelte 2011 unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen mit der Tochter nach Peru über, wo im Folgejahr auch der Sohn geboren wurde. Seitdem sie Deutschland verlassen hatte, ließ sie einen persönlichen Umgang des Antragsgegners mit den gemeinsamen Kindern nur dann zu, wenn sich dieser besuchsweise in Peru aufhielt. Die Ehe der Beteiligten wurde 2017 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin machte güterrechtliche Ansprüche geltend.

Das verlangte die Antragstellerin

Die Antragstellerin hat Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 80.000 Euro verlangt. Im Dezember 2021 haben die Beteiligten vor dem Amtsgericht (AG) einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen, wonach der Antragsgegner zur Abgeltung sämtlicher güterrechtlichen Forderungen einen Betrag von 60.000 Euro in drei jährlichen Raten zu jeweils 20.000 Euro an die Antragstellerin zahlen muss. Die jährlichen Raten sollten erst fällig werden, wenn zuvor ein dreiwöchiger Umgang der gemeinsamen Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland stattgefunden hatte. Das AG hat diesen Vergleich familiengerichtlich gebilligt. Diese Billigung wurde auf eine Beschwerde der Antragstellerin wieder aufgehoben, weil das AG keine den verfahrensrechtlichen Garantien des Kindschaftsrechts genügende Kindeswohlprüfung durchgeführt habe.

Die Antragstellerin hält den gerichtlichen Vergleich für nichtig und hat im Mai 2022 die Fortsetzung des güterrechtlichen Verfahrens beantragt. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen und festgestellt, dass das Zugewinnausgleichsverfahren durch den Vergleich beendet worden ist. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel der Verfahrensfortsetzung weiter.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Er hat die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Stundungsvereinbarung wegen der Verknüpfung der Ratenfälligkeit mit der tatsächlichen Gewährung des vereinbarten Umgangs der Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland als sittenwidrig angesehen.

Zwar muss nicht schlechthin jeder von den Eltern hergestellte Zusammenhang zwischen einer Vereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind und einer Beilegung ihrer vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Kommerzialisierung des Umgangsrechts missbilligt werden. Gleichwohl besteht bei einer vertraglichen Verknüpfung von Vermögensbelangen der Eltern und dem persönlichen Umgang mit dem Kind aus dem Blickwinkel des Kindeswohls grundsätzlich immer die Gefahr, dass Gewährung und Ausgestaltung des Umgangs maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen der Eltern bestimmt werden, das Kind auf diese Weise zum Objekt eines Handels gemacht und besonderen Loyalitätskonflikten ausgesetzt wird.

Sittenwidrige Vereinbarung

Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist bei solchen Vereinbarungen aber überschritten, wenn sie die von den Eltern getroffene Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle erzwingbar machen soll. Das Umgangsrecht untersteht nicht der freien vertraglichen Disposition der Eltern. Ohne eine sachliche Kontrolle durch das Familiengericht am Maßstab des Kindeswohls können die Eltern nach geltendem Recht die Vollstreckbarkeit einer von ihnen getroffenen Umgangsvereinbarung nicht herbeiführen. Das Erfordernis der gerichtlichen Billigung der Umgangsvereinbarung als notwendiger Voraussetzung ihrer Vollziehbarkeit kann nicht dadurch überflüssig gemacht werden, dass die Eltern eine Vertragsstrafe oder eine vertragsstrafenähnliche Klausel für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die von ihnen getroffenen Umgangsregelungen vereinbaren. Auch zur Durchsetzung eines gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs wird eine Vertragsstrafenvereinbarung – zumindest in reinen Inlandsfällen – wegen einer Umgehung des staatlich regulierten Vollstreckungsverfahrens regelmäßig unwirksam sein.

Danach ist die Verknüpfung der Fälligkeit der auf die Vergleichssumme zu zahlenden Raten mit der Gewährung des Umgangs mit den Kindern in Deutschland sittenwidrig. Sie bezweckte die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf die Antragstellerin, die zwischen den Eltern im gerichtlichen Vergleich getroffene Umgangsvereinbarung einzuhalten, was der Regelung in ihrer Wirkung einen vertragsstrafenähnlichen Charakter verleiht.

Kindeswohl entscheidend

Eine familiengerichtliche Kontrolle der Umgangsvereinbarung am Maßstab des Kindeswohls, die zwingend eine Beteiligung der Kinder am Verfahren und deren Anhörung durch das Gericht zur Erforschung ihres Willens erfordert hätte, hat in Deutschland – was den Beteiligten bewusst war – nicht stattgefunden. Die überdies auch verfahrensordnungswidrig im Zugewinnausgleichsverfahren erfolgte familiengerichtliche Billigung der Umgangsregelung durch das Amtsgericht ist dementsprechend im Beschwerdeverfahren zu Recht aufgehoben worden.

Auch mit Blick auf den Auslandsbezug des Sachverhalts ergibt sich nichts anderes, so der BGH.

Das OLG muss nun prüfen, ob die Sittenwidrigkeit der an die Durchführung der Umgangskontakte geknüpften Regelungen zur Ratenfälligkeit den gesamten gerichtlichen Vergleich erfasst. Es wird daher beurteilen müssen, ob die Beteiligten den Vergleich über 60.000 Euro zur Abgeltung der güterrechtlichen Forderungen auch geschlossen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass die Fälligkeit der Vergleichssumme bzw. der darauf zu zahlenden Raten nicht an die Durchführung eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Umgangs mit den gemeinsamen Kindern geknüpft werden konnte.

Quelle: BGH, Beschluss vom 31.1.2024, XII ZB 385/23, PM 36/2024

Europäischer Gerichtshof: Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling

Ein als Flüchtling anerkannter unbegleiteter Minderjähriger hat das Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern, auch wenn er während des Verfahrens auf Familienzusammenführung volljährig geworden ist. Unter den außergewöhnlichen Umständen eines aktuellen Falls des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) muss auch der volljährigen Schwester dieses Flüchtlings, die aufgrund einer schweren Krankheit die dauerhafte Unterstützung ihrer Eltern benötigt, ein Einreise- und Aufenthaltstitel zuerkannt werden.

Die Kernaussage

Der EuGH stellte klar, dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling auch dann das Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern hat, wenn er während des Verfahrens auf Familienzusammenführung volljährig geworden ist. Die Familienzusammenführung muss sich ausnahmsweise auf eine volljährige Schwester erstrecken, wenn diese aufgrund einer schweren Krankheit die ständige Unterstützung ihrer Eltern benötigt. Andernfalls würde dem Flüchtling de facto sein Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern genommen. Dieses Recht darf nicht der Voraussetzung unterliegen, dass der minderjährige Flüchtling oder seine Eltern über Wohnraum, eine Krankenversicherung und ausreichende Einkünfte für sie und die Schwester verfügen.

Die Details des Falls

Nachdem einem unbegleiteten minderjährigen Syrer in Österreich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, beantragten seine Eltern und seine volljährige Schwester Aufenthaltstitel, um zu ihm ziehen zu können. Die österreichischen Behörden wiesen diese Anträge ab, weil der junge Syrer nach Stellung der Anträge volljährig geworden war, ebenso wie spätere Anträge auf Familienzusammenführung. Die Eltern und die Schwester fochten die Bescheide, mit denen die zuletzt genannten Anträge zurückgewiesen wurden, beim Verwaltungsgericht Wien an. Dieses hat den EuGH um Auslegung der Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ersucht. Es führt u. a. aus, dass die Schwester aufgrund einer Zerebralparese vollständig und dauerhaft auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sei, so dass die Eltern sie nicht allein in Syrien lassen könnten.

Eigener Schutz für Flüchtlinge

Der EuGH erinnerte daran, dass die Richtlinie Flüchtlingen einen eigenen Schutz gewährt. Aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit begünstigt sie im Speziellen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, indem sie ihnen das Recht auf Familienzusammenführung mit ihren Eltern einräumt.

Recht auf Familienzusammenführung

Erstens stellte der EuGH fest, dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, der während des Verfahrens auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern volljährig wird, das Recht auf eine solche Familienzusammenführung hat. Dieses Recht darf nämlich nicht von der mehr oder weniger schnellen Bearbeitung des Antrags abhängen. Folglich darf der Antrag nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Flüchtling zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag nicht mehr minderjährig ist.

Eltern konnten schwerbehinderte Tochter nicht allein zurücklassen

Zweitens erläuterte der EuGH, dass dem minderjährigen Flüchtling wegen der Krankheit seiner Schwester, wenn dieser kein Recht auf Familienzusammenführung mit ihrem Bruder gleichzeitig mit ihren Eltern gewährt würde, de facto sein Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern genommen würde, da es den Eltern nicht möglich ist, zu ihrem Sohn zu ziehen, ohne ihre Tochter mitzunehmen. Ein solches Ergebnis wäre aber mit dem unbedingten Charakter dieses Rechts unvereinbar und würde dessen praktische Wirksamkeit in Frage stellen, was sowohl dem Ziel der Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung als auch den Anforderungen zuwiderlaufen würde, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Bezug auf die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie die Rechte Minderjähriger ergeben und deren Einhaltung diese Richtlinie sicherstellen muss.

Keine überzogenen Anforderungen

Der EuGH stellte drittens fest, dass weder vom minderjährigen Flüchtling noch von seinen Eltern verlangt werden darf, dass sie für sich und für die schwer kranke Schwester über ausreichend großen Wohnraum, eine Krankenversicherung sowie hinreichende Einkünfte verfügen. Es ist nämlich nahezu unmöglich, dass ein minderjähriger unbegleiteter Flüchtling diese Voraussetzungen erfüllt. Ebenso ist es für die Eltern eines solchen Minderjährigen äußerst schwierig, diese Voraussetzungen zu erfüllen, bevor sie zu ihrem Kind gezogen sind. Die mögliche Familienzusammenführung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge mit ihren Eltern von der Erfüllung dieser Voraussetzungen abhängig zu machen, würde somit in Wirklichkeit darauf hinauslaufen, diesen Minderjährigen ihr Recht auf eine solche Zusammenführung zu nehmen.

Quelle: EuGH, Urteil vom 30.1.2024, C-560/20, PM 19/24

Vermächtnis: Was ist „vorhandenes Barvermögen“?

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg ist der Frage nachgegangen, was der mehrdeutige Begriff „vorhandenes Barvermögen“ in einem Vermächtnis bedeutet.

Die Parteien stritten um die Erfüllung eines Vermächtnisses und hierbei um den Begriff „Barvermögen“. In einem notariellen Testament beschwerte der Erblasser die eingesetzten Erben mit einem Vermächtnis zugunsten einer weiteren Person wie folgt: „Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter …, geb. am …, ausgezahlt werden“. Die Bedachte hat die Auffassung vertreten, der Erblasser habe unter dem Begriff „Barvermögen“ seine gesamten liquiden Mittel, insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld im engeren Sinne verstanden. Demgegenüber haben die beschwerten Erben die Auffassung vertreten, der Erblasser habe unter dem Begriff „Barvermögen“ lediglich das vorhandene Bargeld verstanden.

Barvermögen = auch unbares Geld, das sofort verfügbar ist

Das Landgericht (LG) hat sich in erster Instanz der Auffassung der Bedachten angeschlossen und die Erben verurteilt, zu zahlen. Aufgrund der gegen dieses Urteil durch die Erben eingelegten Berufung hat das OLG Oldenburg den Begriff wie folgt verstanden: Danach umfasst der Begriff des Barvermögens heutzutage das gesamte Geld, das sofort verfügbar ist, also auch über eine Kartenzahlung. Wertpapiere fallen nicht unter den Begriff des Barvermögens. Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das Barvermögen einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.

Wertpapiere gehörten hier nicht zum Barvermögen

Nach Beweisaufnahme hat das OLG festgestellt, dass die Bedachte nicht habe nachweisen können, dass der Erblasser mit dem Begriff „Barvermögen“ das gesamte Kapitalvermögen, also auch das nicht sofort verfügbare Kapital in der Form von Genossenschaftsanteilen und Wertpapieren gemeint habe. Im Ergebnis habe der vernommene Zeuge der beurkundende Notar keine konkreten Aussagen zum Willen des Erblassers in Bezug auf Wertpapiere und dessen Begriffsverständnis vom Begriff „Barvermögen“ machen können.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 20.12.2023, 3 U 8/23

Familienkasse: Kein Kindergeld bei einem Freiwilligendienst zwischen Bachelor- und Masterstudium

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) nun entschieden hat, liegt eine aus mehreren Ausbildungsabschnitten (z.B. Bachelor- und Masterstudium im gleichen Fach) bestehende einheitliche Erstausbildung nur vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. Der enge zeitliche Zusammenhang ist nur gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung, also z.B. das Masterstudium, zum nächstmöglichen Termin aufnimmt. Daran fehlt es, wenn das Kind dazwischen einen Freiwilligendienst absolviert, statt die Ausbildung sogleich fortzusetzen. Dies hat zur Folge, dass die Erstausbildung mit dem vorherigen Ausbildungsabschnitt abgeschlossen ist, sodass der Kindergeldberechtigte in der Folgezeit einen Kindergeldanspruch nur dann behält, wenn das Kind nicht oder nicht mehr 20 Stunden pro Woche erwerbstätig ist.

Das war geschehen

Der Kläger ist Vater einer im Februar 1996 geborenen Tochter, die zum Ende des Sommersemesters 2018 ein Studium im Fach C mit dem Bachelor of Science abschloss. In den Monaten Oktober 2018 bis einschließlich Mai 2019 absolvierte die Tochter einen Freiwilligendienst. Im Juli 2019 wurde sie zum Masterstudium im Fach C zugelassen, welches sie im Oktober 2019 aufnahm. Zwischen Juli und September 2019 (Streitzeitraum) übte die Tochter eine befristete Aushilfstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden aus.

Die Familienkasse war der Auffassung, dass dem Kläger wegen der nicht nur geringfügigen Erwerbstätigkeit der Tochter im Streitzeitraum kein Kindergeld zu gewähren ist.

Familienkasse bekam Recht

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der BFH hielt die Revision der Familienkasse für begründet. Zwar sei die Tochter auch in den streitigen Monaten bis zum Beginn des Masterstudiums grundsätzlich kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, weil sie dieses Studium erst mit dem Beginn des Wintersemesters 2019/2020 aufnehmen konnte (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes [EStG]). Volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, seien nach Abschluss einer Erstausbildung kindergeldrechtlich aber nur zu berücksichtigen, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgingen (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).

Der BFH: Das FG habe zu Unrecht Bachelor- und Masterstudium als Teile einer einheitlichen Erstausbildung angesehen. Wegen des von der Tochter zwischenzeitlich absolvierten Freiwilligendienstes fehle der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsteilen.

Umfang der Erwerbstätigkeit relevant

Daher sei der Umfang der Erwerbstätigkeit relevant. Da dieser über der Grenze von 20 Wochenstunden gelegen habe, könne kein Kindergeld gewährt werden.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.10.2023, III R 10/22, PM 3/24