Allgemeine Geschäftsbedingungen: Mahnspesen nur in Höhe der Sachkosten erstattungsfähig

Ein Anspruch auf Mahngebühren für per E-Mail versandte Mahnungen besteht grundsätzlich nicht. Dies gilt auch bei einem pauschalierten Mahnspesenersatzanspruch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Gläubigers. Das hat das Amtsgericht (AG) Stuttgart entschieden.

Dabei hat sich das AG auf die Rechtsprechung des BGH bezogen. Ersatzfähig und durch AGB pauschalierbar ist danach nur der Verzugsschaden, der nicht im grundsätzlich nicht zu erstattenden Zeit- und Arbeitsaufwand des Geschädigten liegt. Bei der die materielle Mahnwirkung nicht beeinträchtigenden Versendung einer Mahnung per E-Mail ist für das Entstehen erstattungsfähiger Sachkosten, etwa Druck- und Portokosten, nichts ersichtlich. Das AG hatte deshalb auch keine Grundlage für eine Schadensschätzung. Die Sachkosten müssen vorgetragen werden.

Quelle: AG Stuttgart, Urteil vom 22.6.2021, 3 C 22/21

Schmerzensgeld: Unfall beim Überholvorgang mit einem Fahrrad

Fast 44 Prozent der Deutschen benutzen regelmäßig ihr Fahrrad. Bei den Oldenburgern sind es sogar fast 80 Prozent. Dabei kommt es manchmal auch zu Gefahrensituationen und Unfällen. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat jetzt in einem solchen Fall ein Urteil gefällt.

Der Kläger war mit seinem Rad auf einer Straße unterwegs. Der Beklagte kam mit seinem Fahrrad aus der Einfahrt des dort befindlichen Häuserblocks. Er fuhr langsam und unsicher. Der Kläger fuhr eine kurze Strecke hinter dem Beklagten her und setze dann zum Überholen an. Weil der Beklagte in diesem Moment mit seinem Fahrrad erheblich nach links ausschwenkte, kam es zu einer Kollision. Der Kläger fiel zu Boden, seine Schulter war verrenkt, eine Sehne abgerissen. Er musste zwei Tage im Krankenhaus behandelt werden und war eine Woche krankgeschrieben. Es folgte eine längere Physiotherapie.

Das Landgericht (LG) hatte das Begehren des Klägers nach Schmerzensgeld und Schadenersatz zurückgewiesen. Der Kläger, so das LG, hätte nicht überholen dürfen, weil er den erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 m zu dem Beklagten nicht habe einhalten können.

Das OLG sah dies anders: Ein Überholen setze nicht generell einen Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 m voraus dies würde bedeuten, dass Fahrradfahrer sich fast im gesamten Stadtgebiet nicht überholen dürften. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Im konkreten Fall weise der Radweg eine ausreichende Breite zum Überholen aus, zumal der Radweg nur optisch von dem breiten Fußweg abgegrenzt ist. Der Beklagte habe durch seinen Linksschwenk gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 1 Straßenverkehrsordnung) verstoßen, nach dem sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten müsse, dass kein anderer gefährdet oder behindert werde. Den Kläger treffe aber ein Mitverschulden von 50 Prozent, weil er hätte erkennen können, dass der Beklagte unsicher fuhr. Der Beklagte muss dem Kläger jetzt ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro zahlen, sowie die Hälfte seines Sachschadens ersetzen (Fahrten zur Physiotherapie, beschädigte Kleidung). Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 21.9.2021, 2 U 121/21, PM vom 27.9.2021

Lebensversicherung: Nach irrtümlicher Auszahlung kann Leistungshöhe nicht herabgesetzt werden

Hat eine Lebensversicherung irrtümlich den Rückkaufswert ausgezahlt, kann sie die Höhe der künftigen Leistungen aus dem Rentenversicherungsvertrag nicht einseitig unter Verrechnung mit seinem (vermeintlichen) Rückforderungsanspruch herabsetzen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken.

Die Versicherung hatte versehentlich eine Lebensversicherung abgewickelt und war verurteilt worden, den Vertrag wiederherzustellen. Dabei legte sie aber nicht die ursprünglichen Bestimmungen zugrunde, sondern die derzeit aktuellen. Der Versicherungsnehmer stand sich dadurch schlechter.

Das OLG: Die Versicherung hatte dazu weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Änderungsbefugnis. Sie muss also den versehentlich von ihr aufgelösten Vertrag zu den ursprünglich vereinbarten Bestimmungen wieder herstellen.

Das OLG betont, dass die Versicherung dem wiederhergestellten Vertrag nicht andere aktuellere, den Versicherungsnehmer schlechter stellende Bedingungen zugrunde legen darf.

Quelle: OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.7.2021, 5 U 2/21

Zusatzversorgungskasse: Falsche Rentenauskunft: Kein Erfüllungsanspruch, aber Schadenersatzanspruch

Eine fehlerhafte, weil zu hohe Rentenauskunft einer Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes begründet keinen Erfüllungsanspruch des Versicherungsnehmers. Die Rentenauskunft ist weder ein Verwaltungsakt mit Bindungswirkung noch eine zivilrechtliche Willenserklärung im Sinne eines Anerkenntnisses. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.

Das OLG wies aber auch darauf hin, dass eine falsche Rentenauskunft einer Zusatzversorgungskasse eine Pflichtverletzung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist (§ 280 Abs. 1 BGB). Sie kann daher einen Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers auslösen, wenn die Auskunft ursächlich für eine wirtschaftlich nachteilige Entscheidung des Versicherungsnehmers ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Versicherungsnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft für ein Altersteilzeitmodell oder für eine vorgezogene Altersrente ab 63 entscheidet.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.5.2021, 9 U 30/18

Corona-Sonderregeln: Telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 31.12.2021 verlängert

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Corona-Sonderregeln für die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegsinfekten um weitere drei Monate bis zum 31.12.2021 verlängert. Die Beschlüsse sind zum 1.10.2021 in Kraft getreten.

Patienten, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können wie bisher telefonisch für bis zu sieben Kalendertage krankgeschrieben werden. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung kann telefonisch für weitere sieben Kalendertage ausgestellt werden.

Quelle: GB-A, „G-BA verlängert Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung und weitere Corona-Sonderregeln bis 31. Dezember 2021“, PM vom 16.9.2021

Vereinsrecht: Virtuelle Mitgliederversammlungen können weiter stattfinden

Virtuelle Mitgliederversammlungen sind auch ohne entsprechende Satzungsregelung nun bis zum 31.8.2022 möglich. Das sehen die neuen Übergangsregelungen im „Aufbauhilfegesetz 2021“ vor (zuletzt bis Ende 2021). Es empfiehlt sich aber, die Möglichkeit zur virtuellen Versammlung in der Vereinssatzung zu regeln, wenn diese weiter genutzt werden soll.

Quelle: AufbhG 2021 vom 10.9.2021, Art. 16 des „Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze“

Patienteninformationsblätter: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur eingeschränkt der AGB-Kontrolle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur einer eingeschränkten Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Das war geschehen

Der Beklagte ist ein Verband von Augenärzten. Er empfiehlt seinen Mitgliedern, ein Patienteninformationsblatt zu verwenden. Dort werden die Patienten zunächst darüber aufgeklärt, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr besteht, dass sich ein Glaukom (sog. Grüner Star) entwickelt, ohne dass frühzeitig Symptome auftreten. Deshalb werde eine allerdings von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlte Früherkennungsuntersuchung angeraten. Das Formular enthält anschließend folgende Passage: „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“

Darunter kann der Patient die Erklärungen „Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom).“ oder „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“ ankreuzen. Schließlich sind die Unterschriften des Patienten und des Arztes vorgesehen.

Verbraucherschutzverband klagt

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, meint, bei der Erklärung, die Patienteninformation gelesen und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten sei, handele es sich um eine unzulässige Tatsachenbestätigung. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung dieser Klausel (ggf. mit dem Zusatz „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“) zu empfehlen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Das Landgericht (LG) hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat sie das Oberlandesgericht (OLG) abgewiesen. Die Revision des Klägers beim BGH hatte keinen Erfolg.

Der BGH: Die angegriffene Klausel ist wirksam. Das Informationsblatt unterrichtet die Patienten über das Risiko eines symptomlosen Glaukoms und über die Möglichkeit einer (auf eigene Kosten durchzuführenden) Früherkennungsuntersuchung. Die umstrittene Klausel dient der Dokumentation der hierüber erfolgten Aufklärung und der Entscheidung des Patienten, ob er die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchte.

Vom Patienten unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular

Für die ärztliche Aufklärung gelten durch die Rechtsprechung des BGH entwickelte eigenständige Regeln, die auch das Beweisregime erfassen. Hiernach können unter anderem die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt herangezogen werden. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für den Inhalt der dem Patienten erteilten Aufklärung stellt in positiver wie auch in negativer Hinsicht insbesondere ein dem Patienten zur Verfügung gestelltes oder von diesem unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular dar. Dem Umstand, dass es sich um formularmäßige Mitteilungen, Merkblätter oder ähnliche allgemein gefasste Erklärungen handelt, hat der BGH dabei jeweils keine einer Beweiswirkung entgegenstehende Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat er auf die Vorteile vorformulierter Informationen für den Patienten hingewiesen und diesen selbst dann einen Beweiswert beigemessen, wenn sie nicht unterschrieben sind. An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 angeknüpft.

In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags fügt sich die angegriffene Klausel ein, sodass sie mit der Rechtslage übereinstimmt. (BGH, Urteil vom 2.9.2021, III ZR 63/20, PM 168/21)

Schadensmeldung: EC-Karte verloren? Schnell handeln!

Wer den Verlust der EC-Karte bemerkt und erst nach 30 Minuten veranlasst, die Karte zu sperren, verstößt gegen seine Obliegenheiten und kann keinen Ersatz von zwischenzeitlichen Abhebungen mit der Karte verlangen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M.

Die Klägerin hat in der Schadensanzeige mitgeteilt, um 10.10 Uhr den Verlust der Karte bemerkt zu haben. Später behauptete sie, den Verlust ihrer Geldbörse mit der EC-Karte erst um 10.30 Uhr bemerkt zu haben. Um 10.42 Uhr habe sie die Karte sperren lassen, mit der bereits um 10.15 Uhr und um 10.16 Uhr zweimal 500 Euro abgehoben wurden.

Das AG sah es als nicht ausgeschlossen an, dass die Klägerin EC-Karte und PIN gemeinsam verwahrt habe und stellt auf die Schadensmeldung ab. Wer ein Mobiltelefon mit sich führe, müsse direkt die Kartensperre veranlassen. Wäre dies um 10.10 Uhr geschehen, hätten die missbräuchlichen Abhebungen nicht stattfinden können. (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.8.2021, 32 C 6169/20)

Steuererklärung: Warnung: Wiederholt Betrugs-E-Mails im Umlauf

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) warnt vor Betrügern, die über die E-Mail-Adresse „steuerzahler@bzst.tax-official.com“ versuchen, an Informationen von Steuerzahlern zu gelangen. Sie versenden E-Mails mit dem Titel „Bekanntmachung über die Steuererklärung“ und behaupten, die Bürger könnten über einen Link weitere Informationen zu ihrem Steuererstattungsanspruch erhalten. Das BZSt warnt davor, hierauf zu reagieren bzw. den Link in der E-Mail zu öffnen.  (BZSt, Meldung vom 7.9.2021)

Privatschule: Probejahr mit beschränkter Kündigungsmöglichkeit erlaubt

In einem Privatschulvertrag wurde ein „Probejahr“ mit beidseitiger Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Eine Kündigung des Vertrags in diesem Zeitraum ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken aber nicht ohne Weiteres erlaubt mit Rücksicht auf die Nachteile, die die Beendigung des Schulverhältnisses für den weiteren Lebensweg eines Schülers mit sich bringen kann.

Die Kündigung sei unwirksam, wenn sie rechtsmissbräuchlich sei. Hier hatten sich Eltern und Schüler den pandemiebedingten Regeln der Schule widersetzt. Zu Recht gehe die Schule davon aus, dass ein solches Verhalten geeignet sei, das notwendige schulische Vertrauensverhältnis zu beeinträchtigen. Das OLG: Die Kündigung war hier daher nicht rechtsmissbräuchlich. (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9.9.2021, 5 W 29/21)