Unfallschaden: Welche Bagatellgrenze gilt für Sachverständigengutachten?

Das Amtsgericht (AG) Greifswald sieht die Bagatellgrenze für ein Gutachten nicht als festen Betrag. Vielmehr sei sie je nach Schadensbild, das sich dem Geschädigten als Laien zeigt, im Bereich von 700 bis etwa 1.000 Euro anzusiedeln.

Eine Schadenshöhe von 1.002,73 Euro netto liegt darüber, so das AG. Somit ist ein Gutachten gerechtfertigt.

Quelle: AG Greifswald, Urteil vom 23.3.2022, 44 C 267/21

Verkehrsunfall: Gestaltung der Reparaturpreise ist Werkstattsache

Bei einer Unfallschaden-Reparatur kontrollieren regulierende Versicherungen die Rechnungspositionen sehr genau. In einem Fall des Amtsgerichts (AG) Bergisch-Gladbach führte dies allerdings zu weit.

Vor der Lackierung eines Unfallschadens musste das Kfz besonders gründlich gereinigt werden und am Ende der Schleifarbeiten musste der Schleifstaub entfernt werden. Das war unstreitig. Der Versicherer meinte jedoch, das dürfe nicht gesondert berechnet werden, sondern dies sei bereits in den Lackierkosten eingepreist. Das hat das AG Bergisch-Gladbach anders gesehen.

Das AG stellte klar: Die Werkstatt ist nicht gezwungen, ihre Leistung in der vom Versicherer für richtig gehaltenen Weise zu kalkulieren. Doch selbst, wenn das anders wäre, unterfiele das dem Werkstattrisiko, das dem Schädiger zuzurechnen ist. Dem Geschädigten könne nämlich nicht zugemutet werden, die fünf Seiten lange Rechnung so zu „durchleuchten“, dass ihm eine Position als überflüssig auffiele, die gerade rd. 2,5 Prozent des Gesamtbetrags ausmache. Hier kam hinzu, dass die Rechnung mit 7.380 Euro fast 4.000 Euro unter dem Betrag von 11.300 Euro lag, den das Sachverständigengutachten auswies. Allein schon deshalb war es seitens der Versicherung von vornherein nicht notwendig, die Rechnung derart kritisch „unter die Lupe“ zu nehmen, so das AG.

Quelle: AG Bergisch-Gladbach, Urteil vom 10.3.2022, 66 C 11/22

Werkstattreparatur: Probefahrtkosten als Unfallschaden erstattungsfähig

Probefahrtkosten werden von den Versicherern bekämpft. Eine neue Variante der dortigen Argumentation hatte nun das Amtsgericht (AG) Deggendorf auf dem Tisch. Die Lohnkosten des Meisters, der die Probefahrt mache, seien in den Gemeinkosten enthalten und damit über den Stundenverrechnungssatz bereits bezahlt. Dazu sagt das AG: „Abwegig“.

Der Arbeitnehmer, der z. B. einen neuen Kotflügel an ein Fahrzeug schraubt, erhält hierfür einen Arbeitslohn, der in den Gemeinkosten des Unternehmens enthalten ist. Gleichwohl müssen die Arbeitswerte, die er an dem Fahrzeug erbringt, vergütet werden. Das Gleiche gilt auch für einen Arbeitnehmer, der anschließend eine Probefahrt durchführt, so das AG.

Quelle: AG Deggendorf, Urteil vom 7.3.2022, 3 C 664/21

Reparaturkosten: Auch bei Abtretung kein Anspruch auf Lackiererrechnung

Durch die Abtretung wird ein Anspruch inhaltlich nicht verändert. Deshalb muss die Rechnung des Lackierers an die Werkstatt auch dann nicht offengelegt werden, wenn die Werkstatt die restlichen Reparaturkosten aus abgetretenem Recht des Geschädigten einklagt. So entschied es das Landgericht (LG) Bremen.

Das war geschehen

Am 22.1.2020 wurde der PKW der Geschädigten bei einem Verkehrsunfall durch den haftpflichtversicherten PKW eines Versicherungsnehmers der Beklagten beschädigt. Die Beklagte teilte der Geschädigten wenig später mit, dass sie für den Schaden an ihrem Fahrzeug dem Grunde nach aufkommen wird. Die Geschädigte ließ ihren PKW bei der Klägerin reparieren. Die Klägerin stellte anschließend Leistungen in Höhe von rund 3.000 Euro in Rechnung, hiervon rund 1.160 Euro netto als Fremdleistungen für Lackierarbeiten. Auf Nachfrage der Beklagten übermittelte die Klägerin der Beklagten lediglich eine geschwärzte Rechnung des ausführenden Lackierunternehmens an die Klägerin. Nach den Zahlungen der Beklagten verblieb ein offener Restbetrag in Höhe von rund 1.900 Euro. Die Geschädigte trat ihre Ansprüche aus dem Haftpflichtschaden an die Klägerin ab. Mit anwaltlichem Schreiben forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Restbetrag zu zahlen.

Die Beklagte zahlte aber nicht. Als Grund nannte sie unter anderem: Sie könne die geschwärzte Rechnung nicht berücksichtigen. Ihr stehe daher ein Leistungsverweigerungsrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Unterschiedliche Sichtweise der gerichtlichen Instanzen

Während das Amtsgericht (AG) der Beklagten noch überwiegend Recht gegeben hatte, sah das LG dies anders. Das LG: Es kommt nicht darauf an, dass die Werkstatt anders als der Geschädigte selbst die Rechnung hat und offenlegen könnte. Es kommt nur darauf an, dass die von der Werkstatt an den Geschädigten berechneten Lackierungskosten dem Vereinbarten oder dem Üblichen entsprechen. Der Versicherer hätte allenfalls dann gegenüber der klagenden Werkstatt einen Anspruch auf Offenlegung der Fremdleistungskosten, wenn der Geschädigte einen entsprechenden Anspruch gegen die Werkstatt aus dem mit ihr geschlossenen Werkvertrag hätte. Mangels eigener Rechtsbeziehungen zwischen der Werkstatt und dem Versicherer können die Ansprüche infolge der Abtretung nicht weiter gehen als in Fällen, in denen keine Abtretung erfolgt ist.

Gängige Praxis: Einzelleistungen durch Subunternehmen

Hintergrund: Der Geschädigte schließt mit seiner Werkstatt einen Reparaturvertrag, dem die Berechtigung innewohnt, dass die beauftragte Fachwerkstatt Subunternehmer für einzelne Leistungen heranziehen kann, die sie selbst nicht erbringen kann; dies ist zumeist die gängige Praxis. Mangels Rechtsbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Subunternehmer hat der Geschädigte gegen den Subunternehmer keinen Anspruch auf Offenlegung der Rechnung.

Auch aus dem Werkvertrag mit der beauftragten Fachwerkstatt kann der Geschädigte die Offenlegung der Fremdleistungsvereinbarung mit dem Subunternehmer nicht verlangen. Der Geschädigte hat „nur“ die Pflicht, die angefallenen Reparaturkosten dem Schädiger gegenüber geltend zu machen. Dieser Pflicht wird er durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung gerecht.

Quelle: LG Bremen, Urteil vom 22.12.2021, 4 S 187/21

Verkehrsunfall: Schnell zum Arzt bei Verletzung der Halswirbelsäule

Wer sich bei einem Verkehrsunfall verletzt, muss das auch aktenkundig machen. Die Klage eines Autofahrers gegen einen prominenten Fußballspieler vor dem Landgericht (LG) München I wegen eines Auffahrunfalls blieb aufgrund nicht mehr zu beweisender Verletzungen ganz überwiegend erfolglos, da sich der Patient nicht zeitnah zum Arzt begab.

Hintergrund: Der Kläger konnte seine behaupteten, unfallbedingten Verletzungen nicht beweisen. Bei einem Streitwert von rund 50.000 Euro hat das Gericht dem Kläger lediglich etwa 4.500 Euro für die Reparatur seines Pkw sowie ein Ersatzfahrzeug und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Verdienstausfall und Schmerzensgeld wegen einer vom Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörung seiner rechten Hand und einem sog. Schleudertrauma (HWS-Distorsion) erhielt er hingegen nicht.

Das war geschehen

Der Kläger hatte einen Spurwechsel mit seinem Maserati durchgeführt. Der Beklagte war im weiteren Verlauf mit seinem Mercedes aufgefahren. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden hier zum Tragen komme und somit der Beklagte dem Grunde nach für den Verkehrsunfall verantwortlich sei. Deshalb seien dem Kläger die Reparaturkosten, die Kosten für ein Ersatzfahrzeug und die Einschaltung eines Rechtsanwalts zuzusprechen.

Landgericht: Verletzungen nicht mehr beweissicher feststellbar

Dem Kläger stehe gegen den Beklagten jedoch weder ein Schmerzensgeldanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden, bzw. entgangenem Gewinn zu, da der Kläger den Eintritt unfallbedingter Verletzungen nicht habe beweisen können. Eine HWS-Distorsion beim Kläger sei nicht beweissicher feststellbar, ebenso wenig die vom Kläger geltend gemachten Sensibilitätsstörungen der rechten Hand. So komme zum einen das eingeholte biomechanisch und orthopädisch/unfallchirurgische Gutachten zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörungen der rechten Hand nicht dem streitgegenständlichen Unfall anzulasten seien. Sowohl aus biomechanischer als auch medizinischer Sicht sei nach dem Unfallhergang schon nicht eindeutig, dass der Kläger die unfallkausal geltend gemachten Beschwerden sicher erlitten habe.

Unverzüglicher Arztbesuch blieb aus

Zum anderen habe sich der Kläger nach eigener Einlassung erst ca. ein Monat nach dem Unfall in ärztliche Behandlung begeben, dies jedoch nicht wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule, sondern wegen der Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Hand. Hätte der Kläger entsprechende HWS-Distorsionsbeschwerden unfallbedingt erlitten, wäre zu erwarten gewesen, dass er sich unverzüglich zum Arzt begeben und dort die entsprechenden Symptome geschildert hätte, was nicht geschehen sei.

Dem Kläger stehe deshalb gegen den Beklagten mangels eindeutig unfallbedingter Verletzung weder ein Schmerzensgeldanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden/entgangenem Gewinn zu.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG München I, Urteil vom 11.3.2022, 19 O 16989/20, PM 8/2022 vom 18.3.2022

Betäubungsmittelgesetz: Kokainabhängigem Busfahrer ist Fahrerlaubnis zu entziehen

Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetztes (BtMG) entfällt die Fahreignung nach der Fahrerlaubnisordnung. Das entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein.

Dieser Grundsatz gelte unabhängig von der Häufigkeit des Konsums und der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration. Folge: Auch ein kokainabhängiger Busfahrer, der noch im berauschten Zustand unabhängig von Ausfallerscheinungen am Straßenverkehr teilnimmt, ist fahruntüchtig. Es ist also schon dann gerechtfertigt, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn ihm einmalig harte Drogen im Körper nachgewiesen wurden oder er deren Einnahme eingeräumt hat. Das gilt aber nicht für die Einnahme von Cannabis.

Quelle: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.2.2022, 5 MB 2/22

Fiktive Abrechnung: Versicherung log bei Verweisungswerkstatt

Eine Versicherung war bei der fiktiven Abrechnung wegen Alters und Wartungsstatus des unfallgeschädigten Fahrzeugs einfallsreich. Sie verwies auf eine Werkstatt, die es gar nicht mehr gab. Das Amtsgericht (AG) Coburg sagte nun: „So nicht!“

Die Werkstatt, auf die die Versicherung verwiesen hatte, gab es zum Verweisungszeitpunkt seit Monaten nicht mehr. Das hatte der Anwalt des Geschädigten im Rechtsstreit offengelegt, was ohne Widerspruch geblieben war.

Doch die Versicherung scherte das wenig: Sie trug vor, die Werkstatt gebe es zwar nicht. Aber deren Gleichwertigkeit sei ja nicht bestritten worden. Daraus folge, dass sie deshalb als gleichwertig anzusehen sei. Das ließ das AG nicht durchgehen. Und es hob hervor, dass dem Geschädigten auch im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht eine etwaige eigene Recherche nicht abverlangt werden kann.

Quelle: AG Coburg, Urteil vom 16.2.2022, 12 C 1956/21

Trunkenheitsfahrt: E-Scooter: Eher einem Fahrrad als einem Kfz gleichzusetzen

Darf bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Fahrerlaubnis (vorläufig) entzogen werden? Das ist noch nicht abschließend geklärt. Aber das Amtsgericht (AG) Essen hat jetzt abgelehnt, einen solchen Einziehungs-Beschluss zu erlassen.

Der Beschuldigte war nachts gegen 2:31 Uhr in Essen mit einem E-Scooter alkoholisiert auf einem Gehweg gefahren. Die Blutalkoholkonzentration betrug 1,68 Promille. Das AG: Hinsichtlich der Gefährlichkeit ist ein E-Scooter eher einem Fahrrad als einem Kraftfahrzeug gleichzusetzen. Zudem führte der Angeklagte den E-Scooter nachts, sodass eine Gefährdung anderer weniger wahrscheinlich war.

Quelle: AG Essen, Urteil vom 12.1.2022, 43 Cs-39 Js 1578/21-422/21

Fahrzeugmiete: Entgeltzahlung: Dienstleistung anstelle von Geldleistung

Als Gegenleistung für eine mietweise Gebrauchsüberlassung können auch Dienstleistungen vereinbart werden. Bei solchen „atypischen“ Gegenleistungen gilt für die Hauptleistung des Vermieters Mietvertragsrecht, während für die Leistungspflicht des Mieters Dienstvertragsrecht anwendbar ist. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.

Ein Marketingberater mietete zwei Fahrzeuge. In beiden Formularmietverträgen ließen die Parteien die Spalte „Mietzins“ offen. Der Mieter erbrachte im Anschluss an die Vertragsschlüsse für die Vermieterin mehrere Marketingdienstleistungen, entwarf Flyer und erstellte Marketingkonzepte. Nachdem der Mieter die Fahrzeuge mehrere Monate genutzt und sie anschließend der Vermieterin zurückgegeben hatte, stellte diese ihm die Miete mit 10.000 Euro in Rechnung. Der Mieter wandte ein, er habe mit der Vermieterin vereinbart, dass die Miete in Form seiner Dienstleistungen erbracht werden sollte. Die Vermieterin bestritt dies und meinte, die Leistungen seien für sie wertlos gewesen, da man sie im Ergebnis nicht verwendet habe.

Die erste und zweite Instanz hatten die Klage abgewiesen. Grund: Ein Mietzahlungsanspruch stehe der Vermieterin nicht zu, da das Entgelt vom Mieter nicht in Geld zu entrichten, sondern in Form von Dienstleistungen zu erbringen gewesen sei, die er auch während der Nutzungszeit erbracht habe.

Nach Ansicht des OLG sei davon auszugehen, dass der Vermieter als Gegenleistung für die Nutzung des (jeweiligen) Mietfahrzeugs Dienstleistungen im Bereich der Marketingberatung für die Vermieterin erbringen sollte. Dies habe er auch unstreitig getan. Unerheblich sei, ob die Vermieterin diese Leistungen habe verwenden können, da bei Dienstleistungen kein Erfolg geschuldet sei. Selbst, wenn die Dienstleistungen in ihrer Qualität beeinträchtigt gewesen seien, werde die vereinbarte Vergütung geschuldet.

Für die Vereinbarung einer Geldleistung als Gegenleistung eines Mietvertrags ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf eine solche Vereinbarung beruft, hier also die Vermieterin. Diesen Beweis habe sie nicht angetreten, indem sie pauschal behauptet habe, dies sei der Fall. Hiergegen spreche zudem, dass die entsprechende Spalte in den Mietverträgen offengelassen worden ist. Ein Berufen darauf, dass die Mietpreise im Laden der Vermieterin aushängen, reiche hierfür nicht aus. Des Weiteren habe die Vermieterin die Vorschläge des Mieters über mehrere Monate entgegengenommen, also nicht widersprochen bzw. sich darauf berufen, solches sei nicht erforderlich. Vielmehr habe sie sich zu den einzelnen Projekten geäußert.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.10.2021, 24 U 301/20

Fahrtenbuchanordnung: Wenn der Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann…

Das Führen eines Fahrtenbuchs kann auch angeordnet werden, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs angegeben hat, den Verkehrsverstoß selbst begangen zu haben. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz.

Fahrzeughalter gibt zwar Zuwiderhandlung zu…

Mit dem Fahrzeug des Antragstellers wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer Ortschaft um (bereinigt) 28 km/h überschritten. Der Antragsteller sandte den Anhörungsbogen der Bußgeldbehörde mit der Angabe zurück „Ich gebe die Zuwiderhandlung zu“.

… war aber nicht der Fahrzeugführer

Der folgende Abgleich des Fahrerfotos mit dem bei der Meldebehörde hinterlegten Ausweisfoto ließ die Bußgeldbehörde jedoch mit Blick auf das abweichende äußere Erscheinungsbild der beiden abgebildeten Personen zu der Überzeugung gelangen, dass der Antragsteller bei der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht der Fahrer des Kraftfahrzeugs gewesen sein könne. Unter Hinweis auf die Zweifel an der Täterschaft des Antragstellers schrieb die Bußgeldstelle diesen mehrfach mit der Bitte um Benennung des Fahrers an; eine inhaltliche Äußerung unterblieb. Eine Nachfrage bei der Meldebehörde ergab schließlich, dass lediglich die Ehefrau des Antragstellers unter dessen Anschrift gemeldet ist. Das Bußgeldverfahren wurde daraufhin eingestellt.

Sofortige Fahrtenbuchanordnung

Der Antragsgegner ordnete in der Folge gegenüber dem Antragsteller das Führen eines Fahrtenbuchs für das Tatfahrzeug für die Dauer von zwölf Monaten mit Sofortvollzug an. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs an das Verwaltungsgericht. Er machte im Wesentlichen geltend, er habe die Tatbegehung schriftlich eingeräumt, sodass ihm kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, das die Verhängung eines Fahrtenbuchs rechtfertige. Der von der Bußgeldstelle vermuteten Fahrerschaft seines Sohnes sei hingegen nicht nachgegangen worden. Das VG lehnte den Eilantrag ab.

Verwaltungsgericht: Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich

Das VG: Einem Fahrzeughalter könne das Führen eines Fahrtenbuchs aufgegeben werden, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer erheblichen Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften (bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung) nicht möglich gewesen sei. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt.

Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters nicht erfüllt

Die Bußgeldbehörde habe trotz aller angemessenen und zumutbaren Maßnahmen den Fahrzeugführer bei dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß nicht ermitteln können. Der Antragsteller sei der ihn als Halter eines Kraftfahrzeugs treffenden Obliegenheit, an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes mitzuwirken, soweit dies für ihn zumutbar und möglich ist, nicht nachgekommen. Er habe angesichts des evidenten Abweichens des Ausweisfotos des Antragstellers von dem anlässlich des Verkehrsverstoß erstellten Lichtbild des Fahrzeugführers falsche Angaben gemacht, die geeignet gewesen seien, die Ermittlung des Täters zu verhindern.

Fahrerfoto führte nicht zum Ermittlungserfolg

Dadurch noch verbliebene Ermittlungsansätze der Bußgeldbehörde seien ohne Erfolg gewesen. Insbesondere habe der Antragsteller auch auf Vorhalt, dass sein Tatbekenntnis nicht mit dem Fahrerfoto in Einklang zu bringen sei, keine weiteren Angaben gemacht. Nur mit dem Fahrerfoto allein sei es der Behörde unter dem Gesichtspunkt eines sachgerechten, erfolgversprechenden Aufwands jedoch nicht möglich gewesen, den Täter zu ermitteln.

Fahrtenbuchauflage: nicht strafend, sondern präventiv

Die danach zulässige Fahrtenbuchauflage habe wie generell keine strafende, sondern eine präventive Funktion: Sie stelle eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden solle, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften unter erleichterten Bedingungen möglich seien.

Quelle: VG Mainz, Beschluss vom 2.3.2022, 3 L 68/22.MZ, PM 5/22