Nutzungsentschädigung: Rückabwicklung eines Leasingvertrags

Ist ein Leasingvertrag über ein Auto rückabzuwickeln, steht dem Leasingnehmer grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten zu. Demgegenüber kann der Leasinggeber, also derjenige, der das Auto zur Verfügung gestellt hat, Nutzungsentschädigung für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer verlangen. Über die einzelnen Voraussetzungen dieser Ansprüche, insbesondere über die Frage, wie die Höhe des Nutzungsersatzes zu bemessen ist, hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden.

Das war geschehen

Das klagende Unternehmen erreichte aufgrund eines Mangels des von ihm geleasten Fahrzeugs Audi A6 Avant 50 TDI quattro tip-tronic eine Rückabwicklung des Leasingvertrags mit der beklagten Leasinggeberin. Es forderte von dieser anschließend die Rückzahlung der geleisteten Leasingraten. Die Beklagte rechnete ihrerseits mit der Nutzungsentschädigung auf und beanspruchte dabei 0,67 % des Neupreises pro gefahrenen 1.000 km, wobei dieser Pauschale die Erwartung einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 150.000 km zugrunde liegt. Diesen Prozentfaktor hatte das vermittelnde Autohaus in ein Formular eingetragen, das die Beklagte zur Verfügung gestellt und der Geschäftsführer der Klägerin bei Rückgabe des Fahrzeugs unterschrieben hatte. In diesem Formular befand sich unter der Angabe „Prozentfaktor: 0,67 %“ ein weiteres Feld „Nutzungsentschädigung“, das das Autohaus nicht ausgefüllt hatte. Die Beklagte berief sich darauf, der „Prozentfaktor“ sei durch die Unterschrift des Geschäftsführers der Klägerin rechtsverbindlich festgelegt worden.

Oberlandesgericht: Verstoß gegen Transparenzgebot in AGB

Das OLG entschied: Dieser Abrede kommt keine Geltung zu. Anders als vom Landgericht (LG) Braunschweig angenommen, handele es sich bei der unterzeichneten Erklärung um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), welche die Beklagte einseitig für eine Vielzahl von Verträgen festgelegt habe. Um den Vertragspartner vor der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht zu schützen, unterliegen AGB grundsätzlich inhaltlichen Beschränkungen und müssen klar und verständlich formuliert sein. Zwar gebe es bei einer Preis- oder Berechnungsabrede keine Inhaltskontrolle, jedoch habe die Beklagte gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) verstoßen, weil nur das Feld „Prozentfaktor“ und nicht das Feld „Nutzungsentschädigung“ ausgefüllt worden sei. Die Formulierung lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass sie die Grundlage für die Berechnung der Nutzungsentschädigung bilde. Es sei außerdem nicht erkennbar, auf welche Bezugspunkte sich der Prozentfaktor beziehe. Auch von einem Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft könne nicht verlangt werden, dass er präsentes Wissen über die Einzelheiten der Berechnung einer Nutzungsentschädigung habe.

Lineare Berechnungsmethode statt Prozentfaktor

Das OLG hat die Anrechnung der Nutzungsentschädigung nach der „linearen Berechnungsmethode“ vorgenommen. Dabei wird der Kaufpreis des Fahrzeugs zu der voraussichtlichen Restlaufleistung ins Verhältnis gesetzt und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers multipliziert. Die Gesamtlaufleistung hat der Senat unter Berücksichtigung des statistischen Mittelwerts für das streitgegenständliche Fahrzeug auf 300.000 km geschätzt. Die Berücksichtigung der höheren Gesamtlaufleistung führte im Ergebnis zu einer erheblichen Reduzierung der geforderten Nutzungsentschädigung. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Braunschweig, Urteil vom 1.2.2022, 7 U 566/20, PM vom 8.3.2022

Verkehrsverstoß: Fahrtenbuchauflage gegen Unternehmen – geht das?

Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat entschieden, dass die Fahrtenbuchauflage gegen ein Unternehmen rechtmäßig war, das u. a. Dienstleistungen im Bereich des Recycling- und Containerdienstes anbietet.

Was war geschehen?

Im Juni 2020 wurde mit einem Fahrzeug des o. g., klagenden Unternehmens ein bußgeld- und punktebewehrter Verkehrsverstoß begangen. Nachdem der Geschäftsführer auf wiederholte Anfrage der Zentralen Bußgeldstelle mitgeteilt hatte, dass das Fahrzeug von mehreren Personen genutzt werde und aufgrund Zeitablaufs nicht mehr festgestellt werden könne, wer gefahren sei, fuhren Polizeibeamte zwecks Identifizierung zum Firmensitz. Der dort angetroffene Mitarbeiter gab gleichfalls an, dass das Fahrzeug sowohl beruflich als auch privat von mehreren Personen, unter anderem von ihm selbst, genutzt werde. Die auf dem „Blitzerfoto“ abgebildete Person sei ihm jedoch nicht bekannt. Weitere polizeiliche Ermittlungen blieben erfolglos. Interne Ermittlungen im Betrieb der Klägerin fanden nicht statt.

So sahen es die Ordnungsbehörde und der Kläger

Die beklagte Ordnungsbehörde ordnete eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von sechs Monaten nebst einer Pflicht zur Vorlage und Aufbewahrung an. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte das Unternehmen und machte u. a. geltend, dass das Fahrzeug weit überwiegend durch den Geschäftsführer und nur mit dessen ausdrücklicher Erlaubnis auch von anderen Mitarbeitern genutzt werde. Da sich der Geschäftsführer sicher sei, das Fahrzeug am Tattag nicht verliehen zu haben, müsse dieses widerrechtlich entweder von einem Mitarbeiter oder einem sonstigen Dritten genutzt worden sein. Ein solcher Vorfall lasse sich nicht durch eine Fahrtenbuchauflage verhindern, weshalb diese ungeeignet sei.

So sah es das Gericht

Das VG wies die Klage ab. Sie sei im Hinblick auf die Fahrtenbuchauflage unzulässig, da sich diese auf einen Zeitraum von sechs Monaten beziehe, der bereits abgelaufen sei. Ein besonderes Interesse an der Fortführung des Verfahrens in Form der sogenannten „Fortsetzungsfeststellungsklage“ sei nicht anzuerkennen. Insbesondere hätte der Kläger um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen können, was nicht geschehen sei. Eine Wiederholungsgefahr sei ebenso wenig anzunehmen wie ein Rehabilitationsinteresse, da eine Fahrtenbuchauflage per se keinen diskriminierenden Charakter aufweise und insbesondere nicht mit einem Unrechts- und Schuldvorwurf verbunden sei.

Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da die Fahrtenbuchauflage und die sonstigen Bestimmungen des angegriffenen Bescheids rechtmäßig seien. Bei der Behauptung, wonach das Fahrzeug widerrechtlich in Gebrauch genommen worden sei, handele es sich um prozesstaktisches Vorbringen, das in Widerspruch zur ersten Einlassung des Geschäftsführers und auch zur Aussage des von der Polizei vernommenen Mitarbeiters der Klägerin stehe.

Widersprüchlicher Vortrag des Unternehmens

Die Behauptung selbst erscheine bei lebensnaher Betrachtung unglaubhaft. Zum einen sei der diesbezügliche Vortrag widersprüchlich, da die Klägerin mit wechselnden Argumenten zunächst die „Täterschaft“ eines Dritten nicht habe ausschließen wollen, um diese Aussage zuletzt in der mündlichen Verhandlung auf einen nicht näher bezeichneten Täterkreis von mehr oder weniger engen Mitarbeitern des Geschäftsführers zu begrenzen. Weshalb es dann nicht möglich gewesen sein solle, den Täter oder die Täterin im Zuge einer internen Aufarbeitung zu bestimmen, erschließe sich nicht. Zum anderen erscheine auch die Behauptung als lebensfremd, wonach sowohl Mitarbeiter als auch Dritte und damit betriebsfremde Personen vor und nach der Tat ohne Weiteres unbemerkt Zugang zum Büro des Geschäftsführers und dessen Schreibtisch hätten nehmen können, in dem die Schlüssel des nach Angabe der Klägerin „hochwertigen Premiumfahrzeugs“ aufbewahrt worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb dann keine Anzeige erstattet worden sei, was nicht zuletzt unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten im kaufmännischen Eigeninteresse zwingend erforderlich erscheine oder der Vorfall nicht wenigstens arbeitsrechtlich aufgearbeitet worden sei.

Fahrtenbuchauflage angemessen

Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf berufen habe, dass der Geschäftsführer „Besseres zu tun gehabt habe“ und von etwaigen polizeilichen Ermittlungen ohnehin kein erfolgreicher Ausgang zu erwarten sei, überzeuge dies nicht. Unabhängig von der Obliegenheit, ein Fahrtenbuch oder entsprechende innerbetriebliche Aufzeichnungen über die Nutzung eines betriebseigenen Fahrzeuges zu führen, sei der Kläger selbstverständlich verpflichtet, die Fahrzeugschlüssel zur Verhinderung einer unbefugten Ingebrauchnahme durch Betriebsangehörige und insbesondere betriebsfremde Dritte sicher zu verwahren. Folge: Die Fahrtenbuchauflage sei geeignet und damit verhältnismäßig gewesen.

Quelle: VG Neustadt, Urteil vom 12.1.2022, 3 K 588/21.NW, PM 6/22

Kennzeichenmissbrauch: Abstellen eines Kfz am Straßenrand ist „Gebrauchmachen“

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat jetzt zum Kennzeichenmissbrauch in der Form des „Gebrauchmachens“ Stellung genommen. Der Angeklagte hatte einen Kraftfahrzeuganhänger, an dessen Heckseite ein nicht für dieses Fahrzeug zugeteiltes Kennzeichen angebracht war, im öffentlichen Verkehrsraum am Straßenrand abgestellt. Das BayObLG hat für diesen Fall den Kennzeichenmissbrauch bejaht.

Der Zweck der Vorschrift erfordert eine weite Auslegung des Begriffs des Gebrauchmachens. Dieses geht über das bloße Führen oder Schieben des Kraftfahrzeugs oder des Kraftfahrzeuganhängers hinaus. Es erfasst auch das Abstellen des Kraftfahrzeugs oder des Kraftfahrzeuganhängers am Straßenrand. Auch von einem in dieser Weise abgestellten Kraftfahrzeug oder Kraftfahrzeuganhänger kann eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen. Zudem kann das Abstellen den Tatbestand einer Verkehrsordnungswidrigkeit begründen.

Quelle: BayObLG, Urteil vom 3.11.2021, 203 StRR 504/21

Altfahrzeug-Umweltprämie: „Ein Fahrzeug muss ein Fahrzeug sein“

Ein Fahrzeughersteller lobte eine „Umweltprämie“ aus, die er selbst gewährte und die nichts mit staatlichen Umweltprämien zu tun hatte. Voraussetzung: Im Gegenzug zum Kauf eines Neufahrzeugs musste ein Käufer sein ihm gehörendes Altfahrzeug zur Entsorgung abliefern. Weitere Voraussetzung: Es musste sich bei dem Altfahrzeug um ein „noch rollfähiges Kraftfahrzeug“ handeln. Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg musste sich mit einem vermeintlich besonders „cleveren“ Käufer beschäftigen.

Dieser Käufer des Neufahrzeugs brachte nämlich eine weitestgehend ausgeschlachtete Karosserie mit Türen zum Hersteller. An diesem Torso waren Schwerlastrollen montiert. Das entspreche nicht den Voraussetzungen, die der Hersteller definiert hatte, so das OLG. Ein Motorschaden sei danach kein Hindernis für die Prämie, ein Fahrzeugtorso aber schon. Denn das vom Käufer angebotene Altfahrzeug genügte bereits auf den ersten Blick nicht einmal ansatzweise den Anforderungen an ein Fahrzeug. Dessen Motivation bestand überdies darin, möglichst viele Fahrzeugbestandteile als Ersatzteile für andere Fahrzeuge zu verwerten, insbesondere auch den Motor, was dem Sinn und Zweck einer Umweltprämie zuwiderlaufe.

Quelle: OLG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2021, 13 U 236/21

Verkehrsunfall: Keine taggenaue Berechnung von Schmerzensgeld

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Maßgebend für die Höhe von Schmerzensgeld sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden und dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. In erster Linie sind Höhe und Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt.

Das war geschehen

Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Über zwei Jahre verbrachte er im Rahmen von 13 stationären Aufenthalten insgesamt 500 Tage im Krankenhaus; u.a. musste der rechte Unterschenkel amputiert werden. Der Kläger ist seither zu mindestens 60 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Die Einstandspflicht der Beklagten (Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw) stand außer Streit.

Das Landgericht (LG) hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zugesprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht (OLG) die Beklagten zu einem Schmerzensgeld von 200.000 Euro verurteilt.

Keine rechnerische Lösung

Das OLG hatte das Schmerzensgeld nach der Methode der sog. „taggenauen Berechnung“ ermittelt. Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach der Entscheidung des BGH gilt: Die „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgelds ist abzulehnen. Die schematische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normalstation eines Krankenhauses verbracht hat und die er nach seiner Lebenserwartung mit der dauerhaften Einschränkung voraussichtlich noch wird leben müssen, lässt wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht. So bleibt unbeachtet, welche Verletzungen der Kläger erlitten hat, wie die Verletzungen behandelt wurden und welches individuelle Leid bei ihm ausgelöst wurde. Gleiches gilt für die Einschränkungen in seiner zukünftigen individuellen Lebensführung. Auch die Anknüpfung an die statistische Größe des durchschnittlichen Einkommens trägt der notwendigen Orientierung an der gerade individuell zu ermittelnden Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten nicht hinreichend Rechnung. Das OLG muss daher erneut über die Höhe des Schmerzensgelds befinden.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.2.2022, VI ZR 937/20, PM 20/22

Schadenersatz: Unfall auf dem Supermarktparkplatz

Das Amtsgericht (AG) München hat jetzt die Klage einer Fahrzeughalterin gegen einen Autofahrer und dessen Kfz-Versicherung abgewiesen. Der zugrundeliegende Unfall auf einem Supermarktparkplatz wies einige Besonderheiten auf.

Das war geschehen

Der VW der Klägerin war in einer Parkbucht auf dem Parkplatz eines Supermarkts abgestellt. Auf dem Fahrersitz saß der Ehemann der Klägerin. Der Beklagte parkte mit einem Opel in die Parkbucht links daneben ein und stieß dabei mit der geöffnete Fahrertür des VW zusammen.

Die Klägerin macht restliche Schadenersatzansprüche unter Berücksichtigung einer teilweisen vorgerichtlichen Regulierung durch die mitbeklagte Versicherung geltend. Ihr Argument: Die Fahrertür ihres Autos sei bereits mehrere Minuten erkennbar geöffnet gewesen, sodass die Kollision für ihren Mann unvermeidbar gewesen sei.

Die Beklagten behaupten hingegen, die Tür des VW sei noch geschlossen gewesen, als der Opel ordnungsgemäß in die freie Parklücke daneben eingefahren sei. Währenddessen sei die Fahrertür des VW plötzlich und unvermittelt geöffnet und gegen das Beklagtenfahrzeug gestoßen worden; die Klagepartei würde daher allein für die Schäden haften und habe im Rahmen der vorgerichtlichen hälftigen Regulierung bereits mehr erhalten, als ihr zustehe.

Amtsgericht: alleiniges Verschulden der Klägerin

Das AG gab nach der Beweisaufnahme der Beklagtenseite Recht. Dass die Tür des VW bereits für mehrere Minuten offen gestanden hatte, konnte dabei nicht nachgewiesen werden. Nicht weiterhelfen konnte insbesondere die Aussage der unbeteiligten Zeugin, die sich zu erinnern meinte, dass die Tür insgesamt nur 5 cm aufgestanden habe nach dem Sachverständigengutachten musste die Tür bei der Kollision hingegen 60 bis 70 cm geöffnet gewesen sein. Auch vermeintliche Erinnerungen der Zeugin zur Geschwindigkeit wurden mit dem Sachverständigengutachten widerlegt. Die Angaben des Ehemanns der Klägerin und des Beklagten widersprachen sich, ohne dass das Gericht den einen oder anderen Angaben einen höheren Erkenntniswert zumessen konnte.

Das AG hat der Entscheidung eine alleinige Haftung der Klagepartei zugrunde gelegt. Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Türöffners hier des Fahrers des Klägerfahrzeugs spricht der Beweis des ersten Anscheins. Wer in ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigens, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Dieser Grundsatz war hier nach dem AG zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, als auf einem Parkplatz für jeden Benutzer jederzeit mit Ein- und Aussteigevorgängen sowie mit Ein-, Auspark- und Rangiermanövern zu rechnen ist, sodass grundsätzlich erhöhtes Augenmerk auf derartige Vorgänge zu legen ist.

Ein Verschulden des Fahrers des Klägerfahrzeugs an der Kollision stand für das AG nach all dem fest. Auch ein hier nicht nachgewiesenes über mehrere Minuten andauerndes Offenstehenlassen einer Fahrzeugtür auf einem Parkplatzgelände ist erheblich risikobehaftet und vor dem Hintergrund der o. g. Pflichten zur wechselseitigen Rücksichtnahme sorgfaltswidrig.

Quelle: AG München, Urteil vom 27.10.2021, 343 C 106/21, PM 2/22 vom 14.1.2022

Reparaturkosten: Wenn die Werkstatt ein eigenes Fahrzeug fiktiv abrechnet

Rechnet der Geschädigte, der selbst eine Kfz-Reparaturwerkstatt betreibt, den Unfallschaden am werkstatteigenen Fahrzeug fiktiv ab, scheidet ein Abzug eines Pauschalbetrags als nicht zu erstattender Unternehmergewinn aus. So entschied das Landgericht (LG) Osnabrück und bestätigte damit nun das Amtsgericht (AG) Lingen.

Das Gericht: Bei der konkreten Abrechnung kommt es darauf an, ob die Werkstatt während der Reparatur ausgelastet war. Da bei der fiktiven Abrechnung ein Reparaturzeitraum nicht bestimmbar ist, könne die Auslastungsfrage nicht geprüft werden.

Quelle: LG Osnabrück, Beschluss vom 1.12.2021, 4 S 72/21

Autokauf: Sind zwölf Monate Standzeit tagesgenau zu betrachten?

Der vom Bundesgerichtshof (BGH) vorgegebene Zwölf-Monats-Zeitraum zwischen Produktion und Verkauf eines Fahrzeugs, nach dessen Verstreichen das Fahrzeug die Eigenschaft „fabrikneu“ verliert, ist nicht tagesgenau zu verstehen. Ist er zum Verkaufszeitpunkt um zwei Tage überschritten, schadet das nicht. So entschied jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. anders als noch das Landgericht (LG) Gießen als Vorinstanz.

Das sehen die OLG aber durchaus unterschiedlich. Während das OLG Düsseldorf ebenso flexibel ist (Urteil vom 24.10.05, I-1 U 84/05), wie das OLG Frankfurt a. M., befürwortet das OLG Hamm die tagesgenaue Anwendung (Urteil vom 16.8.16, 1-28 U 140/15). Hier sei die Rechtssicherheit entscheidend.

Der Fall des OLG Hamm lag jedoch genau andersherum: Es fehlten noch wenige Tage, der Käufer wollte dennoch bereits „aussteigen“.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 3.8.2021, 5 U 84/20

Verkehrsunfall: Mietwagen nicht verkehrssicher: 90.000 Euro Schmerzensgeld

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main verurteilte ein Mietwagenunternehmen u.a. dazu, ein Schmerzensgeld von 90.000 Euro zu zahlen. Denn der Mietwagen war nicht verkehrssicher und die klagende Mieterin hatte schwerste Verletzungen bei einem Verkehrsunfall mit diesem Fahrzeug erlitten.

Die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel der Mietsache kann für die Verletzung von Kardinalspflichten nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden. Zu diesen Kardinalpflichten gehört beim Mietwagenvertrag, ein Fahrzeug zu überlassen, dessen technischer Zustand das sichere Fahren insbesondere durch funktionsfähige Lenkung und Bremsen gewährleistet.

Das war geschehen

Die Beklagte betrieb eine gewerbliche Autovermietung. Als gewerbliche Stammkundin mietete die Klägerin bei der Beklagten für eine Woche ein Fahrzeug. Nach den Mietvertragsbedingungen haftete die Beklagte für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

Auf dem Hinweg informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie Probleme habe, in den zweiten Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug während die Klägerin versuchte, die geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hierzu ihre linke Hand vom Steuer nahm plötzlich ins Schleudern. Gegenlenken war nicht möglich. Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch das Fenster und wurde abgetrennt. Die Klägerin erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen. Eine Replantation des Armes war nicht möglich.

Hohe Schmerzensgeldforderung

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls. Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte beim OLG überwiegend Erfolg. Die Klägerin könne Schadenersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen sei, so das OLG. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager bereits bei Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Das Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen. Für diesen von der Beklagten nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte sie dennoch. Der Unfall sei durch den Mangel verursacht worden.

Kardinalsplicht: Fahrzeug muss verkehrssicher sein!

Die Beklagte könne sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen. Kraft Gesetzes hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch AGB ausgeschlossen werden. Dies gelte aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sog. Kardinalspflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe. Zu diesen Kardinalspflichten gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien. Der Mieter würde unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten des Vermieters umfassen würde. Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht durch einen Haftungsausschluss ausgehöhlt werden. Das Fahren im Straßenverkehr mit hoher Geschwindigkeit begründe stets eine latente erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Insassen. Ein Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln ist, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) beantragen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2021, 2 U 28/21, PM vom 24.1.2022

Ordnungswidrigkeit: Handy auf dem Oberschenkel ablegen, heißt, es zu benutzen

Wird dem Betroffenen die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons zur Last gelegt, ist entscheidend, ob er es wirklich „benutzt“ hat. Das hat das Bayrische Oberste Landesgericht (BayObLG) jetzt für das Ablegen des Handys auf dem Oberschenkel bejaht.

Denn, so das Gericht, eine verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons liege nicht nur vor, wenn dieses mit der Hand ergriffen wird. Vom Wortsinn (gemäß Duden, siehe www.duden.de, Stichwort „halten“) her bedeute „halten“ einerseits „festhalten“ und andererseits „bewirken, dass etwas in seiner Lage, seiner Stellung oder Ähnlichem bleibt“. Demnach liegt ein Halten nicht nur vor, wenn ein Gegenstand mit der Hand ergriffen wird, sondern auch, wenn er zwischen Schulter und Ohr geklemmt wird. Zudem ist ein Halten gegeben, wenn das Gerät in sonstiger Weise mithilfe der menschlichen Muskulatur in seiner Position bleibt.

Ein Mobiltelefon kann während der Fahrt, verbunden mit den damit einhergehenden Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen, nicht allein durch die Schwerkraft auf dem Schenkel verbleiben. Es bedarf bewusster Kraftanstrengung, um die Auflagefläche so auszubalancieren, dass das Mobiltelefon nicht vom Bein herunterfällt. Auch dieses durch menschliche Kraftanstrengung bewirkte Ausbalancieren unterfällt dem Begriff des Haltens.

Quelle: BayObLG, Urteil vom 10.1.2022, 201 ObOWi 1507/21