Parkplatzunfall: Schulterblick statt Rückfahrkamera

Wer mit seinem Fahrzeug rückwärtsfährt, muss auf andere Verkehrsteilnehmer ganz besonders achten. Auf die Rückfahrkamera allein darf man sich nicht verlassen. So hat es nun das Landgericht (LG) Lübeck entschieden.

Zusammenstoß auf dem Supermarktparkplatz

Auf dem Parkplatz eines Supermarktes steuerte ein Mann sein Auto geradeaus in Richtung Ausfahrt. Vor ihm parkte ein anderer Fahrer rückwärts aus und schaute dabei auf die Rückfahrkamera. Es kam zum Zusammenstoß.

Der Geradeausfahrende beschuldigte den Rückwärtsfahrenden, plötzlich ausgeparkt und den Zusammenstoß verursacht zu haben. Der Rückwärtsfahrende entgegnete, der Geradeausfahrende sei einfach weitergefahren und an seinem Fahrzeug entlanggeschrammt. Der Geradeausfahrende habe gar nicht bremsen wollen und den Unfall bewusst provoziert.

So entschied das Gericht

Das Gericht musste entscheiden, wer den Schaden bezahlen muss und in welcher Höhe. Es hat mehrere Zeugen befragt und einen technischen Sachverständigen hinzugezogen. Ergebnis: Beide Fahrer treffe eine Schuld. Begründung: Der Geradeausfahrende habe einen Fehler gemacht. Er sei etwa 15 km/h schnell gefahren. Auf einem Parkplatz müsse man aber sofort bremsen können. Man dürfe daher nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Aber auch der Ausparkende habe sich nicht richtig verhalten. Er habe nicht die ganze Zeit über die Schulter nach hinten geschaut. Beim Rückwärtsfahren müsse man durchgängig sicherstellen, dass man niemanden gefährdet. Das Anschauen der Rückfahrkamera reiche dafür nicht aus. Den Rückwärtsfahrenden treffe die größere Schuld. Er muss jetzt zwei Drittel des Schadens bezahlen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: LG Lübeck, Urteil vom 19.7.2023, 9 O 113/21, PM vom 14.9.2023

Verkehrsverstöße: Entziehung der Fahrerlaubnis bei acht Punkten

Die Fahrerlaubnis ist auch dann wegen des Erreichens von acht oder mehr Punkten zu entziehen, wenn die zu diesem Punktestand führenden Verkehrsverstöße bereits vor Ermahnung und Verwarnung des Fahrerlaubnisinhabers begangen wurden. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und lehnte einen Eilantrag gegen die Fahrerlaubnisentziehung ab.

Autofahrer wollte Entziehung der Fahrerlaubnis nicht hinnehmen

Der Autofahrer wandte sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Ihm war die Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von acht Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem entzogen worden. Die entsprechenden Zuwiderhandlungen hatte der Autofahrer bereits vor der von der Fahrerlaubnisbehörde ausgesprochenen Ermahnung und zwei Monate später erteilten Verwarnung begangen.

Der dagegen gerichtete Eilantrag an das VG blieb ohne Erfolg. Die Fahrerlaubnisentziehung war rechtens. Der Autofahrer habe zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung die Grenze von acht Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht und die vorgelagerten Stufen des Maßnahmensystems ordnungsgemäß durchlaufen. Er gelte daher als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Verwaltungsgericht: Schutz der Verkehrssicherheit hat Vorrang

Hiergegen könne der Autofahrer nicht mit Erfolg einwenden, er habe die zum Erreichen der Acht-Punkte-Grenze führenden Verkehrsverstöße bereits vor Ermahnung und Verwarnung durch die Fahrerlaubnisbehörde begangen, sodass ihn deren Erziehungsfunktion nicht mehr habe erreichen können. Der Gesetzgeber habe dem Schutz der Verkehrssicherheit Vorrang vor der Erziehungsfunktion des gestuften Maßnahmensystems eingeräumt. Nach den Vorgaben des Straßenverkehrsgesetzes würden daher bei der Berechnung des Punktestands Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden seien. Das solle die Punktebewertung eines Verkehrsverstoßes auch dann ermöglichen, wenn er vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen worden sei, bei dieser Maßnahme aber noch nicht habe verwertet werden können.

Möglicher Arbeitsplatzverlust: Härte ist hier hinzunehmen

Es komme somit nicht darauf an, ob die Maßnahmen dem Antragsteller die Möglichkeit einer Verhaltensänderung effektiv eröffnet hätten. Eine andere rechtliche Bewertung sei hier nicht ausnahmsweise deshalb geboten, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis laut Autofahrer zum Verlust seines Arbeitsverhältnisses führe. Negative berufliche Auswirkungen der Fahrerlaubnisentziehung stellten eine im Interesse des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer hinzunehmende Härte dar.

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde zu.

Quelle: VG Koblenz, Beschluss vom 19.7.2023, 4 L 577/23.KO, PM 20/23

Verjährung: Lamborghini zu Schrott gefahren: trotzdem kein Schadenersatz

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat entschieden: Ein Autofahrer muss für die Folgen eines von ihm im Oktober 2018 verursachten Unfalls mit einem Lamborghini nicht einstehen. Der Anspruch des Verkäufers, eines Autohauses, war inzwischen verjährt.

Das klagende Autohaus hat als Eigentümerin vom Autofahrer Schadenersatz verlangt, weil dieser als Fahrer ihrem mehr als 150.000 Euro teuren Lamborghini einen wirtschaftlichen Totalschaden zugefügt hatte. Der Autofahrer, der die halbstündige Fahrt mit dem Luxusauto von seiner Ehefrau als Geschenk erhalten hatte, war der Auffassung, nicht er sei schuld daran, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und dabei zwei Bäume entwurzelt und einen dritten frontal angefahren habe. Vielmehr habe der ihn begleitende Mitarbeiter eines Subunternehmers der Klägerin den Sportmodus ein- und nicht wieder ausgeschaltet.

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen, weil nicht davon auszugehen sei, dass der Autofahrer den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht habe. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das OLG zurückgewiesen. Ein etwaiger Anspruch des Autohauses sei verjährt. Der Vertrag, den der Autofahrer über die Nutzung des Fahrzeugs geschlossen hat, stellt nach Auffassung des OLG einen Mietvertrag dar. Für Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung einer Mietsache gilt eine kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten, die mit der Rückgabe der Mietsache beginnt. So sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: § 548 BGB) vor. Diese Frist sei bei Klageerhebung im Dezember 2020 abgelaufen gewesen.

Quelle: OLG Dresden, Urteil vom 16.8.2023, 13 U 2371/22, PM vom 17.8.2023

Wohnmobilreparatur: Entsorgungskosten von 500 Euro angemessen

Versicherer kürzen Reparaturkosten immer wieder um Entsorgungskosten. Das hat das Amtsgericht (AG) Schwandorf nicht mitgemacht. Im Fall einer Wohnmobilreparatur hat es dem Geschädigten Entsorgungskosten in Höhe von 500 Euro netto zugesprochen.

Denn entgegen der Behauptung des Versicherers holen die Wohnmobilhersteller beschädigte Teile nicht kostenlos ab. Im Übrigen müssten die Wohnaufbauteile, die in Sandwichbauweise konstruiert sind, in ihre Bestandteile Holz, Aluminium und Dämmmaterial zerlegt werden. Die Bestandteile müssen bis zur Abholung durch den Entsorgungsbetrieb getrennt voneinander aufbewahrt werden. Das alles sei aufwendig.

Quelle: AG Schwandorf, Urteil vom 19.6.2023, 2 C 722/22

Behindertenparkplatz: Parkausweis auf der Mittelkonsole genügt nicht

Unberechtigtes Parken auf einem sog. Behindertenparkplatz kann teuer werden. Das gilt auch, wenn man einen Parkausweis im Pkw abgelegt hat. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Schwerin.

Eine „wilde“ Geschichte?

Der Autofahrer hatte seinen Pkw auf einer Fläche abgestellt, die als Parkplatz versehen mit dem Zusatzzeichen „Rollstuhlfahrersinnbild“ ausgeschildert war. Einen Parkausweis, der ihm das Abstellen in dem Bereich erlaubt hätte, hatte er nicht ausgelegt. Der Autofahrer hatte behauptet, dass er seinen Pkw am Tattag an der genannten Stelle abgestellt und das Fahrzeug für einige Zeit verlassen habe. Er habe an dem Tag einen Bekannten befördert, der im Rollstuhl sitzt. Der Bekannte sei im Besitz einer unbefristeten Parkerlaubnis, mit der er auf dem Parkplatz hätte stehen dürfen. Dieser Parkausweis habe sich auch im Inneren des Fahrzeugs auf der Mittelkonsole auf Höhe der Sitzflächen befunden.

Das Amtsgericht stellt auf „Lesbarkeit“ ab

Das AG ist von einem Parkverstoß ausgegangen. Es verweist auf die Erläuterungen zur Parkerlaubnis durch das Zusatzzeichen mit „Rollstuhlfahrersinnbild“. Danach gilt die Parkerlaubnis nur, wenn der Parkschein, die Parkscheibe oder der Parkausweis gut lesbar ausgelegt oder angebracht ist. Lesbar bedeutet so das AG „für die Augen zu entziffern und sich lesen lassend“. „Gut“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Lesen „leicht, mühelos geschehend“, also einfach und ohne Schwierigkeiten möglich sein muss. Das hat das AG für das Ablegen auf der Mittelkonsole in Höhe der Sitzflächen verneint. Zudem war auf einem vom Betroffenen zur Untermauerung seiner Einlassung eingereichten Fotografie zur Ablageposition der Ausweis selbst zur Hälfte verdeckt.

Quelle: AG Schwerin, Urteil vom 8.5.2023, 35 OWi 83/23

Führerscheinentzug: Fahrerlaubnisbehörde kann nicht zusätzlich das Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nicht verbieten

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat entschieden: Die derzeitige Rechtslage ermöglicht es den Fahrerlaubnisbehörden nicht, ein Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, z. B. Fahrräder oder E-Scooter, zu verhängen.

Das ist die Gesetzeslage

Die Fahrerlaubnisbehörden können das Führen von Fahrzeugen nach der bundesweit geltenden Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) verbieten, wenn sich jemand insbesondere durch Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss als hierzu ungeeignet erweist. Umstritten war dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen untersagt werden kann.

Das sagt das Gericht

Diese Frage hat der BayVGH nun geklärt: Das geltende Recht bietet demnach keine Grundlage für ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Dementsprechend hob der zuständige Senat ein entsprechendes an den Kläger gerichtetes Fahrverbot auf.

Zur Begründung führte das Gericht an, solche Fahrverbote stellten einen schweren Eingriff in die als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit grundrechtlich geschützte Mobilität und eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar. § 3 Abs. 1 S. 1 FeV, auf den die behördliche Praxis die Verbote stützt, könne nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, denn er regele die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt. Die Regelung lasse weder für sich allein, noch im Zusammenhang mit anderen Vorschriften erkennen, wann eine Person zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ungeeignet sei und wie man dies feststellen müsse. Anders als für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen (Kraft-)Fahrzeugen gebe es hierfür keine ausreichenden Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren oder andere konkretisierende Regelwerke. Eine Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern sei wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotenzials nicht möglich. Das Fehlen rechtlicher Maßstäbe könne zu unverhältnismäßigen Verboten führen.

Der unterlegene Freistaat Bayern kann gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Revision einlegen.

Quelle: BayVGH, Urteil vom 17.4. 2023, 11 BV 22.1234, PM vom 19.6.2023)

Sanktionen: Pkw kann nach gefährlichem Überholmanöver sichergestellt werden

Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat in einem Eilverfahren die Sicherstellung eines Fahrzeugs nach einem gefährlichen Überholmanöver als rechtmäßig bestätigt.

Das war geschehen

Das Fahrzeug ist auf die Antragstellerin zugelassen, wird aber nach Angaben ihres Ehemanns ausschließlich von ihm gefahren. Im April 2023 befuhr dieser eine Bundesstraße. In der Gegenrichtung war ein Funkstreifenwagen unterwegs. Die Polizeibeamten beobachteten, wie das hinterste der fünf ihnen entgegenkommenden Fahrzeuge der Porsche der Antragstellerin zunächst einen vor ihm fahrenden schwarzen Pkw überholte und danach nicht wieder einscherte, obwohl er nur noch ca. 200 bis 250 Meter von ihrem Fahrzeug entfernt war. Vielmehr fuhr er mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit auch an einem zweiten Fahrzeug, einem weißen Kastenwagen, vorbei. Um eine Frontalkollision zu vermeiden, bremste der Fahrer des Funkstreifenwagens bis zum Stillstand ab und lenkte das Auto nach rechts an den Fahrbahnrand, um Platz zu schaffen. Der Porsche fuhr währenddessen an dem Kastenwagen vorbei und wechselte etwa 15 Meter vor dem bereits stehenden Funkstreifenwagen zurück auf die eigene Fahrbahn. Beim Wiedereinscheren mussten der schwarze sowie der weiße Pkw ebenfalls bremsen, um eine Kollision zu vermeiden und Platz zu machen. Noch während des Passierens des Funkstreifenwagens startete der Fahrer erneut einen Überholvorgang und überholte einen dritten Pkw.

Die an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten nahmen unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn die Verfolgung des Ehemanns der Antragstellerin auf und stellten im Anschluss an die erfolgte Kontrolle des Fahrers den Porsche zur Gefahrenabwehr sicher. Weiter wurde ihm die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins eröffnet. Die Antragstellerin legte gegen die Sicherstellung Widerspruch ein und beantragte, das Fahrzeug herauszugeben. Wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wandte sie sich zudem mit einem Eilantrag an das VG.

Sicherstellung rechtlich nicht zu beanstanden

Dieser hatte keinen Erfolg. Die Sicherstellung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 22 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes könne die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen seien gegeben gewesen, denn im Zeitpunkt der Sicherstellung hätten ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Ehemann der Antragstellerin mit dem auf sie zugelassenen und ausschließlich von ihm gefahrenen Sportwagen in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Verkehrsverstöße begehen werde.

Der Ehemann der Antragstellerin habe bei dem Überholvorgang rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt und mehrere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Es sei augenscheinlich allein dem Verhalten des fahrenden Polizeibeamten zu verdanken, dass es nicht zu einem Zusammenstoß mit Personen- und Sachschäden gekommen sei. In einer solchen Verkehrssituation mit guter Übersicht auch bezüglich des Gegenverkehrs hätte jeder vernünftige, sich an die zulässige Höchstgeschwindigkeit haltende Verkehrsteilnehmer den Überholvorgang infolge des herannahenden Gegenverkehrs gar nicht erst gestartet bzw. sofort wieder abgebrochen. Nach der Straßenverkehrsordnung darf nur überholen, wer übersehen könne, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen sei. Gegen die danach bestehende Sorgfaltspflicht habe der Ehemann der Antragstellerin massiv verstoßen, indem er sehenden Auges mehrere Fahrzeuge überholt und deren Insassen sowie die Polizeibeamten im Dienstfahrzeug einer erheblichen Leib- und Lebensgefährdung ausgesetzt habe. Anstatt die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens einzusehen, habe er offensichtlich völlig unbeeindruckt unmittelbar nach dem Wiedereinscheren auf seine Fahrbahn einen weiteren Pkw überholt.

Rücksichtsloser und unbelehrbarer Verkehrsteilnehmer

Die handelnden Polizeibeamten hätten daher zu Recht annehmen dürfen, dass es sich bei dem Ehemann der Antragstellerin um einen rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer sowie eine unbelehrbare Person handele und damit die konkrete Gefahr der Wiederholung erheblicher Verkehrsverstöße bestanden habe. Aufgrund der besonderen Sachlage und des fehlenden Einsichtsvermögens hätten sie nach dem Anhalten des Ehemanns der Antragstellerin daher vom Fortbestehen der Gefahrenlage ausgehen und das Fahrzeug sicherstellen dürfen.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zulässig.

Quelle: VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 22.6.2023, PM 14/23

Luxuswagenkauf: Lamborghini kann nicht gutgläubig auf einem Imbiss-Parkplatz gekauft werden

Kann man einen Lamborghini nachts um ein Uhr auf einem Imbiss-Parkplatz erwerben? Oder muss man Zweifel haben, ob es in so einer Situation mit rechten Dingen zugeht? Über einen solchen nicht alltäglichen Fall hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.

Fahrzeug wurde gestohlen

Der Kläger aus Spanien hatte seinen Lamborghini an eine Agentur vermietet, die den Wagen weitervermietete. Nach der Mietzeit war das Fahrzeug weg. Es wurde zur Fahndung ausgeschrieben.

Der im Emsland ansässige Beklagte meldete sich auf eine Anzeige bei der Verkaufsplattform „mobile.de“, auf der das Fahrzeug angeboten wurde. Er kam in Kontakt mit zwei Brüdern, die vorgaben, das Auto für einen in Spanien lebenden Eigentümer verkaufen zu wollen. Man traf sich auf dem Parkplatz einer Spielothek in Wiesbaden, wo der Beklagte das Fahrzeug besichtigte, und verabredete die Übergabe wenige Tage später. Zuvor, so die Brüder, bräuchten sie das Fahrzeug noch für eine Hochzeitsfahrt.

Man traf sich einige Tage später auf dem Gelände einer Tankstelle in Essen. Die Brüder trafen mit mehreren Stunden Verspätung gegen 23 Uhr am verabredeten Treffpunkt ein und gaben u.a. an, in eine Polizeikontrolle geraten zu sein. Dort habe es Verzögerungen gegeben, weil noch „eine Rechnung beim Amt“ offen gewesen sei.

Kaufvertrag am Schnellrestaurant unterschrieben

Der Kaufvertrag wurde in dieser Nacht gegen 1 Uhr in einem Schnellrestaurant unterschrieben. Dem Beklagten wurde die Vorderseite einer Kopie des Personalausweises des angeblichen Eigentümers vorgelegt. Es ergaben sich auffällige Abweichungen der Schreibweise des Namens und der Adresse in dem Kaufvertrag und den Zulassungsbescheinigungen. Der Beklagte gab seinen alten Lamborghini für 60.000 Euro in Zahlung und zahlte an die Brüder weitere 70.000 Euro in bar. Er erhielt neben dem Auto die Zulassungsbescheinigungen sowie die Schlüssel. Als der Beklagte das Fahrzeug auf sich anmelden wollte, stellte sich heraus, dass dieses unterschlagen worden war.

Eigentümer verlangte Herausgabe

Der spanische Kläger verlangte nun als Eigentümer die Herausgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht (LG) wies die Klage ab. Der Beklagte, so das LG, habe „gutgläubig“ Eigentum erworben (§ 932 BGB). Denn er habe nicht gewusst, dass der im Kaufvertrag benannte Veräußerer in Wahrheit nicht Eigentümer sei, und habe auch nicht grob fahrlässig gehandelt.

Oberlandesgericht: Grobe Fahrlässigkeit des Käufers

Das OLG sah dies nun anders: Es bewertete das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässig. Trotz Vorlage von Original-Zulassungsbescheinigungen seien die Gesamtumstände so auffällig, dass der Beklagte habe stutzig werden müssen. Der Beklagte habe allein mit den als Vermittler auftretenden Brüdern verhandelt, ohne in Kontakt mit dem von den Brüdern benannten angeblichen Eigentümer zu treten oder sich von den Brüdern eine Vollmacht vorlegen zu lassen. Ort und Zeit des Kaufvertrags, die Nutzung des Fahrzeugs durch die Vermittler für eine Hochzeitsfeier, die fraglose Inzahlungnahme des alten Lamborghinis, die unterschiedlichen Schreibweisen der Personalien des angeblichen Eigentümers all dies hätte den Beklagten zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen.

Besondere Vorsicht sei auch deshalb geboten gewesen, weil es sich um ein Luxusfahrzeug handelte, das erst wenige Tage zuvor in Deutschland zugelassen worden war. Er könne sich daher nicht auf einen gutgläubigen Erwerb berufen. Der Beklagte muss nun das Auto an den spanischen Kläger herausgeben.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 27.3.2023, 9 U 52/22, PM 19/23 vom 13.4.2023

Schadenersatz: Versicherer erstattete vorgerichtlich 100 Prozent: Anerkenntnis

Der Versicherer erstattete vorgerichtlich die geltend gemachten Positionen ohne Vorbehalt zur Haftung dem Grunde nach auf der Basis hundertprozentiger Haftung. Allerdings kürzte er Positionen der Höhe nach. Die Differenz hatte der Geschädigte eingeklagt. Nun erhob der Versicherer auch Einwendungen zur Haftung der Höhe nach. Doch das ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig nicht mehr möglich.

Hier liegt keine unverbindliche Mitteilung vor…

Das Gericht argumentierte: Die Auslegung dieses Schreibens ergibt, dass die Beklagte keinerlei Einwände zur vollen Haftung dem Grunde nach hatte. Es ist unerheblich, dass in dem Schreiben nicht ausdrücklich von einem Anerkenntnis die Rede ist. Teilt die dem Grunde nach einstandspflichtige gesetzliche Haftpflichtversicherung dem Geschädigten nach vorangegangener Korrespondenz, in der sie auch die Vorlage von Urkunden und Belegen zwecks Überprüfung der vom Geschädigten geltend gemachten Schadenspositionen verlangte, mit, sie werde Beträge für einzeln aufgeführte Positionen zahlen, gilt: Es handelt sich bei dieser Mitteilung um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis und nicht lediglich um eine ohne Rechtsbindungswillen abgegebene unverbindliche Mitteilung.

… sondern ein deklatorisches Schuldanerkenntnis

Und es ging geschädigtenfreundlich weiter so. Das Gericht hob nämlich hervor: Zu Recht sieht die Geschädigte in dem Schreiben des Haftpflichtversicherers ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Die darin enthaltene konkrete Abrechnung diverser Forderungspositionen unter Nennung von konkreten Zahlungsbeträgen beinhaltet zusammen mit dem ausdrücklichen Hinweis, die aufaddierte Gesamtsumme zu überweisen, eindeutig den erkennbaren Willen, die vorherige Diskussion über die Höhe der einzelnen geltend gemachten Forderungen abzuschließen und insoweit auf weitere Einwendungen zu verzichten. Jedes andere Verständnis hätte für den reibungslosen Ablauf der Regulierung von Haftpflichtschäden fatale Folgen.

Quelle: OLG Schleswig, Hinweis vom 7.6.2023, 7 U 15/23

Parkverstoß: Kosten eines nicht beendeten Abschleppvorgangs

Das Verwaltungsgericht (VG) München hat sich mit den Kosten eines abgebrochenen Abschleppvorgangs befasst. Der Betroffene hatte seinen Pkw auf einem für Behinderte vorgesehenen Parkplatz abgestellt. Zum Abschleppen war es aber nicht mehr gekommen, weil der Betroffene den Parkplatz noch rechtzeitig frei gemacht hatte.

Das VG München bejaht eine Prüfpflicht des betroffenen Verkehrsteilnehmers. Dem Verkehrsteilnehmer im ruhenden Verkehr ist es danach zuzumuten, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen sorgfältig umzusehen und eingehend zu prüfen, ob er sein Fahrzeug an der von ihm gewählten Stelle abstellen darf. Das hatte der Betroffene hier versäumt. Er musste die im Zusammenhang mit den Abschleppkosten entstandenen Gebühren und Auslagen zahlen.

Quelle: VG München, Urteil vom 13.3.2023, M 23 K 21.5332