Kassen-Nachschau: Keine hohen Hürden für den Übergang zu einer Außenprüfung

Seit 2018 besteht die Möglichkeit einer Kassen-Nachschau gemäß Abgabenordnung (§ 146b AO). Dies ist ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte, u. a. im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen. Die Kassen-Nachschau erfolgt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen durch einen Amtsträger der Finanzbehörde und zwar ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat sich nun mit den Voraussetzungen für den Übergang zu einer Außenprüfung beschäftigt.

Das war geschehen

Am 15.9.2021 erfolgte bei einem Restaurant (GmbH) eine Kassen-Nachschau. Der Umfang der Nachschau beinhaltete die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung. Die von den Prüfern erbetenen Aufzeichnungen stellten die Mitarbeiter der GmbH den Prüfern nicht zur Verfügung. Begründung: Die Unterlagen seien im Büro des Geschäftsführers verschlossen und nur dieser habe zu dem Büro einen Schlüssel.

Die Prüfer übergaben eine Liste der nachzureichenden Unterlagen. In der Folgezeit wurden die Unterlagen an einen der Prüfer übergeben. Mit Bescheid vom 11.10.2021 teilte das Finanzamt der GmbH den Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO mit. Diese sollte sich auf den Zeitraum 2017 bis 2019 erstrecken und neben der Körperschaftsteuer auch die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer umfassen.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das FG Hamburg als unbegründet abgewiesen und zwar aus folgenden Erwägungen: Werden dem Prüfer bei der Kassen-Nachschau nicht die erbetenen Unterlagen übergeben, ist dies ein Grund, den Übergang zur Betriebsprüfung anzuordnen.

Beachten Sie: Der Betriebsprüfer verwirkt nicht die Möglichkeit des Übergangs, wenn er diesen nicht sofort anordnet, sondern dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nachzureichen.

Weitere Voraussetzungen sind in § 146b Abs. 3 AO nicht normiert und nach Meinung des FG auch nicht erforderlich. Denn der Steuerpflichtige ist nicht schlechter gestellt, als wenn er eine „normale“ Prüfungsanordnung gemäß § 196 AO erhalten hätte. Insbesondere handelt es sich bei dem § 146b Abs. 3 AO nicht um eine Norm mit Bestrafungscharakter.

Der Innendienst oder der Prüfer, der die Kassen-Nachschau durchgeführt hat, sind nicht verpflichtet, nachträglich eingereichte Unterlagen vollständig zu überprüfen. Denn dies, so das FG, ist Aufgabe einer Außenprüfung.

Beachten Sie: Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei den Feststellungen während der Kassen-Nachschau um unstreitige Feststellungen handelt. Es ist auch nicht die Aufgabe des Gerichts, vorab im Rahmen der Überprüfung der Übergangsanordnung selbst eine Belegprüfung durchzuführen. Ebenfalls muss keine vollständige rechtliche Überprüfung der streitigen Fragen im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens vorgenommen werden. Eine Grenze ist nur dann erreicht, wenn die Feststellungen des Betriebsprüfers greifbar rechtswidrig sind.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die GmbH hat aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Quelle: FG Hamburg, Urteil vom 30.8.2022, 6 K 47/22, NZB BFH, XI B 93/22

Umsatzsteuerzahler: Keine Steuerschuld für überhöhten Steuerausweis an Endverbraucher

Weist ein Unternehmer in der Rechnung einen höheren als den gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuerbetrag aus (z. B. 19 % anstatt 7 %), schuldet er auch den überhöhten Betrag. Das Umsatzsteuergesetz (§ 14c Abs. 1 S. 2 UStG) erlaubt zwar die Korrektur des überhöhten Ausweises per Rechnungsberichtigung. Doch gerade bei vielen Kleinbetragsrechnungen an Endverbraucher ist dies problematisch bzw. faktisch unmöglich, weil die Kontaktdaten der Personen oft nicht bekannt sind. Zu der Thematik „überhöhter Steuerausweis“ erging nun ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem österreichischen Verfahren, welches der deutschen Handhabung entgegensteht.

Der EuGH hat Folgendes entschieden: Hat ein Steuerpflichtiger eine Dienstleistung erbracht und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, schuldet er den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht. Dies gilt, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Somit kam es auf die zweite Frage, die sich mit der Berichtigung der Rechnungen befasste, nicht mehr an.

Beachten Sie: Die Regelungen zur Anwendung des § 14c Abs. 1 UStG werden nun geändert bzw. unionskonform ausgestaltet werden müssen.

Quelle: EuGH, Urteil vom 8.12.2022, C378/21

Marktaufsichtsbehörde: Nichtselbsttätige Waagen für den Einzelhandel dürfen ohne eigenes Display vertrieben werden

Nach den maßgeblichen unionsrechtlichen Regelungen können sog. nichtselbsttätige Waagen, mit denen in vielen Supermärkten das Wiegen von Obst und Gemüse an der Kasse ermöglicht wird, auch ohne eigenes Display mit der CE-Kennzeichnung versehen und als vollständige Waagen in Verkehr gebracht werden. Zudem kann es genügen, die messtechnischen Werte zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert ausschließlich im Display anzuzeigen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bezogen auf zwei marktaufsichtsrechtliche Ordnungsverfügungen des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen entschieden.

Das war geschehen

Die Klägerinnen sind jeweils Hersteller sog. nichtselbsttätiger Waagen, die für den Verkauf in öffentlichen Verkaufsstellen verwendet werden sollen. Zwischen den Beteiligten war zum einen streitig, ob ein Gerät zur Gewichtsbestimmung, das für den Einsatz im Einzelhandel in Kassensysteme anderer Hersteller integriert wird und so das Wiegen beim Kassiervorgang ermöglicht, bereits mit der CE-Kennzeichnung versehen werden darf, wenn es am Ende der Fertigung noch nicht über ein eigenes Display verfügt. Nach Ansicht der Marktaufsichtsbehörde entstehe erst mit Anschluss des Geräts an das Kassen-Display eine nichtselbsttätige Waage, weil diese zwingend eine Anzeigeeinrichtung erfordere. Die Anbringung der CE-Kennzeichnung, mit der zum Ausdruck gebracht werde, dass das fertige Produkt die wesentlichen Anforderungen an eine nichtselbsttätige Waage erfülle und das Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich bestanden habe, dürfe daher erst nach Anschluss an das Kassensystem erfolgen. Zum anderen war zwischen den Beteiligten streitig, ob so der Landesbetrieb die nach den rechtlichen Vorschriften zum Mess- und Eichwesen erforderlichen Angaben zur Höchstlast (Max), Mindestlast (Min) und zum Eichwert (e) zwingend analog auf dem Messgerät angebracht werden müssen oder ob eine ausschließlich digitale Anzeige der Angaben genügen kann.

Musterverfahren

Beide Verfahren sind als Musterverfahren geführt worden, um Rechtsfragen zu klären, die unter den Mess- und Eichbehörden und den Konformitätsbewertungsstellen nicht einheitlich beurteilt worden sind. In beiden Verfahren hat der Landesbetrieb Vorgehensweisen von Waagenherstellern beanstandet, die zuvor jeweils von den Konformitätsbewertungsstellen als ordnungsgemäß bescheinigt worden waren.

Landesbetrieb Mess- und Eichwesen hatte keinen Erfolg

Das OVG ist den Erwägungen des Landesbetriebs in beiden Verfahren nicht gefolgt. Zur Begründung seiner Entscheidungen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine nichtselbsttätige Waage kann den gerätespezifischen Anforderungen auch genügen, wenn beim Inverkehrbringen der Waage sichergestellt ist, dass Anforderungen, die erst bei der Verwendung im geschäftlichen Verkehr für die gesamte Nutzungsdauer relevant sind, ab der Inbetriebnahme erfüllt werden. Ein Hersteller, der ein Gerät als vollständige Waage vertreiben will, das alle Anforderungen an eine Waage erfüllt, aber über keine eigene digitale Hauptanzeigeeinrichtung verfügt, muss „bei Entwurf und Herstellung“ gewährleisten, dass sein Gerät nur mit einem geeigneten Display in Betrieb genommen werden kann und die Vereinbarkeit mit den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen an die Anzeige des Wägeergebnisses ab Inbetriebnahme und damit bei Verwendung des Geräts für Messungen im geschäftlichen Verkehr sichergestellt ist.

Ausschließlich digitale Anzeige erfüllt Anforderungen

Weiter kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Display für die Gewichtsanzeige die rechtlichen Anforderungen der guten Sichtbarkeit, Leserlichkeit und Dauerhaftigkeit erfüllen, weshalb ein Display eine geeignete Einrichtung zum Anbringen der messtechnischen Kennwerte darstellen kann. Damit eine digitale Anzeige dauerhaft bzw. unauslöschlich und damit für die Aufschrift bzw. Beschriftung „geeignet“ ist, hat der Hersteller bei Entwurf und Herstellung des Geräts zu gewährleisten, dass die für die Anzeige der messtechnischen Werte verantwortliche Software entsprechend den gerätespezifischen technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen vor unbeabsichtigtem Missbrauch geschützt und eine Veränderung der angezeigten messtechnischen Werte verhindert wird.

Internationale Standards und europäische Vorgaben erfüllt

Dieses Normverständnis steht im Einklang mit internationalen technischen Standards und entspricht dem Bestreben des europäischen Richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen zu beschränken. Der deutsche Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben unverändert in nationales Recht übernommen.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung in beiden Verfahren die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen.

Quelle: OVG Münster, Urteil vom 9.9.2022, 4 A 1278/21, PM vom 29.9.2022

Freiberufler und Gewerbetreibende: Neue Größenklassen als Anhaltspunkt für die Häufigkeit einer Betriebsprüfung

Nach Verwaltungsmeinung sind größere Unternehmen prüfungswürdiger als kleinere. Also kommt es für die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsprüfung nicht zuletzt darauf an, ob ein Unternehmen als Kleinst-, Klein-, Mittel- oder Großbetrieb eingestuft wird. Die neuen Abgrenzungsmerkmale zum 1.1.2024 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun veröffentlicht.

Die Einordnung in Größenklassen gemäß der Betriebsprüfungsordnung (§ 3 BpO 2000) erfolgt nach der Betriebsart (z. B. Handelsbetriebe und Fertigungsbetriebe), dem Umsatz und dem steuerlichen Gewinn. Regelmäßig werden neue Abgrenzungsmerkmale festgelegt, aktuell für den 24. Prüfungsturnus (1.1.2024).

Für Handelsbetriebe gilt z. B. die nachfolgende Klassifizierung. Dabei reicht es aus, dass eine der beiden Grenzen überschritten wird. Zum besseren Vergleich sind auch die Umsatz- und Gewinngrößen für den 23. Prüfungsturnus (1.1.2019) aufgeführt:

Klassifizierung für Handelsbetriebe

Größenklasse

Umsatz (über)

Gewinn (über)

Großbetrieb

1.1.2019

1.1.2024

8.600.000 EUR

14.000.000 EUR

335.000 EUR

800.000 EUR

Mittelbetrieb

1.1.2019

1.1.2024

1.100.000 EUR

8.600.000 EUR

68.000 EUR

335.000 EUR

Kleinbetrieb

1.1.2019

1.1.2024

210.000 EUR

1.100.000 EUR

44.000 EUR

68.000 EUR

Quelle: BMF, Schreiben vom 15.12.2022, IV A 8 – S 1450/19/10001 :003

Unlauterer Wettbewerb: „Küchentage“ eines Möbelhauses

Das Landgericht (LG) München I hat der Klage eines Vereins zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb stattgegeben. Der Verein hatte gegen eine Händlerin für Möbel wegen einer Werbeanzeige in einer Tageszeitung geklagt.

Das war geschehen

Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit dem Zweck der Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte ist Händlerin für Möbel und Küchen. Sie betreibt ein Möbelhaus in München.

Das Möbelhaus hatte am 19.8.2021 zu den sog. „KüchenTagen“ des Möbelhauses eine Werbeanzeige in einer Tageszeitung abgedruckt. Der Verein nahm das Möbelhaus im Hinblick auf diese Werbeanzeige auf Unterlassung in Anspruch und verlangte die Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten.

Landgericht: irreführende Werbeanzeige

Das LG hat die konkrete Gestaltung der Werbeanzeige als irreführend für Verbraucher eingestuft und der Klage daher stattgegeben. Für die Leser der Anzeige sei schon nicht klar ersichtlich, wie lange die beworbene Rabattaktion laufe. Auf der Werbeanzeige finde sich blickfangmäßig herausgestellt das Datum des 21.8., im Kleingedruckten sei jedoch ein Hinweis auf das Datum des 31.8.2021 enthalten. Um den Vorwurf einer Irreführung über die Laufzeit der Rabattaktion auszuschließen, wäre es erforderlich gewesen, die Teilnahmebedingungen unmittelbar den blickfangmäßig herausgestellten Angaben zuzuordnen und so den Verbraucher aufzuklären. Eine solch eindeutige Aufklärung über die Teilnahmebedingungen fehle jedoch in der Werbeanzeige. Selbst, wenn man zugunsten des Möbelhauses unterstelle, dass der Verbraucher den Hinweis auf das Aktionsende zum 31.8.2021 zur Kenntnis nehme, bliebe er im Ungewissen darüber, was die Befristung bedeute. Der Entscheidungsdruck, der durch die Befristung des Angebots im Blickfang auf den 21.8. aufgebaut werde, könne durch eine solch uneindeutige weitere Datumsangabe im Kleingedruckten jedenfalls nicht beseitigt werden. Es sei insofern auch zu berücksichtigen, dass die Ankündigung von Preissenkungen wegen der Behauptung einer nur aktuell bestehenden Preisgünstigkeit eine stark anlockende Wirkung auf den Leser ausübe.

Weiter sei aus der beanstandeten Werbeanzeige auch nicht eindeutig erkennbar, unter welchen Voraussetzungen und bezüglich welcher Produkte des Möbelhauses der beworbene Rabatt Anwendung finde.

Viele Angaben in Werbeanzeige uneindeutig

Die Kammer sah die blickfangmäßig herausgestellten Rabattzahlen zumindest als uneindeutig an. Der Leser bliebe im Zweifel, ob die Anzeige 20 Prozent und 20 Prozent, also insgesamt 40 Prozent Rabatt anpreise, oder nur jeweils 20 Prozent auf verschiedene Produkte. Eine solch blickfangmäßig herausgestellte Aussage, die isoliert betrachtet zur Täuschung geeignet sei, könne jedoch nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis korrigiert werden, der selbst am Blickfang teilhat. An einem solchen Hinweis fehle es hier. Das von der Beklagten angeführte Kleingedruckte im unteren Teil der Werbeanzeige reiche insoweit nicht aus.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG München I, Urteil vom 12.1.2023, 17 HKO 17393/21, PM 1/23

Sonderregelung: Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld bis zum 30.6.2023 verlängert

Der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld geht in die nächste Runde. Das Bundeskabinett hat die Sonderregelung nun per Verordnung um weitere sechs Monate bis Ende Juni 2023 verlängert.

Die Verordnung über den erweiterten Zugang zum Kurzarbeitergeld regelt Folgendes: Kurzarbeitergeld kann gezahlt werden, wenn mindestens 10 % (regulär ein Drittel) der Beschäftigten von einem Entgeltausfall betroffen sind. Beschäftigte müssen keine Minusstunden vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld aufbauen.

Beachten Sie: Auch Leiharbeitnehmern wird der Bezug von Kurzarbeitergeld weiterhin ermöglicht. Dies gilt ebenfalls befristet bis zum 30.6.2023.

Quelle: Verordnung über den erweiterten Zugang zum Kurzarbeitergeld vom 19.12.2022, BAnz AT 21.12.2022 V3; Die Bundesregierung: „Kurzarbeitergeld: Erleichterter Zugang verlängert“ vom 14.12.2022

Bausparverträge: Kein Jahresentgelt in der Ansparphase

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bausparkasse enthaltene Klausel unwirksam ist, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt.

Das war geschehen

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihren AGB für Bausparverträge u.a. die folgende Bestimmung: „Die Bausparkasse berechnet während der Sparphase jeweils bei Jahresbeginn bei nicht vollständigen Kalenderjahren anteilig für jedes Konto des Bausparers ein Jahresentgelt von 12 Euro p.a.“ Der Kläger hält diese Klausel für unwirksam, da sie die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Bausparverträgen zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Bausparverträgen auf die Klausel zu berufen. Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Doch die Beklagte verfolgte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat entschieden, dass die angefochtene Klausel der sogenannten Inhaltskontrolle nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier § 307 BGB) unterliegt und dieser nicht standhält. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Der BGH: Die Entgeltklausel ist Gegenstand der Inhaltskontrolle (nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB), weil sie eine Preisnebenabrede darstellt. Das in der Ansparphase eines Bausparvertrags erhobene Jahresentgelt ist weder Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten und damit keine kontrollfreie Preishauptabrede. Die von der Bausparkasse in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung besteht einerseits in der Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie andererseits darin, dem Bausparer nach der Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse zu verschaffen. Mit dem Jahresentgelt werden demgegenüber Verwaltungstätigkeiten der Beklagten in der Ansparphase bepreist, die sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben lassen. Hierbei handelt es sich lediglich um notwendige Vorleistungen, nicht aber um eine von der Beklagten in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung. Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die streitige Klausel nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung des Jahresentgelts in der Ansparphase eines Bausparvertrags mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn mit dem Jahresentgelt werden Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, die die Bausparkasse aufgrund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung erbringen muss.

Die Abweichung der Entgeltklausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist auch bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung nicht durch bausparspezifische Individualvorteile der einzelnen Bausparer sachlich gerechtfertigt. Bausparer müssen in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden. Außerdem können Bausparkassen bei Abschluss des Bausparvertrags von den Bausparern eine Abschlussgebühr verlangen. Mit dem Jahresentgelt wird auch kein Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens geleistet, der geeignet wäre, die mit seiner Erhebung für den einzelnen Bausparer verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.11.2022, XI ZR 551/21, PM 165/2022 vom 15.11.2022

BGH-Entscheidung: Gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Beruft sich der Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten, muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kraftfahrzeugbrief) nicht hat vorlegen lassen.

Das war geschehen

Die Klägerin, eine Gesellschaft italienischen Rechts, die Fahrzeuge in Italien vertreibt, kaufte im März 2019 unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. Eigentümerin des Fahrzeugs war die Beklagte, die es an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Nach Zahlung des Kaufpreises von über 30.000 Euro holte der Vermittler Anfang April 2019 das Auto bei dem Autohaus ab und verbrachte es zu der Klägerin nach Italien. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Als die Klägerin ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus kaufen wollte, war es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen eingeleitet.

Die Entscheidung des BGH

Die Klägerin kann von der Beklagten die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist. Ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war zwar die Beklagte. Zwischen der Klägerin und dem Autohaus hat aber eine Einigung und Übergabe im Sinne stattgefunden. Weil das Fahrzeug dem Autohaus als Veräußerer nicht gehörte, konnte die Klägerin das Eigentum durch diesen Vorgang allerdings nur gutgläubig erwerben. Dass die Klägerin nicht in gutem Glauben war, muss die Beklagte beweisen. Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet. Derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Voraussetzungen eines solchen Erwerbs beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.

Mindesterfordernisse für gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kfz

Diese Beweislastverteilung gilt auch, wenn die fehlende Gutgläubigkeit des Erwerbers wie hier darauf gestützt wird, bei dem Erwerb des Fahrzeugs habe die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegen. Zwar gehört es nach ständiger Rechtsprechung des BGH regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Wird dem Erwerber eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten.

Bisheriger Eigentümer muss Fehlen des guten Glaubens beweisen

Diese Rechtsprechung ist aber nicht so zu verstehen, dass die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II von demjenigen zu beweisen wäre, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft. Denn für die von dem Erwerber zu beweisenden Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs spielt die Vorlage der Bescheinigung keine Rolle. Sie hat rechtliche Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem guten Glauben des Erwerbers; dessen Fehlen muss der gesetzlichen Regelung zufolge der bisherige Eigentümer beweisen.

Erwerber muss aber darlegen, dass er die Papiere überprüft hat

Allerdings trifft den Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, regelmäßig eine sog. sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II. Er muss also seinerseits vortragen, wann, wo und durch wen ihm die Bescheinigung vorgelegt worden ist und dass er sie überprüft hat. Dann muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht zutreffen.

Quelle: BGH, Urteil vom 23.9.2022, V ZR 148/21, PM 138/2022

Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Offenlegung der Jahresabschlüsse 2021: Kein Ordnungsgeldverfahren vor 11.4.2023

Die Offenlegungsfrist für den Jahresabschluss für 2021 endet bereits am 31.12.2022. Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat nun aber mitgeteilt, dass es vor dem 11.4.2023 kein Ordnungsgeldverfahren einleiten wird. Damit sollen angesichts der anhaltenden Nachwirkungen der Corona-Pandemie die Belange der Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.

Unternehmensregister wird Bundesanzeiger ablösen

Offenlegungspflichtige Gesellschaften (insbesondere AG, GmbH und GmbH & Co. KG) müssen ihre Jahresabschlüsse spätestens zwölf Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs beim Bundesanzeiger elektronisch einreichen. Jahresabschlüsse sowie weitere Rechnungslegungsunterlagen und Unternehmensberichte sind letztmals für das vor dem 1.1.2022 beginnende Geschäftsjahr beim Bundesanzeiger einzureichen. Nachfolgende Geschäftsjahre sind zur Offenlegung an das Unternehmensregister zu übermitteln. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter www.publikations-plattform.de.

Ordnungsgeld droht

Bei nicht rechtzeitiger oder nicht vollständiger Offenlegung leitet das BfJ ein Ordnungsgeldverfahren ein. Das Unternehmen wird aufgefordert, innerhalb einer sechswöchigen Nachfrist den Offenlegungspflichten nachzukommen. Gleichzeitig wird ein Ordnungsgeld angedroht.

Beachten Sie: Kleinstkapitalgesellschaften müssen nur ihre Bilanz einreichen (keinen Anhang und keine Gewinn- und Verlustrechnung). Zudem haben sie ein Wahlrecht: Offenlegung oder dauerhafte Hinterlegung. Hinterlegte Bilanzen sind nicht unmittelbar zugänglich; auf Antrag werden sie kostenpflichtig an Dritte übermittelt.

Quelle: Mitteilung des BfJ

Corona-Pandemie: Kein Schadenersatz wegen Absage einer Messe

Einer Ausstellerin stehen keine Schadenersatzansprüche wegen der im Februar 2020 erfolgten Verschiebung einer für den 8.3. bis 13.3.2020 geplanten Messe auf den Herbst 2020 sowie der vollständigen Absage dieser Messe am 5.5.2020 zu. Beide Entscheidungen waren im Hinblick auf das sich rasant und nicht prognostizierbar entwickelnde Pandemiegeschehen, der Verantwortung für die Gesundheit der Messeteilnehmer und der erheblichen wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Das war geschehen

Die Klägerin hatte mit der beklagten Messeveranstalterin einen Vertrag über die Teilnahme an der vom 8.3. bis 13.3.2020 geplanten Messe „Light + Building 2020“ geschlossen. Am 24.2.2020 hatte die Beklagte die Messe im Hinblick auf die Verbreitung des Corona-Virus zunächst auf September 2020 verschoben und letztlich am 5.5.2020 ganz abgesagt. Die bereits entrichteten Standgebühren zahlte sie der Klägerin zurück. Diese begehrt nun u.a. Schadenersatz in Höhe von knapp 75.000 Euro und verweist auf bereits vorgenommene Hotelreservierungen, PR-Maßnahmen, Miete des Messestands und statische Berechnungen. Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Klägerin stehe kein Schadenersatzanspruch zu, bestätigte das OLG.

Festhalten am Vertrag nicht zumutbar

Zu der zunächst vorgenommenen Verschiebung der Messe sei die Beklagte berechtigt gewesen. Ihr sei das Festhalten am ursprünglichen Vertrag nicht zumutbar gewesen. Bis zum 24.2.2020 hätten sich die Umstände, die Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden waren, so schwerwiegend geändert, dass die Parteien bei Kenntnis dieser veränderten Umstände den Vertrag nicht mehr mit dem alten Inhalt geschlossen hätten. Die „dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens mit dem Corona-Virus vom Jahreswechsel 2019/2020 bis zu ihrer Entscheidung am 24.2.2022, die dadurch bedingten erheblichen Unsicherheiten für die Durchführbarkeit der Veranstaltung und die Verantwortung für Gesundheit und das Leben aller an der Messe teilnehmenden (…) Personen“ hätten die Beklagte zur Verschiebung um ca. sechs Monate berechtigt. Die Entwicklung des Infektionsgeschehens sei rasant und sich stetig verschärfend verlaufen.

Behördliches Verbot wäre wahrscheinlich gewesen

Unerheblich sei, dass am 24.2.2020 kein behördlich angeordnetes Verbot der Veranstaltung bestanden habe. Es habe vielmehr ausgereicht, dass ein behördliches Veranstaltungsverbot bei einer ex ante-Prognose hinreichend wahrscheinlich gewesen sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Angesichts der Erklärung des Infektionsgeschehens zu einer Pandemie durch die WHO am 11.3.2020, des am 12.3.2020 erfolgten Verbots von Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen (wie hier) und des am 14.3.2020 verhängten vollständigen Verbots von Veranstaltungen wäre es allein vom Zufall abhängig gewesen, ob die Messe gerade noch hätte stattfinden können oder nicht. Die Beklagte habe auch in besonderer Weise die Gesundheit der Messeteilnehmer und die Verhinderung der Infektion einer unübersehbaren Zahl an Personen berücksichtigen dürfen.

Keine Ausnahmegenehmigung möglich

Die endgültige Absage der Messe am 5.5.2020 sei ebenfalls rechtmäßig erfolgt. Nach der damals gültigen Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung hätte die Messe nur mit einer Ausnahmegenehmigung durchgeführt werden können. Diese wäre wohl nicht zu erlangen gewesen. Jedenfalls habe die Lage am 5.5.2020 wegen Störung der Geschäftsgrundlage die Beklagte zu der völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses berechtigt. Am 5.5.2020 sei die Durchführung von Messen bis zum 31.8.2020 verboten gewesen.

Keine Prognose zu Ausweichtermin möglich, Absage war rechtmäßig

„Die Prognose, ob die Durchführung der Messe zu dem geplanten Ausweichtermin möglich sein würde und wenn ja in welchem Umfang, (war) für die Beklagte angesichts der sich ständig überschlagenden und beinahe täglich erfolgenden Neueinschätzungen durch die verantwortlichen Politiker, das RKI und die Wissenschaft kaum zu treffen“, begründete das OLG weiter. Angesichts der wirtschaftlichen Interessen einer Vielzahl von Ausstellern und des Umstands, dass die drohenden Schäden mit der Kurzfristigkeit einer Absage immer größer würden, habe die Beklagte die alle zwei Jahre stattfindende Messe absagen dürfen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7.9.2022, 4 U 331/21, PM 73/22