IHK Düsseldorf: Mitgliedsbeiträge weiter rechtswidrig

Beitragsbescheide der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf für die Jahre 2014 und 2015 sind wegen fehlerhafter Rücklagenbildung in der Wirtschaftsplanung rechtswidrig. Die rückwirkende Änderung der Wirtschaftssatzungen durch die Vollversammlung der IHK führt nicht zu einer Heilung des Fehlers. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und damit den Klagen zweier gesetzlicher Mitglieder der IHK stattgegeben.

Durch rechtskräftige Urteile vom 10.9.2018 hatte das Gericht Beitragsbescheide der IHK Düsseldorf für die Jahre 2014 und 2015 aufgehoben. Die gerichtliche Kontrolle der Wirtschaftspläne dieser Jahre hatte ergeben, dass die IHK dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit in diesen Haushaltsjahren nicht hinreichend Rechnung getragen hatte.

Daraufhin beschloss die Vollversammlung der IHK im November 2018 eine rückwirkende Änderung der Wirtschaftssatzungen für 2014 und 2015. Gegen die in der Folge erlassenen berichtigten Beitragsbescheide für jene Jahre erhoben zwei Mitglieder der IHK die vorliegenden Klagen, die Erfolg hatten.

Nach Auffassung des Gerichts gibt es für die von der IHK vorgenommene rückwirkende Heilung der fehlerhaften Wirtschaftsplanung keinen rechtlichen Ansatz. Unzulässig ist insbesondere, die Beitragserhebung nachträglich von der ursprünglichen Wirtschaftsplanung zu entkoppeln, wie es hier geschehen ist.

Gegen die Urteile ist die Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster möglich. Diese hat das VG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Quelle: VG Düsseldorf, Urteile vom 3.11.2021, 20 K 551/19 und 20 K 559/19, PM vom 3.11.2021

Umsatzsteuer: Pauschalangebot einer Fremdenpension: Regelsteuersatz für Frühstücksleistungen

Nach Meinung des Finanzgerichts (FG) Hessen (Revision anhängig) gehören Frühstücksleistungen zu den Leistungen, die „nicht unmittelbar der Vermietung dienen“, sodass der ermäßigte Steuersatz (7 %) nicht in Betracht kommt. Dies soll auch dann gelten, wenn für Übernachtung und Frühstück ein Pauschalpreis vereinbart wurde und die Gäste keine Möglichkeit haben, auf das Frühstück (unter Verringerung des Entgelts) zu verzichten. Das FG hält den Ausschluss von Frühstücksleistungen von der Steuerermäßigung für Beherbergungsleistungen für EU-konform.

Die Frage der Vereinbarkeit des Aufteilungsgebots mit EU-Recht ist jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umstritten. Hiernach könnte der Mehrwertsteuersatz der Hauptleistung der Vermietung auch für die Nebenleistung Frühstück gelten, zumindest dann, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt.

Neben weiteren anhängigen Verfahren hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun auch bei der vorliegenden Konstellation Frühstückspension mit Pauschalangebot Gelegenheit, die Frage der Anwendbarkeit des Aufteilungsgebots zu klären. (FG Hessen, Urteil vom 16.9.2020, 1 K 772/19, Rev. BFH XI R 7/21)

Kein steuerfreier Sanierungsgewinn: Erlass der Forderung aus eigennützigem Interesse

Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg liegt kein steuerfreier Sanierungsgewinn im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG, § 3a) vor, wenn es dem Gläubiger an der erforderlichen Sanierungsabsicht fehlt.

Hintergrund: Verzichten Gläubiger auf Forderungen gegenüber einem sanierungsbedürftigen Unternehmen, ist dieser Betrag erfolgswirksam auszubuchen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Sanierungsgewinne aber nach § 3a EStG steuerfrei bleiben.

Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses u. a. die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist. Im Streitfall gelangte das Finanzgericht aber zu der Überzeugung, dass eine Sanierungsabsicht nicht einmal mitentscheidend für den Forderungserlass war. Dem Gläubiger ging es allein um eigennützige Motive, nämlich um die Abwicklung des eigenen Engagements und um die Erzielung eines bestmöglichen Ergebnisses hieraus.

Beachten Sie: Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesfinanzhof zurückgewiesen. (FG Hamburg, Urteil vom 12.6.2020, 5 K 160/17)

Anteilsübertragung: Schenkung von GmbH-Anteilen an leitende Angestellte im Rahmen einer Nachfolgeregelung

Werden leitenden Angestellten, die Arbeitnehmer einer GmbH sind, unentgeltlich Anteile an der GmbH übertragen, ist zu entscheiden, ob die Anteile als Arbeitslohn zu versteuern sind oder ob es sich bei der Übertragung vielmehr um einen der Schenkungsteuer unterliegenden Vorgang handelt. In einem solchen Fall tendiert das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt wohl dazu, dass eine Schenkung und kein Arbeitslohn vorliegt.

Im Streitfall war die unentgeltliche Übertragung der GmbH-Anteile durch strategische Erwägungen zur Unternehmensfortführung veranlasst. Das FG hat es in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für ernstlich zweifelhaft erachtet, dass die Übertragung der Anteile bei den leitenden Angestellten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt,

  • wenn der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag weder einen Grund für die Übertragung angibt noch eine Gegenleistung verlangt, noch regelt, dass die Übertragung der Anteile etwa für in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu erwartende Dienste für die Gesellschaft erfolgen soll,
  • auch keine „Haltefrist“ dergestalt vereinbart wird, dass eine Veräußerung erst nach einer bestimmten Frist der Weiterbeschäftigung bei der GmbH erfolgen darf und
  • die Übertragung vielmehr „vorbehalts- und bedingungslos“ erfolgen soll.

Letztlich führt der Vorgang nach Auffassung des FG zu einer Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern soll. Für das Gericht stehen hier strategische Überlegungen im Vordergrund der gesellschaftsrechtlich motivierten Schenkung liege eine Sonderrechtsbeziehung zugrunde, die auch selbstständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen kann und somit nicht zu Arbeitslohn führt. (FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.6.2021, 3 V 276/21)

BFH-Urteil: „Stimmen-Patt“ verhindert (ungewollte) Betriebsaufspaltung

Eine Betriebsaufspaltung liegt nicht vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter in der Betriebskapitalgesellschaft nur über exakt 50 Prozent der Stimmen verfügt. Dabei sind dem Gesellschafter die Stimmen seines ebenfalls beteiligten minderjährigen Kindes jedenfalls dann nicht zuzurechnen, wenn in Bezug auf dessen Gesellschafterstellung eine Ergänzungspflegschaft besteht. So sieht es der Bundesfinanzhof (BFH).

Der BFH: Die Stimmrechte seien dann nicht mehr Teil der Vermögenssorge der Mutter.

Sachverhalt

Im Streitfall waren die Klägerin und ihre beiden Kinder mit dem Tod des Ehemanns und Vaters Gesellschafter der Betriebs-GmbH geworden. Dieser GmbH hatte die Klägerin bereits seit Jahren ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nachdem die Klägerin in einer Gesellschafterversammlung, in der eine Ergänzungspflegerin ihren minderjährigen Sohn vertrat, zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war, sah das Finanzamt (FA) die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als gegeben an. Es meinte, die Klägerin könne die GmbH, obwohl sie nur 50 Prozent der Stimmen innehabe, aufgrund ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen, so dass neben der sachlichen auch die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung vorliege. Die Klägerin erziele daher aus der Grundstücksverpachtung gewerbliche Einkünfte.

Keine Beherrschung bei „Patt-Situation“

Das Finanzgericht (FG) sah das anders und gab der Klage statt. Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Der BFH verneinte ebenfalls das Vorliegen einer personellen Verflechtung. Die Anteile ihres minderjährigen Kindes seien der Klägerin nicht zuzurechnen, da für dieses eine Ergänzungspflegschaft bestehe, die auch dessen Gesellschafterrechte umfasse. In einem solchen Fall lägen keine gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessen vor. Die Beteiligung der Klägerin von exakt 50 Prozent der Stimmen reiche aufgrund der „Patt-Situation“ für eine Beherrschung nicht aus. (BFH, Urteil vom 14.4.2021, X R 5/19)

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Mahnspesen nur in Höhe der Sachkosten erstattungsfähig

Ein Anspruch auf Mahngebühren für per E-Mail versandte Mahnungen besteht grundsätzlich nicht. Dies gilt auch bei einem pauschalierten Mahnspesenersatzanspruch in den AGB des Gläubigers. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Stuttgart entschieden.

Das AG bezieht sich auf die Rechtsprechung des BGH: Ersatzfähig und durch AGB pauschalierbar ist danach grundsätzlich nur derjenige Verzugsschaden, der nicht im grundsätzlich nicht zu erstattenden Zeit- und Arbeitsaufwand des Geschädigten liegt. (AG Stuttgart, Urteil vom 22.6.21, 3 C 22/21)

Steuerpflicht: Rendering-Leistungen einer Architekten-GbR gewerbesteuerpflichtig?

Eine Architekten-GbR, die ausschließlich Rendering-Leistungen anbietet, ist freiberuflich und nicht gewerblich tätig. Das hat das Finanzgericht (FG) Köln nun rechtskräftig festgestellt.

Zwei Architekten boten in einer GbR ausschließlich Visualisierungs-Dienstleistungen für fremde Architektenentwürfe an (sog. Rendering). Das Finanzamt (FA) unterwarf die Einkünfte aus diesen Leistungen der Gewerbesteuer. Denn bei der Visualisierung fremder Architektenentwürfe stehe die Anwendung technischer Fertigkeiten und die Beherrschung der entsprechenden Grafik-Software im Vordergrund. Die Anbieter hätten einen so begrenzten eigenen Gestaltungsspielraum, dass die Tätigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht mehr dem Berufsbild eines Architekten entspreche und daher als gewerblich anzusehen sei.

Dagegen klagten die beiden Architekten mit Erfolg. Das FG Köln stellte nämlich fest: Die GbR führte typische Architektentätigkeiten im Bereich der gestalterischen Planung aus. Das Visualisieren/Rendern von Architekturprojekten gehöre zur typischen Architektentätigkeit. Rendering sei inzwischen ein unerlässlicher Teil des Architekturstudiums. Die Spezialisierung auf einen für die Architektur typischen Teilbereich sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit unschädlich.

Die komplexen Aufgabenstellungen bei der Planung und Errichtung von Bauwerken erforderten unterschiedliche Spezialisierungen. Die Anbieter des Renderings würden in einem Planungsstadium tätig, in dem nur ein grober Entwurf des Bauprojekts vorliege und viele Ausstattungsdetails noch fehlten. Daher seien sie auch ausreichend gestalterisch beteiligt und „hauchten“ dem Objekt durch ihre Tätigkeit erst „Leben“ ein. (FG Köln, Urteil vom 21.4.2021, 9 K 2291/17)

Wettbewerbsrecht: Ist die gesonderte Ausweisung von Flaschenpfand zulässig?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen dazu vorgelegt, ob bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern der Pfandbetrag gesondert ausgewiesen werden darf oder ein Gesamtpreis einschließlich des Pfandbetrags angegeben werden muss.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verein, der satzungsgemäß das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einem Faltblatt bewarb sie unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Der Pfandbetrag war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern mit dem Zusatz „zzgl. … Euro Pfand“ ausgewiesen. Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

So entschieden die Vorinstanzen

Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) zu. Unabhängig davon, ob ein Pfandbetrag in den Gesamtpreis einzurechnen sei, könne der Klage aus rechtsstaatlichen Gründen nicht stattgegeben werden, weil eine Ausnahmevorschrift der PAngV eine Regelung enthalte, nach der aus dem Preis für die Ware und dem Pfand kein Gesamtbetrag zu bilden sei. Diese Vorschrift sei zwar europarechtswidrig und deshalb nicht mehr anwendbar, bleibe aber geltendes Recht. Es sei daher mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte, die sich an diese Vorschrift gehalten habe, zu verurteilen.

Bundesgerichtshof: Verfahren ausgesetzt und Vorlagefragen formuliert

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie 98/6EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse und der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vorgelegt. Nach Ansicht des BGH stellt sich die Frage, ob der Begriff des Verkaufspreises im Sinne der erstgenannten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zahlen muss.

Abweichung von EG-Richtlinie möglich?

Falls der Verkaufspreis im Sinne dieser Richtlinie den Pfandbetrag enthalten muss, möchte der BGH mit der zweiten Vorlagefrage wissen, ob die Mitgliedsstaaten nach dieser Richtlinie berechtigt sind, eine hiervon abweichende Regelung wie die in der Preisangabenverordnung beizubehalten. Ist also für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden? Oder steht dies dem der Ansatz der Vollharmonisierung der zweitgenannten Richtlinie entgegensteht? (BGH, Beschluss vom 29.7.2021, I ZR 135/20, PM 148/2021)

Versicherungsbedingungen: Betriebsschließungsversicherung: Corona-Pandemie von Leistungsumfang abgedeckt?

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat jetzt entschieden: Eine in Bedingungen von sog. Betriebsschließungsversicherungen enthaltene Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern zur Bestimmung des Versicherungsumfangs kann abschließend sein. Folge: Der Versicherer beruft sich mit Recht auf eine fehlende Einstandspflicht bei behördlich angeordneten Schließungen von Betrieben zur Verhinderung des Coronavirus SARS-CoV-2, wenn COVID-19/SARS-CoV-2 in der Auflistung nicht enthalten ist.

Was war geschehen?

Die Kläger hatten Versicherungsleistungen aus einer sog. Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit im März 2020 auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) behördlich angeordneten Schließungen ihrer Betriebe geltend gemacht. Die Versicherungsbedingungen sahen eine Entschädigungspflicht bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen infolge Auftretens meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger vor und enthielten eine entsprechende Auflistung. Die Kläger hatten sich darauf berufen, dass diese Aufzählung nicht abschließend sei und sie darüber hinaus unklar und damit unwirksam sei. Das sahen die Gerichte erster Instanz anders.

Das sagt das Oberlandesgericht

Deren Auffassung hat das OLG bestätigt. Begründung: Das Leistungsversprechen des Versicherers erstrecke sich ausschließlich auf die in den Versicherungsbedingungen genannten Krankheiten bzw. Krankheitserreger. Dies ergebe die Auslegung der entsprechenden Klausel aus der maßgeblichen Sicht des verständigen Versicherungsnehmers, bei der es sich um eine erkennbar abschließende Aufzählung handele.

Die Klauseln seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) auch wirksam. Zum einen liege kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Zum anderen werde der Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen benachteiligt. Der „durchschnittliche Versicherungsnehmer“ müsse wissen, dass es aufgrund der vielen in diesem Zusammenhang möglichen Versicherungsfälle zur Vermeidung eines ausufernden Haftungsrisikos für den Versicherer geboten ist, den Deckungsumfang inhaltlich zu definieren und eine Prämienkalkulation vorzunehmen.

Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) hat das OLG zugelassen. (OLG Köln, Urteile vom 7.9.2021, 9 U 14/21 und 9 U 18/21, PM vom 14.9.2021)

Erstes Cum-Ex-Strafverfahren: Bundesgerichtshof bestätigt Vorinstanz

Das Landgericht (LG) hatte den Angeklagten im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2007 bis 2011 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten hat es wegen mehrerer Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr verhängt. Zudem hat es bei dem Angeklagten Taterträge in Höhe von 14 Millionen Euro sowie bei einem Bankhaus in Höhe von ca. 176 Millionen Euro eingezogen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen verworfen und nur den Schuldspruch in Bezug auf den Mitangeklagten im Detail geändert. Fazit: Die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte erfüllt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung.

Die Feststellungen des Landgerichts

Der Angeklagte und Verantwortliche des Bankhauses verabredeten in den Jahren 2007 bis 2011, deutsche Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen zur Erstattung angeblich gezahlter Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu veranlassen, die tatsächlich aber nicht entrichtet wurde. Hierfür plante und organisierte der Angeklagte zahlreiche vom Bankhaus durchgeführte Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte, die wie folgt abliefen: Das Bankhaus kaufte in der Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. „Cum-Aktien“); die Leerverkäufer lieferten wie von vornherein geplant und auch gewollt Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. „Ex-Aktien“) und leisteten zur Kompensation an das Bankhaus je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist. Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder aufseiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte das Bankhaus sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es fälschlicherweise den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten vor allem die o. g. Verantwortlichen des Bankhauses, dass an die Einziehungsbeteiligte zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere 10 Millionen Euro.

In den Jahren 2009 bis 2011 war der Angeklagte noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt, in denen die umgesetzte Strategie dem Vorgehen in den Eigenhandelsfällen des Bankhauses entsprach, jedoch eigens für diesen Zweck gegründete Fonds die Rolle des Leerkäufers übernahmen. Nach Vorlage inhaltlich falscher Steuerbescheinigungen, die den angeblichen Steuereinbehalt für die durchgeführten Cum-Ex-Transaktionen bestätigten, zahlten die Finanzbehörden an die Fonds zu Unrecht über 226 Millionen Euro aus.

Der Angeklagte profitierte von den Geschäften insgesamt in Höhe von 14 Millionen Euro. Hingegen war der Mitangeklagte an den Profiten nicht beteiligt; ihm kamen auch nur unterstützende Aufgaben zu.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH spricht Klartext: An einer vorsätzlichen Begehung konnte wie das LG ohne Rechtsfehler ausgeführt hat kein Zweifel bestehen, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vor, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des LG verstoßen haben. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf. Zudem betrifft die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum wirtschaftlichen Eigentum solche Konstellationen nicht, weil der bloße Abschluss derartiger Leerverkaufsabreden kein wirtschaftliches Eigentum begründen konnte.

Revisionen erfolglos

Die Revisionen des Angeklagten und des Bankhauses gegen die sie betreffenden Einziehungsentscheidungen blieben ohne Erfolg. Das LG hat auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der jeweiligen Einziehung zu Recht bejaht und anhand der erzielten Taterträge und der hieraus gezogenen Nutzungen die Höhe der Einziehungsbeträge zutreffend bestimmt. Die Einziehung war auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Ebenso wenig drang die Staatsanwaltschaft mit ihren Beanstandungen durch. Die getroffene Anordnung wies, so der BGH, keinen Rechtsfehler auf.

Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig. (BGH, Urteil vom 28.7.2021, 1 StR 519/20, PM 146/21 vom 28.7.2021)