Reisepreisminderung: Reisender muss sich über typische Witterungsbedingungen am Zielort selbst informieren

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat klargestellt: Ein Reisender muss sich selbst über allgemein zugängliche Quellen über die klimatischen Bedingungen des Reiseziels informieren. Den Reiseveranstalter trifft keine Aufklärungspflicht, da kein sogenanntes Wissensgefälle vorliegt.

Das war geschehen

Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und ihren Partner eine exklusive Ecuador-Privatrundreise für Mitte bis Ende Dezember 2021 für rund 18.000 Euro. Wegen zahlreicher behaupteter Mängel u.a. witterungsbedingter Beeinträchtigungen, eines ausgefallenen Ausflugs und Lärmbelästigungen verlangt sie nun Minderung des Reisepreises in Höhe von gut 6.000 Euro von der Beklagten. Das Landgericht (LG) hatte der Klage in Höhe von gut 800 Euro u.a. wegen eines ausgefallenen Ausflugs und der erlittenen Lärmbelästigungen stattgegeben und Ansprüche wegen witterungsbedingter Beeinträchtigungen abgewiesen.

So entschieden die Instanzen

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das LG hatte zu Recht Ansprüche wegen witterungsbedingter Sichtbeeinträchtigungen auf ihrer Ecuadorreise verneint, betonte das OLG. Der Veranstalter einer Reise hafte grundsätzlich nicht für „die im Zielgebiet herrschenden Wetterverhältnisse und klimatischen Gegebenheiten“.

Übliche Witterung im Dezember

Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vor Abschluss des Reisevertrags über die im Reisemonat Dezember in Ecuador üblicherweise zu erwartenden Witterungsbeeinträchtigungen aufzuklären und auf Regenzeiten hinzuweisen. Eine gesteigerte Informationspflicht eines Reiseveranstalters bestehe nur hinsichtlich der Umstände, bei denen der Reisende über ein Informationsdefizit verfügt. Vorliegend habe sich die Klägerin indes ohne Weiteres über das Internet über die klimatischen Besonderheiten am Urlaubsort informieren können. Das Internet biete dem Reisenden umfangreiche, aktuelle und unentgeltliche Informationen unabhängig vom typischerweise erst nach der Entscheidung für ein Zielgebiet erfolgten Erwerb eines Reiseführers. Bereits bei einer einfachen Recherche im Internet sei ersichtlich, dass der Monat Dezember sowohl im Andenhochland als auch im Amazonasgebiet als regenreich gelte und damit Sichtbeeinträchtigungen aufgrund von Regen und Nebel allgemein zu erwarten gewesen seien. Hier habe sich damit ein allgemeines Umwelt- bzw. Umfeldrisiko verwirklicht.

Auch hoher Preis rechtfertigt keine besondere Beratungspflicht

Der Umstand, dass es sich um eine recht hochpreisige Reise gehandelt habe, führe nicht zu einer besonderen Beratungspflicht. Maßgeblich für den Reisepreis sei vielmehr die Ausgestaltung als exklusive Privatreise mit Gabelflug gewesen.

Soweit den Reiseveranstalter eine Hinweispflicht treffen könne, wenn sich für die Reisezeit eine atypische, unvorhergesehene Wetterlage abzeichne, mache die Klägerin diese Voraussetzungen hier nicht geltend.

Die Reisebeschreibung enthalte schließlich auch keinerlei Aussagen zur Umgebung, Landschaft oder Tierwelt, die die Klägerin witterungsbedingt nicht wahrzunehmen vermocht habe.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 13.6.2023 sowie Beschluss vom 28.8.2023, 16 U 54/23, PM 55/23

Grundsicherung: Sozialwohnung: Jobcenter muss Mietkosten anerkennen

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat entschieden: Bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Mietkosten von den Jobcentern zu übernehmen sind, muss ein Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen erfolgen. Mietpreise, die für nach dem Recht des sozialen Wohnungsbaus geförderte Wohnungen gezahlt werden, könnten nicht als unangemessen angesehen werden.

Damit hat es der gegen das zuständige Berliner Jobcenter gerichteten Klage einer Empfängerin von Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“, jetzt Bürgergeld) insoweit stattgegeben.

Das war geschehen

Es ging um Zeiträume in den Jahren 2015/2016. Die allein lebende Frau verlangte die Übernahme der vollen Kosten für Miete und Heizung in Höhe von damals rund 640 Euro für ihre 90 m² große Dreizimmerwohnung. Die Suche nach einer günstigeren Wohnung im angespannten Berliner Wohnungsmarkt sei aussichtslos gewesen.

Das Jobcenter hatte insgesamt nur rund 480 Euro für angemessenen gehalten. Dabei bezog es sich auf die Ausführungsvorschriften der zuständigen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, die die Grenze der Angemessenheit aus den durchschnittlichen Mietkosten ableitet, wie sie der Mietspiegel für Berlin für einfache Wohnlagen ausweist.

Jobcenter in die Schranken gewiesen

Das LSG hält dieses Vorgehen für unzulässig. Die so berücksichtigten Wohnungen erfassten nur den durchschnittlichen Fall der Angemessenheit, nicht aber deren „obere Grenze“. Zwar könnten Empfänger von Leistungen der Jobcenter auf solche Wohnungen verwiesen werden, die lediglich einfache Bedürfnisse für eine sichere Unterkunft befriedigen. Wohnungen zum noch als angemessen angesehenen Mietpreis müssten jedoch auch tatsächlich für Leistungsberechtigte zur Verfügung stehen.

Berliner Wohnungsmangel

Dies sei hier nicht der Fall und ergebe sich auch aus einer statistischen Auswertung des Wohnraumbedarfsberichts der Senatsverwaltung aus dem Jahr 2019. Demnach habe es in Berlin 76.000 Haushalte (darunter 33.000 Einpersonenhaushalte) gegeben, die Leistungen der Grundsicherung bezogen hätten, deren Mietkosten jedoch über den von den Jobcentern herangezogenen Grenzwerten gelegen hätten. Zugleich weise der genannte Bericht eine massive Angebotslücke von 345.000 Wohnungen allein im Bereich der Wohnungen für Einpersonenhaushalte aus.

Auch Sozialwohnungen unangemessen teuer

In einer solchen Situation könne das Gericht keinen Grenzwert bestimmen. Im vorliegenden Fall lasse sich bei einem Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen, die gerade für Grundsicherungsempfänger als angemessener Wohnraum bereitgestellt werden sollen, feststellen, dass die Wohnung der Frau noch angemessen gewesen sei. Die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ggf. als Höchstgrenze heranzuziehenden Werte (110 Prozent der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz) seien für Berliner Verhältnisse ungeeignet, weil danach selbst viele Sozialwohnungen als unangemessen teuer angesehen werden müssten.

Quelle: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.3.2023, L 32 AS 1888/17, PM vom 4.4.2023

Unfallkasse: Elternbeirat bei Sägearbeiten für Weihnachtsbasar unfallversichert

Ein ehrenamtliches Mitglied des Elternbeirats einer kommunalen Kindertagesstätte ist beim Zuschneiden von Baumscheiben für den Weihnachtsbasar der Einrichtung unfallversichert, auch wenn die Sägearbeiten auf seinem Privatgrundstück stattfinden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Bei Elternarbeit im eigenen Privatgarten verletzt

Der Kläger war Mitglied des Elternbeirats einer kommunalen Kindertagesstätte. Im Jahr 2017 sollte der Kläger für den jährlichen Weihnachtsmarkt der Kindertagesstätte Baumscheiben zurechtschneiden, um diese auf dem Basar des Weihnachtsmarktes zu verkaufen. Dabei schnitt der Kläger auf seinem Privatgrundstück die Baumscheiben zu. Seine linke Hand geriet in die Kreissäge, woraufhin er Mittel- und Ringfinger verlor.

Bundessozialgericht: Arbeitsunfall

Anders als die beklagte Unfallkasse und die Vorinstanzen hat das BSG das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger war im Unfallzeitpunkt als Mitglied des Elternbeirats innerhalb der gesetzlichen Aufgabenkreise der Gemeinde als Trägerin der Kindertagesstätte und des Elternbeirats ehrenamtlich tätig. Kindertagesstätte und Elternbeirat hatten ihm zudem die unfallbringenden Sägearbeiten konkret übertragen.

Fehlende Einwirkungsmöglichkeiten auf dem Privatgrundstück des Klägers sind insoweit ohne Belang. Der Versicherungsschutz erstreckt sich ohne zeitliche oder räumliche Begrenzung auf ehrenamtliche Tätigkeiten „für“ die Einrichtung.

Quelle: BSG, Urteil vom 5.12.2023, B 2 U 10/21 R, PM 40/23

Immobilienkauf: Begriff „Wohnung“ beinhaltet keine Beschaffenheitsgarantie für die baurechtliche Unbedenklichkeit

Allein die Bezeichnung des Kaufgegenstands als „Wohnung“ beinhaltet nicht die Beschaffenheitsgarantie des Verkäufers für die baurechtliche Unbedenklichkeit des Kaufgegenstands. Vereinbaren die Parteien einen Haftungsausschluss, kann damit nicht die Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen einer fehlenden Baugenehmigung begehrt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wies mit seiner Entscheidung die Berufung der Käuferin gegen ein ihre Ansprüche zurückweisendes Urteil des Landgerichts (LG) zurück.

Rücktritt wegen fehlender Baugenehmigung?

Die Klägerin kaufte von der Beklagten für 330.000 Euro eine Wohnung. Laut Kaufvertrag erwarb sie u.a. das Sondereigentum „an der Wohnung (es folgte die Adresse)“. Der Kauf erfolgte wie besichtigt. Die Parteien schlossen jegliche Sachmängelhaftung aus. Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass keine Baugenehmigung vorliegt, hat sie u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums verlangt.

Freiwilliger Verzicht auf Gewährleistungsrechte

Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin könne den Kaufpreis unabhängig vom Sachmangel der fehlenden Baugenehmigung nicht zurückverlangen, da die Parteien zulässig einen Haftungsausschluss vereinbart hätten, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Die Klägerin habe damit freiwillig auf ihre Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die gekaufte Wohnung verzichtet.

Der Haftungsausschluss greife hier auch wirksam ein. Insbesondere liege kein einem solchen Ausschluss entgegenstehendes arglistiges Verhalten des Beklagten vor. Der Beklagte habe vorgetragen, selbst 14 Jahre in der Wohnung gewohnt und von der fehlenden Baugenehmigung keine Kenntnis gehabt zu haben. Gegenteiliges habe die Klägerin nicht beweisen können. Ihm könne mangels eigener Beteiligung am Bau/Umbau auch nicht vorgeworfen werden, dass sich ihm die fehlende Baugenehmigung hätte aufdrängen müssen.

Keine Beschaffenheitsgarantie

Dem Haftungsausschluss stehe auch keine Beschaffenheitsgarantie des Beklagten entgegen. Der Beklagte habe keine vorbehaltlose, verschuldensunabhängige und intensivierte Einstandsflicht für die baurechtliche Unbedenklichkeit der Wohnung übernehmen wollen. Insbesondere könne „in der Bezeichnung „Wohnung“ im Kaufvertrag (…) nach den (…) anzulegenden strengen Maßstäben keine Beschaffenheitsgarantie gesehen werden, sondern nur eine übliche Bezeichnung für den Kaufgegenstand“, führte das OLG weiter aus. Der Begriff bezeichne den rein tatsächlichen Zustand der Räumlichkeiten, seine tatsächliche Verwendung und vergangene Nutzung zu Wohnzwecken, vertiefte der Senat. Ein von der Klägerin behaupteter weitreichender Haftungswille des Beklagten könne dagegen nicht allein auf das Wort „Wohnung“ gestützt werden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 19.10.2023 i.V.m. Beschluss vom 31.10.2023, 6 U 210/22, PM vom 9.11.2023

Ordnungswidrigkeitsverfahren: „Wildpinkeln“ kann auch erlaubt sein

Ein Mann urinierte nachts an der Ostsee ins Meer. Dies bemerkten drei Mitarbeiter des Ordnungsamts. Der Mann sollte dann 60 Euro als Geldbuße zahlen wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ durch eine „grob ungehörige Handlung“. Die Sache ging vor Gericht, weil er sich weigerte, zu zahlen. Das AG Lübeck gab ihm nun Recht.

Lag eine Ordnungswidrigkeit vor?

Das AG Lübeck prüfte die einschlägige Norm des Ordnungswidrigkeitengesetzes, gegen die der Mann verstoßen haben sollte (hier: § 118 OWiG). Aber weder eine Verletzung des Schamgefühls der Öffentlichkeit (weder im Hinblick auf Männer noch auf Frauen) noch den Vorwurf etwaiger Verschmutzungen oder Gerüche ließ das Gericht gelten.

Schamgefühl nicht verletzt

Das Schamgefühl der Öffentlichkeit sah das Gericht nicht als verletzt an und verwies auf öffentliche Toiletten für Männer, wo an „durchgehenden Pissoirs“ oder „Rinnen“ oft „geselliges Wasserlassen“ stattfinde. So sei es auch bei Urinieren unter freiem Himmel. Auch Wanderer, Arbeiter in Feld und Flur, Jäger und Freiluftsportler urinierten gelegentlich in die Landschaft.

Ostsee nicht verunreinigt

Verunreinigungen oder Geruchsbelästigungen hielt das LG angesichts der Größe der Ostsee für ausgeschlossen. Der letzte Satz des Urteils klingt schon beinahe romantisch: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“

Quelle: AG Lübeck, Urteil vom 29.6.2023, 83a OWi 739 Js 4140/23 jug

Angemessenheitsgrenze: Jobcenter muss bei marktengem Wohnraum unter Umständen draufzahlen

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Das Jobcenter muss bei besonders schwer verfügbaren, behindertengerechten Wohnungen auch Kosten oberhalb der Angemessenheitsgrenze übernehmen.

Das war geschehen

Zugrunde lag das Eilverfahren einer alleinstehenden Frau (geb. 1976) aus Bremen. Sie hat fünf Kinder im Alter von 9 bis 22 Jahren. Der älteste Sohn ist schwerbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Bisher lebt die Familie in einer 83 m² großen Vier-Zimmer-Wohnung im 1. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Um die Wohnung zu verlassen, muss der Sohn durch das Treppenhaus getragen werden.

Zentrale Fachstelle Wohnen: „ja“ Jobcenter: „nein“

Nach langer Suche fand die Familie schließlich eine barrierefreie Wohnung in passender Größe. Die Zentrale Fachstelle Wohnen befürwortete die Anmietung. Das Jobcenter Bremen lehnte eine Zusicherung der Mietübernahme jedoch ab, da die Miete auch nach einem Preisnachlass (1.425,60 Euro) immer noch über der Angemessenheitsgrenze (1.353 Euro) lag. Außerdem verwies es darauf, dass die Mutter in der Vergangenheit eine andere geeignete Wohnung abgelehnt habe.

Familiäre Besonderheiten durch große Personenzahl und schwerbehinderten Sohn

Das LSG hat das Jobcenter zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die höheren Kosten aufgrund der familiären Besonderheiten nicht unangemessen seien. Der Zugang zum Wohnungsmarkt sei für Menschen mit Behinderung ohnehin erschwert. Hinzu komme das geringe Angebot für größere Personenzahlen.

Die Chancen einer sechsköpfigen Familie, künftig eine andere rollstuhlgerechte Wohnung zu finden, seien damit sehr gering dies habe die Zentrale Fachstelle Wohnen ausdrücklich bestätigt. Ferner müsse der schwerbehinderte Sohn nicht deshalb in einer ungeeigneten Wohnung bleiben, weil seine Mutter es in der Vergangenheit ggf. an ausreichenden Bemühungen bei der Wohnungssuche habe fehlen lassen.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.10.2023, L 13 AS 185/23 B ER, PM vom 23.10.2023

Vorfälligkeitsentschädigung: Darlehensrückführung: Pauschalierter Institutsaufwand unzulässig

Die von einer Bank verwendete Software integrierte bei der vorzeitigen Rückführung eines Verbraucherimmobiliar-Darlehens in die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einen pauschalierten sog. Institutsaufwand in Höhe von 300 Euro. Dies ist unzulässig, sofern dem Verbraucher nicht ausdrücklich der Nachweis eines geringeren oder vollständig entfallenden Schadens möglich ist, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Ein Bankkunde nahm die Bank auf Unterlassen der Berechnung eines pauschalierten sog. Institutsaufwands von 300 Euro in Anspruch. Er hatte bereits 2017 in einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) erstritten, dass die Bank bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Darlehens nicht pauschal einen in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesenen „Verwaltungsaufwand“ in dieser Höhe verlangen kann. Das LG hatte die neuerliche Klage des Bankkunden jedoch abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die Bank könne nicht pauschal den o. g. Aufwand verlangen. Das Berechnen dieser Position halte einer Inhaltskontrolle am Maßstab Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) nicht stand. Die Bank-Software, die einen solchen Institutsaufwand in die Abrechnungen automatisch integriere, stehe einer bankinternen Anweisung gleich. Sie entspreche damit in ihrer Wirkung einer AGB und unterliege der Inhaltskontrolle. AGB seien nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 309 Nr. 5b BGB) unwirksam, wenn der Verwender einen pauschalen Schadenersatzanspruch erlange, ohne dass der Nachweis eines tatsächlich niedrigeren oder entfallenden Schadens möglich ist. So sei es hier. Der hier in Rechnung gestellte pauschale Aufwand für die vorzeitige Darlehensrückführung von 300 Euro könne nur verlangt werden, wenn dem Verbraucher ausdrücklich der Nachweis eines geringeren oder entfallenden Schadens seitens der Bank gestattet wäre.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 4.10.2023, 17 U 214/22, PM 61/23

Masernschutzimpfung: Anordnung einer ärztlichen Untersuchung rechtmäßig

Bei berechtigten Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit eines ärztlichen Zeugnisses, mit dem einem Schüler das Bestehen medizinischer Kontraindikationen gegen die Masernimpfung attestiert wird, kann das Gesundheitsamt zur Überprüfung eine ärztliche Untersuchung anordnen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden.

Die Entscheidung des Gesundheitsamts, zur Überprüfung der medizinischen Kontraindikation gegen die Masernimpfung eine ärztliche Untersuchung des Schülers anzuordnen, sei rechtlich nicht zu beanstanden, so das VG. Zu Recht hatte das Gesundheitsamt Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des von den Eltern des siebenjährigen Schülers vorgelegten ärztlichen Attests. Darin war auf einem Vordruck bescheinigt worden, dass der Schüler aufgrund medizinischer Kontraindikation ab sofort und zeitlich unbegrenzt für jede Art von Impfungen freizustellen sei.

Allerdings so das VG kann die ärztliche Untersuchung nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Vielmehr ist nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption zum Masernschutz die Anordnung eines Betretensverbots die einzig zulässige Rechtsfolge, wenn der Untersuchungsanordnung nicht Folge geleistet wird.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass dem Schüler wegen der Schulpflicht nicht untersagt werden kann, die Schule zum Zwecke des Unterrichts zu betreten. Denn die Angebote der offenen Ganztagsbetreuung oder außerschulische Veranstaltungen sind hiervon ausgenommen.

Quelle: VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.11.2023, 29 L 2480/23, PM vom 17.11.2023

Amtspflicht: Wer trägt Projekt- und Reisekosten bei einem selbstständigen Abbruch einer Schulveranstaltung durch Schüler?

Das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Das Land Rheinland-Pfalz als Schulträger haftet nicht für gezahlte Projekt- und Reisekosten, wenn Schüler eine außerhalb der Schulzeit und des Schulgeländes stattfindende Schulveranstaltung abbrechen und vorzeitig eine kurzfristig selbstorganisierte Heimreise antreten.

Schülerinnen brachen Teilnahme an Schulprojekt eigenmächtig ab

Zwei Schülerinnen nahmen an einem Schulprojekt teil, das außerhalb der Schulzeit und außerhalb des Schulgeländes stattfand. Das Schulprojekt hatte die Zielsetzung, die Eigenverantwortlichkeit der Schüler zu stärken. Es schloss aber auch die Möglichkeit eines Scheiterns ein, denn die teilnehmenden Schüler sollten zwar unterstützt durch die Schule, aber im Wesentlichen eigenständig, einen mehrtägigen auswärtigen Aufenthalt organisieren und dort dann während der Projektdauer sinnvolle Tätigkeiten ausüben.

Die Schülerinnen hatten für ihr Projekt mithilfe eines Veranstalters einen Aufenthalt in Estland geplant. Nach der Ankunft in Tallin und einer Übernachtung dort bestiegen die beiden jedoch am folgenden Morgen nicht, wie geplant, den Bus, der sie in das Camp bringen sollte, in dem das weitere Projekt durchgeführt wurde. Vielmehr flogen die Schülerinnen kurzfristig nach Deutschland zurück. Wieder zuhause angekommen, haben die Schülerinnen die Projekt- und die Reisekosten klageweise gegen das Land Rheinland-Pfalz als Träger ihrer Schule geltend gemacht. Sie haben vorgebracht, dass der das Schulprojekt betreuende Lehrer am Morgen vor der Abfahrt des Busses zunächst nicht erreichbar gewesen sei, eine Verständigung mit dem Betreuer vor Ort wegen der Sprachbarriere zudem nicht gelungen sei und die Projektgruppe vor Ort mit 40 bis 50 Mädchen zu groß gewesen sei.

Keine Verletzung von Amtspflichten

Das Landgericht (LG) Landau in der Pfalz hat die Klagen abgewiesen. Hiergegen haben die Schülerinnen jeweils Berufung eingelegt. Das OLG hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass der das Schulprojekt betreuende Lehrer und auch die Schulleitung der Schule der Mädchen keine Amtspflicht verletzt hätten. Aus dem Vorbringen der beiden Schülerinnen ergebe sich keine konkrete Amtspflicht, die hätte verletzt werden können.

Weiter sei nicht ersichtlich, welches Verhalten der Schulleitung oder des zuständigen Lehrers gegen eine etwaig bestehende Amtspflicht überhaupt verstoßen habe. Der Umstand, dass sich die Schülerinnen den mit einer solchen Reise verbundenen sowie auch nicht immer vorhersehbaren, aber allgemein zu erwartenden Herausforderungen nicht gestellt und die Heimreise vorzeitig angetreten hätten, sei nicht völlig fernliegend, könne der Schule jedoch nicht angelastet werden. Im Übrigen beinhalte ein solches Projekt grundsätzlich auch die Möglichkeit eines Scheiterns der Teilnehmer.

Die Schülerinnen haben hierauf ihre Berufungen zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.10.2023, 9 U 86/23, PM vom 7.11.2023

Insolvenzverfahren: Corona-Sonderzulage an niedersächsische Beamte ist grundsätzlich pfändbar

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Die nach dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz (NBesG) an alle Besoldungsempfänger zu zahlende Corona-Sonderzahlung stellt keine unpfändbare Erschwerniszulage dar.

Lehrer in Insolvenz

Der Schuldner ist beamteter Lehrer des Landes Niedersachsen. Er stellte einen Insolvenzantrag und beantragte, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen. Zugleich trat er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus seinem Dienstverhältnis für die Dauer von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab. Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren rund ein Jahr später auf und bestimmte einen Treuhänder.

Das Land Niedersachsen gewährte dem Schuldner knapp drei Jahre später eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300 Euro. Der Schuldner beantragte beim Insolvenzgericht, dass ihm die Corona-Sonderzahlung als Erschwerniszulage vollständig pfändungsfrei belassen wird und nicht den Pfändungsvorschriften für Arbeitseinkommen unterfällt.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Insolvenzgericht hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat in der nächsten Instanz die Unpfändbarkeit der Sonderzahlung bejaht und gemeint, der Landesgesetzgeber habe mit der hier einschlägigen Vorschrift im NBesG, nach deren Wortlaut die Sonderzahlung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die COVID-19-Pandemie gewährt werde, hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass diese dem Ausgleich besonderer pandemiebedingter Belastungen der Beamten diene. Damit habe der Gesetzgeber zugleich deren Charakter als Erschwerniszulage gesetzlich festgeschrieben.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Welche Anforderungen an eine Erschwerniszulage zu stellen sind, richtet sich allein nach dem Verständnis des Bundesgesetzgebers. Die Länder haben abweichend vom rechtsfehlerhaften Ansatz des Beschwerdegerichts keine Kompetenz, die Behandlung einer von ihnen gewährten Sonderzahlung als Erschwerniszulage gesetzlich vorzuschreiben und hierbei vom Gesetz abweichende Voraussetzungen festzulegen.

Hier lag eine abstrakt-generelle Regelung vor

Die Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Erschwerniszulage. Pfändungsschutz wird danach gewährt, weil beim Schuldner eine besondere Belastung bei oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung gegeben ist. Dies setzt voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse, die die Zulage veranlassen, konkret bezeichnet sind.

Wird der Kreis der anspruchsberechtigten Personen durch eine abstrakt-generelle Regelung festgelegt, muss diese Regelung den Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgrenzen, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, die die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen. Sieht die abstrakt-generelle Regelung wie hier für alle Beschäftigten eine Zahlung des Dienstherrn vor, liegt darin nur dann eine Erschwerniszulage, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei allen Beschäftigten zu einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit führen.

Sonderzahlung erfolgte nicht aufgrund individueller besonderer Belastung

Diese Anforderungen erfüllt § 63a NBesG nicht. Der Landesgesetzgeber hat davon abgesehen, den Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung von einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit durch die Corona-Pandemie abhängig zu machen.

Die beiden Voraussetzungen des Anspruchs (Bestehen eines Dienstverhältnisses am 29.11.2021 und Anspruch auf Dienstbezüge an mindestens einem Tag zwischen dem 1.1.2021 und dem 29.11.2021) sind unabhängig davon, ob der Empfänger besonderen Belastungen bei der Verrichtung des Dienstes ausgesetzt ist, wie etwa einem besonders intensiven Kontakt zu anderen Menschen und damit einem besonderen Infektionsrisiko. Die allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben keinen Bezug zum Dienst und seiner Verrichtung, der eine Behandlung als unpfändbare Erschwerniszulage rechtfertigt.

Quelle: BGH, Beschluss vom 13.7.2023, IX ZB 24/22, PM 141/2023