Ordnungswidrigkeitsverfahren: „Wildpinkeln“ kann auch erlaubt sein

Ein Mann urinierte nachts an der Ostsee ins Meer. Dies bemerkten drei Mitarbeiter des Ordnungsamts. Der Mann sollte dann 60 Euro als Geldbuße zahlen wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ durch eine „grob ungehörige Handlung“. Die Sache ging vor Gericht, weil er sich weigerte, zu zahlen. Das AG Lübeck gab ihm nun Recht.

Lag eine Ordnungswidrigkeit vor?

Das AG Lübeck prüfte die einschlägige Norm des Ordnungswidrigkeitengesetzes, gegen die der Mann verstoßen haben sollte (hier: § 118 OWiG). Aber weder eine Verletzung des Schamgefühls der Öffentlichkeit (weder im Hinblick auf Männer noch auf Frauen) noch den Vorwurf etwaiger Verschmutzungen oder Gerüche ließ das Gericht gelten.

Schamgefühl nicht verletzt

Das Schamgefühl der Öffentlichkeit sah das Gericht nicht als verletzt an und verwies auf öffentliche Toiletten für Männer, wo an „durchgehenden Pissoirs“ oder „Rinnen“ oft „geselliges Wasserlassen“ stattfinde. So sei es auch bei Urinieren unter freiem Himmel. Auch Wanderer, Arbeiter in Feld und Flur, Jäger und Freiluftsportler urinierten gelegentlich in die Landschaft.

Ostsee nicht verunreinigt

Verunreinigungen oder Geruchsbelästigungen hielt das LG angesichts der Größe der Ostsee für ausgeschlossen. Der letzte Satz des Urteils klingt schon beinahe romantisch: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“

Quelle: AG Lübeck, Urteil vom 29.6.2023, 83a OWi 739 Js 4140/23 jug