Steuernachzahlungen und -erstattungen: Der neue Zinssatz beträgt 0,15 % pro Monat

Der Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen gemäß Abgabenordnung (§ 233a AO) ist rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 auf 0,15 % pro Monat (das heißt 1,8 % pro Jahr) gesenkt worden. Die Angemessenheit dieses Zinssatzes ist dann unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 247 BGB) wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1.1.2024.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 2021 entschieden, dass der bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen angewandte Zinssatz von 0,5 % pro Monat seit 2014 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Für Verzinsungszeiträume bis Ende 2018 war jedoch keine Neuregelung notwendig. Vielmehr wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab 2019 erstreckt und dies ist jetzt erfolgt.

Beachten Sie: Der Beschluss des BVerfG erstreckt sich nicht auf andere Verzinsungstatbestände nach der AO (insbesondere Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen). Nach der Gesetzesbegründung muss die Frage, ob und inwieweit auch hier eine Anpassung erforderlich ist, noch geprüft werden.

Die Neuregelung kann derzeit technisch noch nicht umgesetzt werden. Bund und Länder haben daher beschlossen, die Festsetzung von Zinsen (nach § 233a AO) für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 für eine Übergangszeit weiter auszusetzen. Bislang vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzte Zinsen werden weiter unverändert vorläufig festgesetzt.

Beachten Sie: Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums beantwortet Anwendungsfragen zu den Rechtsänderungen.

Quelle: Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, BGBl I 2022, S. 1142; BMF-Schreiben vom 22.7.2022, IV A 3 – S 0338/19/10004 :007

Einkommensteuer: Steuerermäßigung für ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen

Die Steuerermäßigung für ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen kann auch von Steuerpflichtigen beansprucht werden, denen Aufwendungen für die Pflege und Betreuung eines Dritten erwachsen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch für Leistungen im Haushalt der gepflegten Person.

Eine Tochter begehrte eine Steuerermäßigung für die ambulante Pflege der in einem eigenen Haushalt lebenden Mutter durch eine Sozialstation. Die Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus. Die Tochter beglich sie per Banküberweisung.

Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und für Pflege- und Betreuungsleistungen können Steuerpflichtige nach dem Einkommensteuergesetz (§ 35a EStG) eine Steuerermäßigung in Höhe von 20 % der Aufwendungen geltend machen (maximal aber 4.000 Euro).

Im Gegensatz zur Steuerermäßigung (nach § 35a Abs. 2 S. 1 EStG), die nur für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen im eigenen Haushalt gewährt werden kann, sind ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen auch dann begünstigt, wenn sie nicht im eigenen Haushalt, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden.

Beachten Sie: Bei Pflege- und Betreuungsleistungen wird weder der Erhalt einer Rechnung noch die Einbindung eines Kreditinstituts in den Zahlungsvorgang vorausgesetzt. Anders ist dies aber bei haushaltsnahen Dienstleistungen und bei Handwerkerleistungen.

Der BFH hat den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen. Denn es war für ihn nicht ersichtlich, ob die Tochter mit der Bezahlung der Rechnungen eigene Aufwendungen nur hierfür kann die Steuerermäßigung gewährt werden oder Aufwand ihrer Mutter und damit steuerunerheblichen Drittaufwand getragen hat.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.4.2022, VI R 2/20

Bundesfinanzministerium: Energiepreispauschale: Fragen und Antworten zur Auszahlung im September 2022

Am 20.7.2022 hat das Bundesfinanzministerium Fragen und Antworten (FAQs) zur Energiepreispauschale aktualisiert.

Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende erhalten eine einmalige steuerpflichtige Energiepreispauschale von 300 Euro. Die Auszahlung erfolgt ab September 2022 über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Selbstständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.

Die FAQs thematisieren u. a. folgende Aspekte:

  • Festsetzung mit der Einkommensteuerveranlagung,
  • Anspruchsberechtigung,
  • Auszahlung an Arbeitnehmer durch Arbeitgeber,
  • Einkommensteuer-Vorauszahlungsverfahren und
  • Steuerpflicht.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 21.7.2022; FAQs zur Energiepreispauschale

Gesetzesvorhaben: Mindestlohn und Grenze für Minijobs: Erhöhung ab 1.10.2022

Der Bundestag hat der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mit Wirkung ab dem 1.10.2022 zugestimmt. Zudem wurden Änderungen bei Mini- und Midijobs beschlossen. Der Bundesrat hat am 10.6.2022 „grünes Licht gegeben“.

Die Mindestlohnkommission berät alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns. Von diesem Prozedere wurde nun einmalig abgewichen.

Im Jahr 2022 gelten diese Beträge:

  • ab 1.1.2022: 9,82 Euro pro Stunde
  • ab 1.7.2022: 10,45 Euro pro Stunde
  • ab 1.10.2022: 12 Euro pro Stunde

Derzeit gilt für eine geringfügige Beschäftigung eine monatliche (statische) Grenze von 450 Euro. Diese wurde nun dynamisch ausgestaltet: Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 S. 1 des Mindestlohngesetzes erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Das heißt: Bei einem Mindestlohn von 12 Euro ergibt sich daraus eine Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro (12 Euro x 130 / 3).

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich hier gelten verminderte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung wurde von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben (Midijob). Oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze wird der Arbeitgeberbeitrag zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 % angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen.

Quelle: Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung; Zustimmung des Bundestags am 3.6.2022

Auslagenersatz: Zählen Erstattungen für ein erweitertes Führungszeugnis zum Arbeitslohn?

Erstattet ein kirchlicher Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Kosten für die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses, handelt es sich nicht um Arbeitslohn. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Münster liegt vielmehr steuerfreier Auslagenersatz im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 3 Nr. 50 EStG) vor. Gegen diese Entscheidung ist bereits die Revision anhängig.

Die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse erfolgte im Streitfall vor dem Hintergrund eines überwiegend betrieblichen Interesses der Kläger (Arbeitgeberkreis des Generalvikariats des Bistums X-Stadt). Hierfür spricht bereits, so das FG, dass sich die Regelungen der („Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen für die Diözese X-Stadt“ (PrävO) an die Kläger und nicht an die Beschäftigten richten.

Gemäß PrävO trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, sich im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen und nach den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen die insoweit anfallenden Kosten hierfür zu tragen. Die Kläger sind nicht in der Lage, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Soweit die Arbeitnehmer diese Aufwendungen zunächst selbst tragen, tun sie dies im unmittelbaren Interesse der Kläger.

Das FG berücksichtigte u. a. auch, dass die Arbeitnehmer kein bedeutsames eigenes Interesse an der Einholung eines Führungszeugnisses hatten. Die mit der Kostenerstattung einhergehende „Bereicherung“ stufte es als sehr gering ein.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 23.3.2022, 7 K 2350/19 AO, Rev. BFH: VI R 10/22

Steuerpauschalen: Erste Tätigkeitsstätte bei einem angestellten Bauleiter

Wird eine Niederlassung eines international tätigen Bauunternehmens im Arbeitsvertrag eines Bauleiters als „Einstellungsort” bezeichnet, ist nicht allein deswegen von einer dauerhaften Zuordnung durch den Arbeitgeber zu dieser Niederlassung auszugehen. Die Niederlassung stellt nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern in diesen Fällen also keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar. Gegen diese Entscheidung ist die Revision anhängig.

Je nachdem, ob es sich beim Tätigkeitsort um eine erste Tätigkeitsstätte oder um eine Auswärtstätigkeit handelt, hat das u. a. folgende steuerliche Konsequenzen:

Erste Tätigkeitsstätte

  • Entfernungspauschale (0,30 Euro je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte; ab dem 21. Kilometer: 0,38 Euro)
  • grundsätzlich keine Verpflegungspauschale

Auswärtstätigkeit

  • „Dienstreisepauschale“ (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer)
  • grundsätzlich Verpflegungspauschale je nach Abwesenheitszeiten

Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG) ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens gemäß Aktiengesetz (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen durch den Arbeitgeber.

Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind im Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 3 EStG) aufgeführt:

  • unbefristetes Tätigwerden,
  • Tätigwerden für die Dauer des Dienstverhältnisses,
  • Tätigkeit über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten.

Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

Entscheidung des Finanzgerichts

Die Niederlassung stellt auch dann keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar, wenn er

  • einem Gruppenleiter dieser Niederlassung zugewiesen ist,
  • ca. einmal wöchentlich an einer Arbeitsberatung, sowie
  • einige Mal im Kalenderjahr an sonstigen Besprechungen in dieser Niederlassung teilnimmt, und
  • zwar ein Büro in dieser Niederlassung zur Verfügung hat, jedoch tatsächlich den größeren Teil der Schreibtischarbeiten außerhalb dieses Büros erledigt.

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, kommt es für die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwand nur darauf an, ob er ohne Übernachtung jeweils mehr als acht Stunden von seiner Wohnung entfernt war.

Beachten Sie: Auf die Dreimonatsfrist Verpflegungspauschalen sind auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt kommt es nur an, wenn der Steuerpflichtige an derselben Tätigkeitsstelle längerfristig tätig wird, und zwar an mindestens drei Tagen pro Woche. Das trifft jedoch bei einem Bauleiter nicht zu, wenn er die Arbeiten auf mehreren Baustellen zeitgleich leitet und damit typischerweise von Baustelle zu Baustelle fährt.

Quelle: FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.11.2021, 3 K 6/20, Rev. BFH: VI R 27/21

Kapitalanleger: Finanzverwaltung äußert sich zur Besteuerung von virtuellen Währungen

Virtuelle Währungen wachsen ständig. Das gilt für die Anzahl, das Volumen und die Zahl der Investoren. Daher wartete man auf ein Verwaltungsschreiben, das u. a. darlegt, in welchen Fällen Gewinne zu versteuern sind. Bereits im Juni 2021 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Entwurfsschreiben, das nun auf 24 Seiten finalisiert wurde.

Das Schreiben behandelt „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“. Auf den ersten Seiten werden beispielsweise Begriffe, wie Mining, Token und Blockchain definiert. Die folgenden Seiten setzen sich mit den ertragsteuerlichen Dimensionen (differenziert nach Privat- und Betriebsvermögen) auseinander.

Das BMF stellt u. a. heraus, dass Tätigkeiten im Zusammenhang mit Einheiten einer virtuellen Währung und mit sonstigen Token zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen) führen können.

Interessant sind insbesondere die Ausführungen unter der Rz. 53. Danach sind Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Daher können Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Beachten Sie: Gewinne bleiben allerdings einkommensteuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 600 Euro beträgt.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. So ist z. B. beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Verfahren anhängig, in dem es um die Ausführungen der Finanzverwaltung unter der Rz. 53 geht.

Quelle: BMF-Schreiben vom 10.5.2022, IV C 1 – S 2256/19/10003 :001

Geänderte BFH-Rechtsprechung: Werden Sportvereine umsatzsteuerpflichtig?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine Rechtsprechung geändert: Bei einer aus dem deutschen Recht folgenden Umsatzsteuerpflicht können sich Sportvereine nicht auf eine aus der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) abgeleitete Steuerfreiheit berufen.

Das war geschehen

Ein Golfverein vereinnahmte u. a. allgemeine Mitgliedsbeiträge. Hierfür verlangte das Finanzamt (FA) keine Umsatzsteuer (nicht steuerbare Leistungen). Darüber hinaus erbrachte der Verein aber auch eine Reihe von Leistungen gegen gesondertes Entgelt: Berechtigung zur Platznutzung, leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagtraining mittels eines Ballautomaten, Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Verein Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte etc. Diese Leistungen behandelte das FA als umsatzsteuerbar und -pflichtig.

So sahen es Finanzamt und die gerichtlichen Instanzen

Die für den Veranstaltungsbereich mögliche Steuerfreiheit nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG) versagte das FA, da es den Verein nicht als gemeinnützig ansah. Es fehle an einer hinreichenden Vermögenszweckbindung für den Fall der Vereinsauflösung. Das Finanzgericht (FG) München sah das anders: Es ging wegen der bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass sich der Verein auf eine weiter gefasste Steuerfreiheit nach MwStSystRL (Art. 132 Abs. 1 Buchst. M) berufen könne.

In der Folge rief der BFH den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, der eine Berufung auf die Steuerfreiheit nach der MwStSystRL ablehnte. Dem hat sich der BFH nun angeschlossen.

Für die eigentlich unter das Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UstG) fallende Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Verein Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte, war keine Steuerbefreiung möglich. Denn für den EuGH setzt die Steuerfreiheit im Sportbereich voraus, dass das Vereinsvermögen im Auflösungsfall nur zweckgebunden verteilt werden kann, woran es hier fehlte.

Die Entscheidung des BFH betrifft unmittelbar nur Leistungen, die Sportvereine gegen gesonderte Vergütung erbringen. Aber: Nach der langjährigen Rechtsprechung sind Leistungen, die Sportvereine an ihre Mitglieder gegen allgemeine Mitgliedsbeiträge erbringen entgegen der gelebten Praxis der Finanzverwaltung weiterhin umsatzsteuerbar, sodass es durch die nunmehr versagte Steuerbefreiung zu einer Umsatzsteuerpflicht kommt.

Sportvereinen droht Umsatzsteuerpflicht

Sportvereine müssen jetzt, so der BFH, damit rechnen, dass die Rechtsprechung ihre Leistungen auch insoweit als steuerpflichtig ansieht, als sie derartige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sportliche Veranstaltung im Sinne des UStG (§ 4 Nr. 22 Buchst. b) handelt.

Beachten Sie | Die Problematik kann nach Ansicht des BFH nur der Gesetzgeber lösen, indem er die nach der Richtlinie bestehende Möglichkeit ergreift, Leistungen im Bereich des Sports weitergehend als bisher von der Umsatzsteuer zu befreien.

Kleinunternehmerregel als „Rettungsanker“

Ferner gibt es noch die Kleinunternehmerregel gemäß UstG (§ 19): Danach wird keine Umsatzsteuer erhoben, wenn der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird.

Quelle: BFH-Urteil vom 21.4.2022, V R 48/20

Arztpraxis: Arbeitsteilung kann zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten insgesamt als Gewerbebetrieb einzustufen (und damit gewerbesteuerpflichtig) ist, wenn einer der Ärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt. Gegen diese Entscheidung ist inzwischen die Revision anhängig.

Im Streitfall ging es um eine Partnerschaftsgesellschaft, in der sich mehrere approbierte Zahnärzte zur gemeinsamen Ausübung der zahnärztlichen Behandlung von Privat- und Kassenpatienten zusammengeschlossen hatten. Im Streitjahr erzielte die Praxis Umsatzerlöse von rund 3,5 Millionen Euro, wovon nur ca. 900 Euro auf einen der Seniorpartner entfielen, der hauptsächlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig war.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien, weil bei einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft jeder Gesellschafter die Merkmale selbstständiger Arbeit in eigener Person erfüllen müsse. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG die Klage der Ärzte nun abgewiesen.

Bei einer Gemeinschaftspraxis muss jeder der Gesellschafter (= Arzt) in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufs erfüllen, d. h. nicht nur über die persönliche Berufsqualifikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit auch tatsächlich entfalten. Dabei muss die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein.

Diese Tätigkeit kann nicht durch eine (besonders intensive) leitende Tätigkeit ersetzt werden (z. B. Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung).

Ein Arzt schuldet eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten und muss deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen. Grundsätzlich ist zwar eine gewisse Arbeitsteilung bzw. „Teamarbeit“ unschädlich. So kann der Arzt z. B. in „Routinefällen“ die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten bzw. die Erbringung der eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistung an angestellte Ärzte delegieren.

Beachten Sie: Erforderlich ist aber, dass sich jeder Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an der „Teamarbeit“ im arzttypischen Heilbereich beteiligt.

Im Streitfall war somit die gesamte Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen. Denn sind Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig, ist ihre Tätigkeit nach dem Einkommensteuergesetz (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Arztes „infiziert“ die Tätigkeit der freiberuflichen Ärzte.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.9.2021, 4 K 1270/19, Rev. BFH VIII R 4/22

Tagesmütter: Betriebsausgabenpauschale trotz Lockdowns

Selbstständige Tagesmütter und -väter dürfen für jedes Kind, das sie betreuen, entweder die tatsächlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Betreuung als Betriebsausgaben abziehen oder es wird eine Betriebsausgabenpauschale je Kind im Monat abgezogen. Der Abzug der Betriebsausgabenpauschale kann auch bei eingeschränkter Betreuung wegen der Corona-Pandemie beansprucht werden.

Nach der Verwaltungsauffassung gilt: Die Pauschale kann auch für Zeiten abgezogen werden, in denen die Kindertagespflegeperson durch behördliche Auflagen verhindert ist, die vereinbarten Betreuungszeiten zu absolvieren, wenn Betreuungsgelder oder sonstige Ausgleichs-/Entschädigungszahlungen für diese Zeit gezahlt werden und als Betriebseinnahme zu erfassen sind.

Quelle: BT-Drs. 20/534 vom 28.1.2022, Antwort auf Frage 3; FinMin Schleswig-Holstein, ESt-Kurzinfo Nr. 2020/20 vom 10.9.2020