Zensus 2022: Erhebungsbeauftragte: Aufwandsentschädigungen steuerfrei

2022 findet bundesweit die Zählung der Bevölkerung sowie von Gebäuden und Wohnungen statt. Der sogenannte „Zensus“ ist alle zehn Jahre vorzunehmen (zuletzt 2011), wurde jedoch aufgrund der Corona-Pandemie von 2021 in das Jahr 2022 verschoben. Zur Durchführung werden ehrenamtliche Erhebungsbeauftragte eingesetzt, die stichprobenhaft Haushaltsbefragungen vornehmen. Sie erhalten nach dem Gesetz zur Durchführung des Zensus im Jahr 2022 (ZensG 2022) für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung zuzüglich entstandener Fahrtkosten. Diese Zahlungen unterliegen (gemäß § 20 Abs. 3 ZensG 2022) nicht der Einkommensbesteuerung.

Quelle: Bayerisches Landesamt für Steuern vom 3.9.2021, S 2113.1.1-2/3 St36

BFH-Urteil: Erwerb von Privatvermögen: Keine Erbschaftsteuerpause

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jüngst bestätigt, dass auch Erbfälle ab dem 1.7.2016 der Erbschaftsteuer unterliegen. Die Entscheidung war von der Praxis mit Spannung erwartet worden, da insbesondere infrage gestellt wurde, ob der Gesetzgeber im November 2016 erbschaftsteuerrechtliche Regelungen rückwirkend ab dem 1.7.2016 in Kraft setzen konnte.

Auslöser des Streits war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17.12.2014. Dieses hatte entschieden, dass das damals gültige Erbschaftsteuerrecht zwar verfassungswidrig war, trotzdem aber bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiter angewendet werden konnte. Der Gesetzgeber wurde zu einer Neuregelung bis 30.6.2016 verpflichtet.

Im Streitfall trat der Erbfall für die Steuerpflichtige am 28.8.2016 ein. An diesem Tag verstarb ihre Tante, die ihr ausschließlich Privatvermögen vererbte. Zu diesem Zeitpunkt war das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Erbschaftsteuerrechts noch nicht abgeschlossen. Deshalb vertrat die Steuerpflichtige die Auffassung, ihr Erwerb unterliege nicht der Erbschaftsteuer, die Rückwirkung der Neuregelung sei unzulässig und damit verfassungswidrig.

Der BFH sah das aber anders. Da das BVerfG festgelegt hatte, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar ist, ist die Festsetzung der Erbschaftsteuer für das erworbene Privatvermögen auf Grundlage der bestehenden Bestimmungen rechtmäßig gewesen. Der Gesetzgeber hat lediglich die Besteuerung des Erwerbs von Betriebsvermögen neu geregelt. Nicht geändert haben sich wie im Streitfall die Regelungen zum Erwerb von Privatvermögen. Offengelassen hat der BFH, ob die 2016 geänderten großzügigen Regelungen zum Erwerb von Betriebsvermögen verfassungskonform sind, da sie im Streitfall keine Rolle spielten.

Quelle: BFH, Urteil vom 6.5.2021, II R 1/19

Steuerpflicht: Privates Veräußerungsgeschäft bei Trennung und anschließender Ehescheidung

In Deutschland wird rund jede dritte Ehe wieder geschieden. Demzufolge hat sich das Finanzgericht (FG) München jüngst mit einer interessanten Frage befasst: Kann ein privates Veräußerungsgeschäft auch bei einer Trennung und der danach folgenden Ehescheidung vorliegen, wenn die Ehefrau mit der Zwangsversteigerung des Einfamilienhauses drohte, um den Ehemann zur Veräußerung seines Miteigentumsanteils zu bewegen? Die Antwort des FG lautet: Ja.

Spekulationssteuer: Haltefrist unter 10 Jahren

Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung.

Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die

  • im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.

Beachten Sie | Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt in beiden Alternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest „auch” selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.

Sachverhalt

Der steuerpflichtige Ehemann zog im August 2015 aus dem im Miteigentum der Eheleute stehenden Einfamilienhaus (Kaufvertrag: Dezember 2008) aus. Die Ehe, aus der ein in 2007 geborener Sohn hervorging, wurde im Juni 2017 geschieden.

In der Folge drohte die Ehefrau dem Ehemann die Zwangsversteigerung des Hauses an, sollte er seinen Miteigentumsanteil nicht an sie veräußern. Mit Scheidungsfolgenvereinbarung (August 2017) veräußerte der Ehemann schließlich seinen Miteigentumsanteil an die Ehefrau.

Entscheidung des Finanzgerichts

Nach Meinung des FG sind die Voraussetzungen für ein privates Veräußerungsgeschäft auch bei einer Trennung und der danach folgenden Ehescheidung erfüllt, wenn im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung die Ehefrau mit der Zwangsversteigerung drohte, um den Ehemann zur Veräußerung seines Miteigentumsanteils zu bewegen.

In einem solchen Fall kann sich der bisherige Ehemann den Zeitraum zwischen dem Auszug aus dem Familienheim, der nachfolgenden Scheidung und der danach erfolgten Veräußerung seines Miteigentumsanteils an seine bisherige Ehefrau nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zurechnen lassen und zwar auch dann nicht, wenn der Zeitraum faktisch von ihr und dem gemeinsamen Kleinkind ausgefüllt wurde.

Der Bundesfinanzhof ist nun gefragt

Man darf gespannt sein, wie sich der Bundesfinanzhof (BFH) im Revisionsverfahren positionieren wird. Hier wird dann u. a. geklärt werden, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der bisherige Ehemann seinen Miteigentumsanteil allein seinem minderjährigen Kind in diesem Zeitraum überlassen haben will.

Höchstrichterlich geklärt ist bereits, dass eine Enteignung den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts nicht erfüllt. Das FG Düsseldorf hat zudem aktuell entschieden, dass Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auch aus der Zwangsversteigerung von Grundstücken resultieren können. Eine etwaige wirtschaftliche Zwangslage steht danach der Annahme einer willentlichen wirtschaftlichen Betätigung nicht entgegen.

Daher ist davon auszugehen, dass auch eine Veräußerung, die eine angedrohte Zwangsversteigerung vermeiden soll, den Veräußerungstatbestand erfüllt. Denn eine Vergleichbarkeit mit einem Eigentumsverlust infolge einer Enteignung dürfte nicht gegeben sein.

Interessant dürften im Revisionsverfahren auch die Ausführungen des BFH zum Ausnahmetatbestand (Nutzung zu eigenen Wohnzwecken) sein. Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten betroffene Steuerbescheide nach Möglichkeit offengehalten werden.

Quelle: FG München, Urteil vom 11.3.2021, 11 K 2405/19, Rev. BFH, IX R 11/21

Grundsteuererlass: Antrag durch Vermieter bei erheblichen Mietausfällen

Bei erheblichen Mietausfällen in 2021 besteht bis zum 31.3.2022 die Möglichkeit, einen teilweisen Erlass der Grundsteuer zu beantragen.

Voraussetzung ist eine wesentliche Ertragsminderung, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat. Diese liegt vor, wenn der normale Rohertrag um mehr als die Hälfte gemindert ist. Ist dies der Fall, kann die Grundsteuer um 25 % erlassen werden. Fällt der Ertrag in voller Höhe aus, ist sogar ein Grundsteuererlass von 50 % möglich.

Quelle: Grundsteuergesetz, §§ 34, 35

Corona-Pandemie: Steuerfreier Kindergartenzuschuss: Das gilt bei Rückzahlung der Gebühren

Während der Corona-Pandemie haben viele Städte und Gemeinden den Einzug von Kindergarten- bzw. Kinderbetreuungsgebühren ausgesetzt und zu einem späteren Zeitpunkt darauf verzichtet. Dennoch haben Arbeitgeber ihre Zuschüsse weiter ausgezahlt. Eine offenbar bundeseinheitlich abgestimmte Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen zeigt, wie bei der Lohnabrechnung vorzugehen ist.

Zum Hintergrund: Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 33 EStG) sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen steuerfrei. Barzuwendungen an den Arbeitnehmer sind nur steuerfrei, soweit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die zweckentsprechende Verwendung nachgewiesen hat. Der Arbeitgeber muss die Nachweise im Original als Belege zum Lohnkonto aufbewahren.

Haben Städte und Gemeinden Kindergarten- bzw. Kinderbetreuungsgebühren nicht eingezogen bzw. bereits erhobene Beiträge erstattet, wird es für das Kalenderjahr 2020 auch ohne ausdrückliche, im Vorhinein getroffene Vereinbarung nicht beanstandet, wenn von einer Darlehensgewährung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer ausgegangen wird. Somit bleiben die Arbeitgeberleistungen für 2020 grundsätzlich steuerfrei.

Die in 2020 geleisteten Zuschüsse sind mit den in 2021 entstehenden Unterbringungs- und Betreuungskosten zu verrechnen. Das bedeutet: Sind die Kosten niedriger als der Betrag, den der Arbeitgeber in 2020 zu Unrecht steuerfrei belassen hat, ist der Differenzbetrag als steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.

Ein Beispiel veranschaulicht die Vorgehensweise: Ein Arbeitnehmer erhält von seinem Arbeitgeber einen Kindergartenzuschuss in Höhe von 120 Euro monatlich. In 2020 hat er also 1.440 Euro steuerfrei erhalten. Die Gebühren für den Kindergarten (ebenfalls 120 Euro pro Monat) wurden aber für vier Monate zurückerstattet. Demzufolge betrugen die tatsächlichen Aufwendungen 960 Euro. Nach der Verfügung gelten 480 Euro als Darlehen. Dieser Betrag kann mit den Aufwendungen in 2021 verrechnet werden. Bleiben der Arbeitgeber-Zuschuss und die Höhe der Gebühren in 2021 unverändert, müssen die 480 Euro aus 2020 dann in 2021 versteuert werden.

Quelle: OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 27.8.2021, S 2342 2021/0008 St 216

Keine steuerliche Abzugsbeschränkung: Pilates-Raum hinter Durchgangszimmer ist Betriebsstätte

Ein betrieblich genutzter Raum kann wegen seiner Ausstattung von der Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann ausgenommen sein, wenn Dritte (Kunden) ein dem privaten Bereich zuzuordnendes Durchgangszimmer durchqueren müssen, um in den Raum zu gelangen. Das hat das Finanzgericht München (FG) bei einer selbstständigen Pilates-Trainerin entschieden.

Häusliches Arbeitszimmer

Aufwendungen (beispielsweise anteilige Miete, Abschreibungen, Energiekosten) für ein häusliches Arbeitszimmer sind nur in den folgenden Fällen abzugsfähig:

  • bis zu 1.250 Euro jährlich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht,
  • ohne Höchstgrenze, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Außerhäusliches Arbeitszimmer oder (häusliche) Betriebsstätte

Liegt jedoch ein außerhäusliches Arbeitszimmer oder eine (häusliche) Betriebsstätte vor, gelten die vorgenannten Abzugsbeschränkungen nicht und die Kosten sind in voller Höhe abzugsfähig. Die Abgrenzung ist oft schwierig und beschäftigt häufig die Gerichte wie zuletzt das FG München.

Abzugsfähigkeit ohne Höchstgrenze

Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können unbeschränkt abziehbar sein, wenn sie betrieblich bzw. beruflich genutzt werden und sich der betriebliche bzw. berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen.

Der für die Abzugsbeschränkung maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung (z. B. als Werkstatt) bzw. wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.

Finanzgericht: Pilates-Zimmer ist betriebsstättenähnlicher Raum

Im konkreten Fall handelte es sich bei dem Pilates-Zimmer nach Ansicht des FG deshalb um einen betriebsstättenähnlichen Raum, weil er als Trainings- und Unterrichtsraum eingerichtet und auch als solcher genutzt wurde. Zwar mussten, soweit die Trainerin dort zusammen mit anderen Trainern arbeitete und Trainings für Kunden anbot, diese ein dem privaten Bereich zuzuordnendes Durchgangszimmer durchqueren. Allerdings war die dadurch gegebene räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen gering ausgeprägt. Sie fiel angesichts der Ausstattung des Raums und der tatsächlichen betrieblichen Nutzung nicht entscheidend ins Gewicht.

Quelle: FG München, Urteil vom 2.3.2021, 10 K 1251/18

Arbeitgeber: Elektronische Lohnsteuerbescheinigung 2022

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat das Muster für den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022 bekannt gegeben.

Bei der Ausstellung des Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung sind die Vorgaben des BMF im Schreiben vom 9.9.2019 zu beachten.

Quelle: BMF vom 18.8.2021, IV C 5 – S 2533/19/10030 :003

Steuernachforderung: Keine Rückstellung im Steuerentstehungsjahr

Für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuern kann im Steuerentstehungsjahr noch keine Rückstellung gebildet werden. Auch die Bildung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung kommt bei einem Klein- bzw. Kleinstbetrieb vor Beginn der Prüfung regelmäßig nicht in Betracht. Dies hat aktuell das Finanzgericht (FG) Münster entschieden.

Sachverhalt

Ein Taxiunternehmen in der Rechtsform einer GmbH wurde nach der Betriebsprüfungsordnung bis 2012 als Kleinst- und ab 2013 als Kleinbetrieb eingestuft. 2017 führte das Finanzamt eine Lohnsteueraußenprüfung für 2013 und 2014 und eine Betriebsprüfung für 2012 bis 2014 als Kombiprüfung durch. Dies führte zu höheren Umsätzen und Gewinnen sowie zu zusätzlichen Arbeitslöhnen.

Daraufhin wollte das Taxiunternehmen für 2012 eine Rückstellung für zusätzlichen Steuerberatungsaufwand im Zusammenhang mit der Prüfung und für 2014 eine Rückstellung für die Lohnsteuerhaftungsbeträge bilden. Doch beides lehnte das Finanzamt ab. Auch das FG Münster versagte in beiden Punkten die Bildung von Rückstellungen.

Auslösendes Ereignis für Aufwendungen = Betriebsprüfung

Für den zusätzlichen Beratungsaufwand konnte in 2012 noch keine Rückstellung gebildet werden, da das auslösende Ereignis für die Aufwendungen erst die Durchführung der Betriebsprüfung war. Die Prüfungsanordnung für die Betriebsprüfung wurde unter dem 14.2.2017, die für die Lohnsteueraußenprüfung unter dem 24.2.2017 erlassen und die Kombiprüfung nachfolgend ab April 2017 durchgeführt.

Ende 2012 musste das Taxiunternehmen auch noch nicht mit einer späteren Prüfung rechnen, da es als Kleinst- bzw. Kleinbetrieb nicht der Anschlussprüfung unterliegt. Für die Lohnsteuernachforderung wurde durch Haftungsbescheid erst in 2017 eine Zahlungsverpflichtung begründet.

Eine Rückstellung für hinterzogene Steuern kann erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste. Für nicht hinterzogene Steuern ist diese Frage noch nicht abschließend geklärt.

Nach Meinung des FG Münster ist auch insoweit erst dann eine Rückstellung zu bilden, wenn ernsthaft mit einer quantifizierbaren Inanspruchnahme durch das Finanzamt gerechnet werden kann. Dies war hier frühestens mit Beginn der Prüfung im Jahr 2017 der Fall.

Bundesfinanzhof ist gefragt

In der anhängigen Revision kann der Bundesfinanzhof (BFH) nun klären, ob eine Rückstellung für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuerbeträge wegen einer Betriebsprüfung im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder in dem Jahr zu bilden ist, in dem der Sachverhalt von der Betriebsprüfung „aufgegriffen” wird.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 24.6.2021, 10 K 2084/18, K, G, Rev. BFH, XI R 19/21

Steuernachzahlungen und -erstattungen: Finanzämter: 6 Prozent verfassungswidrig – vorerst keine Zinsfestsetzungen

Nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten wird bei Steuernachzahlungen und -erstattungen ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt. Mit Beschluss vom 8.7.2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die jährliche 6%ige Verzinsung für Zeiträume seit 2014 für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich nun in einem umfangreichen Schreiben zu Anwendungsfragen geäußert.

Nach dem Beschluss des BVerfG ist das bisherige Recht für Verzinsungszeiträume vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2018 weiter anwendbar. Für Verzinsungszeiträume seit 2019 sind die Vorschriften dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume seit dem Jahr 2019 erstreckt.

Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums enthält folgende Grundsätze:

Zeiträume bis 31.12.2018: Endgültige Festsetzung

Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 ergeht die Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nun endgültig. Die Vorläufigkeit der Zinsfestsetzungen wird also aufgehoben. Werden etwaige Einsprüche hinsichtlich der Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 nicht zurückgenommen, wird der Einspruch (ggf. durch eine Teileinspruchsentscheidung) als unbegründet zurückgewiesen.

Zeiträume seit 1.1.2019: Festsetzung muss nachgeholt werden

Für Verzinsungszeiträume seit dem 1.1.2019 werden erstmalige Festsetzungen von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ausgesetzt. Die Zinsfestsetzung wird nachgeholt, sobald die Ungewissheit durch eine rückwirkende Gesetzesänderung beseitigt ist.

Bescheide vorläufig

Sind Bescheide vor dem Beschluss des BVerfG ergangen und sind diese noch nicht endgültig, bleiben sie grundsätzlich weiterhin vorläufig, d. h., bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber.

Beachten Sie: Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich nicht auf andere Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung, so z. B. nicht auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen.

Quelle: BMF-Schreiben vom 17.9.2021, IV A 3 – S 0338/19/10004 :005

Umsatzsteuerpflicht: Physiotherapeutische Leistungen ohne ärztliche Verordnung

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat aktuell zur Umsatzsteuerpflicht physiotherapeutischer und allgemein der Gesundheitsförderung dienender Leistungen ohne ärztliche Verordnung entschieden.

Hintergrund: Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, sind von der Umsatzsteuer befreit. Steuerbegünstigt sind aber nur solche Maßnahmen, die ein medizinisch-therapeutisches Ziel verfolgen.

Sachverhalt

Ein Gesundheitsdienstleister im Bereich der Physiotherapie behandelte physiotherapeutische Leistungen an Patienten, die ihre Therapien im Anschluss an eine ärztliche Verordnung auf eigene Rechnung fortgesetzt hatten (Selbstzahler), als umsatzsteuerfrei. Begründung: Es handele sich um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, eine fortlaufende Verordnung sei nicht zwingend erforderlich. Zudem seien gesondert in Rechnung gestellte Nebenleistungen ( u. a. Kinesio-Taping, Wärme- und Kältetherapie, zertifizierte Kurse, Rehasport) ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig, da sie im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungen stünden.

Finanzamt: kein Nachweis für therapeutischen Zweck der Leistungen

Das Finanzamt (FA) vertrat dagegen die Ansicht, der Gesundheitsdienstleister habe für die Umsätze, die auf Selbstzahler entfielen, den therapeutischen Zweck der Leistungen nicht nachgewiesen. Bei den übrigen Leistungen handele es sich um optionale Leistungen und nicht um unselbstständige Nebenleistungen.

Finanzgericht: Rehasport = Heilbehandlung, ärztliche Verordnung nötig

Nach der Entscheidung des FG stellen die im Bereich des Rehasports erbrachten Leistungen steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dar. Dies ist durch die ärztlichen Verordnungen nachgewiesen. Auch die Erlöse von Selbstzahlern sind zum Teil steuerfrei. Der Therapiezweck ist dabei aber nur in den Fällen nachgewiesen, in denen bereits vor der Anschlussbehandlung eine ärztliche Verordnung vorgelegen hat und spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung zur Physiotherapie vorgelegt wurde.

Hinsichtlich der übrigen Leistungen hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn der Gesundheitsdienstleister konnte nicht nachweisen, dass diese Leistungen einen über die allgemeine Gesundheitsförderung hinausgehenden therapeutischen Zweck hatten. Insbesondere lagen keine ärztlichen Verordnungen vor und die Leistungen waren auch nicht unerlässlicher Bestandteil der Leistungen Physiotherapie und Rehasport. (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.4.2021, 1 K 2249/17 U)