Freibeträge: Gilt eine zivilrechtliche Vorversterbensfiktion auch erbschaftsteuerlich?

Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat sich zu dem Begriff „Verstorbener“ im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes (hier: § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) geäußert. Dabei hat es hervorgehoben, dass die durch einen Erbverzicht ausgelöste Vorversterbensfiktion nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht zu einem erbschaftsteuerlichen Freibetrag führt.

In § 16 ErbStG werden die erbschaftsteuerlichen Freibeträge geregelt. Enkeln („Kinder der Kinder“) steht ein Freibetrag i. H. v. 200.000 Euro zu. Anders ist es jedoch, wenn die Kindergeneration zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben ist. Dann steht auch Enkeln der Freibetrag i. H. v. 400 000 Euro zu.

Zivilrechtlich besteht die Möglichkeit, durch einen Erbvertrag auf sein gesetzliches Erbrecht zu verzichten. Folge ist, dass der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge so ausgeschlossen ist, als wenn er zurzeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Er hat auch kein Pflichtteilsrecht. Dieser Erbverzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge. Dies kann aber ausgeschlossen werden.

In diesem Zusammenhang hat das Niedersächsische FG nun entschieden, dass „verstorben“ nicht ist, wer lediglich zivilrechtlich aufgrund eines Erbverzichts als vorverstorben gilt, aber tatsächlich noch lebt. Die durch einen Erbverzicht ausgelöste Vorversterbensfiktion führt also nicht zu einem erbschaftsteuerlichen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Zu dem Fall ist allerdings die Revision anhängig (BFH II R 13/22).

Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.2.2022, 3 K 176/21