Meldepflicht: Termin bei der Agentur für Arbeit versäumt? Kein automatischer Wegfall des Kindergeldes!

Mit (rechtskräftigem) Urteil hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz jetzt entschieden, dass ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind, das keine Leistungen von der Agentur für Arbeit bezieht und lediglich seiner allgemeinen Meldepflicht nicht nachkommt, keine Pflichtverletzung begeht, die zum Wegfall des Kindergeldes führt.

Das war geschehen

Der Kläger erhielt für seine Tochter Kindergeld, die zum 1.1.2016 eine Ausbildung zur Altenpflegerin aufgenommen hatte. Bereits im November 2016 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis wegen einer problematischen Schwangerschaft und meldete sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend. Ende Dezember 2016 meldete die Agentur für Arbeit die Tochter aus der Arbeitsvermittlung ab, weil sie ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Termin erschienen und daher nicht verfügbar gewesen sei. Die Einstellung der Arbeitsvermittlung wurde der Tochter des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt keine Leistungen von der Arbeitsagentur erhielt, nicht bekannt gegeben. In der Zeit von Januar 2017 bis Juni 2017 befand sich die Tochter des Klägers wegen Komplikationen in der Schwangerschaft und einer Darmerkrankung mehrfach in stationärer Behandlung. Ihr Sohn kam im April 2017 als Frühgeburt zur Welt.

Familienkasse wurde tätig

Im Januar 2020 erfuhr die beklagte Familienkasse vom Abbruch der Ausbildung im November 2016. Sie forderte das für die Zeit ab Januar 2017 gezahlte Kindergeld vom Kläger zurück, weil seine Tochter die Berufsausbildung abgebrochen habe und bei der Arbeitsvermittlung nicht bzw. nicht mehr als arbeitsuchendes Kind geführt worden sei.

Finanzgericht: Meldepflicht zwar verletzt…

Dagegen legte der Kläger erfolglos Einspruch ein und erhob dann Klage. Das FG gab der Klage für die Monate Januar 2017 bis Juni 2017 statt, weil der Kläger für diese Monate einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter als arbeitsuchend gemeldetes Kind habe. Die Tochter sei zwar durch die Agentur für Arbeit zum 29.12.2016 aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden, weil sie ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Termin erschienen und daher nicht verfügbar gewesen sei. Die Einstellung der Arbeitsvermittlung sei der Tochter des Klägers allerdings nicht bekannt gegeben worden.

… aber Einstellung der Arbeitsvermittlung nicht bekannt gegeben

Daher sei die Arbeitsagentur nur dann zur Einstellung der Vermittlung berechtigt gewesen, wenn das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hätte. Denn die Pflicht der Arbeitsagentur zur Vermittlung des Arbeitsuchenden bestehe grundsätzlich unbefristet. Bei einem Arbeitsuchenden, der wie die Tochter des Klägers keine Leistungen beziehe, dürfe die Arbeitsagentur die Vermittlung erst dann einstellen, wenn die dem Arbeitsuchenden z.B. in einer Eingliederungsvereinbarung oder in einem förmlichen Bescheid auferlegten Pflichten ohne wichtigen Grund nicht erfüllt worden seien. Eine solche Pflichtverletzung liege hier jedoch nicht vor, weil die Tochter des Klägers lediglich ihrer allgemeinen Meldepflicht im Sinne des Sozialgesetzbuchs (§ 309 SGB III) nicht nachgekommen sei.

Kein Kindergeld nach Vollendung des 21. Lebensjahrs

Für die Monate ab Juli 2017 wurde die Klage abgewiesen, weil die Tochter des Klägers im Juni 2017 ihr 21. Lebensjahr vollendet hatte und ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind kraft Gesetzes nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres berücksichtigt werden kann.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.7.2022, 2 K 2067/20, PM vom 13.7.2022

Bundessozialgericht: Kinderzuschlag grundsätzlich nur für erwerbsfähige Eltern

Kann kein Familienmitglied hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuchs (SGB II) sein, besteht kein Anspruch auf Kinderzuschlag. Dies gilt auch, wenn Grund für die fehlende Hilfebedürftigkeit die mangelnde Erwerbsfähigkeit der Eltern ist. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) nun entschieden.

Die Klägerin Mutter dreier unter 15 Jahre alter Kinder und ihr Ehemann waren beide schon dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Sie waren anders als in der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorausgesetzt nicht erwerbsfähig. Ihr Leistungsvermögen war zeitlich auf unter drei Stunden täglich begrenzt. Hieraus folgt, dass sie auch nicht hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende sein konnten. Damit konnte durch den Kinderzuschlag aber auch Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II weder vermieden noch deren Bestehen ausgeschlossen werden. Dies ist jedoch Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag.

Der Kinderzuschlag hat einen sozialpolitischen Zweck: Es sollen Familien unterstützt werden, bei denen der SGB II-Leistungsbezug sich allein aus dem Bedarf der Kinder ergibt, während die Eltern ihren Bedarf zumindest zum überwiegenden Teil durch Erwerbseinkommen selbst decken können. Da in diesem Fall auch kein anderes Familienmitglied die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II erfüllte, hat das BSG die ablehnenden Entscheidungen der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit und der Vorinstanzen bestätigt.

Quelle: BSG, Urteil vom 13.7.2022, B 7/14 KG 1/21 R, PM 28/22 vom 13.7.2022

Bundesfinanzhof: Kein Kindergeld für Finanzbeamtin im gehobenen Dienst bei nebenberuflichem Studium der Rechtswissenschaften

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entschieden hat, ist eine Kindergeldgewährung wegen eines Jurastudiums des Kindes nicht mehr möglich, wenn das Kind nach Abschluss der Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin ein längerfristiges Dienstverhältnis in der Finanzverwaltung aufnimmt, das deutlich über 20 Wochenarbeitsstunden umfasst, und das Studium nur in den danach verbleibenden arbeitsfreien Zeiten durchführt.

Das war geschehen

Die Klägerin ist die Mutter einer 1999 geborenen Tochter, die im August 2020 ein duales Studium zur Diplom-Finanzwirtin erfolgreich abgeschlossen hatte. Anschließend nahm die Tochter eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung auf, die zunächst 40 Wochenstunden und ab Dezember 2020 28 Wochenstunden umfasste. Im Oktober 2020 begann die Tochter ein Studium der Rechtswissenschaften.

Die Familienkasse lehnte eine Kindergeldgewährung wegen des Universitätsstudiums ab September 2020 ab, da sie der Auffassung war, dass die Tochter ihre Erstausbildung bereits mit dem dualen Studium zur Diplom-Finanzwirtin abgeschlossen habe. Das Studium der Rechtswissenschaften sei eine Zweitausbildung, die wegen der zu umfangreichen Erwerbstätigkeit der Tochter kindergeldrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden könne.

Das sagen die gerichtlichen Instanzen

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der BFH hielt die Revision der Klägerin für unbegründet. Er folgte dem FG im Ergebnis, aber nur teilweise in der Begründung. Volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden nach Abschluss einer Erstausbildung während einer Zweitausbildung kindergeldrechtlich nur berücksichtigt, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgehen. Ob mehrere Ausbildungen zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden können oder es sich um eine Erst- und eine Zweitausbildung handelt, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst setzt eine einheitliche Erstausbildung einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten voraus. Diesen hatte das FG im Hinblick auf den kurzen zeitlichen Abstand und die inhaltliche Nähe der beiden Studiengänge zu Recht bejaht. Zudem muss die Ausbildung im zweiten Abschnitt noch die Haupttätigkeit des Kindes darstellen und nicht hinter die Erwerbstätigkeit zurücktreten. Insofern ist eine Gesamtbetrachtung durchzuführen.

Keine Erstausbildung und Umfang von 20 Wochenstunden überschritten

Da das FG festgestellt hat, dass die Tochter bereits ein längerfristiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen hatte, für das der Ausbildungsberuf „Diplom-Finanzwirtin“ Voraussetzung war, allenfalls gleichviel Zeit in die Ausbildung und in die Erwerbstätigkeit investierte und sich die Ausbildungszeiten nach den arbeitsfreien Zeiten richteten, sprach die Gesamtbetrachtung für eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung (Zweitausbildung). Daher kam es auf den Umfang der Erwerbstätigkeit an, der über der Grenze von 20 Wochenstunden lag.

Quelle: BFH, Urteil vom 7.4.2022, III R 22/21, PM 29/22 vom 28.7.2022

Inhaltsirrtum: Wenn die Erbausschlagung missglückt…

Ein Irrtum über die Person desjenigen, dem die Ausschlagung der Erbschaft zugutekommt, berechtigt nicht zur Anfechtung. Es handelt sich dabei lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm.

Die Kinder der Ehefrau des Erblassers hatten das Erbe mit dem Ziel ausgeschlagen, die Alleinerbenstellung der Mutter zu erreichen. Sie hatten dabei aber verkannt, dass sich dann noch die Frage nach anderen gesetzlichen Erben der ersten und zweiten Ordnung stellt. Die auf diese Erkenntnis folgende Anfechtung der Erbausschlagung hat das OLG zurückgewiesen.

Man kann aber auch anderer Meinung sein. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden, dass ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum vorliegt, wenn der (auch rechtskundig beratene) Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen, sondern wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt.

Beachten Sie: Bei Erbausschlagungen ist also stets Vorsicht geboten.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 21.4.2022, 15 W 51/19; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 21.9.2017, 3 Wx 173/17 und vom 12.3.2019, 3 Wx 166/17

Erbschaft: Vermächtnisnehmer ist nicht am Verfahren zur Ernennung des Testamentsvollstreckers zu beteiligen

Der Vermächtnisnehmer ist an dem Verfahren des Nachlassgerichts zur Ernennung des Testamentsvollstreckers und zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht zu beteiligen. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.

Der Vermächtnisnehmer war durch letztwillige Verfügung des Erblassers mit zwei Vermächtnissen bedacht worden. Das eine Vermächtnis räumt ihm das lebenslange Recht ein, eine Wohnung des Erblassers sowie ein zu dieser Wohnung gehörendes Zimmer unentgeltlich zu bewohnen. Das zweite Vermächtnis bezieht sich auf die Wohnungseinrichtung nebst dem dazugehörigen Hausrat. Der Erblasser hatte zudem einen Testamentsvollstrecker berufen. Das notariell beurkundete Testament sieht dazu eine Abwicklungsvollstreckung sowie nach erfolgter Erbauseinandersetzung eine daran anschließende Dauervollstreckung vor, diese allerdings befristet.

Das Amtsgericht (AG) führt den Vorgang über die Ernennung des Testamentsvollstreckers und die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses. Der Vermächtnisnehmer möchte an beiden Verfahren beteiligt werden und begehrt, die betreffenden Akten des Nachlassgerichts einzusehen.

Nach Ansicht des OLG ist er aber nicht zu beteiligen. Das Gesetz (hier: § 345 des „Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ FamFG) liste für verschiedene Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit abschließend die Personen auf, die von Amts wegen oder auf Antrag hinzugezogen werden müssen und die das Gericht darüber hinaus am Verfahren beteiligen kann.

Das Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers und zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses sei in Absatz 3 der o. g. Vorschrift geregelt. An jenem Verfahren sei der Testamentsvollstrecker zwingend beteiligt. Daneben könne das Gericht die Erben und einen etwaigen Mitvollstrecker hinzuziehen. Auf ihren Antrag hin seien diese Personen zu beteiligen. Ein Recht auf Einsicht in die Testamentsvollstreckerakte könne sich zwar ergeben, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse an der Einsicht glaubhaft gemacht werden kann. Der Vermächtnisnehmer habe hier aber weder dargelegt noch sei sonst ersichtlich, inwieweit es ihm die Akteneinsicht erleichtern könnte, seinen Anspruch aus den beiden Vermächtnissen durchzusetzen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.22, I-3 Wx 86/21

10-jährige Haltefrist: Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim

Ein Erbe verliert nicht die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim, wenn ihm die eigene Nutzung des Familienheims aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entschieden.

Die Klägerin hatte das von ihrem Vater ererbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. Die Klägerin machte gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht (FG) erfolglos geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesundheitszustands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können. Das FG war der Ansicht, das sei kein zwingender Grund für den Auszug, da sich die Klägerin fremder Hilfe hätte bedienen können.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. „Zwingend“, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung, genügten zwar nicht. Anders liege es, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Fortnutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedürfe, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung zu sprechen sei. Das FG muss deshalb unter Mitwirkung der Klägerin das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen prüfen.

Quelle: BFH, Urteil vom 1.12.21, II R 18/20, PM 28/22 vom 7.7.2022

Scheidung und Versorgungsausgleich: Wenn sich die Ehefrau von ihrem inhaftierten Mann trennen möchte …

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat nun entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Trennungswille eines Ehegatten zu erkennen ist, wenn der andere inhaftiert ist.

Die Eheleute schlossen 2002 die Ehe. Der Ehemann hatte keine abgeschlossene Ausbildung, war seit Jahren drogenabhängig und führte nur kurzzeitige Hilfstätigkeiten aus. Die Ehefrau war hingegen durchgehend berufstätig. 2020 wurde dem Mann, der eine Haftstrafe verbüßte, der Scheidungsantrag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) zugestellt. Das Amtsgericht (AG) hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Mannes blieb erfolglos.

Eine Ehe kann erst nach Abschluss des Trennungsjahrs geschieden werden. Fehlt das tägliche Zusammenleben, ist darauf abzustellen, wann der Trennungswille des einen Ehegatten für den anderen erkennbar war. Von dem Trennungswillen der Ehefrau hat der Mann jedenfalls mit Zugang des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe für den beabsichtigten Scheidungsantrag erfahren. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens ist daher das Trennungsjahr abgelaufen.

Die Ehefrau hatte Beschwerde eingelegt, da sie den Versorgungsausgleich für grob unbillig hielt. Das OLG sah dies anders. Die Erwerbslosigkeit und die Straftaten des Mannes schließen den Versorgungsausgleich nicht wegen grober Unbilligkeit aus. Für das Gericht war wichtig: Der Ehefrau war bei der Heirat bekannt, dass aufgrund der Drogenabhängigkeit ihres Mannes, der über keine Ausbildung verfügt, voraussichtlich nicht mit erheblichen Rentenanwartschaften zu rechnen ist. Daran hat sich während der Ehe nichts Wesentliches geändert.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.4.2021, 2 UF 159/20

Adoptionsverfahren: Stiefkindadoption, wenn der leibliche Vater inhaftiert ist

Heutzutage gibt es immer mehr „Patchwork“-Familien. In manchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob die Adoption eines Kindes durch den neuen Lebenspartner des einen Elternteils in Frage kommt. Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg kürzlich in einem interessanten Fall entschieden.

Adoption: Kindeswohl steht im Vordergrund

Grundsätzlich kann eine Adoption ausgesprochen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Vor allem bei der Stiefkindadoption ist das schützenswerte Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der familiären Bande zu seinem leiblichen anderen Elternteil zu beachten, wenn dieses Band infolge der Stiefkindadoption durchtrennt würde. Für die Adoption des Kindes durch den Stiefelternteil kann dabei etwa sprechen, dass zwischen Kind und dem durch die Adoption zurücktretenden leiblichen Elternteil keine Beziehung (mehr) besteht, etwa weil dieser verstorben oder unbekannt ist oder die Beziehung so stark gelockert ist, dass sich das zwischen dem Kind und dem leiblichen Elternteil bestehende Eltern-Kind-Verhältnis nur noch als leere rechtliche Hülle darstellt. Als gewichtiger Vorteil der Annahme als Kind kann sich in diesem Fall der Umstand erweisen, dass der Stiefelternteil nach der Annahme des Kindes eine bisher bereits faktisch gemeinsam wahrgenommene elterliche Verantwortung auch rechtlich in Gestalt der gemeinsamen elterlichen Sorge ausüben kann.

Das war geschehen

In dem vom OLG entschiedenen Fall beantragte der Stiefvater eines achtjährigen Kindes die Adoption. Der leibliche Vater ist seit 2016 inhaftiert und hat der Adoption zunächst widersprochen.

Das Amtsgericht (AG) Familiengericht hatte den Antrag des Stiefvaters auf Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Vaters nach Einholung einer fachlichen Stellungnahme des Jugendamtes und mit der nun angefochtenen Entscheidung auch den Antrag des Antragstellers auf Adoption mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle die Einwilligung des leiblichen Vaters.

Leiblicher Vater: Einwilligung zur Adoption zurückgenommen

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG hat der leibliche Vater zunächst seine Einwilligung in die Adoption erklärt, diese aber im Hinblick auf die erwartete Haftentlassung wieder zurückgenommen. Das OLG hat die Beschwerde des Stiefvaters mit der Begründung zurückgewiesen, dass der durch den Ausspruch der Adoption eventuell entstehende Vorteil den Nachteil des irreversiblen Abschneidens des rechtlichen Bandes des Kindes zu seinem leiblichen Vater und dessen Verwandten nicht ausgleichen kann.

Kindeswunsch: mehr Kontakt zu leiblichem Vater

Das Kind habe zwar erklärt, dass sich der von ihm ebenfalls als „Papa“ bezeichnete Stiefvater sehr gut um es kümmere, indem er z.B. für das Kind koche und es zur Schule bringe. Das Kind hatte aber ebenso auch den Wunsch geäußert, häufiger Kontakt zu seinem leiblichen Vater haben zu können und diesen ebenfalls als Vater angesehen.

Oberlandesgericht: Hier kann man auf eine Adoption verzichten

Das OLG hat die Zurückweisung des Adoptionsantrags weiter damit begründet, dass das Gesetz auch den Stiefeltern z.B. in Angelegenheiten des täglichen Lebens weitreichende rechtliche Befugnisse einräume. Folglich müsse immer geprüft werden, ob diese rechtliche Flankierung der Stiefeltern nicht ausreichend sei, um dem Interesse des Kindes an der Verfestigung einer zum Stiefelternteil bestehenden sozialen Eltern-Kind-Beziehung Genüge zu tun und deshalb auf eine Adoption verzichtet werden könne. Dies sei vorliegend der Fall.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 8.4.2022 4 UF 101/21, PM 26/22

Erbschaftsteuer: Urenkel sind keine Enkel: Das gilt auch im Steuerrecht

Urenkel haben auch bei Vorversterben beider vorangegangener Generationen keinen Anspruch auf einen höheren Freibetrag als den von 100.000 Euro nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Das hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden.

Die Erblasserin hatte eine Stieftochter und einen Stiefenkel, den Vater der Klägerin, die beide vor dem Tod der Erblasserin verstorben sind. Das Finanzamt berücksichtigte einen Freibetrag von 100.000 Euro nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, die Klägerin begehrte allerdings erfolglos den Ansatz des Freibetrags von 200.000 Euro nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, da sowohl ihr Vater als auch ihre Großmutter bereits vorverstorben seien. Der Freibetrag für Kinder verstorbener Kinder gelte auch für Urenkel. Doch das FG sah das anders. Das FG folgt damit der bereits im AdV-Beschluss (AdV=Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) des Bundesfinanzhofs (BFH) vorgenommenen Auslegung, sodass der BFH voraussichtlich eine Revision zurückweisen dürfte. Bei Schenkungen durch vermögende Urgroßeltern sollte also darauf geachtet werden, dass der für jeweils ein Urenkelkind vorgesehene Anteil den Freibetrag von 100.000 Euro nicht überschreitet, damit Freibeträge optimal ausgeschöpft werden können.

Das FG hat die Revision zugelassen.

Quelle: FG Niedersachsen, Urteil vom 28.2.2022, 3 K 210/21

Unterhaltsverpflichtung: Höhe des Kindesunterhalts und mietfreies Wohnen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Das mietfreie Wohnen beeinflusst nicht die Höhe des Kindesunterhalts.

Die Mutter und der Vater sind miteinander verheiratet, leben aber getrennt. Sie haben drei minderjährige Kinder. Sie leben seit der Trennung in einer Immobilie, die zu 60 % im Miteigentum des Vaters und zu 40 % im Miteigentum der Mutter steht. Weder Ehegattenunterhalt noch Nutzungsentschädigung werden verlangt oder gezahlt.

Der Vater verpflichtete sich, für die Kinder ab dem 1.4.2016 115 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Die Mutter wollte jedoch, dass jeweils 128 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle ab dem 1.8.2016 zu zahlen sind. Zudem hat sie für zwei Kinder Mehr- und für ein Kind Sonderbedarf wegen einer kieferorthopädischen Behandlung geltend gemacht. Der Vater ist als Bundesbeamter in der Informationstechnik, die Mutter ist in Teilzeit mit 25 Stunden wöchentlich beruflich tätig.

Die Frage der teilweisen Deckung des Bedarfs mittels teilweiser Gewährung einer Wohnung wirkte in diesem Fall auf den gesamten Unterhaltsanspruch aus. Der BGH entschied dies, wie eingangs beschrieben. Er stellte klar: Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum wird vorrangig im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen. Ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich kann auch darin bestehen, dass der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwerts keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht.

Der BGH weiter: Die Eltern können eine nach den Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls auch konkludente Vereinbarung darüber treffen, dass die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden. Für die Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs aufgrund einer solchen Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast. Bevor die Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf bestimmt wird, ist von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern zu bestimmten. Hiervon abzuziehen sind das hälftige auf den Barunterhalt entfallende Kindergeld und der vom Kindesvater geleistete Barunterhalt. In der verbleibenden Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen.

Quelle: BGH, Beschluss vom 18.5.2022, XII ZB 325/20