Gemeinnützige Körperschaft: Unverhältnismäßig hohe Geschäftsführervergütungengefährden die Gemeinnützigkeit

Gewährt eine gemeinnützige Körperschaft ihrem Geschäftsführer unverhältnismäßig hohe Tätigkeitsvergütungen, liegen sogenannte Mittelfehlverwendungen vor, die zum Entzug ihrer Gemeinnützigkeit führen können. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) aktuell entschieden.

Ob im Einzelfall unverhältnismäßig hohe Vergütungen anzunehmen sind, ist durch einen Fremdvergleich zu ermitteln. Als Ausgangspunkt hierfür können allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden, ohne dass dabei ein „Abschlag“ für Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen vorzunehmen ist.

Da sich der Bereich des Angemessenen auf eine Bandbreite erstreckt, sind nur diejenigen Bezüge als unangemessen zu bewerten, die den oberen Rand dieser Bandbreite um mehr als 20 % übersteigen. Liegt ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt vor, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Entzug der Gemeinnützigkeit allerdings erst gerechtfertigt, wenn es sich nicht lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot handelt.

Im Streitfall hatte das Finanzamt einer gGmbH wegen unangemessen hoher Geschäftsführerbezüge die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2005 bis 2010 versagt. Das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern hatte die dagegen erhobene Klage abgewiesen, was der BFH im Wesentlichen bestätigte. Die Revision war nur in Bezug auf die Jahre 2006 und 2007 erfolgreich, weil das FG für 2006 nicht berücksichtigt hatte, dass die Angemessenheitsgrenze nur geringfügig (um ca. 3.000 EUR) überschritten war und es für 2007 unterlassen hatte, bei der Angemessenheitsprüfung einen Sicherheitszuschlag anzusetzen. (BFH, Urteil vom 12.3.2020, V R 5/17)

Umsatzsteuer: Keine Rechnungsberichtigungbei unzureichender Leistungsbeschreibung

Ein Dokument ist nur dann eine Rechnung und damit rückwirkend berichtigungsfähig, wenn es eine Leistungsbeschreibung enthält. Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun klargestellt, dass eine ganz allgemein gehaltene Leistungsbeschreibung („Produktverkäufe“) nicht ausreicht.

War der Vorsteuerabzug z. B. wegen einer unvollständigen Rechnung unzutreffend, kann dies zu hohen Nachzahlungszinsen führen. Es besteht aber eine Berichtigungsmöglichkeit, wenn das Ursprungsdokument umsatzsteuerrechtlich eine Rechnung darstellt. Dies ist der Fall, wenn es folgende Mindest-Bestandteile enthält:

  • Rechnungsaussteller,
  • Leistungsempfänger,
  • Leistungsbeschreibung,
  • Entgelt,
  • gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.

Der Bundesfinanzhof fordert in diesem Zusammenhang nicht die inhaltliche Richtigkeit der Angaben. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass Angaben im Hinblick auf die Mindest-Bestandteile derart ungenau oder falsch sind, dass sie einem Fehlen dieser Angaben gleichzusetzen sind.

So verhält es sich, wenn sich aus der Abrechnung keinerlei Anhaltspunkte für die Art des gelieferten Gegenstands oder der sonstigen Leistung ergeben. Nach diesen Maßstäben fehlte es im Streitfall an einer berichtigungsfähigen Rechnung. Denn die Angabe „Sales Products“ nimmt Bezug auf Produktverkäufe, lässt jedoch die Art der verkauften Produkte gänzlich offen. (BFH, Urteil vom 12.3.2020, V R 48/17)

Kommanditgesellschaft: Sozialversicherungspflicht: Kommanditist einer KGkann abhängig beschäftigt sein

Ob der Kommanditist einer Kommanditgesellschaft (KG) im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses sozialversicherungspflichtig mitarbeitet oder ob er in seiner ausgeübten Tätigkeit selbst handelnder Mitunternehmer ist, beurteilt sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls. Darauf hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hingewiesen und einen Kommanditisten im Streitfall als abhängig Beschäftigten eingestuft.

Für die Abgrenzung kommt es nach Ansicht des LSG darauf an, ob das Tätigwerden des Kommanditisten auf der Verpflichtung als Gesellschafter beruht, d. h., ob sich die Pflicht zur Arbeitsleistung ausschließlich und unmittelbar aus dem Gesellschaftsverhältnis ergibt oder ob seine Tätigkeitspflicht auf einem Vertrag über eine Mitarbeit gründet.

Gemessen daran war der Kommanditist im Streitfall im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die KG tätig. Der Gesellschaftsvertrag begründete keine Dienstleistungspflicht des Kommanditisten. Es war nicht geregelt, dass die Kommanditisten mitarbeiten mussten. Der Kommanditist wurde vielmehr aufgrund einer eigenständigen Rechtsbeziehung mit der KG tätig. Das wird auch dadurch belegt, dass nicht alle Kommanditisten der KG eine Tätigkeitsvergütung erhielten. Eine solche erhielten nur die mitarbeitenden Kommanditisten.

Beachten Sie: Des Weiteren war der Kommanditist in den Betrieb der KG funktionsgerecht dienend eingegliedert und trug auch nur ein begrenztes Unternehmerrisiko. (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.7.2020, L 5 BA 4158/19)

Unzulässige Werbung: Werbung mit Brillengeschenk an „Corona-Helden“nicht erlaubt

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat entschieden: Ein Unternehmen, das Augenoptikfachgeschäfte betreibt, darf auf seiner Website nicht mit Brillengeschenken für Angehörige bestimmter Berufsgruppen werben.

Das Unternehmen hatte mit einer Gratisbrille für „unsere Helden – exklusiv für Pflegerinnen, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte“ geworben. Das OLG Stuttgart hat anders als vor ihm das Landgericht (LG) diese Werbung untersagt.

Das schloss das Gericht aus den einschlägigen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Bei der Werbung handele es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung, da die kostenlose Abgabe von Brillen gegen das HWG verstoße. Danach ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) für Medizinprodukte wie Brillen anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit die Werbemittel nicht unter die dort genannten Ausnahmetatbestände fallen. Das OLG: Hier liege auch eine von dem Verbot erfasste Produktwerbung vor, da das Optikunternehmen damit für sein Produktsortiment mit bestimmten Kollektionen und Gläsern einer bestimmten Marke werbe. Somit liege hier nicht bloß erlaubte allgemeine Firmenwerbung vor.

Zudem handle es sich bei der kostenlosen Abgabe einer Brille, auch im Rahmen einer Dankesaktion für „Corona-Helden“, um eine Werbegabe. Diese könne Werbeadressaten unsachgemäß beeinflussen. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu entschieden: Eine unmittelbare Kopplung zwischen dem Erhalt der Werbegabe und einer Kaufentscheidung wird für das Bestehen der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung nicht vorausgesetzt. Vielmehr genüge allein die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Beschenkten (sog. Publikumswerbung).

Diese Gefahr liege hier darin, dass sich der durch die Werbung Angesprochene für die Leistung (Brillengestell und Glas) entscheide, ohne die Mitbewerberprodukte mit in seine Entscheidung einzubeziehen. Daneben sei es denkbar, dass die Beschenkten aus Dankbarkeit weitere Brillen der Beklagten kaufen.

Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel. (OLG Stuttgart, Urteil vom 6.8.2020, 2 W 23/20)

Vermieter: Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen

Verluste aus der Vermietung einer Ferienwohnung sind steuerlich nur anzuerkennen, wenn eine Einkünfteerzielungsabsicht besteht. Zu dem Kriterium der „ortsüblichen Vermietungszeit“ liefert die aktuelle Rechtsprechung neue Erkenntnisse.

Bei dauerhafter Vermietung eines bebauten, Wohnzwecken dienenden Grundstücks ist auch bei dauerhaft erzielten Verlusten regelmäßig von einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen, ohne dass es einer zu erstellenden Überschussprognose (grundsätzlich für einen Zeitraum von 30 Jahren) bedarf.

Bei der Vermietung von Ferienwohnungen sind weitere Punkte zu berücksichtigen: Eine Einkünfteerzielungsabsicht kann nur unterstellt werden, wenn die Ferienwohnung im ganzen Jahr bis auf ortsübliche Leerstandszeiten an wechselnde Feriengäste vermietet und nicht für eine (zeitweise) Selbstnutzung vorgehalten wird. Ob der Steuerpflichtige von seinem Eigennutzungsrecht Gebrauch macht, ist insoweit unerheblich.

Zudem darf die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind nicht erheblich unterschritten werden. Die Unterschreitensgrenze liegt bei mindestens 25 %.

Als Vergleichsmaßstab ist so die Ansicht des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern auf die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen, nicht hingegen auf die ortsübliche Auslastung der insgesamt angebotenen Betten/Schlafgelegenheiten (Hotels, Gasthöfe, Pensionen, Ferienunterkünfte und sonstige Unterkünfte) abzustellen. Die Auslastungszahlen von Hotels sowie Gasthöfen sind mit denjenigen von Ferienwohnungen nicht vergleichbar.

Die hiergegen vom Finanzamt eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun als unbegründet zurückgewiesen. Hervorzuheben sind folgende Punkte:

  • Zur Prüfung der Auslastung einer Ferienwohnung sind die individuellen Vermietungszeiten des jeweiligen Objekts an Feriengäste mit denen zu vergleichen, die bezogen auf den gesamten Ort im Durchschnitt erzielt werden. Dabei ist „Ort“ nicht identisch mit dem Gebiet einer Gemeinde. Er kann (je nach Struktur des lokalen Ferienwohnungsmarktes) auch das Gebiet einer oder mehrerer (vergleichbarer) Gemeinden oder aber auch nur Teile einer Gemeinde oder gar nur den Bereich eines Ferienkomplexes umfassen.
  • Das Finanzgericht kann auf Vergleichsdaten eines Statistikamts auch dann zurückgreifen, wenn diese Werte für den betreffenden Ort nicht allgemein veröffentlicht, sondern nur auf Nachfrage zugänglich gemacht werden.
  • Die Bettenauslastung kann Rückschlüsse auf die ortsübliche Vermietungszeit zulassen.
  • Individuelle Vermietungszeiten einzelner anderer Vermieter von Ferienwohnungen im selben „Ort“ genügen nicht. (BFH, Urteil vom 26.5.2020, IX R 33/19, Abruf-Nr. 217364; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.10.2019, 3 K 276/15)

Einkommensteuer: Entlastungsbetrag für Alleinerziehendeauch im Trennungsjahr möglich?

Alleinerziehende Steuerpflichtige, die im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Kind leben, erhalten auf Antrag einen Entlastungsbetrag nach dem Einkommensteuergesetz (§ 24b EStG), der von der Summe der Einkünfte abgezogen bzw. im Lohnsteuerverfahren berücksichtigt wird. Dieser Betrag wurde kürzlich durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz von 1.908 EUR auf 4.008 EUR erhöht (gilt für 2020 und 2021). In diesem Zusammenhang stellt sich eine interessante Frage: Ist ein Entlastungsbetrag auch im Trennungsjahr möglich?

Hat sich ein Steuerpflichtiger z. B. im Laufe des Jahres 2020 von seinem Ehegatten getrennt und beantragt anschließend den anteiligen Entlastungsbetrag, wird das Finanzamt dies aufgrund der Weisungslage des Bundesfinanzministeriums ablehnen. Denn anspruchsberechtigt sind grundsätzlich nur Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für das Splitting-Verfahren erfüllen. Als alleinstehend gelten verheiratete Steuerpflichtige, wenn sie seit mindestens dem vorangegangenen Veranlagungszeitraum dauernd getrennt leben.

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen ist da anderer Meinung: Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende kann bei Wahl der Einzelveranlagung im Trennungsjahr zeitanteilig für die Monate des Alleinstehens gewährt werden. Steuerpflichtige haben im Trennungsjahr die Wahl zwischen der Zusammenveranlagung und keinem Entlastungsbetrag und der Einzelveranlagung mit anteiligem Entlastungsbetrag.

Beachten Sie: Ist die Einzelveranlagung mit anteiligem Entlastungsbetrag günstiger als die Zusammenveranlagung, sollte der Entlastungsbetrag beantragt werden. Lehnt das Finanzamt das ab, muss dann unter Verweis auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren Einspruch eingelegt werden. (FG Niedersachsen, Urteil vom 18.2.2020, 13 K 182/19, Rev. BFH III R 17/20)

Steuerhinterziehung: Influencerin spritzt illegal Lippen aufund hinterzieht die Erlöse

Das Landgericht (LG) Bochum verurteilte eine Influencerin wegen Körperverletzung und Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft und Einziehung von Erlösen in Höhe von rund 30.000 Euro. Die Angeklagte hatte Unterspritzungen von Lippen mit Hyaluronsäurepräparaten bzw. „Fettwegspritzen“ an zahlreichen Kundinnen u. a. in Hotels und Diskotheken durchgeführt, ohne Ärztin oder zugelassene Heilpraktikerin zu sein. Für die so erzielten Umsatzerlöse hatte sie keine Umsatzsteuer abgeführt.

Die Influencerin erzielte in den Jahren 2017 bis 2019 rund 430.000 Euro an Umsatzerlösen. Eine Steuerbefreiung für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin kam hier nicht in Betracht, da keine Heilbehandlungen, sondern mangels medizinischer Indikation rein kosmetische Eingriffe vorlagen. Dass ihre Tätigkeit wegen fehlender Zulassung als Heilpraktikerin gesetzlich verboten war, blieb hier unerheblich. Aber: Auch verbotenerweise erzielte Umsätze unterliegen der Steuerpflicht. (LG Bochum, Urteil vom 13.11.2019, 10 KLs-49 Js 123/18-12/19)

Corona-Pandemie: Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfeund weitere Entlastungen gehen in die Verlängerung

Die Bundesregierung hat sich am 25.8.2020 darauf verständigt, das Kurzarbeitergeld zu verlängern. Zudem sollen weitere Maßnahmen ausgedehnt werden, um die Corona-Auswirkungen abzufedern. Hier die wichtigsten Punkte:

Kurzarbeitergeld

Die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld wird für Betriebe, die bis zum 31.12.2020 Kurzarbeit eingeführt haben, auf bis zu 24 Monate verlängert (längstens bis zum 31.12.2021).

Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bis zum 30.6.2021 vollständig erstattet werden. Vom 1.7.2021 bis längstens zum 31.12.2021 sollen für alle Betriebe, die bis zum 30.6.2021 Kurzarbeit eingeführt haben, die Beiträge zur Hälfte erstattet werden. Eine Erhöhung auf 100 % ist möglich, wenn eine Qualifizierung während der Kurzarbeit erfolgt.

Die mit dem Sozialschutz-Paket II erfolgte Erhöhung des Kurzarbeitergelds auf

  • 70 % (bzw. 77 % für Beschäftigte mit mindestens einem Kind) ab dem 4. Monat und
  • 80 % (bzw. 87 % für Beschäftigte mit mindestens einem Kind) ab dem 7. Monat

soll bis zum 31.12.2021 für alle Beschäftigten verlängert werden, deren Anspruch bis zum 31.3.2021 entstanden ist.

Von den bestehenden befristeten Hinzuverdienstmöglichkeiten wird die Regelung, dass geringfügig entlohnte Beschäftigungen generell anrechnungsfrei sind, bis zum 31.12.2021 verlängert.

Überbrückungshilfe

Die Laufzeit der Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Betriebe soll bis zum 31.12.2020 verlängert werden. Bislang umfasste das Programm nur die Monate von Juni bis August 2020.

Weitere Entlastungen im Überblick

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Antragsgrund der Überschuldung soll bis zum 31.12.2020 ausgedehnt werden.

Künstler, Kleinselbstständige und Kleinunternehmer sollen durch großzügigere Regelungen beim Schonvermögen einen leichteren Zugang zur Grundsicherung erhalten. Auch der wegen der Corona-Krise insgesamt erleichterte Zugang zur Grundsicherung soll verlängert werden.

Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf Kinderkrankengeld, der angesichts der Corona-Krise zum Teil nicht ausreicht. Deshalb soll das Sozialgesetzbuch V dahingehend geändert werden, dass das Kinderkrankengeld im Jahr 2020 für jeweils fünf weitere Tage (für Alleinerziehende weitere 10 Tage) gewährt wird. (Koalitionsausschuss vom 25.8.2020, Tagesordnungspunkt 2: Befristete Corona-bedingte Vorhaben; 993. Sitzung des Bundesrats am 18.9.2020)

„Raserparagraf“: Illegale Autorennen: Wann liegen sie vor, wann nicht?

Die beiden Oberlandesgerichte (OLG) Köln und Zweibrücken haben sich mit Fragen im Zusammenhang mit der neuen Vorschrift im Strafgesetzbuch (§ 315d StGB: Verbotene Kraftfahrzeugrennen) zu illegalen Autorennen befasst.

Nicht erforderlich für das Vorliegen eines solchen Rennens ist ein „Wettbewerb“. Allerdings muss der Täter mit der Absicht handeln, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dabei wird auf die relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit abgestellt, die sich aus der Zusammenschau der fahrzeugspezifischen Beschleunigung bzw. Höchstgeschwindigkeit, des subjektiven Geschwindigkeitsempfindens, der Verkehrslage und der Witterungsbedingungen oder der Ziele und Beweggründe der Geschwindigkeitsübertretung ergibt.

Unerheblich ist, ob der Täter die Leistungsfähigkeit seines Fahrzeugs vollständig ausreizt. Und: Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss auch nicht Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein. Vielmehr kann das Bestreben, möglichst schnell voranzukommen, auch von weitergehenden Zielen begleitet sein, ohne dass dadurch der Renncharakter verloren geht (z. B. bei einer „Polizeiflucht“). (OLG Köln, Urteil vom 5.5.2020, 1 RVs 45/20, Abruf-Nr. 216402; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.5.2020, 1 OLG 2 Ss 34/20)

Haftungsrecht: Klassiker: Crash mit der geöffneten Autotür

Wer kennt die folgende Situation nicht: Ein Autofahrer will aussteigen und öffnet die Autotür. In diesem Moment fährt ein anderes Fahrzeug vorbei. Wenn es schlecht läuft, stößt der Vorbeifahrende mit der sich öffnenden Tür zusammen. Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat in einem solchen Fall über die Haftungsquoten entschieden. Das Ergebnis mag manchen überraschen.

Der Kläger hatte am Fahrbahnrand gehalten. Er wollte aussteigen und öffnete die Fahrzeugtür. Da kam es zur Kollision mit einem in diesem Moment vorbeifahrenden Pkw. Am Pkw des Klägers entstand erheblicher Sachschaden. Die Parteien stritten darüber, wie weit der Kläger die Tür geöffnet hatte und ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte. Das AG: Der Kläger war beim Aussteigen aus dem Pkw unachtsam. Er hatte den Unfall überwiegend selbst verschuldet.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten. Er muss den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Er darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht entsprochen.

Aber: Der Beklagte hat den Unfall mitverursacht. Er ist ohne ausreichenden Seitenabstand an dem parkenden Fahrzeug vorbeigefahren. Er hat den klägerischen Pkw nur mit einem Seitenabstand von 30 bis 35 Zentimetern passiert. Das war zu wenig.

Das AG sah den Verstoß des Klägers als schwerer an. Er war es, der die Gefahrensituation erst heraufbeschworen hat. Bei regelkonformem Verhalten wäre es nicht zum Unfall gekommen. Demgegenüber hat der Beklagte lediglich einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Nach Ansicht des Gerichts war die Haftung daher im Verhältnis 1/3 : 2/3 zulasten des Klägers zu verteilen. (AG Frankenthal, Urteil vom 26.6.2020, 3c C 61/19)