Hilfsbereitschaft: Gerissenes Abschleppseil: Wer gezogen wird, haftet

Bei einem privaten Abschleppvorgang aus Hilfsbereitschaft riss die Abschleppöse beim gezogenen Fahrzeug ab. Infolge der Spannung schleuderte das Seil nach vorn und beschädigt das ziehende Fahrzeug. Wer muss in einem solchen Fall den Schaden begleichen? Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Regensburg entschieden.

Im Rechtsstreit ließ sich auch unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen nicht mehr klären, warum die Abschleppverbindung gerissen ist. Ein Fehler des einen oder des anderen Fahrers hatte weder eine Partei vorgetragen noch nachgewiesen.

Das AG sah keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Die Risiken eines solchen Vorgangs seien viel zu groß, als dass man von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis ausgehen könne. Weil beide Fahrer angaben, der Abschleppvorgang sei normal verlaufen, es sei insbesondere nicht zu heftig angefahren worden, ordnete das Gericht den Schadeneintritt für den Ziehenden als ein unabwendbares Ereignis ein. So blieb nur die Betriebsgefahr des geschleppten Fahrzeugs. Das überraschende Ergebnis: 100 Prozent Haftung zulasten des gezogenen Fahrzeugs.

Quelle: AG Regensburg, Urteil vom 21.7.2022, 9 C 56/22

Betriebsgefahr: Rettungswagen im Einsatz: Bei Unfall Schmerzensgeld möglich

Rettungswagen sollen Leib und Leben von Menschen retten und schützen. Manchmal kann es bei einem Einsatz aber auch zu Personenschäden kommen. So geschah es in einem vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschiedenen Fall, in dem das OLG den Rettungsdienst verurteilte, Schmerzensgeld zu zahlen.

Der Fahrer eines Rettungswagens wollte bei einem Einsatz mehrere Radfahrer überholen, darunter die Klägerin. Das Martinshorn war eingeschaltet. Es gab insgesamt nur wenig Platz. Die 72-jährige Klägerin wollte in dieser Situation absteigen und kam dabei zu Fall. Zu einer Kollision war es nicht gekommen. Die Frau brach sich den Fußknöchel und musste zwei Wochen einen Gipsverband tragen sowie im Anschluss noch zwei Monate einen speziellen Strumpf.

Das Landgericht (LG) hatte eine Haftung des Rettungsdienstes abgelehnt. Mit ihrer Berufung hatte die Klägerin vor dem OLG Erfolg. Dieses entschied: Bei dem Vorfall habe sich die sog. „Betriebsgefahr“ des Rettungswagens realisiert, also die typischerweise einem Kfz beim Betrieb innewohnende Gefahr. Dies gelte, auch wenn es nicht zu einer Kollision gekommen sei. Denn der Rettungswagen habe dennoch zu dem Unfall beigetragen, indem er das Ausweichmanöver und das Absteigen der Klägerin veranlasst habe. Ein Schaden sei bereits dann „beim Betrieb“ eines Kfz entstanden, wenn sich die von dem Kfz ausgehende Gefahr überhaupt ausgewirkt habe. Das sei hier der Fall. Die Klägerin habe die Verkehrslage zu Recht als gefährlich empfunden und sei deswegen abgestiegen.

Das OLG hat die Betriebsgefahr mit 20% Haftungsquote bewertet und der Radfahrerin ein Schmerzensgeld von 2.400 Euro zugesprochen. Darüber hinaus erhält sie auch ihren materiellen Schaden zu 20% ersetzt, ebenso wie die Kosten für ihren Rechtsanwalt.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 17.5.2022, 2 U 20/22, PM vom 27.9.2022

Nutzungsausfallentschädigung: Porsche-Fahrer muss mit Ford Mondeo zurechtkommen

Ist einem Unfallgeschädigten während der Reparaturzeit des beschädigten Fahrzeugs die Nutzung eines Zweitwagens möglich und zumutbar, besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung gegen den Schädiger. Bei Beschädigung eines Porsche 911 ist die Nutzung eines Ford Mondeo für Stadt- und Bürofahrten zumutbar. Die damit verbundene Einschränkung des Fahrvergnügens stellt einen immateriellen und damit nicht ersatzpflichtigen Schaden dar, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Das war geschehen

Das Fahrzeug des Klägers, ein Porsche 911, wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Der Beklagte haftete für den Schaden vollumfänglich. Der Beklagte glich einen Teil des geltend gemachten Schadens aus. Mit seiner Klage begehrt der Kläger u.a. Ausgleich der verbliebenen Differenz zu den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten und Nutzungsentschädigung für 112 Tage Reparaturzeit.

Privater Fuhrpark war vorhanden

Der Kläger verweist darauf, dass ihm die Nutzung eines anderen Fahrzeugs nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sei. Ihm gehörten zwar noch weitere vier Fahrzeuge. Zwei davon würden jedoch von Familienangehörigen genutzt. Ein weiteres käme nicht in Betracht, da es in besonderer Weise für Rennen ausgestattet sei. Das vierte Fahrzeug, ein Ford Mondeo, sei für den Stadtverkehr zu sperrig und werde von der ganzen Familie lediglich als Lasten- und Urlaubsfahrzeug genutzt.

So argumentierten die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hatte der Klage hinsichtlich der Reparaturkosten stattgegeben und die Ansprüche auf die geltend gemachte Nutzungsentschädigung zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zwar umfasse der zu ersetzende Schaden bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch den Wegfall der Nutzungsmöglichkeit dieses Fahrzeugs. Ein Geschädigter, der darauf verzichte, ein Ersatzfahrzeug zu mieten, solle nicht schlechter gestellt werden als der, der einen Mietwagen in Anspruch nehme.

Gericht: Es stand ein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung

Ein solcher Anspruch entfalle jedoch, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar sei. Vorliegend hätte der Kläger den Ford Mondeo für die Fahrten zur Arbeit und zu Privatfahrten nutzen können. Ohne Erfolg verweise der Kläger dabei auf die „Sperrigkeit“ dieses zur Mittelklasse gehörenden und für den Stadtverkehr geeigneten Fahrzeuges. Der materielle Vermögensschaden durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Porsche 911 werde damit objektiv durch die Möglichkeit der Nutzung des Ford Mondeo ausgeglichen.

Beschränkung des Fahrvergnügens: immaterielle Beeinträchtigung

„Dass es sich bei dem beschädigten Fahrzeug, einem Porsche 911, mithin einem Sportwagen, aufgrund seiner Motorisierung, Fahrleistung und Ausstattung um ein Fahrzeug aus dem deutlich gehobenen Marktsegment handelt, während es sich bei dem Ford Mondeo lediglich um ein Mittelklassefahrzeug handelt, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Nutzung des Ford Mondeo,“ betonte das OLG weiter. Die notwendige Nutzung des Ford Mondeo anstelle des Porsche 911 führe „lediglich zu einer Beschränkung des Fahrvergnügens“. Diese Beschränkung stelle allein eine in einer subjektiven Wertschätzung gründende immaterielle Beeinträchtigung dar und sei nicht vom Schädiger zu erstatten. Anderenfalls bestünde die Gefahr, die Ersatzpflicht des Schädigers entgegen den gesetzlichen Wertungen auf Nichtvermögensschäden auszudehnen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.7.2022, 11 U 7/21, PM 72/22

Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr: Unbewusste Drogeneinnahme? So leicht kann man das Gericht nicht überzeugen!

Behauptet ein unter Einfluss von Drogen stehender Führerscheininhaber, er habe die Drogen unbewusst zu sich genommen, bedarf es detaillierter, in sich schlüssiger und von Anfang an widerspruchsfreier Darlegungen, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lassen. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und lehnte einen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Eilantrag ab.

Das war geschehen

Der Antragsteller wurde bei einer Verkehrskontrolle mit drogentypischen Ausfallerscheinungen angetroffen. Vor Ort durchgeführte Drogenschnelltests reagierten positiv auf die Stoffgruppe Amphetamin. Als die anschließende Blutuntersuchung dieses Ergebnis bestätigte und eine erhebliche Amphetaminkonzentration im Blut des Antragstellers ergab, entzog ihm die zuständige Fahrerlaubnisbehörde aufgrund seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Abgabe seines Führerscheins. Gegen diese für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen erhob der Antragsteller Widerspruch. Um die Vollziehung vorläufig zu stoppen, stellte er außerdem einen Eilantrag beim VG.

Verwaltungsgericht: ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen

Das VG lehnte seinen Antrag ab. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei voraussichtlich rechtmäßig. Denn der Antragsteller habe sich aufgrund der Einnahme von Amphetamin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Zum Ausschluss der Fahreignung genüge bereits die einmalige Einnahme harter Drogen, wozu Amphetamin gehöre. Der Behauptung des Antragstellers, die Droge sei ohne sein Wissen in ein Getränk gemischt worden, könne nicht gefolgt werden. Dass Dritte einer Person Betäubungsmittel verabreichen, sei nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht wahrscheinlich.

Behauptung einer unbewussten Drogeneinnahme war nicht glaubhaft

Die Behauptung einer unbewussten Drogeneinnahme sei daher nur glaubhaft, wenn überzeugend dargelegt werden könne, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper ein Kontakt mit Personen vorangegangen sei, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund gehabt haben könnten, dem Fahrerlaubnisinhaber heimlich Drogen beizubringen. Und es müsse noch naheliegen, dass der Betroffene die Aufnahme des Betäubungsmittels nicht bemerkt hat.

Beifahrer wollte „helfen“

Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die eidesstattliche Versicherung des Beifahrers, heimlich Amphetamin in die Bierflasche des Antragstellers gegeben zu haben, sei wenig plausibel. Ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise ergebe sich weder aus der eidesstattlichen Versicherung noch aus dem Vorbringen des Antragstellers.

Auffälligkeiten auch schon in der Vergangenheit

Vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller bereits in der Vergangenheit wegen des Führens eines Fahrzeugs unter Amphetamineinfluss die Fahrerlaubnis entzogen worden sei und ihm deshalb die sich daraus ergebenden Konsequenzen bekannt gewesen seien, sei die Behauptung des unbewussten Drogenkonsums nicht glaubhaft, wenn er dies erst nach der Entziehung seiner Fahrerlaubnis sieben Wochen nach der Verkehrskontrolle mitteile. Es sei auch unwahrscheinlich, dass ein Beifahrer dem Führer eines Pkw heimlich Amphetamin verabreiche und dadurch eine Gefährdung des eigenen Lebens und der eigenen körperlichen Unversehrtheit in Kauf nehme. Angesichts der hohen Amphetaminkonzentration in seinem Blut sowie seiner Ausfallerscheinungen könne ferner nicht davon ausgegangen werden, dass der Amphetaminkonsum vom Antragsteller unbemerkt geblieben sei.

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zu.

Quelle: VG Koblenz, Beschluss vom 9.8.2022, 4 L 680/22.KO, PM 29/22

Kostenminderungspflicht: Wie hoch dürfen Verwahrungskosten für ein Kfz-Kennzeichen sein?

Kosten in Höhe von 2.331 Euro für die Verwahrung eines Kfz-Kennzeichens für die Dauer von nahezu einem Jahr sind unverhältnismäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Trier entschieden.

Das war geschehen

Im Dezember 2020 stellten Polizeibeamte des beklagten Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle ein Kfz-Kennzeichen des Klägers sicher, da die EU-Kennung des Kennzeichens mit schwarzer Folie abgeklebt war und die Stempelplakette fehlte. Im Januar 2021 forderte der Beklagte den Kläger auf, mitzuteilen, ob er der Entsorgung des sichergestellten Kfz-Kennzeichens zustimme. Zugleich wurde er darauf hingewiesen, dass eine Verwahrungsgebühr von 7 Euro pro Tag anfalle. Eine Reaktion erfolgte hierauf nicht. Im Dezember 2021 teilte der Beklagte dem Kläger sodann mit, dass nun die Verwertung des sichergestellten Kfz-Kennzeichens beabsichtigt sei. Dem stimmte der Kläger zu, da er ohnehin davon ausgegangen sei, dass dies bereits geschehen sei. Die Aufforderung vom Januar 2021 sei ihm nicht zugegangen. In der Folgezeit setzte das beklagte Land die Kosten der bis dahin erfolgten Verwahrung in Höhe von 2.331 Euro (333 Tage je 7 Euro) fest. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger gegen den Gebührenbescheid Klage erhoben.

Verwaltungsgericht: Unverhältnismäßigkeit bei geringwertigem Gegenstand

Das VG hat den streitgegenständlichen Gebührenbescheid aufgehoben. Der Beklagte sei zwar dem Grunde nach zur Gebührenerhebung für eine Verwahrung berechtigt, wobei hierfür nach den maßgeblichen Vorschriften grundsätzlich Gebühren in Höhe von 7 bis 21,50 Euro pro Tag erhoben würden. Im zu beurteilenden Einzelfall sei jedoch die Gebührenerhebung im Hinblick auf den konkret zugrunde gelegten Zeitraum (333 Tage) vor dem Hintergrund der Kostenminderungspflicht des beklagten Landes unverhältnismäßig. Bei geringwertigen verwahrten Gegenständen von solchen sei jedenfalls bei einem Wiederschaffungswert von unter 50 Euro auszugehen , an denen kein erkennbares ideelles Interesse bestehe, sei es nach der Systematik der maßgeblichen Vorschriften angezeigt, nach Sicherstellung die Verwertung bzw. Vernichtung in einem verhältnismäßigen Zeitraum vorzunehmen.

Kfz-Kennzeichen hätte verwertet bzw. vernichtet werden müssen

Im vorliegenden Einzelfall wären bei einem Kfz-Kennzeichen, das zu Preisen von unter 10 Euro erworben werden könne, 14 Tage erforderlich aber auch ausreichend gewesen, um zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für die Verwertung bzw. Vernichtung vorgelegen hätten. Da der Beklagte keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen habe, um die Verwahrung umgehend nach Sicherstellung zu beenden, seien die festgesetzten Verwahrungsgebühren rechtswidrig und der Bescheid daher aufzuheben.

Quelle: VG Trier, Urteil vom 27.7.2022, 8 K 728/22.TR, PM 20/22

Sonderparkplatznutzung: Wenn der Stempel auf der Parkberechtigung verblasst …

Wer trägt die Kosten, wenn ein Auto abgeschleppt wird, weil der Stempel auf der Parkberechtigung durch die Sonneneinstrahlung verblichen ist? Diese Frage hat das Landgericht (LG) Koblenz jetzt entschieden.

Der Kläger darf Sonderparkplätze für Schwerbehinderte nutzen. Im Jahr 2020 erhielt er zum Nachweis dieser Berechtigung von der Stadt B., der Beklagten, einen Parkausweis, den er an der Windschutzscheibe seines Autos befestigte. Am 7.7.2021 stellte der Kläger sein Auto an einem Bahnhof auf einem Parkplatz ab, der Schwerbehinderten vorbehalten war. Zu diesem Zeitpunkt war kein Dienstsiegel der Beklagten auf dem Parkausweis erkennbar. Wegen des fehlenden Stempels ließ das Ordnungsamt den Wagen abschleppen und stellte dem Kläger dafür Kosten in Höhe von rund 260 Euro in Rechnung.

Der Kläger meinte, die Beklagte müsse die Kosten für das Abschleppen und seine Anwaltskosten übernehmen. Sie habe ihm einen mangelhaften Ausweis ohne Stempel ausgestellt. Wenn ursprünglich ein Stempel existiert habe, sei er viel zu rasch verblasst, weil die Stadt eine falsche Stempelfarbe verwendet habe. Daher sei die Beklagte für das Geschehen verantwortlich.

Die Beklagte verweigerte die Kostenübernahme. Sie argumentierte, der Parkausweis sei bei Übergabe mit einem gut sichtbaren Dienstsiegel versehen gewesen, das offenbar durch das Sonnenlicht verblasst sei. Es sei eigens beschaffte, angeblich lichtbeständige Stempelfarbe verwendet worden. Wenn der Kläger den Ausweis der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt habe und dadurch der Stempel verschwunden sei, habe er sich rechtzeitig um eine Erneuerung kümmern müssen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Nach einer Vernehmung der Ehefrau des Klägers und eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung zeigte es sich überzeugt, dass der Parkausweis zunächst ordnungsgemäß gestempelt war. Der Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, dass die Stempelfarbe anschließend innerhalb weniger Monate im Sonnenlicht so verblichen sei, dass das Siegel nicht mehr erkennbar war. Die Behörde müsse die Stempel so anbringen, dass sie bei Ausstellung des Ausweises leserlich seien. Wenn der Aufdruck später durch die Sonne verblasse, falle das in den Verantwortungsbereich des Bürgers. Es stelle so das LG keine Pflichtverletzung dar, wenn die Behörde keine lichtbeständige Farbe verwende.

Der Kläger habe selbst dafür sorgen müssen, dass der unleserlich gewordene Parkausweis erneuert werde. Das habe er bei in der Vergangenheit verblichenen Stempeln auch bereits mehrfach so gehandhabt. Und spätestens nach einem Hinweis des Ordnungsamtes der Stadt K. im April 2021 sei ihm bekannt gewesen, dass der Ausweis nicht mehr in Ordnung war. Auch wegen dieses weit überwiegenden Mitverschuldens müsse der Kläger in jedem Fall die Abschleppkosten allein tragen.

Das LG Koblenz hat die Klage abgewiesen.

Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 4.7.2022, 1 O 328/21

Wiederbeschaffungswert: Großkundenrabatt bei jungen Gebrauchtwagen

Das Amtsgericht (AG) München hat aktuell in einem Fall zum Thema „Großkundenrabatt und dessen Einfluss auf den Wiederbeschaffungswert“ eine interessante Entscheidung getroffen. In jüngster Zeit leisten Versicherer immer mehr Widerstand, wenn es um die Regulierung solcher Fälle geht.

Der Kläger, ein mittelständischer Autovermieter, kauft pro Jahr rund 1.000 Autos. Er greift dabei vereinzelt auch auf junge Gebrauchtwagen zurück, um sie zwecks Vermietung einzusetzen. Ein solches Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Es wurde wieder durch einen Gebrauchtwagen ersetzt. Damit kam es konkret auf die Frage an, ob der Geschädigte auf Gebrauchtwagen einen Großkundennachlass bekommt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Ergebnis negativ. Damit bleib es beim ermittelten Wiederbeschaffungswert.

Quelle: AG München, Urteil vom 27.7.2022, 341 C 920/22

Verkehrssicherungspflicht: Wenn der höhenbewegliche Poller beim Überfahren plötzlich hochfährt…

Ein Poller, der von einem Durchfahrtberechtigten ferngesteuert abgesenkt werden kann, muss mit mehreren Sicherungseinrichtungen versehen sein. Diese müssen verhindern, dass der Poller automatisch hochfährt, während ein auch unberechtigtes weiteres Fahrzeug darüberfährt. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden.

Der Kläger folgte mit seinem Pkw dem Pkw eines für einen Parkplatz Zufahrtsberechtigten. Am Eingang des Parkplatzes befindet sich eine automatische Polleranlage. Diese ist üblicherweise hochgefahren. Der Poller kann per Funk abgesenkt werden. Ein Schild oder Verkehrszeichen mit einem Hinweis auf die Polleranlage fehlt. Auch eine Ampel war zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht angebracht. Der Kläger folgte dem Berechtigten über den Poller hinweg. Dabei kollidierte sein Pkw mit dem hochfahrenden Poller. Der Kläger verlangte vom sog. Verkehrssicherungspflichtigen der Anlage seinen Schaden ersetzt.

Das OLG: Eine reine Induktionsschleifensteuerung genügt nicht. Es muss mittels Schildern gewarnt und/oder mittels einer Ampel die Durchfahrt geregelt sein. Eine rein akustische Warnung genügt nicht, weil derjenige, der den Poller in seiner Überfahrtstellung im Boden gar nicht erkannt hat, diese Warnung nicht in Zusammenhang mit dem Poller bringt.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 24.8.2022, 4 U 13/22

Personenschaden: Wasserbett als Schadenersatz nach Verkehrsunfall?

 Es ist möglich, dass der Schädiger nach einem Verkehrsunfall die Kosten des Geschädigten für die Anschaffung eines Wasserbetts erstatten muss. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm knüpft jedoch bestimmte Voraussetzungen hieran.

So setzt nach der Entscheidung des OLG der Anspruch auf materiellen Schadenersatz wegen der Anschaffungskosten eines Wasserbetts voraus, dass die Anschaffung des Wasserbetts erforderlich im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier § 249 Abs. 2 BGB: „Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.“) gewesen ist.

Das war nach Ansicht der Richter im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Entgegen der Darstellung des Klägers habe nämlich bereits keine ärztliche Verordnung vorgelegen, sondern nur eine hausärztliche Empfehlung. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten explizit das Vorliegen einer medizinischen Indikation für ein sog. Wasserbett aus orthopädisch-unfallmedizinischer Sicht verneint.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 18.1.22, 7 U 100/20

Nach dem TÜV-Besuch: Wenn die Motorhaube plötzlich hochklappt…

Was für ein Schreck! Als die beiden Frauen mit dem Auto auf die Stadtautobahn auffuhren, klappte auf einmal die Motorhaube hoch und die Sicht war versperrt. Geistesgegenwärtig konnten die beiden auf den Seitenstreifen fahren. Personenschaden gab es keinen. Aber der Pkw (Renault Clio) hatte einen Totalschaden. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sprach Schadenersatz zu.

Kurz zuvor war der Ehemann der Fahrerin zur Hauptuntersuchung beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) gewesen und hatte die orangene Plakette erhalten. Er verklagte das Land Niedersachsen vor dem Landgericht (LG) Oldenburg auf Schadenersatz. Zunächst ohne Erfolg. Das LG wies die Klage ab und argumentierte, ein Verschulden des TÜV-Prüfers stehe nicht fest. Der Prüfer hatte vor Gericht ausgesagt, er kontrolliere nach der Prüfung des Motors stets standardmäßig, dass die Motorhaube wieder ordnungsgemäß einraste. Warum sie letztlich hochgeklappt sei, könne nicht mehr festgestellt werden, so das LG.

Der Kläger hatte mit seiner Berufung gegen dieses Urteil beim OLG jetzt Erfolg. Nach den Ausführungen des gerichtlich hinzugezogenen Sachverständigen stehe fest, dass die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verriegelt gewesen sei, so das OLG. Der ganze Schließmechanismus sei entfettet und trocken gewesen, was dazu geführt habe, dass das Schloss nicht richtig arretiert habe. Offenbar habe der Prüfer die Arretierung der Motorhaube nicht sichergestellt. Eine andere Schadensursache komme nicht infrage. Insbesondere könne ausgeschlossen werden, dass der Kläger oder seine Frau die Motorhaube nach der TÜV-Untersuchung geöffnet und dann nicht wieder richtig verschlossen hätten. Für sie hätte so kurz nach dem TÜV-Besuch auch keine Verpflichtung bestanden, das Auto noch einmal zu kontrollieren. Der Kläger müsse sich daher auch kein Mitverschulden anrechnen lassen.

Der Kläger erhält nach dem Richterspruch Ersatz für den Totalschaden. Außerdem muss das Land Niedersachsen ihm die Rechtsanwaltskosten ersetzen.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 3.6.2022, 6 U 31/22