Wirksame Kündigungserklärung: Bauvertrag: Eine Kündigung wird nicht einfach entbehrlich

Bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung des Auftragnehmers kann eine Kündigungserklärung des Auftraggebers zwar entbehrlich sein. Dann muss der Auftraggeber aber zumindest stillschweigend zum Ausdruck bringen, dass er den Vertrag mit dem Auftragnehmer beenden will. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden.

In einem Bauvertrag, der nach dem 31.12.2017 geschlossen wurde, hatten die Parteien die VOB/B vereinbart. Bereits während des Bauvorhabens kam es zwischen ihnen zum Streit über Mängel. Es schlossen sich ein Straf- und ein Zivilprozess über Werklohn an. Bei Letzterem war u. a. im Streit, ob der Auftraggeber den Vertrag wirksam gekündigt hatte. Denn er hatte nur eine E-Mail versandt, an die ein PDF-Dokument mit einer Kündigungserklärung angehängt war.

Das OLG verneinte eine wirksame Kündigung und sprach dem Auftragnehmer den Werklohn zu. Das OLG: Ein Bauvertrag muss schriftlich gekündigt werden mit entweder eigenhändiger Unterschrift oder notariell beglaubigtem Handzeichen. Dies war hier nicht gegeben.

An die Annahme einer Erfüllungsverweigerung sind ebenfalls strenge Anforderungen zu stellen. Es muss deutlich sein, dass sich der Schuldner über das auf die vertragliche Leistung gerichtete Erfüllungsverlangen des Gläubigers im Klaren ist und ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen gewissermaßen als sein letztes Wort seine Weigerung zum Ausdruck bringt. Meinungsverschiedenheiten über das Vorhandensein von Mängeln bzw. bloßes Untätigbleiben des Auftragnehmers reichen für die Annahme einer endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung also nicht aus. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG München, Beschluss vom 3.2.2022, 28 U 3344/21 Bau

Honorarrecht: Zahlt der Bauherr nicht, kann der Planer kündigen

Der Architekt kann den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Auftraggeber trotz Mahnung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung einen erheblichen Teil des geschuldeten Honorars nicht zahlt oder sich kategorisch weigert. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits lag eine Leistungsvereinbarung über die Objektüberwachung für pauschal 157.560 Euro vor. Nach einer Bauzeitverzögerung gab es Streit über die Herleitung des Honorars für Mehraufwendungen des Architekten. Der Streitwert betrug ca. 107.000 Euro.

Der Architekt setzte dem Bauherrn eine Nachfrist, um die Abschlagsrechnung zu zahlen. Im Fall der Nichtzahlung kündigte er an, zu kündigen. Das tat er dann auch, als die Zahlung ausblieb.

Im Gerichtsverfahren verteidigte sich der Bauherr u. a. damit, dass es sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt habe, die ihm eine schnellere Entscheidung unmöglich gemacht habe. Das ließ das OLG nicht gelten. Schwierige rechtliche Verhältnisse haben keinen Einfluss darauf, ob eine Kündigung berechtigt ist. Liegen schwierige Rechtsfragen an, sind auch diese vom Auftraggeber zügig zu klären.

Quelle: OLG Köln, Urteil vom 15.1.2021, 19 U 15/20

Planungsfehler: Mangel: Auch ausführende Unternehmer sind in der Pflicht

Auch ausführende Unternehmen müssen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zum Werkvertragsrecht dafür sorgen, dass möglichst wenig Ausführungsmängel eintreten. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg aktuell noch einmal bekräftigt.

Das OLG: Der ausführende Bauunternehmer muss die ihm übergebene Planung daraufhin prüfen, ob die ihm beauftragte Leistung im Ergebnis zum geschuldeten Werkerfolg führt. Erkennt er bzw. ist es für ihn erkennbar, dass die Planung des beauftragten Planers unzureichend ist, muss er diesen darauf hinweisen.

Im vorliegenden Fall ging es um die Tragfähigkeit eines Carportdachs. Das OLG stellte klar, dass der ausführende Unternehmer hätte rechtzeitig vor Bauausführung erkennen müssen, dass die Planung nicht zu einer tragfähigen Konstruktion führt. Die Prüfungs- und Hinweispflichten des Auftragnehmers umfassen jedoch nicht die Pflicht, auch die nachfolgenden Leistungen eines weiteren Bauunternehmers auf Machbarkeit zu prüfen. Er ist lediglich seinem Auftraggeber gegenüber verpflichtet.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 24.3.2022, 14 U 50/17

Gewährleistungsfrist: Regelungen im Abnahmeprotokoll haben Vorrang

Regelungen im Abnahmeprotokoll gehen Vertragsregelungen vor. Deshalb ist bei Abnahmeprotokollen Vorsicht geboten. Das lehrt ein Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) München rechtskräftig entschieden hat.

Im Bauvertrag waren Ausführungstermine und der Beginn der Verjährungsfrist festgelegt worden. Die Termine verschoben sich, sodass im Abnahmeprotokoll ein neuer Termin für den Beginn der Gewährleistungsfrist festgelegt wurde.

Kurz vor Ende dieser neuen Verjährungsfrist gab es Streit wegen eines Mangels. Der ausführende Unternehmer berief sich auf die Verjährungsfrist, die im Bauvertrag geregelt war und lehnte die Vereinbarung im Abnahmeprotokoll als unwirksam ab.

Das OLG sah das anders. Der ursprünglich im Bauvertrag geregelte Beginn der Verjährungsfrist mit 1.1.2011 war durch die Vereinbarung im Abnahmeprotokoll wirksam abgeändert worden. Die Gewährleistungsfrist begann erst am 5.3.2013, weil die Arbeiten erst dann fertiggestellt worden waren. Damit war klargestellt, dass das gemeinsam unterzeichnete Abnahmeprotokoll eine wirksame Vereinbarung zur Gewährleistungsfrist enthält.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG München, Beschluss vom 7.4.2021. 9 U 7047/20 Bau

Honoraranspruch: Bauherr muss Architekt trotz Schadenersatzklage bezahlen

Rechnet der Auftraggeber gegenüber dem Werklohnanspruch des Architekten mit einem Schadenersatzanspruch auf, kann ein sog. Teil-Vorbehaltsurteil ergehen. Die Folge wäre, dass der Auftraggeber das Honorar zunächst zahlen muss. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.

Ein Architekt hatte eine Biogasanlage geplant. Beauftragt waren die Leistungsphasen 1 bis 8 verschiedener Leistungsbilder. Während der Ausführung wurde der Anlagenbehälter undicht. Eine nachträgliche Stahlinnenauskleidung war erfolgreich, Stromerzeugung und Einspeisung ins Netz waren möglich.

Der Architekt klagte auf Resthonorar. Der Bauherr behauptete, der Planer habe bestimmte Teilleistungen nicht erbracht und forderte außerdem Schadenersatz wegen diverser Mängelleistungen. Er rechnete den Schadenersatzanspruch mit der Honorarforderung auf und erhob Widerklage hinsichtlich des Betrags, der die Klageforderung überstieg.

Der BGH entschied aber, dass der Auftraggeber das Honorar vorerst zahlen muss. Über den Schadenersatzanspruch wird dann später entschieden.

Quelle: BGH, Urteil vom 28.10.2021, VII ZR 44/18

Tierhaltung: Hängebauchschweine dürfen nicht im Wohngebiet gehalten werden

Zwei Hängebauchschweine dürfen nicht weiter im Garten eines Wohngrundstücks in Recklinghausen gehalten werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden. Es hat damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen bestätigt.

Das war geschehen

Die Stadt Recklinghausen ist gegen die Schweinehaltung unter anderem eingeschritten, weil insbesondere die Belästigung der Nachbarn durch Gerüche ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Nutzungsuntersagung begründe. Das VG hielt diese Verfügung für rechtmäßig, weil die Halterin der Schweine (Antragstellerin) nicht im Besitz einer Baugenehmigung für die Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur Tierhaltung auf ihrem Grundstück war. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Grundstück der Antragstellerin liegt in einem Wohngebiet, in dem nur eine Kleintierhaltung als Annex zum Wohnen zulässig ist. Das setzt voraus, dass die Tierhaltung in dem betreffenden Baugebiet üblich und ungefährlich ist und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht übersteigt. Hobbymäßig gehaltene Hängebauchschweine sind keine Kleintiere in diesem Sinne, weil die Haltung von Schweinen typischerweise zu Geräusch- und Geruchsbelästigungen führt, die in Wohngebieten nicht üblich sind.

So entschied das Oberverwaltungsgericht

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Der Einwand der Antragstellerin, die zwingend zu prüfenden Belange des Wohls der beiden Tiere seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, ist unzutreffend. Die Antragstellerin hat keine Gesichtspunkte dafür gezeigt, dass entgegen der Annahme des VG die Haltung von Hängebauchschweinen eine in einem Wohngebiet zulässige Kleintierhaltung ist. Ob die Haltung der Schweine durch die Antragstellerin tatsächlich zu einer Belästigung der Nachbarn durch Gerüche führt, ist insoweit letztlich unerheblich. Die der Antragstellerin in der angefochtenen Ordnungsverfügung gesetzte Frist von circa drei Wochen ist in Würdigung der offensichtlichen Baurechtswidrigkeit verhältnismäßig, zumal die Antragstellerin etwa einen Monat vor Erlass der Verfügung dazu angehört worden ist und seitdem damit rechnen musste, die Schweine nicht länger in ihrem Garten halten zu können.

Tierhalterin war uneinsichtig

Das OVG hat keine Zweifel daran, dass es möglich war, die Schweine innerhalb dieses Zeitraums ggf. gegen Bezahlung anderweitig unterzubringen. Es bestehen aber Zweifel daran, dass sich die Antragstellerin ernsthaft um eine anderweitige Unterbringung der Tiere bemüht hat und bemüht. Denn sie hält die Schweine trotz der Nutzungsuntersagung auch nach mehr als einem halben Jahr noch immer auf ihrem Grundstück.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2.11.2022, 10 B 1092/22, PM vom 2.11.2022

Honorarvereinbarung: Vergütung über die Zielfindungsphase hinaus

Der Auftragnehmer eines nach dem 1.1.2018 geschlossenen, die Zielfindungsphase ausdrücklich aufnehmenden Architektenvertrags, kann Honorar für darüberhinausgehende Leistungen nur unter der Voraussetzung beanspruchen, dass er die mindestens erforderlichen Ergebnisse jener Phase dem Auftraggeber zur Prüfung vorgelegt und hierzu eine klare Billigungserklärung erhalten hat. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt.

Das OLG hält dafür mindestens die Vorlage einer Kosteneinschätzung für erforderlich, die erkennen lässt, worauf sie sich bezieht und woraus sie hergeleitet ist. Eine vertraglich vereinbarte Kosteneinschätzung in der Gliederung eines Kostenrahmens gemäß der Norm DIN 276 (1. Gliederungsebene) sei mit der bloßen Angabe einer Summe nicht erbracht.

Wegen der mangelnden Finanzierbarkeit des Objekts wurde der Architektenvertrag vom Bauherrn nach der Zielfindungsphase formnichtig gekündigt. Da der Architekt der Kündigung aber nicht widersprochen, sondern Schlussabrechnung erteilt hat, ging das OLG von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung aus.

Quelle: OLG Frankfurt, Urteil vom 16.5.2022, 29 U 94/21

Vertragsrecht: Nur was vertraglich vereinbart ist, ist auch geschuldet

Immer wieder gibt es vor allem im Baurecht Streit über Vertragsinhalte. Das gilt besonders, wenn später Mängel auftreten. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat daher klargestellt, dass nur das geschuldet wird, was genau auch so vereinbart war.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vom Architekten Schadenersatz verlangt. Dieser hatte es im Rahmen seiner Bauüberwachungspflicht unterlassen, das Bauunternehmen von der Herstellung einer Innendrainage am Gebäude abzuhalten und stattdessen eine Außendrainage vorzugeben. Im Vertrag war die Überwachung einer Innendrainage geregelt, obwohl der Architekt vor Auftragserteilung darauf hingewiesen hatte, dass deren Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche.

Das OLG hat die Schadenersatzklage abgewiesen. Der Auftragsinhalt werde nicht durch Beschlüsse der Eigentümerversammlung formuliert, sondern anhand des Vertrags zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Architekten (Innendrainage trotz Bedenken des Planers). Hier habe (der bevollmächtigte) Verwalter der Eigentümergemeinschaft den Vertrag mit dem Architekten geschlossen. Von einer Außendrainage stand darin nichts. Da der Architekt seine Bedenken gegen die Innendrainage rechtzeitig vorgebracht und die Eigentümergemeinschaft sich darüber hinweggesetzt hatte, war sein Hinwirken auf eine Außendrainage obsolet.

Auch musste der Eigentümergemeinschaft klar sein, dass sie hier ausdrücklich und gegen den Vorschlag des Architekten eine andere Drainage vorgegeben hatte.

Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig.

Quelle: OLG Hamburg, Urteil vom 11.11.2020, 8 U 145/19

Schadenersatz: Sanierung darf nicht zulasten des Nachbarn gehen

Bei Sanierungsarbeiten am eigenen Haus muss man auch das Nachbargrundstück im Blick behalten. So hat es nun das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.

Der Beklagte und seine Geschwister hatten das von ihnen geerbte Elternhaus sanieren lassen. Dabei wurde auch Wasser aus dem Keller nach draußen gepumpt. Der Beklagte ging davon aus, dass keine Ableitung in die Kanalisation erforderlich sei, weil das Wasser auf seinem Grundstück versickern würde. Stattdessen gelangte es zum Nachbarhaus dort über einen Lichtschacht in den Keller des Nachbarn und durchnässte die Wände und den Fußboden.

Der Nachbar erhob Klage und verlangte rund 6.700 Euro ersetzt. Das Landgericht (LG) Osnabrück sprach ihm gut die Hälfte zu. Ein voller Ersatz sei nicht geschuldet, weil der Kläger keine Vorsorge dafür getroffen habe, dass das Wasser aus dem Lichtschacht auch bei Frost hinreichend ablaufen könne. Außerdem habe er den Schaden selbst behoben, sodass er nicht den Betrag verlangen könne, den eine Fachfirma in Rechnung gestellt hätte.

Das OLG hat dem Kläger auf seine Berufung hin den vollen Betrag zugesprochen. Dem Kläger sei kein Vorwurf zu machen. Der Lichtschacht sei zwar teilweise nicht in Ordnung gewesen, dies habe aber nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht zu dem Schaden beigetragen, denn das Wasser wäre sonst über das Kellerfenster eingedrungen. Der Kläger könne auch die fiktiven Kosten einer Fachfirma ersetzt verlangen, weil ein Schädiger nicht davon profitieren solle, wenn ein Geschädigter einen Schaden selbst beseitige.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 8.7.2022, 6 U 328/21, PM 29/22

Grenzständige Bebauung: Umbau und Umnutzung eines Carports zum Wintergarten: Nachbarfenster zugemauert

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt hat den Antrag zweier Kläger auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Halle abgelehnt, mit dem die Klage der Kläger abgewiesen wurde. Das Urteil des VG ist damit rechtskräftig. Eine Verletzung bauordnungsrechtlich geschützter Nachbarrechte sei nicht zu erkennen.

Das war geschehen

Die Kläger wenden sich gegen die ihren Grundstücksnachbarn vom Landkreis erteilte Baugenehmigung zum Umbau und zur Umnutzung eines Carports zum Wintergarten. Durch die an der Grundstücksgrenze zwischen den Klägern und den Nachbarn von diesen als Brandwand errichtete Mauer des Carports/Wintergartens wird ein Fenster in der Außenwand des ebenfalls grenzständigen Wohngebäudes der Kläger zugemauert. Mit der Begründung, sie seien vor der Erteilung der Genehmigung nicht angehört worden, durch das Dachgefälle des Wintergartens vernässe ihre Außenwand und durch das bestandsgeschützte, zugemauerte Fenster sei der dahinterliegende Raum nicht mehr nutzbar, erhoben die Kläger Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Diesen wies das Landesverwaltungsamt zurück.

Mit ihrer Klage vertieften die Kläger ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und legten Unterlagen vor, die den Bestandsschutz für das zugemauerte Fenster belegen sollten. Dieses sei notwendig, da der dahinterliegende Raum als Schlafraum und Arbeitszimmer genutzt worden sei und künftig genutzt werden solle. Ihnen stehe ein Abwehranspruch gegen das Zumauern des Fensters zu.

Verwaltungsgericht: Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt

Das sah schon das VG anders: Eine Verletzung bauordnungsrechtlich geschützter Nachbarrechte liege nicht vor. Die Einhaltung von Abstandsflächen sei nicht erforderlich, da nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden dürfe. Seien die landesrechtlichen Vorschriften zu Abstandsflächen eingehalten, komme eine Verletzung des bauordnungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme in der Regel nicht mehr in Betracht. Nur in Extremfällen seien weitergehende nachbarliche Abwehrrechte in Betracht zu ziehen. Eine Verschattung von Grundstücken durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück sei in den Ortslagen Mitteleuropas regelmäßig unvermeidlich. Das Fenster diene nicht der Belichtung von Wohnräumen, sondern einer Toilette. Auf die konkrete Nutzung des Raums komme es nicht an. Auch das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Im Grundsatz sei davon auszugehen: Wer selbst an die Grenze baue, müsse einen Anbau des Nachbarn an der Grundstücksgrenze hinnehmen, auch wenn dieser dazu führe, dass ein seit Langem bestehendes seitliches Fenster zugemauert werde. Hier hätten die Kläger selbst an die Grenze gebaut. Auch auf den Nachbargrundstücken herrsche grenzständige Bebauung vor. Gründe für eine Abweichung von der danach zulässigen grenzständigen Bebauung lägen nicht vor.

Nächste Instanz folgte dem Verwaltungsgericht

Der gegen das Urteil gerichtete Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Dazu führte das OVG aus: Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Kläger hätten eine falsche erhebliche Tatsachenfeststellung durch das VG nicht dargelegt. Ob die Kläger den Raum in anderer als zur Genehmigung gestellter Art und Weise gebaut haben, sodass er, wie behauptet, knapp sechs m² groß wäre, oder genutzt haben bzw. nutzen wollen, sei für die Frage unerheblich, ob es sich bei dem Fenster um ein notwendiges im Sinne der Bauordnung Sachsen-Anhalt handelt. Denn ausschlaggebend sei die behauptete Genehmigungslage. Die Kläger stellten auch keinen einzelnen tragenden Rechtssatz mit schlüssigen Gegenargumenten infrage. Das VG sei zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Beigeladenen ohne Abstandsflächen durchgeführt werden kann, weil in der in den Blick zu nehmenden Umgebung eine grenzständige Bebauung ohne Einhaltung der Abstandsflächen vorherrscht. Durch die zulässige Bebauung ohne Einhaltung einer Abstandsfläche wurde auch das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Der Verweis der Kläger auf Rechtsprechung anderer OVG greife aufgrund des abweichenden Landesrechts nicht durch.

Kein Aufenthaltsraum: Toilettenraum benötigt nicht zwingend ein Fenster

Wichtig war dem VG folgender Hinweis: Da ein Toilettenraum nicht als Aufenthaltsraum dient, sei er grundsätzlich auch ohne Fenster zulässig. Dementsprechend sei auch eine nur durch ein Fenster zu sichernde Belichtung und Belüftung des Raumes nicht geboten, die in Toiletten auch üblicherweise anderweitig erfolgen kann. Auch der Einwand der Kläger, die angefochtene Baugenehmigung sei wegen eines groben Verfahrensmangels nichtig, denn sie hätten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens beteiligt werden müssen, greife nicht durch. Unabhängig davon, dass die Kläger schon nicht dargelegt haben, aus welcher Norm sie ihr Beteiligungsrecht ableiten, könne eine etwaig fehlende Beteiligung des Nachbarn allein keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung begründen.

Der Beschluss des OVG ist unanfechtbar.

Quelle: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.8.2022, 2 L 73/20, PM 10/22