SEPA-Lastschrift: Wann beginnt die Anfechtungsfrist?

Eine Zahlung im Weg der SEPA-Lastschrift ist erst mit ihrer vorbehaltlosen Einlösung durch die Schuldnerbank insolvenz-anfechtungsrechtlich vorgenommen worden. So hat es nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Nach der Insolvenzordnung (hier: § 140 Abs. 1 InsO) gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die gesamten Erfordernisse vorliegen, an welche die Rechtsordnung die Entstehung, Aufhebung oder Veränderung eines Rechtsverhältnisses knüpft. Auf den Zeitpunkt der Handlung des Schuldners oder des Anfechtungsgegners kommt es nicht an.

Im SEPA-Basislastschriftverfahren tritt nach dem BGH die Erfüllung der dem Einzug zugrunde liegenden Forderung mit der vorbehaltlosen Gutschrift auf dem Gläubigerkonto ein, auflösend bedingt durch die rechtzeitige Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Zahlers gegen den Zahlungsdienstleister. Der Gläubiger erlangt mit der vorbehaltlosen Gutschrift die erforderliche uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über den Zahlbetrag.

Die Lastschrift ist also für den Gläubiger insolvenzrechtlich riskant: Sie ist zwar einfach zu handhaben, hat aber gegenüber anderen Zahlungsmethoden, etwa einem Dauerauftrag, bei regelmäßig gleichbleibenden Leistungen (Ratenzahlungen) deutliche Nachteile.

Quelle: BGH, Urteil vom 13.10.2022, IX ZR 70/21

Entgangener Gewinn: Betriebsschließungsversicherung in der COVID-19-Pandemie

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Einer Versicherungsnehmerin stehen auf der Grundlage vereinbarter Versicherungsbedingungen Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in Niedersachsen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie während des sog. „zweiten Lockdowns“ zu. Der Versicherer ist hingegen nicht verpflichtet, eine Entschädigung aus Anlass der Betriebsschließung während des sogenannten „ersten Lockdowns“ zu zahlen.

Das war geschehen

Die Versicherungsnehmerin (Klägerin) hält bei dem beklagten Versicherer eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung. Sie begehrt aufgrund der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in der Zeit vom 18.3. bis zum 25.5.2020 Entschädigungsleistungen sowie die Feststellung, dass der Versicherer verpflichtet ist, ihr den aus der erneuten Schließung ab dem 2.11.2020 entstandenen Schaden zu ersetzen. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)“ zugrunde. Nach Ziff. 8.1 BBSG 19 ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Fall einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung den entgehenden Gewinn und fortlaufende Kosten bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit.

Beherbergungsverbot in der Corona-Pandemie

Mit Allgemeinverfügung vom 18.3.2020 untersagte der zuständige Landkreis u. a. Betreibern von Beherbergungsstätten, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen. Nach vorübergehender Lockerung der Maßnahmen war es Betreibern von Beherbergungsstätten durch die am 2.11.2020 in Kraft getretene Niedersächsische Corona-Verordnung erneut untersagt, Übernachtungsangebote zu unterbreiten und Übernachtungen zu touristischen Zwecken zu gestatten. Die Klägerin bot daraufhin in der Zeit vom 18.3. bis zum 25.5.2020 und ab dem 2.11.2020 keine Übernachtungen zu touristischen Zwecken an.

Gerichtliche Instanzen urteilten widersprüchlich

Das Landgericht (LG) hatte entschieden, dass die Zahlungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt und die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der erneuten Schließung des versicherten Betriebes entstandenen Schaden zu ersetzen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) die Zahlungsklage insgesamt abgewiesen und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen beider Parteien zum BGH.

Bundesgerichtshof: Versicherungsklausel war missverständlich

Der BGH hat die Revisionen beider Parteien zurückgewiesen. Hinsichtlich der Revision der Beklagten stellte er fest: In der Bezugnahme in Ziff. 3.4 BBSG 19 auf die im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger ist keine Beschränkung des Leistungsversprechens auf den Rechtszustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu sehen. Dies ergibt sich aus der Unklarheitenregel des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 305c Abs. 2 BGB). Die mehrfache Bezugnahme der Bedingungen auf das IfSG ohne Angabe einer konkreten Gesetzesfassung oder eines Zeitpunkts, auf den es für die Frage ankommt, welcher Rechtszustand zugrunde zu legen ist, kann den Versicherungsnehmer, der die Bedeutung der Verweisung zu erschließen versucht, auf der einen Seite zu dem Verständnis führen, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls maßgeblich ist. Auf der anderen Seite ist auch eine Auslegung dahin möglich, dass eine Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung erfolgen soll. Der Klausel lässt sich nach ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinns und Zwecks mangels einer ausdrücklichen Beschränkung nicht eindeutig entnehmen, dass die Beklagte mit ihr zur Festlegung des Inhalts des Leistungsversprechens auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich benannten Krankheiten und Krankheitserreger verweist. Vielmehr ist auch die Auslegung möglich, die Klausel erfasse mit ihrer Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG die zum Zeitpunkt der behördlichen Anordnung namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger. Diese Auslegungszweifel gehen zulasten des Verwenders.

COVID-19 fehlte im Katalog der Infektionen

Hinsichtlich der Revision der Klägerin hat der BGH entschieden: Es fehlte an der nach Ziff. 3.4 BBSG 19 vorausgesetzten o. g. namentlichen Nennung der Krankheit oder des Krankheitserregers im Zeitpunkt der ersten Betriebsschließung durch die Allgemeinverfügung vom 18.3.2020. Mit der Begrenzung des Leistungsversprechens auf „die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass nur die in diesen Vorschriften mit Namen bezeichneten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen. Zwar bedeutet es für den Versicherungsnehmer in der Sache keinen Unterschied, ob die auf einer Erweiterung der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger beruhende Schließung seines Betriebs ihre Grundlage in einem formellen Gesetz oder in einer Rechtsverordnung hat. Dessen ungeachtet bleibt es aber die eigenverantwortliche Entscheidung des Versicherers im Rahmen seines Leistungsangebots, ob auch solche Erweiterungen des Kreises der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger durch eine Rechtsverordnung vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen. Indem die Klausel unmissverständlich die namentliche Benennung der Krankheiten und Krankheitserreger in den §§ 6 und 7 IfSG verlangt, macht sie für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Anliegen der Beklagten erkennbar und nachvollziehbar, den Versicherungsschutz jedenfalls auf die im Gesetz selbst benannten Krankheiten und Krankheitserreger zu begrenzen.

Aufzählung der Krankheitserreger war abschließend

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bedingungen, dass in Ziff. 3.4 BBSG 19 die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der hier vereinbarten Bedingungen in der Weise abschließend definiert werden, als sie in den §§ 6 und 7 IfSG unter Nennung ihres Namens aufgeführt sein müssen, um Anlass für die Gewährung von Versicherungsschutz sein zu können. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist hinreichend erkennbar, dass der sich nach Ziff. 3.4 BBSG 19 aus dem Wortlaut der §§ 6 und 7 IfSG ergebende Katalog versicherter Krankheiten und Krankheitserreger nicht sämtliche nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasst und daher Lücken im Versicherungsschutz bestehen können. Ihm wird durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des IfSG vom Versicherungsschutz erfasst wird.

Quelle: BGH, Urteil vom 18.1.2023, IV ZR 465/21, PM 12/23

Kryptowährungen: Veräußerungsgewinne sind steuerpflichtig

Erzielt ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen Veräußerungsgewinne, sind diese als privates Veräußerungsgeschäft zu versteuern. Das hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Das war geschehen

Ein Steuerpflichtiger hatte Kryptowährungen erworben, getauscht und wieder veräußert. Hierbei handelte es sich um private Geschäfte mit Bitcoins, Ethereum und Monero. 2017 erzielte er daraus einen Gewinn in Höhe von 3,4 Millionen Euro.

Mit dem Finanzamt kam es zum Streit, ob der Gewinn der Einkommensteuer unterliegt. Die vom Steuerpflichtigen beim Finanzgericht (FG) Köln erhobene Klage war überwiegend erfolglos und auch der BFH bejahte nun die Steuerpflicht.

Bundesfinanzhof: Kryptowährungen sind „anderes Wirtschaftsgut“

Bei Kryptowährungen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegen. Denn virtuelle Währungen (Currency Token, Payment Token) stellen nach Auffassung des BFH ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) dar.

Beachten Sie: Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen. Er umfasst neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerpflichtiger etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbstständigen Bewertung zugänglich sind.

Kryptowährungen sind Zahlungsmittel

Diese Voraussetzungen sind bei virtuellen Währungen gegeben. Bitcoin, Ethereum und Monero sind wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge Verwendung finden. Technische Details virtueller Währungen sind für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung.

Beachten Sie: Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, unterliegen daraus erzielte Gewinne oder Verluste der Besteuerung. Gewinne bleiben aber steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im Jahr weniger als 600 Euro beträgt (§ 23 Abs. 3 S. 5 EStG).

Ein strukturelles Vollzugsdefizit, das einer Besteuerung entgegensteht, liegt nicht vor: Denn für den BFH sind keine gegenläufigen Erhebungsregelungen vorhanden, die einer Besteuerung entgegenstehen und es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass seitens der Finanzverwaltung Gewinne und Verluste nicht ermittelt und erfasst werden können.

Beachten Sie: Dass es trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden (z. B. Sammelauskunftsersuche) in Einzelfällen gelingen kann, sich der Besteuerung zu entziehen, begründet kein strukturelles Vollzugsdefizit.

Quelle: BFH, Urteil vom 14.2.2023, IX R 3/22

Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Wechselseitiger Verkauf von Anteilen: Anteilsrotation unter Wert ist nicht anzuerkennen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass durch eine Anteilsrotation von zwei GmbH-Gesellschaftern untereinander kein Steuersparpotenzial generiert werden kann, wenn die Kaufpreise die realen Wertverhältnisse in krasser Weise verfehlen.

Das war geschehen

Der Entscheidung des BFH lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem sich zwei zu jeweils 50 % an einer GmbH beteiligte Gesellschafter ihre Anteile im Wege einer Anteilsrotation gegenseitig zu einem Kaufpreis von 12.500 Euro veräußerten. Die Anschaffungskosten der GmbH-Anteile beliefen sich auf 500.000 Euro, sodass sich ein steuerlicher „Verlust“ vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens von 487.500 Euro ergab. Der gemeine Wert der GmbH belief sich entsprechend einer Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren auf ca. 1,5 Mio. Euro.

Das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Sachsen und auch der BFH sahen hierin einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne der Abgabenordnung (§ 42 AO).

Gesellschafter darf Anteile veräußern, …

Entsteht ein „Verlust“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 17 EStG) im Zuge einer Anteilsrotation aufgrund eines Kaufpreises, der den echten Wert des veräußerten GmbH-Anteils widerspiegelt, ist dieser Verlust auch für steuerliche Zwecke zu berücksichtigen. Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO liegt nicht vor. Denn es steht dem Gesellschafter frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt.

… aber den Verkauf nicht missbräuchlich gestalten

Entsteht der Verlust allerdings im Zuge einer Anteilsrotation, weil der Kaufpreis den Wert des veräußerten GmbH-Anteils krass verfehlt, führt dies zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. Folglich ist die Anteilsrotation als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen und der Veräußerungsverlust wird nicht anerkannt.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.9.2022, IX R 18/21

Bundesfinanzministerium: Unterstützung der Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien: Maßnahmen der Finanzbehörden

Um die Betroffenen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien zu unterstützen, hat das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Verwaltungsregelungen erlassen. Sie gelten für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 6.2.2023 bis zum 31.12.2023 durchgeführt werden.

Das Schreiben enthält Ausführungen zu folgenden Aspekten:

  • Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen,
  • Maßnahmen von steuerbegünstigten Körperschaften für durch das Erdbeben geschädigte Personen,
  • Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen,
  • Lohnsteuer,
  • Aufsichtsratsvergütungen,
  • Umsatzsteuer und
  • Schenkungsteuer.

Beachten Sie: Unter anderem genügt als Nachweis einer Spende ein Einzahlungs- oder Überweisungsbeleg, ohne dass eine Spendenbescheinigung vorgelegt werden muss.

Quelle: BMF-Schreiben vom 27.2.2023, IV C 4 – S 2223/19/10003 :019

EU-Recht: Geldwäscherichtlinie: Wichtige Bestimmung zur Offenlegung von Daten in Register ist ungültig

Die Bestimmung in der Geldwäscherichtlinie, die regelt, dass die Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer von im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingetragenen Gesellschaften in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, ist ungültig. Der mit dieser Maßnahme verbundene Eingriff in die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta) gewährleisteten Rechte ist weder auf das absolut Erforderliche beschränkt noch steht er in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel. So hat es nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Breite Öffentlichkeit hat Zugang zu Daten auch online

Gemäß der Geldwäscherichtlinie wurde durch ein im Jahr 2019 erlassenes luxemburgischen Gesetz ein „Register der wirtschaftlichen Eigentümer“ geschaffen. Dieses Gesetz sieht vor, dass eine Reihe von Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der eingetragenen Einrichtungen in dieses Register aufgenommen und gespeichert werden. Zu einem Teil dieser Informationen hat die breite Öffentlichkeit Zugang, u. a. über das Internet. Ferner hat ein wirtschaftlicher Eigentümer nach diesem Gesetz die Möglichkeit, bei Luxembourg Business Registers (LBR), dem Verwalter des Registers, zu beantragen, den Zugang zu solchen Informationen in bestimmten Fällen zu beschränken.

Betrofffene wirtschaftliche Eigentümer sahen ihre Grundrechte eingeschränkt

In diesem Zusammenhang wurden beim Bezirksgericht Luxemburg Klagen von einer luxemburgischen Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Eigentümer einer solchen Gesellschaft eingereicht, die erfolglos bei LBR beantragt hatten, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den sie betreffenden Informationen zu beschränken. Dieses Gericht vertrat die Ansicht, dass die Verbreitung solcher Informationen ein unverhältnismäßiges Risiko einer Beeinträchtigung der Grundrechte der betroffenen wirtschaftlichen Eigentümer mit sich bringen könne, und stellte daher dem EuGH eine Reihe von Vorlagefragen nach der Auslegung gewisser Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie und zu deren Gültigkeit im Lichte der Charta.

EuGH: schwerwiegender Eingriff in Grundrechte u.a. auf Achtung des Privatlebens

Jetzt stellte der EuGH die bestehende Ungültigkeit der Bestimmung der Geldwäscherichtlinie fest, nach der die Mitgliedstaaten in allen Fällen den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen sicherzustellen haben. Nach Ansicht des EuGH stellt der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens dar.

Quelle: EuGH, Urteil vom 22.11.2022, C-37/20 und C 601/20

Kassen-Nachschau: Keine hohen Hürden für den Übergang zu einer Außenprüfung

Seit 2018 besteht die Möglichkeit einer Kassen-Nachschau gemäß Abgabenordnung (§ 146b AO). Dies ist ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte, u. a. im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen. Die Kassen-Nachschau erfolgt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen durch einen Amtsträger der Finanzbehörde und zwar ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat sich nun mit den Voraussetzungen für den Übergang zu einer Außenprüfung beschäftigt.

Das war geschehen

Am 15.9.2021 erfolgte bei einem Restaurant (GmbH) eine Kassen-Nachschau. Der Umfang der Nachschau beinhaltete die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung. Die von den Prüfern erbetenen Aufzeichnungen stellten die Mitarbeiter der GmbH den Prüfern nicht zur Verfügung. Begründung: Die Unterlagen seien im Büro des Geschäftsführers verschlossen und nur dieser habe zu dem Büro einen Schlüssel.

Die Prüfer übergaben eine Liste der nachzureichenden Unterlagen. In der Folgezeit wurden die Unterlagen an einen der Prüfer übergeben. Mit Bescheid vom 11.10.2021 teilte das Finanzamt der GmbH den Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO mit. Diese sollte sich auf den Zeitraum 2017 bis 2019 erstrecken und neben der Körperschaftsteuer auch die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer umfassen.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das FG Hamburg als unbegründet abgewiesen und zwar aus folgenden Erwägungen: Werden dem Prüfer bei der Kassen-Nachschau nicht die erbetenen Unterlagen übergeben, ist dies ein Grund, den Übergang zur Betriebsprüfung anzuordnen.

Beachten Sie: Der Betriebsprüfer verwirkt nicht die Möglichkeit des Übergangs, wenn er diesen nicht sofort anordnet, sondern dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nachzureichen.

Weitere Voraussetzungen sind in § 146b Abs. 3 AO nicht normiert und nach Meinung des FG auch nicht erforderlich. Denn der Steuerpflichtige ist nicht schlechter gestellt, als wenn er eine „normale“ Prüfungsanordnung gemäß § 196 AO erhalten hätte. Insbesondere handelt es sich bei dem § 146b Abs. 3 AO nicht um eine Norm mit Bestrafungscharakter.

Der Innendienst oder der Prüfer, der die Kassen-Nachschau durchgeführt hat, sind nicht verpflichtet, nachträglich eingereichte Unterlagen vollständig zu überprüfen. Denn dies, so das FG, ist Aufgabe einer Außenprüfung.

Beachten Sie: Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei den Feststellungen während der Kassen-Nachschau um unstreitige Feststellungen handelt. Es ist auch nicht die Aufgabe des Gerichts, vorab im Rahmen der Überprüfung der Übergangsanordnung selbst eine Belegprüfung durchzuführen. Ebenfalls muss keine vollständige rechtliche Überprüfung der streitigen Fragen im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens vorgenommen werden. Eine Grenze ist nur dann erreicht, wenn die Feststellungen des Betriebsprüfers greifbar rechtswidrig sind.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die GmbH hat aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Quelle: FG Hamburg, Urteil vom 30.8.2022, 6 K 47/22, NZB BFH, XI B 93/22

Umsatzsteuerzahler: Keine Steuerschuld für überhöhten Steuerausweis an Endverbraucher

Weist ein Unternehmer in der Rechnung einen höheren als den gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuerbetrag aus (z. B. 19 % anstatt 7 %), schuldet er auch den überhöhten Betrag. Das Umsatzsteuergesetz (§ 14c Abs. 1 S. 2 UStG) erlaubt zwar die Korrektur des überhöhten Ausweises per Rechnungsberichtigung. Doch gerade bei vielen Kleinbetragsrechnungen an Endverbraucher ist dies problematisch bzw. faktisch unmöglich, weil die Kontaktdaten der Personen oft nicht bekannt sind. Zu der Thematik „überhöhter Steuerausweis“ erging nun ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem österreichischen Verfahren, welches der deutschen Handhabung entgegensteht.

Der EuGH hat Folgendes entschieden: Hat ein Steuerpflichtiger eine Dienstleistung erbracht und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, schuldet er den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht. Dies gilt, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Somit kam es auf die zweite Frage, die sich mit der Berichtigung der Rechnungen befasste, nicht mehr an.

Beachten Sie: Die Regelungen zur Anwendung des § 14c Abs. 1 UStG werden nun geändert bzw. unionskonform ausgestaltet werden müssen.

Quelle: EuGH, Urteil vom 8.12.2022, C378/21

Marktaufsichtsbehörde: Nichtselbsttätige Waagen für den Einzelhandel dürfen ohne eigenes Display vertrieben werden

Nach den maßgeblichen unionsrechtlichen Regelungen können sog. nichtselbsttätige Waagen, mit denen in vielen Supermärkten das Wiegen von Obst und Gemüse an der Kasse ermöglicht wird, auch ohne eigenes Display mit der CE-Kennzeichnung versehen und als vollständige Waagen in Verkehr gebracht werden. Zudem kann es genügen, die messtechnischen Werte zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert ausschließlich im Display anzuzeigen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bezogen auf zwei marktaufsichtsrechtliche Ordnungsverfügungen des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen entschieden.

Das war geschehen

Die Klägerinnen sind jeweils Hersteller sog. nichtselbsttätiger Waagen, die für den Verkauf in öffentlichen Verkaufsstellen verwendet werden sollen. Zwischen den Beteiligten war zum einen streitig, ob ein Gerät zur Gewichtsbestimmung, das für den Einsatz im Einzelhandel in Kassensysteme anderer Hersteller integriert wird und so das Wiegen beim Kassiervorgang ermöglicht, bereits mit der CE-Kennzeichnung versehen werden darf, wenn es am Ende der Fertigung noch nicht über ein eigenes Display verfügt. Nach Ansicht der Marktaufsichtsbehörde entstehe erst mit Anschluss des Geräts an das Kassen-Display eine nichtselbsttätige Waage, weil diese zwingend eine Anzeigeeinrichtung erfordere. Die Anbringung der CE-Kennzeichnung, mit der zum Ausdruck gebracht werde, dass das fertige Produkt die wesentlichen Anforderungen an eine nichtselbsttätige Waage erfülle und das Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich bestanden habe, dürfe daher erst nach Anschluss an das Kassensystem erfolgen. Zum anderen war zwischen den Beteiligten streitig, ob so der Landesbetrieb die nach den rechtlichen Vorschriften zum Mess- und Eichwesen erforderlichen Angaben zur Höchstlast (Max), Mindestlast (Min) und zum Eichwert (e) zwingend analog auf dem Messgerät angebracht werden müssen oder ob eine ausschließlich digitale Anzeige der Angaben genügen kann.

Musterverfahren

Beide Verfahren sind als Musterverfahren geführt worden, um Rechtsfragen zu klären, die unter den Mess- und Eichbehörden und den Konformitätsbewertungsstellen nicht einheitlich beurteilt worden sind. In beiden Verfahren hat der Landesbetrieb Vorgehensweisen von Waagenherstellern beanstandet, die zuvor jeweils von den Konformitätsbewertungsstellen als ordnungsgemäß bescheinigt worden waren.

Landesbetrieb Mess- und Eichwesen hatte keinen Erfolg

Das OVG ist den Erwägungen des Landesbetriebs in beiden Verfahren nicht gefolgt. Zur Begründung seiner Entscheidungen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine nichtselbsttätige Waage kann den gerätespezifischen Anforderungen auch genügen, wenn beim Inverkehrbringen der Waage sichergestellt ist, dass Anforderungen, die erst bei der Verwendung im geschäftlichen Verkehr für die gesamte Nutzungsdauer relevant sind, ab der Inbetriebnahme erfüllt werden. Ein Hersteller, der ein Gerät als vollständige Waage vertreiben will, das alle Anforderungen an eine Waage erfüllt, aber über keine eigene digitale Hauptanzeigeeinrichtung verfügt, muss „bei Entwurf und Herstellung“ gewährleisten, dass sein Gerät nur mit einem geeigneten Display in Betrieb genommen werden kann und die Vereinbarkeit mit den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen an die Anzeige des Wägeergebnisses ab Inbetriebnahme und damit bei Verwendung des Geräts für Messungen im geschäftlichen Verkehr sichergestellt ist.

Ausschließlich digitale Anzeige erfüllt Anforderungen

Weiter kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Display für die Gewichtsanzeige die rechtlichen Anforderungen der guten Sichtbarkeit, Leserlichkeit und Dauerhaftigkeit erfüllen, weshalb ein Display eine geeignete Einrichtung zum Anbringen der messtechnischen Kennwerte darstellen kann. Damit eine digitale Anzeige dauerhaft bzw. unauslöschlich und damit für die Aufschrift bzw. Beschriftung „geeignet“ ist, hat der Hersteller bei Entwurf und Herstellung des Geräts zu gewährleisten, dass die für die Anzeige der messtechnischen Werte verantwortliche Software entsprechend den gerätespezifischen technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen vor unbeabsichtigtem Missbrauch geschützt und eine Veränderung der angezeigten messtechnischen Werte verhindert wird.

Internationale Standards und europäische Vorgaben erfüllt

Dieses Normverständnis steht im Einklang mit internationalen technischen Standards und entspricht dem Bestreben des europäischen Richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen zu beschränken. Der deutsche Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben unverändert in nationales Recht übernommen.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung in beiden Verfahren die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen.

Quelle: OVG Münster, Urteil vom 9.9.2022, 4 A 1278/21, PM vom 29.9.2022

Freiberufler und Gewerbetreibende: Neue Größenklassen als Anhaltspunkt für die Häufigkeit einer Betriebsprüfung

Nach Verwaltungsmeinung sind größere Unternehmen prüfungswürdiger als kleinere. Also kommt es für die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsprüfung nicht zuletzt darauf an, ob ein Unternehmen als Kleinst-, Klein-, Mittel- oder Großbetrieb eingestuft wird. Die neuen Abgrenzungsmerkmale zum 1.1.2024 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun veröffentlicht.

Die Einordnung in Größenklassen gemäß der Betriebsprüfungsordnung (§ 3 BpO 2000) erfolgt nach der Betriebsart (z. B. Handelsbetriebe und Fertigungsbetriebe), dem Umsatz und dem steuerlichen Gewinn. Regelmäßig werden neue Abgrenzungsmerkmale festgelegt, aktuell für den 24. Prüfungsturnus (1.1.2024).

Für Handelsbetriebe gilt z. B. die nachfolgende Klassifizierung. Dabei reicht es aus, dass eine der beiden Grenzen überschritten wird. Zum besseren Vergleich sind auch die Umsatz- und Gewinngrößen für den 23. Prüfungsturnus (1.1.2019) aufgeführt:

Klassifizierung für Handelsbetriebe

Größenklasse

Umsatz (über)

Gewinn (über)

Großbetrieb

1.1.2019

1.1.2024

8.600.000 EUR

14.000.000 EUR

335.000 EUR

800.000 EUR

Mittelbetrieb

1.1.2019

1.1.2024

1.100.000 EUR

8.600.000 EUR

68.000 EUR

335.000 EUR

Kleinbetrieb

1.1.2019

1.1.2024

210.000 EUR

1.100.000 EUR

44.000 EUR

68.000 EUR

Quelle: BMF, Schreiben vom 15.12.2022, IV A 8 – S 1450/19/10001 :003