Coronapandemie: Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist beendet – mit weitreichenden Folgen

Seit dem 1.5.2021 besteht wieder eine Insolvenzantragspflicht und somit das „reguläre“ Insolvenzrecht aus der Zeit vor der Coronapandemie. Insofern gelten nun wieder strenge Insolvenzantragspflichten bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eines Unternehmens, die in der Insolvenzordnung (§ 15a InsO) geregelt sind. Die Geschäftsleitung des Unternehmens ist dafür verantwortlich, diese zu befolgen.

Mit dem Ende der Aussetzung sind aber auch die laut dem „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (§§ 2, 3 COVInsAG) gewährten Privilegien weggefallen. Demnach ergeben sich Änderungen in Bezug auf:

  • Haftungsprivilegierung von Leitungspersonen,
  • Privilegierung von Kreditgebern,
  • Beschränkung der Insolvenzanfechtung und
  • Beschränkung von Insolvenzanträgen von Gläubigern.

Beachten Sie: Praxisrelevant dürfte vor allem sein, dass Geschäftsführer, die keinen rechtzeitigen Insolvenzantrag stellen, wieder der vollen persönlichen Haftung unterliegen.

Ebenso wird für viele Betriebe spürbar werden, dass

  • bei bis 30.9.2021 eingeführter Kurzarbeit die Sozialversicherungsbeitrage ab Oktober bis Dezember 2021 nur zu 50 Prozent von der Bundesagentur fur Arbeit erstattet werden,
  • die Überbrückungshilfe III ausgelaufen ist und
  • der Schutzschirm für die Lieferkette weggefallen ist. (COVInsAG)

Gesetzgebung: Steuerfreie Corona-Prämie bis 31.3.2022 verlängert

Mit der Corona-Prämie können Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gespart werden. Aktuell hat der Gesetzgeber die Zahlungsmöglichkeit erneut verlängert und zwar bis zum 31.3.22.

Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 11a EstG) sind steuerfrei: „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 1.3.20 bis zum 30.6.21 aufgrund der Coronakrise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro.“

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde die Befristung der Corona-Prämie bereits vom 31.12.20 bis zum 30.6.21 verlängert. Nunmehr erfolgte durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) eine erneute Verlängerung bis zum 31.3.22.

Beachten Sie: Der Höchstbetrag je Arbeitnehmer wurde nicht geändert. Die Fristverlängerung bewirkt also nicht, dass z. B. im ersten Quartal 2022 nochmals 1.500 Euro steuerfrei zusätzlich zu einem z. B. in 2021 gezahlten Betrag von 1.500 Euro gezahlt werden können. (AbzStEntModG, BR-Drs. 353/21 (B) vom 28.5.2021)

Coronaschutzverordnung NRW: Schließung einer Wasserski-Anlage rechtswidrig, eines Kletterparks jedoch rechtmäßig

Die von einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen verfügte Schließung einer Wasserskianlage nach Maßgabe der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und einem entsprechenden Eilantrag der Betreiberin stattgegeben.

Wasserski-Anlage: Sportanlage unter freiem Himmel

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt: Bei der Wasserskianlage der Betreiberin handele es sich um eine Sportanlage unter freiem Himmel im Sinne der CoronaSchVO. Die dort angebotenen Betätigungen des Wasserskifahrens und Wakeboardens seien als Freizeit- und Amateursport zu qualifizieren. Es handele sich um anerkannte Sportarten. Für die Kammer sei nicht erkennbar, welche Gesichtspunkte der Freizeitgestaltung diese sportliche Betätigung überlagern und sie insgesamt zu einer untersagten Freizeitaktivität im Sinne der CoronaSchVO machen sollten. Angesichts der übrigen Einschränkungen durch die CoronaSchVO sei die Betreiberin auf ihr Kerngeschäft beschränkt, ihren Gästen das Wasserskifahren und Wakeboarden unter Nutzung eines Wasserskilifts zu ermöglichen. Dagegen entfielen insbesondere sämtliche Angebote, die zu einem Verweilen oder geselligen Beisammensein an der Wasserskianlage einladen könnten. Nach dem Hygienekonzept der Betreiberin werde unter anderem der Zugang zum Gelände nur zu den vereinbarten Zeiten gestattet, in der Regel für eine oder zwei Stunden. Die Anzahl der Besucher auf dem etwa 11 Hektar großen Gelände sei auf maximal 25 Personen pro Stunde beschränkt. Zuschauer seien nicht zugelassen.

Das Risiko von weiteren Sozialkontakten, etwa durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Weg zu derart privilegierten Sportanlagen, habe der Verordnungsgeber jedoch bewusst in Kauf genommen.

Kletterpark: Freizeitanlage unter freiem Himmel

Demgegenüber hat so das VG eine Gemeinde in NRW den Betrieb eines Kletterparks zu Recht auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und der CoronaSchVO NRW untersagt. Es hat einen Eilantrag der Betreibergesellschaft des Kletterparks abgelehnt.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt: Es handele sich um einen Freizeitpark, dessen Betrieb nach der CoronaSchVO NRW untersagt sei, und nicht etwa um eine Sportanlage unter freiem Himmel, auf der Sport getrieben werden dürfe. Entscheidend sei hierfür, dass der Kletterpark vorrangig, wenn nicht sogar ausschließlich, unter Gesichtspunkten der Freizeitgestaltung aufgesucht werde, wenn seine Nutzung auch gewisse körperliche Anstrengungen mit sich bringe oder Anforderungen an die Geschicklichkeit der Nutzer stelle. Dies bestätige auch der Internetauftritt der Antragstellerin, der ein, vor allem auch auf Familien zugeschnittenes, Angebot nach Art eines typischen Freizeitparks aufliste. Auch werde mit dem Motto des Parks „Spaß für alle“ sehr zutreffend der Zweck der Nutzung beschrieben. Die zahlreichen „Abenteuer-Angebote“, wie „Todesschleuder“ oder „Banana-Jump“, hätten allenfalls höchst mittelbar mit einer sportlichen Betätigung zu tun.

Das Verbot von Freizeitparks, Indoor-Spielplätzen und ähnlichen Einrichtungen für Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen) diene in nicht zu beanstandender Weise der Reduzierung von Kontakten. Bei den genannten Einrichtungen handele es sich um solche, die typischerweise gleichzeitig von einer Vielzahl von Personen besucht würden und in denen diese sich für eine nicht unerhebliche Dauer aufhielten. Dies begünstige Infektionsrisiken, zumal sich in der betreffenden Zeit die britische Variante B 1.1.7 des Corona-Virus auch in NRW massiv ausbreitete, bei der auch schon kürzere Kontakte zu einer Infektion führen könnten.

Gegen beide Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster eingelegt werden. (VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.4.2021, 29 L 737/21, PM vom 14.4.2021; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8.4.2021, 26 L 693/21, PM vom 8.4.2021)

Gesetzesvorhaben: Zweites Führungspositionen-Gesetz: Mehr Frauen in Vorständen gefordert

Die Bundesregierung möchte mehr Frauen in die Vorstände großer Unternehmen bringen. Dafür hatte das Kabinett eine Reform des Gesetzes für mehr Frauen in Führungspositionen auf den Weg gebracht. Die Regelung betrifft die Vorstände von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Der Bundestag hat diesem Gesetzentwurf nun zugestimmt.

Unter anderem gibt es neue Berichtspflichten: Sollen einem Vorstand ausschließlich Männer angehören, muss das Unternehmen dies künftig gesondert begründen.

Ausführliche Informationen zu den Zielvorgaben in Bezug auf unterschiedliche Unternehmensformen und -gremien sowie behördliche Institutionen finden Sie unter www.iww.de/s5067.

(Bundesregierung, Zweites Führungspositionen-Gesetz: Mehr Frauen in Vorstände vom 11.6.2021)

Umsatzsteuerzahler: Bundesfinanzhof klärt Fragen zur Ist-Besteuerung im Gründungsjahr

Die Umsatzsteuer wird grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) berechnet. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Umsatzsteuer antragsgemäß auch nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) berechnet werden, sodass ein Liquiditätsvorteil möglich ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich nun in zwei Verfahren zu den Voraussetzungen der Ist-Besteuerung in Neugründungsfällen geäußert.

Hintergrund

Das Finanzamt kann nach § 20 Umsatzsteuergesetz auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,

  • dessen Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat oder
  • der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 Abgabenordnung befreit ist oder
  • soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz ausführt,

die Umsatzsteuer nicht nach den vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.

Sichtweise des Bundesfinanzhofs

Der BFH ist der mit der Revision vorgetragenen Meinung des Unternehmens nicht gefolgt, dass bei jeder Unternehmens-Neugründung im Erstjahr stets die Voraussetzung für eine Ist-Besteuerung hinsichtlich der definierten Umsatzgrenze (600.000 Euro) erfüllt ist. Vielmehr ist es bei Neugründungen erforderlich, den Gesamtumsatz bis zum 31.12. des Erstjahrs zu schätzen und diesen voraussichtlichen Gesamtumsatz auf einen für das ganze Jahr prognostizierten Gesamtumsatz hochzurechnen.

Beachten Sie: Die Umsätze des Erstjahrs sind nach den Grundsätzen der Soll-Besteuerung (also nach vereinbarten Entgelten) zu schätzen. Die Ist-Besteuerung ist erst dann anzuwenden, wenn sie das Finanzamt genehmigt hat. (BFH, Urteil vom 11.11.2020, XI R 40/18)

Wettbewerbsrecht: Entgelt für die Zahlung mittels Sofortüberweisung oder PayPal zulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden, dass Unternehmen von ihren Kunden ein Entgelt für die Zahlung mittels Sofortüberweisung oder PayPal erheben dürfen, wenn das Entgelt allein für die Nutzung dieser Zahlungsmittel und nicht für eine damit im Zusammenhang stehende Nutzung einer Lastschrift, Überweisung oder Kreditkarte verlangt wird.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte veranstaltet Fernbusreisen und bewirbt diese im Internet. Sie bietet ihren Kunden vier Zahlungsmöglichkeiten an, nämlich die Zahlung mit EC-Karte, Kreditkarte, Sofortüberweisung oder PayPal. Bei Wahl der Zahlungsmittel „Sofortüberweisung“ und „PayPal“ erhebt die Beklagte ein vom jeweiligen Fahrpreis abhängiges zusätzliches Entgelt.

Die Klägerin sieht darin u. a. einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) München die Klage abgewiesen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Die vom OLG zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Beklagte hat dadurch, dass sie für die Zahlung mittels Sofortüberweisung oder PayPal ein zusätzliches Entgelt verlangt hat, nicht gegen das Gesetz verstoßen.

Eine Vereinbarung ist unwirksam, die den Schuldner verpflichtet, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte zu zahlen. Für die Nutzung von Zahlungskarten gilt dies nur bei Zahlungsvorgängen mit Verbrauchern, auf die Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge anwendbar ist.

Entgelt für Zahlungsauslösedienst

Bei der Wahl des Zahlungsmittels „Sofortüberweisung“ kommt es zu einer Überweisung vom Konto des Kunden auf das Konto des Empfängers. Dabei handelt es sich um eine SEPA-Überweisung, auch wenn diese Überweisung nicht durch den Kunden, sondern im Auftrag des Kunden durch den Betreiber des Zahlungsdienstes „Sofortüberweisung“ ausgelöst wird. Das von der Beklagten bei Wahl der Zahlungsmöglichkeit „Sofortüberweisung“ geforderte Entgelt wird aber nicht für die Nutzung dieser Überweisung verlangt, sondern für die Einschaltung des Zahlungsauslösedienstes, der neben dem Auslösen der Zahlung weitere Dienstleistungen erbringt. So überprüft er etwa die Bonität des Zahlers und unterrichtet den Zahlungsempfänger vom Ergebnis dieser Überprüfung, sodass dieser seine Leistung bereits vor Eingang der Zahlung erbringen kann.

PayPal

Auch bei der Wahl der Zahlungsmöglichkeit „PayPal“ kann es zu einer SEPA-Überweisung oder einer SEPA-Lastschrift oder einem kartengebundenen Zahlungsvorgang kommen, wenn das PayPal-Konto des Zahlers kein ausreichendes Guthaben aufweist und durch eine Überweisung, Lastschrift oder Kreditkartenabbuchung aufgeladen werden muss. Auch in diesem Fall verlangt die Beklagte von ihren Kunden aber kein Entgelt für die Nutzung dieser Zahlungsmittel, sondern allein für die Einschaltung des Zahlungsdienstleisters „PayPal“, der die Zahlung vom PayPal-Konto des Zahlers auf das PayPal-Konto des Empfängers durch Übertragung von E-Geld abwickelt.

Entgeltverbot für „normale“ Zahlweisen nicht tangiert

Der Erhebung eines Entgelts für zusätzliche Leistungen steht schließlich das Verbot der Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung einer Lastschrift, Überweisung oder Zahlungskarte nicht entgegen. (BGH, Urteil vom 25.3.2021, I ZR 203/19, PM Nr. 67/21)

Freiberufler und Gewerbetreibende: Broschüre zur steuerlichen Behandlung von Fotovoltaikanlagen

Auch private Hausbesitzer werden steuerlich zum Unternehmer, wenn sie eine Fotovoltaikanlage errichten und den erzeugten Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) hat seine Broschüre „Hilfe zu Fotovoltaikanlagen“ neu aufgelegt und beantwortet insbesondere einkommen- und umsatzsteuerliche Fragen. Sie können die 46-seitige Broschüre (Stand März 2021) unter www.iww.de/s4766 abrufen.

Corona-Pandemie: Geschäftsraum: Im Lockdown nur halbe Miete

Ein Einzelhändler, der sein Geschäft aufgrund Corona-bedingter Schließungsanordnung nicht öffnen durfte, muss für das Ladenlokal nur 50 Prozent der Kaltmiete zahlen. In solchen Fällen ist von einer Störung der Geschäftsgrundlage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 313 BGB) auszugehen, die eine Mietanpassung erforderlich macht, um die Belastungen zu teilen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Das OLG: Es ist für eine Störung der Geschäftsgrundlage nicht erforderlich, dass der Mieter durch die staatlichen Schließungsanordnungen in eine existenzgefährdende Lage gerät. Bei einem Mietvertrag handele es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Miete werde für die Nutzung eines bestimmten Zeitabschnitts, regelmäßig für einen Monat gezahlt. Daher sei es für den Mieter unzumutbar, die Miete für ein Mietobjekt zu zahlen, das er aus von ihm nicht zu vertretenden und nicht vorhersehbaren Gründen nicht nutzen könne.

Da aber auch der Vermieter die Schließung nicht zu vertreten und bei Abschluss des Mietvertrags auch nicht vorhergesehen habe, sei eine Reduzierung der Miete um 50 Prozent eine angemessene Vertragsanpassung.

Beachten Sie: Das OLG Karlsruhe hat im Februar 2021 für einen weltweit tätigen Gewerberaummieter anders entschieden: Dieser sei auch während einer Corona-bedingten Filialschließung verpflichtet, die vereinbarte Miete zu zahlen.

Sowohl die Entscheidung des OLG Dresden als auch die des OLG Karlsruhe waren zum Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig. (OLG Dresden, Urteil vom 24.2.2021, 5 U 1782/20)

Vogelschutz: Windenergie und Artenschutz müssen sich nicht widersprechen

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat die Klage des NABU gegen eine vom Hochsauerlandkreis im Jahr 2016 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine etwa 150 m hohe Windenergieanlage abgewiesen.

In der Nähe des Standorts halten sich jährlich von Februar bis Oktober vermehrt Rotmilane auf, die dort brüten oder sich an Gemeinschaftsschlafplätzen sammeln. Der Rotmilan ist eine nach der EU-Vogelschutzrichtlinie besonders geschützte tagaktive Zugvogelart. Da er als kollisionsgefährdet gilt, muss die Windenergieanlage zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten abgeschaltet werden, um das Tötungsrisiko auf ein artenschutzrechtlich zulässiges Maß zu reduzieren. Das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg gab der Klage des NABU statt und hob die Genehmigung auf, weil es die festgesetzten Abschaltzeiten für unzureichend hielt. Die dagegen eingelegten Berufungen des Anlagenbetreibers und des Hochsauerlandkreises als Genehmigungsbehörde hatten nun vor dem OVG Erfolg.

Zur Urteilsbegründung hat die Vorsitzende das OVG ausgeführt: Die artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen, die der Kreis nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils, zuletzt im Dezember 2020, mehrfach nachgebessert habe, reichten nach Auffassung des Senats nun aus, um insbesondere Rotmilane ausreichend zu schützen. Zur Klarstellung fügte sie hinzu, dass es bei Verfahren dieser Art nicht darum gehe, ob der gesetzlich vorgeschriebene Artenschutz oder der vom Gesetzgeber ebenfalls geforderte Ausbau erneuerbarer Energien wichtiger sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer einzelfallbezogenen Prüfung. Der Artenschutz des Rotmilans erfordere in aller Regel nicht, auf ein konkretes Windenergievorhaben ganz zu verzichten. Es gehe vielmehr darum, das Tötungsrisiko, das auch nach den artenschutzrechtlichen Vorgaben nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden müsse, durch temporäre Abschaltungen zu reduzieren. Das sei hier jetzt gewährleistet.

Der Vortrag des NABU, dass der Standort der Anlage in einem sogenannten faktischen Vogelschutzgebiet liege, hatte ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage geführt. Das OVG: Zwar lägen aufgrund von ornithologischen Kartierungen, die das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) geprüft habe, Anhaltspunkte dafür vor, dass u. a. in Marsberg ein europäisches Vogelschutzgebiet hätte ausgewiesen werden müssen. Das Verfahren zur förmlichen Unterschutzstellung des Gebiets sei eingeleitet. Dass der konkrete Anlagenstandort außerhalb der vom LANUV vorgeschlagenen Gebietsabgrenzung liege, schließe zwar nicht grundsätzlich aus, dass auch diese Fläche in das der EU-Kommission zu meldende Vogelschutzgebiet einbezogen und vorerst als faktisches Vogelschutzgebiet behandelt werden müsse. Nach Auswertung des Karten- und Datenmaterials und Anhörung von Sachverständigen sah das OVG aber keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass auch die Fläche, auf der die Windenergieanlage errichtet worden sei, von mindestens gleichem ornithologischen Wert sei wie die nach dem derzeitigen Stand des Meldeverfahrens ausgewählten Gebiete.

Das OVG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entscheidet. (OVG Münster, Urteil vom 1.3.2021, 8 A 1183/18, PM vom 1.3.2021)

Offenlegung der Jahresabschlüsse: Erneute Aufschiebung von Ordnungsgeldverfahren

Die Offenlegungsfrist für den Jahresabschluss für 2019 endete bereits am 31.12.2020. Ord-nungsgeldverfahren wegen Nichtoffenlegung der Rechnungslegungsunterlagen für das Ge-schäftsjahr 2019 werden aber erst nach den Osterfeiertagen eingeleitet. Damit hat das Bundesamt für Justiz (BfJ) seine ursprüngliche Aufschiebung (kein Ordnungsgeldverfahren vor dem 1.3.2021) verlängert.

Offenlegungspflichtige Gesellschaften (insbesondere AG, GmbH und GmbH & Co. KG) müssen ihre Jahresabschlüsse spätestens zwölf Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs beim Bundes-anzeiger elektronisch einreichen. Kommt das Unternehmen der Pflicht zur Offenlegung nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nach, leitet das BfJ ein Ordnungsgeldverfahren ein. Das Unternehmen wird dann aufgefordert, innerhalb einer sechswöchigen Nachfrist den Offenlegungspflichten nachzukommen. Gleichzeitig droht das BfJ ein Ordnungsgeld an (regelmäßig in Höhe von 2.500 EUR). Sofern das Unternehmen der Aufforderung nicht entspricht, wird das Ordnungsgeld festgesetzt. Ordnungsgeldandrohungen und -festsetzungen können so lange wiederholt und dabei schrittweise erhöht werden, bis die Veröffentlichung erfolgt ist. (Steuerberaterkammer Thüringen, Mitteilung vom 1.3.2021 „Offenlegung von Jahresabschlüssen Einleitung von Ordnungsgeldverfahren weiter verschoben“)