Zulassungskosten: Geschädigter darf bei Ersatzfahrzeug Zulassungsdienst nutzen

Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, eine An- und Abmeldung und eine Zulassung des als Ersatz erworbenen Fahrzeugs selbst vorzunehmen. Er darf sich hierzu einer Drittfirma bedienen. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Aschaffenburg entschieden.

Das Gericht hat dies nicht näher begründet. Ähnlich entschieden haben aber früher bereits u. a. die AG Biberach an der Riß, Berlin-Mitte und Erfurt. (AG Aschaffenburg, Urteil vom 20.10.2020, 115 C 819/20)

Sanktionen: Nicht zu unterschätzen: Rücksichtslosigkeit bei der Straßenverkehrsgefährdung

Oft geht es bei Verkehrsunfällen nicht „bloß“ um ein Bußgeld. Schnell kann auch eine strafrechtliche Verurteilung im Raum stehen, z. B., wenn im Rahmen einer Straßenverkehrsgefährdung eine sog. Rücksichtslosigkeit nachgewiesen wird. Doch wann ist ein Verhalten in diesem Sinn rücksichtslos? Zwei Oberlandesgerichte (OLG) haben sich in der letzten Zeit mit dieser Frage befasst.

1. Wann ist eine Straßenverkehrsgefährdung rücksichtslos?

Rücksichtslos handelt, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Fortkommens wegen, darüber hinwegsetzt. Das gilt auch, wenn derjenige darauf vertraut hat, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Personen nicht kommen werde.

Das OLG Karlsruhe hat jetzt ergänzt: Rücksichtslos handelt auch, wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt und Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt kurz: unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise drauflosfährt.

Hierauf, so betont es das OLG, kann allerdings nicht schon aus den äußeren Umständen geschlossen werden, wenn ein Verkehrsteilnehmer in einer leichten Rechtsbiegung der Bundesstraße bei einer einsehbaren Überholstrecke bis zu 250 Metern einen Überholvorgang mit konkreter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durchführt, obwohl hier wenigstens 320 Meter erforderlich gewesen wären. Rücksichtslos handelt ein Verkehrsteilnehmer auch nicht, wenn er vor einem Überholvorgang in verkehrstypischer Weise wiederholt bis an die gestrichelte Mittellinie heranfährt, um zur Verbesserung seiner Sicht an einem zu überholenden Lkw vorbeizuschauen.

2. Gefahr und Risiko müssen zusammenhängen

Eine o. g. Strafbarkeit setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der konkreten Gefahr und den durch die Unübersichtlichkeit der Strecke begründeten Risiken voraus. So hat es jetzt das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) entschieden. Die Richter: Dieser Zusammenhang kann nur festgestellt werden, wenn auszuschließen ist, dass die konkrete Gefahr nur gelegentlich des zu schnellen Fahrens entstanden ist, also positiv festzustellen ist, dass die Gefahr ohne die Unübersichtlichkeit des Streckenverlaufs nicht eingetreten wäre.

Im vorliegenden Fall hatte ein Pkw-Fahrer eine unübersichtliche Mehrfachkurve in einem Waldstück mit stark überhöhter Geschwindigkeit passiert, was zum Kontrollverlust über den Pkw führte. Durch den hieraus resultierenden Verkehrsunfall verursachte er sorgfaltspflichtwidrig den Tod seiner Beifahrerin. Der Pkw-Fahrer musste sich hier einen groben Verkehrsverstoß zurechnen lassen. Jetzt muss die Vorinstanz noch einmal prüfen, ob die o.g. Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben. (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5.8.2020, 1 Rv 34 Ss 406/20)

Personalausweisgesetz: Täteridentifizierung: Einwohnermeldeamt darf Bußgeldbehörde ein Passfoto überlassen

Zur Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit darf das Einwohnermeldeamt auf Anforderung der Bußgeldstelle ein Pass- oder Personalausweisfoto des vermutlichen Fahrers zwecks Fahreridentifizierung übersenden. Das hat jetzt das Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts (AG) Mainz bestätigt.

Das AG hatte gegen den Betroffenen eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt. Er habe außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Geschwindigkeit um 31 km/h überschritten. Es gab einschlägige Voreintragungen. Der Betroffene hatte demgegenüber u. a. beanstandet, dass die Bußgeldbehörde vor Erlass des Bußgeldbescheids sein Personalausweisfoto zur Fahreridentifizierung beim Einwohnermeldeamt angefordert habe. Dessen Herausgabe verstoße gegen das Gesetz. Daher sei das Verfahren einzustellen.

Damit hatte der Betroffene vor dem OLG keinen Erfolg. Es erkannte keinen Gesetzesverstoß. Das Einwohnermeldeamt habe das Foto nach den Regelungen des Personalausweisgesetzes (PAuswG) an die Bußgeldbehörde herausgeben dürfen. Entscheidend sei, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten das Übermitteln von Fotos durch die Pass- und Personalausweisbehörden an die Bußgeldbehörden zulässig ist. (OLG Koblenz, Beschluss vom 2.10.2020, 3 OWi 6 SsBs 258/20)

Geschwindigkeitsüberschreitung: Täteridentifizierung: Wer ist denn nun gefahren?

Bei der Täteridentifizierung werden von den Amtsgerichten immer wieder Fehler gemacht. Das beweist ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden.

Dem Betroffenen war eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt worden. Er hatte sich damit verteidigt, dass nicht er, sondern ein Verwandter Fahrer zum Vorfallszeitpunkt gewesen sei.

Das Amtsgericht (AG) hatte in erster Instanz in den Urteilsgründen zur Täteridentifizierung auf ein Tatfoto verwiesen. Diese Verweisung war zwar nach Auffassung des OLG wirksam, da das Foto für eine Identifizierung gut geeignet war. Die Ausführungen des Amtsrichters in den Urteilsgründen zum Ausschluss des als Fahrer genannten Zeugen hat es aber als lückenhaft und für das Rechtsbeschwerdegericht als nicht nachvollziehbar angesehen.

Hieran mangelte es im Urteil des AG: Das OLG beanstandete, dass das AG keine unterschiedlichen Merkmale zwischen dem Zeugen und dem Tatfoto mitgeteilt hatte. Dies wäre, so das OLG, vorliegend aber erforderlich gewesen, da schon die Identität des Nachnamens des Zeugen und des Betroffenen auf ein (mögliches) Verwandtschaftsverhältnis hindeutete, wodurch eine mögliche verwechslungsfähige Ähnlichkeit nicht ausgeschlossen sei.

Das OLG hat das angefochtene Urteil daher aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. (OLG Dresden, Beschluss vom 28.9.2020, OLG 22 Ss 539/20 (B))

Elektromobilität: Falschparker auf Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge darf abgeschleppt werden

Wird ein nicht elektrisch betriebenes Fahrzeug auf einem Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge abgestellt, rechtfertigt die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche eine Abschleppmaßnahme regelmäßig auch ohne konkrete Behinderung eines im Sinne des Elektromobilitätsgesetzes (§ 2 EmoG) bevorrechtigten Fahrzeugs.

So hat es jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. Es wies zudem darauf hin, dass in einem solchen Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht erfordert, dass eine bestimmte Wartezeit eingehalten wird.

Durch das unberechtigte Parken und die damit bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Gestalt einer Verletzung der Rechtsordnung wurde die mit der Ausweisung des Sonderparkplatzes verbundene Funktion, das bloße Parken von allein berechtigten Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, beeinträchtigt. Die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche rechtfertigte die Abschleppmaßnahme. Der parkvorberechtigte Personenkreis soll darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum diesem jederzeit zur Verfügung steht.

Ein Abschleppvorgang ist deshalb auch ohne konkrete Beeinträchtigung des bevorrechtigten Personenkreises grundsätzlich angemessen. Dies sei, so das VG, darin gerechtfertigt, dass in aller Regel zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlass einer Abschleppanordnung weder absehbar ist, wann das nächste parkberechtigte (Elektro-) Fahrzeug dort eintreffen wird, noch eingeschätzt werden kann, wann der Verantwortliche das dort unberechtigt abgestellte Fahrzeug selbst wegfahren wird.

Ebenfalls ist die Abschleppmaßnahme verhältnismäßig, weil durch das Vorhandensein eines Sonderparkplatzes für Elektrofahrzeuge die diesbezüglichen Fahrer darauf vertrauen können sollen, diesen Platz auch immer nutzen bzw. einen freien vorfinden zu können.

Schließlich war es im Fall des VG insbesondere nicht offenkundig, dass mit einer Inanspruchnahme der ausgewiesenen Parkfläche durch bevorrechtigte Elektrofahrzeuge an einem Freitag nach 18.00 Uhr nicht mehr zu rechnen war. (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23.1.2020, 17 K 4015/18)

Reparaturkosten: Autovermieter bekommen immer Rabatt? Nein!

Das Landgericht (LG) Arnsberg hat jetzt einen Versicherer ausgebremst, der forsch behauptet hatte, dass Autovermieter bei Werkstätten stets zumindest auf Nachfrage einen Großkundenrabatt auf Ersatzteile und Lohnkosten erhalten. Damit wollte er den Ersatz des Unfallschadens eines Autovermieters drücken.

Was war geschehen? Ein Autovermieter rechnete einen Unfallschaden an einem seiner Mietwagen fiktiv ab. Der Versicherer wendete ein, dass ein Autovermieter immer und überall als Großkunde mindestens 15 Prozent Rabatt auf die Reparaturkosten bekomme. Mindestens aber würde er den Rabatt bekommen, wenn er mit Nachdruck fragen würde. Also dürfe er die fiktiv abgerechneten Reparaturkosten, die auf normalen Marktpreisen der Werkstatt der Marke am Ort basieren, um diese 15 Prozent kürzen.

Doch das LG ging der Sache auf den Grund: Dabei stellte sich heraus, dass der geschädigte Autovermieter seine Fahrzeuge regelmäßig nach nur sechs Monaten „ausflottet“. Einen planmäßigen Werkstattaufenthalt brauchen die Fahrzeuge also nicht. Kleinere Schäden werden gar nicht beseitigt. Diese berücksichtigt der Autovermieter vielmehr beim Verkaufspreis. Fahrzeuge mit größeren Unfallschäden flottet er sofort aus.

Folge: Der geschädigte Autovermieter stellt seine Fahrzeuge nur selten in der Werkstatt vor. Die Beweisaufnahme ergab zudem, dass er dort keinen Rabatt bekommt und auch keinen bekäme, wenn er danach fragte. (LG Arnsberg, Urteil vom 23.9.2020, I-3 S 2/20)

Schadenersatz: Missratene Probefahrt: Wer zahlt?

Ist der Schaden bei einer vereinbarten Probefahrt passiert oder hat der Kaufinteressent den Wagen eigenmächtig in Gang gesetzt? Vor dieser Frage stand das Amtsgericht (AG) Essen-Steele. Es hat den „Probefahrer“ zum Schadenersatz verurteilt.

Der Interessent war mit seiner Ehefrau bei einem großen Auto-Händler erschienen. Sie interessierten sich für einen gebrauchten Pkw. Dieser stand vorwärts vor einer „Steinblockade“ eingeparkt auf dem Gelände. Unter ungeklärten Umständen hatte der Verkaufsberater dem Interessenten die Fahrzeugschlüssel ausgehändigt. Dieser setzte sich ans Steuer, startete den Motor und fuhr los direkt in die „Steinblockade“. Schaden: knapp 1.800 Euro netto. Musste der Interessent nun zahlen?

Das AG vernahm den Verkaufsberater und die Ehefrau des Interessenten, war aber danach nicht überzeugt, dass eine Probefahrt vereinbart worden war. Wäre das der Fall gewesen, hätte der Interessent nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet. Diesen Vorteil gewährte ihm das Gericht aber nicht. So musste er auch für einfache Fahrlässigkeit haften, die zu bejahen war, und den vollen Schaden ersetzen. (AG Essen-Steele, Urteil vom 24.7.2020, 17 C 136/19)

Verkehrsunfall: Drogenfahrt: Hier droht Regress des Versicherers

Verursacht der Versicherungsnehmer unter Drogeneinfluss einen Verkehrsunfall, kann der Versicherer einen Regressanspruch gegen ihn haben. So hat es jetzt das Amtsgericht (AG) Hannover entschieden.

Der Versicherer berief sich zu Recht auf die vereinbarten Versicherungsbedingungen. Danach sei er im Innenverhältnis in Höhe von 5.000 Euro leistungsfrei. Der Versicherungsnehmer sei nämlich als Fahrer infolge Genusses berauschender Mittel nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug sicher zu führen.

Der Versicherungsnehmer hat seine Behauptung, die Geschädigte habe zunächst noch etwas vor der Einmündung angehalten und sei gerade dann wieder losgefahren, als er selbst sein Fahrzeug wieder in Bewegung gesetzt habe, nicht ausreichend unter Beweis gestellt. Nach dem Unfallbericht hatte er dem aufnehmenden Polizeibeamten zunächst gesagt, er habe das von rechts kommende Fahrzeug nicht rechtzeitig erkannt. (AG Hannover, Urteil vom 16.7.2020, 565 C 2401/20)

Verkehrsunfall: Der Schädiger muss auch das Prognoserisiko tragen

Häufig tritt in der Praxis das Problem auf: Nach dem Sachverständigengutachten liegt der Reparaturaufwand zuzüglich der Wertminderung knapp unter dem Wiederbeschaffungswert. Erst bei der Ausführung der Reparatur stellen sich dann aber weitere Schäden heraus und sie wird bedeutend teurer. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat entschieden, dass der Schädiger trotzdem die höheren Reparaturkosten tragen muss. Maßgeblich sei die sachgerechte Entscheidung im Zeitpunkt der Vorlage des Sachverständigengutachtens.

Bei dem Vergleich der Reparatur- mit den Wiederbeschaffungskosten gilt: Wählt der Geschädigte nach entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand, gehen das Werkstatt- und das Prognoserisiko zulasten des Schädigers. Etwas anderes gilt, wenn der Schädiger dem Geschädigten ein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden nachweist.

Laut OLG hatte der Geschädigte im Streitfall keine unzureichende sachverständige Begutachtung zu verantworten. Er müsse sich infolgedessen weder eine Pflichtverletzung des Sachverständigen noch eine solche des Reparaturbetriebs, die zu höheren Reparaturkosten führt, im Verhältnis zum Haftungsschuldner zurechnen lassen. (OLG Hamm, Urteil vom 24.1.2020, 9 U 100/18)

Corona-Pandemie: Verzögerungsschäden aufgrund „höherer Gewalt“

Verzögerungen, die sich für den Geschädigten aus der Corona-Pandemie ergeben, gehen zulasten des Schädigers. Zwar ist die Corona-Krise als höhere Gewalt einzustufen, doch hat der Geschädigte darauf keinen Einfluss. So entschied es jetzt das Amtsgericht (AG) Wolfsburg.

Am Fahrzeug des Klägers war in der Zeit ein Totalschaden entstanden, als die Autohäuser behördlich geschlossen waren. Also konnte er weder potenzielle Ersatzfahrzeuge besichtigen, noch mit diesen eine Probefahrt unternehmen. Er muss sich nicht auf einen Kauf auf dem Privatmarkt verweisen lassen, weil die Gewährleistung bei solchen Käufen meist ausgeschlossen wird. Er war auch nicht verpflichtet, das nächstbeste Fahrzeug zu akzeptieren. Ein Geschädigter darf vielmehr suchen und auswählen, denn er kann nichts dafür, dass sein Fahrzeug beschädigt wurde.

Das AG sah die Dauer von einem Monat als angemessen an, in Corona-Zeiten ein vernünftiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. (AG Wolfsburg, Urteil vom 12.10.2020, 23 C 48/20)