Reparaturkosten: Wenn die Werkstatt ein eigenes Fahrzeug fiktiv abrechnet

Rechnet der Geschädigte, der selbst eine Kfz-Reparaturwerkstatt betreibt, den Unfallschaden am werkstatteigenen Fahrzeug fiktiv ab, scheidet ein Abzug eines Pauschalbetrags als nicht zu erstattender Unternehmergewinn aus. So entschied das Landgericht (LG) Osnabrück und bestätigte damit nun das Amtsgericht (AG) Lingen.

Das Gericht: Bei der konkreten Abrechnung kommt es darauf an, ob die Werkstatt während der Reparatur ausgelastet war. Da bei der fiktiven Abrechnung ein Reparaturzeitraum nicht bestimmbar ist, könne die Auslastungsfrage nicht geprüft werden.

Quelle: LG Osnabrück, Beschluss vom 1.12.2021, 4 S 72/21

Autokauf: Sind zwölf Monate Standzeit tagesgenau zu betrachten?

Der vom Bundesgerichtshof (BGH) vorgegebene Zwölf-Monats-Zeitraum zwischen Produktion und Verkauf eines Fahrzeugs, nach dessen Verstreichen das Fahrzeug die Eigenschaft „fabrikneu“ verliert, ist nicht tagesgenau zu verstehen. Ist er zum Verkaufszeitpunkt um zwei Tage überschritten, schadet das nicht. So entschied jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. anders als noch das Landgericht (LG) Gießen als Vorinstanz.

Das sehen die OLG aber durchaus unterschiedlich. Während das OLG Düsseldorf ebenso flexibel ist (Urteil vom 24.10.05, I-1 U 84/05), wie das OLG Frankfurt a. M., befürwortet das OLG Hamm die tagesgenaue Anwendung (Urteil vom 16.8.16, 1-28 U 140/15). Hier sei die Rechtssicherheit entscheidend.

Der Fall des OLG Hamm lag jedoch genau andersherum: Es fehlten noch wenige Tage, der Käufer wollte dennoch bereits „aussteigen“.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 3.8.2021, 5 U 84/20

Verkehrsunfall: Mietwagen nicht verkehrssicher: 90.000 Euro Schmerzensgeld

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main verurteilte ein Mietwagenunternehmen u.a. dazu, ein Schmerzensgeld von 90.000 Euro zu zahlen. Denn der Mietwagen war nicht verkehrssicher und die klagende Mieterin hatte schwerste Verletzungen bei einem Verkehrsunfall mit diesem Fahrzeug erlitten.

Die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel der Mietsache kann für die Verletzung von Kardinalspflichten nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden. Zu diesen Kardinalpflichten gehört beim Mietwagenvertrag, ein Fahrzeug zu überlassen, dessen technischer Zustand das sichere Fahren insbesondere durch funktionsfähige Lenkung und Bremsen gewährleistet.

Das war geschehen

Die Beklagte betrieb eine gewerbliche Autovermietung. Als gewerbliche Stammkundin mietete die Klägerin bei der Beklagten für eine Woche ein Fahrzeug. Nach den Mietvertragsbedingungen haftete die Beklagte für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

Auf dem Hinweg informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie Probleme habe, in den zweiten Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug während die Klägerin versuchte, die geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hierzu ihre linke Hand vom Steuer nahm plötzlich ins Schleudern. Gegenlenken war nicht möglich. Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch das Fenster und wurde abgetrennt. Die Klägerin erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen. Eine Replantation des Armes war nicht möglich.

Hohe Schmerzensgeldforderung

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls. Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte beim OLG überwiegend Erfolg. Die Klägerin könne Schadenersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen sei, so das OLG. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager bereits bei Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Das Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen. Für diesen von der Beklagten nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte sie dennoch. Der Unfall sei durch den Mangel verursacht worden.

Kardinalsplicht: Fahrzeug muss verkehrssicher sein!

Die Beklagte könne sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen. Kraft Gesetzes hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch AGB ausgeschlossen werden. Dies gelte aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sog. Kardinalspflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe. Zu diesen Kardinalspflichten gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien. Der Mieter würde unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten des Vermieters umfassen würde. Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht durch einen Haftungsausschluss ausgehöhlt werden. Das Fahren im Straßenverkehr mit hoher Geschwindigkeit begründe stets eine latente erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Insassen. Ein Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln ist, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) beantragen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2021, 2 U 28/21, PM vom 24.1.2022

Ordnungswidrigkeit: Handy auf dem Oberschenkel ablegen, heißt, es zu benutzen

Wird dem Betroffenen die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons zur Last gelegt, ist entscheidend, ob er es wirklich „benutzt“ hat. Das hat das Bayrische Oberste Landesgericht (BayObLG) jetzt für das Ablegen des Handys auf dem Oberschenkel bejaht.

Denn, so das Gericht, eine verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons liege nicht nur vor, wenn dieses mit der Hand ergriffen wird. Vom Wortsinn (gemäß Duden, siehe www.duden.de, Stichwort „halten“) her bedeute „halten“ einerseits „festhalten“ und andererseits „bewirken, dass etwas in seiner Lage, seiner Stellung oder Ähnlichem bleibt“. Demnach liegt ein Halten nicht nur vor, wenn ein Gegenstand mit der Hand ergriffen wird, sondern auch, wenn er zwischen Schulter und Ohr geklemmt wird. Zudem ist ein Halten gegeben, wenn das Gerät in sonstiger Weise mithilfe der menschlichen Muskulatur in seiner Position bleibt.

Ein Mobiltelefon kann während der Fahrt, verbunden mit den damit einhergehenden Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen, nicht allein durch die Schwerkraft auf dem Schenkel verbleiben. Es bedarf bewusster Kraftanstrengung, um die Auflagefläche so auszubalancieren, dass das Mobiltelefon nicht vom Bein herunterfällt. Auch dieses durch menschliche Kraftanstrengung bewirkte Ausbalancieren unterfällt dem Begriff des Haltens.

Quelle: BayObLG, Urteil vom 10.1.2022, 201 ObOWi 1507/21

Verfassungsbeschwerde: Herausgabe von Wartungsunterlagen eines Geschwindigkeitsmessgeräts im standardisierten Messverfahren

Der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz hat jetzt einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, der eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zugrunde lag.

Sachverhalt

Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte ein Autofahrer u. a. geltend, die Nichtüberlassung der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts sowie bestimmter Messdaten (Falldatensätze der gesamten Messreihe einschließlich der Statistikdatei und Case-List) verstoße gegen Grundrechte der Landesverfassung.

Dem Autofahrer war eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen Messgeräts des Typs PoliScan Speed M1 der Firma Vitronic. Nachdem seine Verteidigerin Einsicht in die Bußgeldakte erhalten hatte, beantragte sie, ihr weitere Dokumente zu überlassen u. a. die Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts, die nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind.

So entschieden die Instanzen

Das Amtsgericht (AG) lehnte den Antrag ab und verurteilte den Autofahrer wegen des Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 140 Euro. Sein beim Oberlandesgericht (OLG) Koblenz gestellter Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

Kehrtwende durch den Verfassungsgerichtshof

Die Entscheidungen des AG und OLG verletzten den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, so der VGH. Aus diesem Grundsatz folge das Recht des Betroffenen, Unterlagen über Messgerät und Geschwindigkeitsmessung einzusehen.

„Waffengleichheit“ …

So werde dem auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in jüngerer Zeit betonten Gedanken der „Waffengleichheit“ zwischen Bußgeldbehörde und Betroffenem Rechnung getragen und Autofahrern zu ermöglichen, nach Entlastungsmomenten in Gestalt von Fehlern im Messverfahren zu suchen.

… aber kein unbegrenzter Informationsanspruch

Allerdings bestehe ein Informationsanspruch nicht unbegrenzt. Er setze zum einen voraus, dass der Betroffene die begehrten Informationen hinreichend konkret benenne. Zum anderen sei erforderlich, dass die Dokumente einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufwiesen. Zudem dürften dem Anspruch keine gewichtigen verfassungsrechtlich verbürgten Interessen, z. B. die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen. Im Fall der begehrten Einsicht in die Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts seien die Voraussetzungen eines Einsichtsrechts erfüllt.

Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen der verweigerten Einsichtnahme in die genannten Unterlagen erfolgreich war, könne die vom Autofahrer weiter aufgeworfene Frage dahinstehen, ob das Messergebnis wegen der vom Messgerät nicht gespeicherten sog. Rohmessdaten verwertbar gewesen sei.

Quelle: VGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.12.2021, VGH B 46/21, PM 8/21

Ordnungswidrigkeit: Wegen langen Zeitablaufs kann vom Fahrverbot abgesehen werden

Liegt zwischen der Ordnungswidrigkeit und der Ahndung der Tat ein längerer Zeitraum, kann es sein, dass ein Fahrverbot wegen des langen Zeitraums entfällt. Das hat das Amtsgericht (AG) Trier nun bestätigt.

Der Zeitraum zwischen Ordnungswidrigkeit und Ahndung, ab welchem ein Entfallen des Fahrverbots zu prüfen ist, wird oft pauschal auf zwei Jahre bestimmt. Diese Frist ist aber nicht zwingend, sondern muss letztlich im Einzelfall geprüft werden.

Das AG hat den Betroffenen am 3.9.2021 wegen einer am 30.10.2019 vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften verurteilt. Aufgrund des langen Zurückliegens der Tat hat das AG das Regelfahrverbot nicht mehr als erforderlich angesehen und von der Verhängung abgesehen. Die Geldbuße hat es auch nicht erhöht.

Quelle: AG Trier, Urteil vom 3.9.2021, 27c OWi 8143 Js 10147/20

Kokainkonsum: Aberkennung einer europäischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet

Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat die Rechtmäßigkeit einer Aberkennung des Rechts bestätigt, von einer im europäischen Ausland erteilten Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Danach ist eine Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn die Einnahme sog. harter Drogen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) feststehe. Cannabis zähle allerdings nicht hierzu.

Sachverhalt

Der Antragsteller, ein Autofahrer, ist Inhaber einer im europäischen Ausland erteilten Fahrerlaubnis mit Wohnsitz in Deutschland, was ihn nach den einschlägigen Vorschriften zum Führen von Kraftahrzeugen auch im Inland berechtigt. Anlässlich einer Verkehrsunfallaufnahme wurden beim Antragsteller Anzeichen eines zeitnahen Betäubungsmittelkonsums festgestellt. Ein Urintest verlief positiv auf Kokain und THC. Die Auswertung der entnommenen Blutprobe bestätigte den Befund. Daher verfügte die Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Antragsteller die Aberkennung des Rechts, von seiner im europäischen Ausland erteilten Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und stellte bei Gericht einen Eilantrag. Begründung: Beim Besuch eines Bekannten, der Kokain geraucht habe, müsse es wohl zu einer unbeabsichtigten Aufnahme von Kokain gekommen sein. Möglicherweise hätten sich an dem ihm zum Trinken angebotenen Glas Anhaftungen von Kokain befunden; außerdem habe er die Tabakblättchen seines Bekannten benutzt, auf denen möglicherweise ebenfalls Kokainanhaftungen gewesen seien.

Das VG lehnte den Eilantrag ab. Eine Fahrerlaubnis sei zwingend zu entziehen, wenn die Einnahme sog. harter Drogen im Sinne des BtMG feststehe. Dies gelte unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr im berauschten Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen.

Einmaliger Gebrauch harter Drogen führt bereits zu Sanktionen

Dementsprechend sei die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits gerechtfertigt, wenn einmalig sog. harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers nachgewiesen werden könnten. Dies sei hier der Fall gewesen. Davon, dass es lediglich zu einer unbeabsichtigten Aufnahme von Kokain gekommen sei, sei nicht auszugehen. Die vermutete Aufnahme von Kokain durch Anfassen des Wasserglases oder der Tabakblättchen sei zum einen ohnehin nicht plausibel. Im Übrigen sei es nach dem Ergebnis der Blutprobe nahezu ausgeschlossen, dass der Antragsteller nur eine geringste Menge Kokain unbewusst eingenommen habe; der festgestellte Benzoylecgoninwert noch über 96 Stunden später sei damit nicht plausibel erklärbar.

Damit habe der Antragsteller sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, was die Fahrerlaubnisbehörde im Fall einer im europäischen Ausland erteilten Fahrerlaubnis nach den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften dazu berechtige, das Recht abzuerkennen, von dieser im Bundesgebiet Gebrauch zu machen.

Quelle: VG Trier, Beschluss vom 7.12.2021, 1 L 3223/21.TR, PM 38/21

Schadenbeurteilung: Kfz-Sachverständiger auch bei Fahrradschäden

Der Schädiger kann die Erstattung der Gutachtenkosten, die wegen einer Schadenbeurteilung an einem unfallbeschädigten Fahrrad entstanden sind, nicht pauschal mit dem Argument zurückweisen, der Gutachter sei Kfz-Sachverständiger. So entschied jetzt das Amtsgericht (AG) Ansbach.

Bei nachgewiesenen Weiterbildungslehrgängen für die zusätzliche Qualifikation für Fahrräder sei die notwendige Sachkunde gegeben. Eine Ausbildung zum Fahrradgutachter gebe es derzeit nämlich nicht.

Quelle: AG Ansbach, Urteil vom 3.11.2021, 1 C 571/21

EU-Führerschein: Anfang 2022: Diese Führerscheine müssen Sie jetzt umtauschen

Bis 2033 muss jeder Führerschein, der vor dem 19.1.2013 ausgestellt wurde, in den neuen EU-Führerschein umgetauscht werden. Das geschieht stufenweise. Die erste Frist endet am 19.1.2022 für die Geburtsjahrgänge 1953 bis 1958.

Der letzte Stichtag lautet 19.1.2033, aber je nach Geburtsjahr des Fahrerlaubnisinhabers oder Ausstellungsjahr des Führerscheins greift die Umtauschpflicht früher. Bei Unterlassen droht ein Verwarngeld, von dem aufgrund der Corona-Pandemie zunächst abgesehen werden kann. Dies hat jedoch keine Verschiebung der Umtauschfrist zur Folge. Ausführliche Informationen finden Sie unter www.iww.de/s5916.

Quelle: Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Vorgezogener Umtausch von Führerscheinen vom 7.6.2021

Verkehrsunfall mit Todesfolge: Fast vier Jahre Haft nach verbotenem Autorennen

Das Landgericht (LG) Arnsberg hatte den Angeklagten H. wegen einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten P. unter Freispruch im Übrigen wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidung jetzt bestätigt.

Sachverhalt

Die Angeklagten hatten sich spontan dazu verabredet, auf einer Landstraße ein Kraftfahrzeugrennen zu fahren, bei dem sie das Beschleunigungsverhalten ihrer Fahrzeuge vergleichen und möglichst hohe Geschwindigkeiten fahren wollten. Als der Angeklagte H. den Angeklagten P. aus einer Kurve heraus zu überholen versuchte, kollidierte er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, das mit fünf Personen besetzt war. Eine Mitfahrerin kam zu Tode. Die weiteren Fahrzeuginsassen wurden teilweise schwer verletzt.

BGH-Verfahren

Der BGH hat die Revisionen der Angeklagten verworfen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat er den Schuldspruch gegen den Angeklagten P. um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in vier Fällen ergänzt sowie den Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Dabei hat der Senat dieses Verfahren zum Anlass genommen, zu grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen, die durch die neu in das Strafgesetzbuch eingefügte Vorschrift zu verbotenen Kraftfahrzeugrennen aufgeworfen worden sind. Dies betrifft insbesondere den Rennbegriff, aber auch die Frage der Zurechnung von konkret eingetretenen Gefahren, wenn sie unmittelbar von anderen Rennteilnehmern verursacht worden sind.

Rennbegriff

Der BGH bezieht sich gemäß Strafgesetzbuch (§ 315d Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB) auf folgende Definition: „Ein Kraftfahrzeugrennen […] ist ein Wettbewerb zwischen wenigstens zwei Kraftfahrzeugführern, bei dem es zumindest auch darum geht, mit dem Kraftfahrzeug über eine nicht unerhebliche Wegstrecke eine höhere Geschwindigkeit als der andere oder die anderen teilnehmenden Kraftfahrzeugführer zu erreichen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer zueinander in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit, die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit oder die schnellste Beschleunigung in Konkurrenz treten. Einer vorherigen ausdrücklichen Absprache bedarf es nicht; der Entschluss ein Rennen zu fahren kann auch spontan und konkludent gefasst werden. Auf die Startmodalitäten kommt es nicht an.“ Dies solle in erster Linie die Sicherheit des Straßenverkehrs schützen. Die besondere Gefährlichkeit von Kraftfahrzeugrennen liege darin, so der BGH, dass es zwischen den konkurrierenden Kraftfahrzeugführern zu einem Kräftemessen im Sinne eines Übertreffenwollens gerade in Bezug auf die gefahrene Geschwindigkeit kommt. Es bestünde die Gefahr, dass dabei die Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht gelassen, der Verlust von Kontrolle in Kauf genommen und die Aufmerksamkeit auf das Verhalten des Konkurrenten gerichtet wird. Das gelte sowohl für direkte Rennsituationen als auch für nacheinander gefahrene Streckenabschnitte, wenn in einem Zeitfahren die schnellste Geschwindigkeit ermittelt werden soll (kürzeste Zeit für den Streckenabschnitt oder höchste absolute Geschwindigkeit). Ebenso ist das Vergleichen von Beschleunigungspotenzialen umfasst.

Quelle: BGH, Urteil vom 11.11.2021, 4 StR 511/20, PM 208/21