Verkehrsunfall: Fahrzeugdesinfektionskosten sind in Corona-Zeiten zu erstatten

Auch die Kosten für die Fahrzeugdesinfektion (hier: rund 60 EUR) sind als Schaden nach einem Verkehrsunfall zu erstatten. So hat jetzt das Amtsgericht (AG) Heinsberg entschieden. Diese sei in Zeiten der Corona-Pandemie nach einer Kfz-Reparatur notwendig, da die Reparatur ein Berühren des Fahrzeugs durch Dritte erfordere.

Das Urteil stellt damit inhaltlich auf die Notwendigkeit der Desinfektion ab und nicht nur auf das sogenannte Werkstattrisiko, wonach der Geschädigte keinen Einfluss hat, wie die Werkstatt abrechnet. (AG Heinsberg, Urteil vom 4.9.2020, 18 C 161/20)

„Raserparagraf“: Illegale Autorennen: Wann liegen sie vor, wann nicht?

Die beiden Oberlandesgerichte (OLG) Köln und Zweibrücken haben sich mit Fragen im Zusammenhang mit der neuen Vorschrift im Strafgesetzbuch (§ 315d StGB: Verbotene Kraftfahrzeugrennen) zu illegalen Autorennen befasst.

Nicht erforderlich für das Vorliegen eines solchen Rennens ist ein „Wettbewerb“. Allerdings muss der Täter mit der Absicht handeln, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dabei wird auf die relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit abgestellt, die sich aus der Zusammenschau der fahrzeugspezifischen Beschleunigung bzw. Höchstgeschwindigkeit, des subjektiven Geschwindigkeitsempfindens, der Verkehrslage und der Witterungsbedingungen oder der Ziele und Beweggründe der Geschwindigkeitsübertretung ergibt.

Unerheblich ist, ob der Täter die Leistungsfähigkeit seines Fahrzeugs vollständig ausreizt. Und: Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss auch nicht Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein. Vielmehr kann das Bestreben, möglichst schnell voranzukommen, auch von weitergehenden Zielen begleitet sein, ohne dass dadurch der Renncharakter verloren geht (z. B. bei einer „Polizeiflucht“). (OLG Köln, Urteil vom 5.5.2020, 1 RVs 45/20, Abruf-Nr. 216402; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.5.2020, 1 OLG 2 Ss 34/20)

Haftungsrecht: Klassiker: Crash mit der geöffneten Autotür

Wer kennt die folgende Situation nicht: Ein Autofahrer will aussteigen und öffnet die Autotür. In diesem Moment fährt ein anderes Fahrzeug vorbei. Wenn es schlecht läuft, stößt der Vorbeifahrende mit der sich öffnenden Tür zusammen. Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat in einem solchen Fall über die Haftungsquoten entschieden. Das Ergebnis mag manchen überraschen.

Der Kläger hatte am Fahrbahnrand gehalten. Er wollte aussteigen und öffnete die Fahrzeugtür. Da kam es zur Kollision mit einem in diesem Moment vorbeifahrenden Pkw. Am Pkw des Klägers entstand erheblicher Sachschaden. Die Parteien stritten darüber, wie weit der Kläger die Tür geöffnet hatte und ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte. Das AG: Der Kläger war beim Aussteigen aus dem Pkw unachtsam. Er hatte den Unfall überwiegend selbst verschuldet.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten. Er muss den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Er darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht entsprochen.

Aber: Der Beklagte hat den Unfall mitverursacht. Er ist ohne ausreichenden Seitenabstand an dem parkenden Fahrzeug vorbeigefahren. Er hat den klägerischen Pkw nur mit einem Seitenabstand von 30 bis 35 Zentimetern passiert. Das war zu wenig.

Das AG sah den Verstoß des Klägers als schwerer an. Er war es, der die Gefahrensituation erst heraufbeschworen hat. Bei regelkonformem Verhalten wäre es nicht zum Unfall gekommen. Demgegenüber hat der Beklagte lediglich einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Nach Ansicht des Gerichts war die Haftung daher im Verhältnis 1/3 : 2/3 zulasten des Klägers zu verteilen. (AG Frankenthal, Urteil vom 26.6.2020, 3c C 61/19)

Haftungsrecht: Motorradfahrer muss keine Schutzkleidung tragen

Trägt ein Motorradfahrer außer dem Motorradhelm keine Schutzkleidung, etwa Motorradjacke, -hose und -handschuhe, ist ihm dies nicht als Verschulden gegen sich selbst anzulasten. Das gilt auch, wenn dies Auswirkungen bei einem Personenschaden hat.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, es gebe keine gesetzliche Pflicht, Schutzkleidung zu tragen. Nach dem Gesetz müsse ein Motorradfahrer lediglich einen geeigneten Schutzhelm während der Fahrt tragen. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.9.2019, 1 U 82/18)

Alkohol im Straßenverkehr: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

Zu zwei vollkommen unterschiedlichen Sichtweisen kamen jetzt das Landgericht (LG) Halle und das Amtsgericht (AG) München, als es um Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter ging. Insbesondere die Frage, ob ein E-Scooter eher der Gattung eines Kraftfahrzeugs oder eines Fahrrads zugehörig ist, hat Auswirkungen auf das Strafmaß. Es kommt auch darauf an, ob die sog. Regelvermutung (des § 69 Strafgesetzbuch (StGB): Entziehung der Fahrerlaubnis), wann eine Person als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, als erfüllt eingeschätzt wird.

Strenge Sichtweise des AG München: Trunkenheit auf dem E-Scooter ist der am Steuer gleichzusetzen (Regelvermutung erfüllt)

Der bis auf ein Bußgeld wegen unerlaubter Handynutzung im Verkehr unvorbelastete Angeklagte fuhr im Anschluss an einen Besuch des Münchner Oktoberfests 2019 gegen 22:15 Uhr mit einem angemieteten E-Scooter circa 300 m, bevor er angehalten wurde. Er hatte beabsichtigt, den Weg von etwa 400 m zu seinem Hotel zurückzulegen. Die bei ihm um 22:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,35 ‰ im Mittelwert.

Das AG München verurteilte den Fahrer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 55 Euro, einem dreimonatigen Fahrverbot, entzog ihm die Fahrerlaubnis und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte gab an, dass Ausfallerscheinungen des angehaltenen Angeklagten nicht festzustellen gewesen wären. Er wäre selbst von der Höhe des an Ort und Stelle gemessenen Atemalkoholwerts überrascht gewesen.

Elektrokleinstfahrzeuge, wie der E-Scooter, sind Kraftfahrzeuge, so das AG München. Soweit der Angeklagte anführte, er sei nicht davon ausgegangen, dass E-Scooter straßenverkehrsrechtlich wie Autos einzustufen seien, handele es sich um einen Verbotsirrtum, der für den Angeklagten vermeidbar war. Als Straßenverkehrsteilnehmer hätte er sich gerade bei Nutzung von neu im Verkehrsraum erschienenen Fahrzeugen vor Fahrtantritt kundig machen müssen. Dies gelte umso mehr, als die straßenverkehrsrechtliche Einordnung elektromotorenbetriebener Fahrzeuge, sowohl im Zusammenhang mit E-Scootern, als auch schon zuvor mit ähnlichen Fahrzeugen, in der breiten Öffentlichkeit problematisiert wurde.

Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er nicht vorbestraft ist und durch sein Verhalten letztlich keine Gefährdung eingetreten ist.

Hier hat das AG die Fahrerlaubnis entzogen. Insoweit liege ein Regelfall vor, wonach sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Ein Abweichen vom Regelfall sei vorliegend nicht angezeigt. Zwar handele es sich um eine Fahrt mit einem E-Scooter, der im Verhältnis zu einem herkömmlichen Pkw deutlich leichter ist, und um eine Fahrstrecke von nur circa 300 m. Es handele sich, so das AG, auch nicht um eine Bagatelle, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Abweichen vom Regelfall erfordert. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, weder bei den Ordnungswidrigkeiten noch bei den Straftaten eine abweichende Regelung für Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern zu treffen.

Überdies hat das AG zur Einwirkung auf den Angeklagten ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt, da der Angeklagte durch die Nutzung von E-Scootern gezeigt hat, dass er auch auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zurückgreift. Das Urteil ist rechtskräftig.

Sichtweise des LG Halle: keine erhöhte Gefährdungslage (Regelvermutung im Ausnahmefall widerlegt)

Ein Beschuldigter war um 1:55 Uhr innerorts mit einem E-Scooter gefahren. Seine Blutalkoholkonzentration betrug 1,28 ‰. Das Amtsgericht (AG) Halle hatte die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, das Landgericht (LG) Halle hat den AG-Beschluss aufgehoben.

E-Scooter sind nach dem LG Halle Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Sie werden demgemäß auch als Kfz im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes ausgewiesen. Das LG hat in seinem Beschluss offengelassen, ob hier der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Kfz geltende Grenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ anzuwenden ist oder ob der Grenzwert für Fahrradfahrer von 1,6 ‰ gilt.

Das abstrakte Gefährdungspotenzial von E-Scootern unterscheide sich erkennbar von dem der „klassischen“ Kfz, wie Pkw, Lkw, Krafträder usw. Es bestehe eine grundsätzliche Parallelität hinsichtlich des Gefährdungspotentials zwischen E-Scootern und Fahrrädern. Eine möglicherweise strafbare Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad habe gerade nicht die automatische Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht zur Folge.

Bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob daraus auf eine Verantwortungslosigkeit des Beschuldigten geschlossen werden kann, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit „klassischen“ Kfz vergleichbar ist und somit von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kfz ausgegangen werden muss. Dies war hier vorliegend nicht der Fall, da der Beschuldigte „nur“ auf einem Fahrradweg über eine relativ kurze Strecke von 15 m leichte Schlangenlinien gefahren ist und er keine weiteren Ausfallerscheinungen zeigte. (AG München, Urteil vom 9.1.2020, 941 Cs 414 Js 196533/19, Abruf-Nr. 217747, PM Nr. 39 vom 28.08.2020; LG Halle, Beschluss vom 16.7.2020, 3 Qs 81/20)

Neuwertentschädigung: Rabatt für „Menschen mit Behinderung“ ist bei Entschädigung anzurechnen

Erhält der Geschädigte beim Kauf eines Fahrzeugs einen Rabatt in Höhe von 15 Prozent, den der Fahrzeug-Hersteller „Menschen mit Behinderung“ ohne Verhandlungen gewährt, ist dieser Rabatt auf die Neuwertentschädigung anzurechnen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Führt ein Verkehrsunfall zu einem erheblichen Schaden an einem Fahrzeug mit weniger als 1.000 km Laufleistung und weniger als einem Monat Nutzungszeit, erhält der Geschädigte eine sog. Neuwertentschädigung. Das heißt: Die Versicherung des Unfallverursachers zahlt den Neupreis. Im Fall des BGH stellte sich wie häufig die Frage, ob der Rabatt, den der Geschädigte aufgrund seiner Behinderung beim Autokauf erhalten hatte, auf die Entschädigung anzurechnen ist.

Der Geschädigte meinte, der Hersteller wolle ihm mit dem Rabatt etwas Gutes tun, und nicht dem Unfallverursacher. Dessen Versicherer verwies auf die ältere BGH-Rechtsprechung zum Werksangehörigenrabatt, der angerechnet werden muss. In der aktuellen Entscheidung argumentierte der BGH zudem, dass der Geschädigte nicht am Unfall verdienen soll. In seinem Vermögen befindet sich nicht nur wie vor dem Unfall ein Neufahrzeug, sondern zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe des Rabatts, den er auch für das nach dem Unfall angeschaffte Ersatzfahrzeug erhalten hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der bei dem Kauf des Wagens eingeräumte Rabatt auf diese Weise dem ersatzpflichtigen Schädiger zugutekommt. (BGH, Urteil vom 14.7.2020, Az. VI ZR 268/19)

Unfallschaden: Abrechnung von Reparaturkosten nach Kostenvoranschlag?

Der Unfallgeschädigte wollte ohne teures Schadensgutachten allein auf der Basis eines Kostenvoranschlags den Unfallschaden abrechnen. Das hätte dem gegnerischen Haftpflicht-Versicherer Geld gespart. Doch der wollte nicht. Und bekam vom Amtsgericht (AG) Recklinghausen Recht.

Was war passiert? Das AG hat die Klage als „unschlüssig“ abgewiesen, weil der Unfallschaden nur anhand des Kostenvoranschlags nicht hinreichend dargelegt sei. Hierfür wäre ein Gutachten erforderlich gewesen. Im Kostenvoranschlag fanden sich z. B. keine Angaben zum Wiederbeschaffungs-, Rest- und Minderwert, was das AG ebenfalls bemängelt hatte. Die Entscheidung ist allerdings umstritten. (AG Recklinghausen, Urteil vom 29.4.2020, 53 C 113/19)

Fahreignungsmangel: Entzug der Fahrerlaubnis wegen Konsums harter Drogen

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen reicht allein der einmalige Konsum einer harten Droge (z. B. Kokain) aus, um die Fahreignung zu verneinen und die Fahrerlaubnis zu entziehen. Eine Teilnahme am Straßenverkehr ist nicht erforderlich.

Doch was, wenn der Fahrerlaubnisinhaber behauptet, er habe die Drogen unbewusst eingenommen? Hierzu jetzt das VG Lüneburg: Der Fahrerlaubnisinhaber muss in diesen Fällen einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt darlegen, der einen solchen Geschehensablauf als nachvollziehbar und ernsthaft möglich erscheinen lässt. Das gelte vor allem, wenn behauptet werde, das bei ihm festgestellte Benzoylecgonin rühre von einem Konsum des Getränks „Red Bull Cola“ her. Dieser Argumentation folgte das VG Lüneburg hier nicht. (VG Aachen, Beschluss vom 19.5.2020, 3 L 309/20)

Abschleppkosten: Wie scharf muss eine scharfe Kurve sein?

Das Halten im Bereich von scharfen Kurven ist verboten. Das musste jetzt ein Autofahrer teuer lernen.

Der Kläger eines beim Verwaltungsgericht (VG) München anhängigen Verfahrens hatte sich gegen die Kosten des Abschleppens seines geparkten Pkw gewendet. Er war der Meinung, er habe verkehrsgerecht geparkt. Bei dem Bereich, in dem er seinen Pkw abgestellt hat, habe es sich nicht um eine scharfe Kurve gehandelt, sondern um einen weitgezogenen Bogen. Eine scharfe Kurve wäre nur gegeben, wenn dort ein parkendes Fahrzeug ein unvermutetes Hindernis für den Straßenverkehr darstellen würde.

Das VG hat das anders gesehen: Denn die Straße verlief an der Stelle, an der das klägerische Fahrzeug geparkt war, im 90°-Winkel. Aufgrund des Radius des Straßenverlaufs ist dies eine scharfe Kurve. Zudem sei für den einzelnen Verkehrsteilnehmer aufgrund der gesamten Gestaltung des Kurvenbereichs auch erkennbar gewesen, dass der Kurvenbereich von haltenden Fahrzeugen freizuhalten ist, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch haltende Fahrzeuge und die durch diese bedingten Brems- und Ausweichmanöver auszuschließen. (VG München, 28.4.2020, M 7 K 18.5617)

Trunkenheit II: Deutlich überhöhte Geschwindigkeit als Anzeichen einer relativen Fahruntüchtigkeit

Das Landgericht (LG) Hechingen hat bestätigt: Fährt der Beschuldigte mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,01 Promille und deutlich überhöhter Geschwindigkeit, kann ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen sein.

Dem LG hat aber die deutlich überhöhte Geschwindigkeit nicht gereicht, um eine relative Fahruntüchtigkeit anzunehmen. Denn die Angabe beruhte lediglich auf Schätzungen der Polizeibeamten. Es hat auch berücksichtigt, dass der Beschuldigte spät nachts eine zu dieser Zeit wenig befahrene Strecke befuhr und sich auf dem Heimweg befand. Dies verleitet zwar regelmäßig auch nüchterne Straßenverkehrsteilnehmer zu der fälschlichen Annahme, sich über die geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen hinwegsetzen zu dürfen.

Es lagen aber weitere Auffälligkeiten vor, die nach Auffassung des LG die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen:

  • Der Beschuldigte hatte innerorts mehrere Kreuzungen überquert, ohne seine Geschwindigkeit zu verlangsamen, obwohl er einem potenziell von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer Vorfahrt hätte gewähren müssen.
  • Bei der Verkehrskontrolle hatte er seinen Führerschein mit dem Personalausweis verwechselt.
  • Er hatte mit einer „leicht verwaschenen Aussprache“ gesprochen und zudem beim Stehen leicht geschwankt. (LG Hechingen, Beschluss vom 22.6.2020, 3 Qs 45/20)