Versicherungsrecht: Berufsunfähigkeitsversicherung: Verweisung Mechaniker auf Lagerarbeiter

Ein als Maschineneinrichter tätiger Versicherungsnehmer, der für diese Tätigkeit eine dreieinhalbjährige Ausbildung als Industriemechaniker benötigt, kann wegen des unterschiedlichen Anforderungsprofils nicht auf den Beruf eines Lageristen verwiesen werden.

Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Heidelberg. Die Richter machten in ihrer Entscheidung deutlich, dass die Tätigkeit eines Lageristen eine reine Anlerntätigkeit ist. Sie erfordert keine spezielle Ausbildung. Gegen die Verweisbarkeit eines Mechanikers auf die Tätigkeit eines Lageristen spricht auch eine Einkommenseinbuße von etwa 30 Prozent. (LG Heidelberg, Urteil vom 25.1.2019, 4 O 165/16)

Haftungsrecht: Halter haftet für ausgelöstes „Getümmel“ durch seinen freilaufenden Hund

Das unkontrollierte Umherlaufen von Hunden als Reaktion auf das Zusammentreffen mit anderen Hunden ist eine typische tierische Verhaltensweise. Daher haftet der Hundehalter, wenn infolge des so entstandenen „Hundegetümmels“ ein Schaden entsteht.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz kürzlich im Fall einer Frau entschieden, die ihre beiden Jack-Russell-Terrier an der Leine ausführte. Als sie am Grundstück des Beklagten vorbeiging, lief plötzlich dessen Hund vom Grundstück hinunter und auf die beiden Terrier zu. In der Folge entstand zwischen den Hunden ein „Getümmel“. Dabei stürzte die Klägerin, die weiterhin die Leinen ihrer Hunde festhielt. Sie zog sich hierbei eine Radiuskopffraktur zu. Wegen der erlittenen Verletzung und der hiermit einhergegangenen Einschränkungen forderte sie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 6.000 EUR. Die Klägerin machte erstinstanzlich geltend, ihr Sturz sei durch den heranstürmenden Hund des Beklagten verursacht worden. Der Beklagte wandte unter anderem ein, die Klägerin habe sich in den Leinen der eigenen Hunde verheddert und sei hierdurch gestürzt.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Klägerin sei es nicht gelungen darzulegen, dass der Sturz auf das Verhalten des Hundes des Beklagten zurückzuführen sei. Vielmehr sei nicht auszuschließen, dass sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.

Dem sind die Richter am OLG entgegengetreten. Es sei unschädlich, dass die Klägerin nicht eingrenzen könne, weshalb sie letztlich zu Fall kam. Entscheidend sei, dass der Hund des Beklagten Auslöser des „Getümmels“ und der Sturz unmittelbare Folge dieses „Getümmels“ gewesen sei. Damit habe sich die von dem Hund ausgehende sogenannte Tiergefahr, das heißt die in dem unberechenbaren, instinktgesteuerten Verhalten des Tieres liegende Gefahr, in dem Sturz realisiert. Denn das unkontrollierte Umherlaufen von Hunden als Reaktion auf das Zusammentreffen mit anderen Hunden stelle eine in vorgenanntem Sinne typische tierische Verhaltensweise dar. Allerdings müsse sich die Klägerin die von ihren eigenen Hunden ausgehende und mitursächlich gewordene Tiergefahr anspruchsmindernd anrechnen lassen. Die Höhe des Mitverschuldens sei im konkreten Fall mit einem Drittel zu bewerten. (OLG Koblenz, Urteil vom 9.12.19, 12 U 249/19)

Sozialrecht: Heimkostenbeitrag: Heranziehungsbescheid mit Doppelberechnung ist rechtswidrig

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Praxis der Doppelbescheidung durch Heranziehungsbescheid für rechtswidrig erklärt.

Wenn ein Ehegatte im Heim gepflegt werden muss, trägt das Sozialamt dem Grunde nach die Kosten. Bei der genauen Ermittlung der Kostenhöhe rechnet es das Einkommen der Eheleute auf die Heimkosten an und zahlt danach nur die ungedeckten Restkosten. Obwohl das Familieneinkommen bereits abgezogen wird, erlässt die Region Hannover zugleich gegenüber dem anderen Ehegatten einen Heranziehungsbescheid in Höhe des Einkommens.

Gegen einen solchen Bescheid hatte ein Mann geklagt, dessen Frau wegen einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim untergebracht werden musste. Die Eheleute hatten ein anrechenbares Einkommen von rund 890 EUR. Es verblieben ungedeckte Heimkosten von ca. 430 EUR. Auf dieser Grundlage erließ die Region einen Bewilligungsbescheid gegenüber der Frau und einen Heranziehungsbescheid gegenüber dem Mann.

Das LSG hat den Heranziehungsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Region für die Heranziehung keine Rechtsgrundlage habe. Hierzu hat sich der Senat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. Nettoprinzip gestützt. Nach diesem Grundsatz würden Leistungen nur in Höhe des Betrags gezahlt, der bestimmte Einkommensgrenzen überschreite. Für eine Heranziehung des Klägers sei daneben auch nach anderen Rechtsgrundlagen kein Raum, weil schon keine Leistungsgewährung nach dem sog. Bruttoprinzip, also eine vollständige Kostenübernahme durch die Beklagte gegen Kostenerstattung, erfolgt sei. (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.1.2020, L 8 SO 109/18)

Haftungsrecht: Werkstatt haftet bei unterlassener Aufklärung über weiteren Reparaturbedarf

Weist eine Werkstatt bei der Reparatur eines Pkw nicht auf weiteren Reparaturbedarf hin, muss sie ihrem Kunden Schadenersatz leisten.

Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall einer Kfz-Werkstatt entschieden. Diese hatte ein Fahrzeug repariert und dabei umfangreiche Arbeiten am Motor durchgeführt. Unter anderem hatte sie alle hydraulischen Ventilspielausgleichselemente und einen Kettenspanner erneuert. Den Zustand der zu diesem Zeitpunkt bereits stark gelängten und austauschbedürftigen Steuerketten untersuchte sie jedoch nicht. Deshalb erlitt der Motor nach einigen hundert Kilometern einen Totalschaden.

Das OLG hat nun festgestellt, dass die Werkstatt den Zustand der Steuerketten hätte überprüfen und dem Kunden einen Austausch empfehlen müssen. Denn sie musste auch auf Unzulänglichkeiten an den Teilen des Fahrzeugs achten, mit denen sie sich im Zuge der durchgeführten Reparatur befasste und deren Mängel danach nicht mehr ohne Weiteres entdeckt und behoben werden konnten.

Wegen Verletzung dieser Prüf- und Hinweispflicht muss sie ihrem Kunden die ihm dadurch entstandenen Kosten für den Erwerb und Einbau eines Austauschmotors erstatten. Davon abzuziehen sind jedoch die Kosten, die dem Kunden ohnehin durch den Austausch der Steuerketten entstanden wären. Weil diese Kosten im konkreten Fall fast gleich hoch waren (jeweils rund 3.500 EUR), konnte der Kunde im Ergebnis nur den Nutzungsausfall (1.000 EUR) und die Kosten für ein zur Aufklärung privat eingeholtes Sachverständigengutachten verlangen (rund 2.400 EUR). (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.2019, I-21 U 43/18)

Kfz-Kaskoversicherung: Wiederbeschaffungswert: Umsatzsteuer beim Erwerb eines regelbesteuerten Neufahrzeugs

Erwirbt der Versicherungsnehmer, nachdem sein versicherter Pkw gestohlen worden war, ein regelbesteuertes Neufahrzeug, ist der Wiederbeschaffungswert mit voller Umsatzsteuer (und nicht nur differenzbesteuert) jedenfalls dann zu erstatten, wenn gleichwertige Gebrauchtfahrzeuge überwiegend regelbesteuert werden.

So entschied es das Landgericht (LG) Wuppertal im Fall eines Mannes, dem der Pkw gestohlen worden war. Nach dem Gutachten des Versicherers betrug der Wiederbeschaffungswert 19.902,54 EUR und differenzbesteuert 20.400 EUR. Der Mann erwarb ein Neufahrzeug. Der Versicherer zahlt daraufhin 19.902,54 EUR zzgl. MwSt. aus. Anschließend berief er sich auf einen Irrtum und forderte den über 20.400 EUR gehenden Betrag zurück.

Mit seiner entsprechenden Klage hatte er vor dem LG keinen Erfolg. Nach Ansicht der Richter könne dahinstehen, ob der Auffassung zu folgen ist, nach der jedenfalls in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug erwirbt, also in der Rechnung die Mehrwertsteuer mit (derzeit) 19 Prozent ausgewiesen wurde, der Versicherungsnehmer den Netto-Wiederbeschaffungswert zuzüglich des in der Rechnung konkret enthaltenen Mehrwertsteueranteils erhält und nur in den Fällen, in denen eine Ersatzbeschaffung unterblieben ist, zu klären ist, ob ein gleichwertiges Fahrzeug regel- oder differenzbesteuert hätte erworben werden können.

Denn auch, wenn man darauf abstellt, dass bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts immer der tatsächlich vorhandene Gebrauchtwagenmarkt zu berücksichtigen ist und jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob der Schadensausgleich durch Erwerb eines differenzbesteuerten Fahrzeugs möglich gewesen wäre, bestünde im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer i. H. v. 19 Prozent. Denn der Versicherer muss als Bereicherungsgläubiger die Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des Anspruchs ergeben. Vorliegend hätte er also nachweisen müssen, dass es dem Versicherungsnehmer zumutbar war, ein „lediglich“ differenzbesteuertes Fahrzeug zu erwerben, sodass er die gezahlte Mehrwertsteuer ohne Rechtsgrund erhielt. Dies hat der Versicherer bereits nicht hinreichend dargelegt, jedenfalls aber nicht bewiesen. (LG Wuppertal, Urteil vom 14.11.2019, 9 S 106/19)

Sozialrecht: Sozialamt muss Autismustherapie für Grundschulkinder tragen

Ob eine Autismustherapie für ein Schulkind vom Einkommen und Vermögen der Eltern abhängt, war lange Zeit umstritten. Nun hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen die Rechtsfrage im Sinne der Betroffenen beantwortet.

Zugrunde lag der Fall eines damals achtjährigen Mädchens, das an frühkindlichem Autismus und einer Verhaltensstörung leidet. Das Kind besuchte eine Inklusionsklasse an einer Bremer Grundschule, wo es eine 1:1 Betreuung erhielt. Das Bremer Sozialamt lehnte eine zusätzliche Autismustherapie aus Sozialhilfemitteln ab. Nach dortiger Ansicht handele es sich um keine kostenprivilegierte Leistung. Für die Therapie seien die Eltern selbst verantwortlich, da sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügten. Ferner bestehe eine interne Weisungslage, wonach für die Schule keine zusätzliche Unterstützung durch das Autismustherapiezentrum gewährt werden solle.

Die Eltern hielten die Therapie für erforderlich und wurden dabei von der Klassenlehrerin und den behandelnden Ärzten unterstützt. Auch wenn dabei insbesondere soziale und lebenspraktische Fähigkeiten vermittelt würden, so fördere dies auch das schulische Lernen. Wegen der ungeklärten Kostenfrage nahmen die Eltern zunächst nur eine kürzere Therapie für ihr Kind in Anspruch, für die sie rund 7.400 EUR aus eigenen Mitteln verauslagten.

Das LSG hat das Sozialamt verurteilt, die Kosten zu erstatten. Die Leistung sei als „Hilfe zur angemessenen Schulbildung“ anzusehen und damit kostenprivilegiert. Im Gegensatz dazu stehe die einkommensabhängige „Leistung zur Teilhabe im Leben in der Gemeinschaft“. Eine Autismustherapie fördere die Aufmerksamkeit und Konzentration, sowie die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten. Sie trage zu einem erfolgreichen Schulbesuch bei, da sie die Vermittlung von Unterrichtsinhalten, Sprachverständnis und Sozialverhalten verbessern könne. Es sei nicht erforderlich, dass die Maßnahme allein auf den Schulbesuch ausgerichtet sei. Es reiche schon aus, wenn er auch nur erleichtert werde. Auf die interne Weisungslage der Behörde komme es nicht an. (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.11.2019, L 8 SO 240/18)

Ruhestörung: In diesen Grenzen ist Musizieren im Haus erlaubt

Wann und wie lange musiziert werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es kommt dabei insbesondere auf das Ausmaß der Geräuscheinwirkung, die Art des Musizierens und die örtlichen Gegebenheiten an. Als grober Richtwert kann eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen dienen jeweils unter Einhaltung üblicher Ruhezeiten.

Diese Eckwerte stellt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Streit unter Nachbarn auf. Geklagt hatte ein Mann, der im Nachtdienst arbeitete. Weil er tagsüber schlief, wollte er seinem Nachbarn das Musizieren verbieten lassen. Dieser war Berufsmusiker und übte zweimal die Woche auf seiner Trompete. Das Landgericht untersagte daraufhin dem Musiker, auf seinem Anwesen Instrumentalmusik zu spielen. Ausgenommen wurde davon nur das Dachgeschoss seines Hauses. Diese Entscheidung hob der BGH auf. Er traf folgende Klarstellungen:

  • Das häusliche Musizieren einschließlich des dazugehörigen Übens gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung. Die daraus folgenden Geräuscheinwirkungen sind jedenfalls in gewissen Grenzen zumutbar. Sie gelten in diesem Rahmen als unwesentliche Beeinträchtigung des benachbarten Grundstücks. Insoweit hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und umgekehrt.
  • Zwar lassen sich Geräuscheinwirkungen verhindern oder verringern, wenn Nebenräume wie ein Dachgeschoss- oder ein Kellerraum genutzt werden. Das rechtfertigt es jedoch nicht, dem Nachbarn das Musizieren in den Haupträumen seines Hauses gänzlich zu untersagen.
  • Bei der Bestimmung der einzuhaltenden Ruhezeiten kommt es grundsätzlich nicht auf die individuellen Lebensumstände des Nachbarn an. Es ist insofern unerheblich, ob dieser im Nachtdienst arbeitet. Vielmehr sind beim häuslichen Musizieren die üblichen Ruhestunden in der Mittags- und Nachtzeit einzuhalten. (BGH, Urteil vom 26.10.2018, V ZR 143/17)

Aktuelle Gesetzgebung: Angehörige von Pflegebedürftigen werden entlastet

Die finanzielle Entlastung für unterhaltsverpflichtete Angehörige von Pflegebedürftigen kommt: Der Bundesrat hat dem Angehörigen-Entlastungsgesetz zugestimmt, das der Bundestag am 7. November verabschiedet hatte. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt kann das Gesetz wie geplant zum Jahresbeginn in Kraft treten.

Unterhaltspflicht erst ab 100 000 EUR Jahreseinkommen

Sozialhilfeträger dürfen künftig erst auf das Einkommen der Kinder pflegebedürftiger Eltern zurückgreifen, wenn deren Bruttoeinkommen 100 000 EUR übersteigt. Umgekehrt gilt dies auch für Eltern von volljährigen pflegebedürftigen Kindern. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wird damit eingeschränkt.

Vermutungsregel zur Bürokratieentlastung

Das Gesetz enthält eine Vermutungsregel: Nur in Ausnahmefällen, in denen die Behörden ein Einkommen über der Schwelle vermutet, müssen Betroffene ihr Einkommen offenlegen dies soll Bürger und Verwaltung entlasten.

Unterstützung für Ältere, Entlastung für Jüngere

Bisherige Rechtslage: Wenn Pflegebedürftige die Kosten nicht selbst aufbringen können, werden in der Regel ihre erwachsenen Angehörigen zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Um die jüngere Generation zu entlasten, hat der Bundestag die Einkommensgrenze eingeführt so wie sie bereits jetzt für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gilt.

Mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderungen

Profitieren werden auch Menschen, deren Angehörige aufgrund einer Behinderung Anspruch auf Eingliederungshilfe haben. Das gilt zum Beispiel für Gebärdendolmetschung oder für den Umbau einer barrierefreien Wohnung.

Das Gesetz enthält zudem weitere Verbesserungen für Menschen mit Behinderung: so erhalten sie intensivere Teilhabeberatung und ein Budget für Ausbildung, um leichter eine reguläre Berufsbildung antreten zu können.

Kostenfolgen darlegen

In einer begleitenden Entschließung fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Kosten und Folgekosten, die Ländern und Kommunen durch das Gesetz entstehen, auf einer realistischen Datengrundlage darzulegen. Eine Vertreterin der Bundesregierung hatte im Plenum bereits durch eine Protokollerklärung angekündigt, sich dazu mit den Ländern ins Benehmen zu setzen. (Bundesrat)

Autokauf: Fahrzeugangebot im Internet macht Kauf nicht zum Fernabsatzgeschäft

Immer häufiger bieten Fahrzeughändler heute ihre Fahrzeuge im Internet auf entsprechenden Plattformen an. Der Kontakt mit dem Verbraucher, der sich für ein Fahrzeug interessiert, läuft häufig über E-Mails und das Telefon. Dadurch wird der Fahrzeugkauf aber noch nicht zu einem sogenannten Fernabsatzgeschäft. Wäre dies der Fall, könnte der Verbraucher seine Bestellung binnen einer gesetzlich geregelten Frist widerrufen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Osnabrück. Geklagt hatte eine Frau aus München. Sie hatte im Januar 2018 bei dem später beklagten Autohaus in Wietmarschen (Emsland) einen Kombi erworben. Diesen hatte sie auf einer großen Internet-Plattform ausfindig gemacht. Anschließend hatte sie mit dem Autohaus telefonisch Kontakt aufgenommen. Dieses hatte ihr schließlich ein Bestellformular für das Fahrzeug per E-Mail übersandt. In der E-Mail wurde darauf hingewiesen, dass der Kauf erst mit schriftlicher Bestätigung oder Übergabe des Fahrzeugs zustande komme. Die Klägerin sandte das unterzeichnete Formular eingescannt per E-Mail zurück und überwies den Kaufpreis. Kurz darauf holte ihr Ehemann das Fahrzeug im Emsland ab.

Im November 2018 wollte die Klägerin dann den Kaufvertrag rückgängig machen und verlangte den Kaufpreis zurück. Sie machte geltend, es handele sich um einen sogenannten Fernabsatzvertrag, bei dem ein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Immerhin sei das Fahrzeug online angeboten worden. Auch die gesamte Kommunikation mit dem Autohaus sei digital erfolgt. Dagegen wehrte sich das Autohaus. Es machte geltend, kein Fernabsatzgeschäft zu betreiben. Die Anzeigen im Internet dienten allein der Werbung für die Fahrzeuge. Auf die Bestellung per E-Mail habe man sich ausnahmsweise eingelassen, der Kauf sei aber erst mit Abholung des Fahrzeugs abgeschlossen gewesen. Diese sei unstreitig im Autohaus selbst erfolgt. Man betreibe keinen organisierten Versandhandel mit Fahrzeugen.

Die Richter am LG gaben nun dem Autohaus recht. Dass man Fahrzeuge online anbiete und ausnahmsweise vielleicht auch einen Autokauf per Internet und Telefon abstimme, genüge nicht, um von einem organisierten Fernabsatzsystem auszugehen. Nur bei einem solchen bestehe aber ein gesetzliches Widerrufsrecht. Ein organisiertes Fernabsatzsystem im Sinne des Gesetzes setze zwingend voraus, dass auch ein organisiertes System zum Versand der Ware bestehe. Das sei hier nicht der Fall. Das Autohaus habe stets auf Abholung des Fahrzeugs am Firmensitz bestanden. Auch die Klägerin habe nicht behauptet, dass das Autohaus Fahrzeuge zum Versand anbiete. Ob letztlich der Kaufvertrag vor oder erst bei Abholung endgültig geschlossen wurde, sei dagegen nicht entscheidend.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat die Möglichkeit, dagegen mit der Berufung zum Oberlandesgericht Oldenburg vorzugehen. (LG Osnabrück, Urteil vom 16.09.2019, 2 O 683/19)

Aktuelle Gesetzgebung: Bundesrat billigt Implantateregister

Die Sicherheit und Qualität von Implantaten soll sich verbessern: Der Bundesrat hat den Aufbau eines bundesweiten Implantateregisters gebilligt. Es soll Langzeitbeobachtungen von Implantaten sowie Aussagen zu Haltbarkeit und Qualität von Medizinprodukten ermöglichen.

Das Gesetz zur Errichtung des Registers verpflichtet die Hersteller von Implantaten, ihre Produkte in der Datenbank des Registers zu registrieren. Gesundheitseinrichtungen, gesetzliche und private Krankenversicherungen werden hingegen verpflichtet, Implantationen und Explantationen an das Register zu melden.

Die zentrale Datensammlung übernimmt das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Das Robert Koch-Institut richtet eine unabhängige Vertrauensstelle ein, die alle personenbezogenen Daten pseudonymisiert. Die Anschubfinanzierung erfolgt nach dem Gesetzesbeschluss durch den Bund, der laufende Betrieb soll durch Entgelte finanziert werden.

Das Gesetz soll überwiegend zum 1.1.2020 in Kraft treten. (Bundesrat)