Strafrecht: Strafbares Vermummen nach einem Fußballspiel

Wer sich nach dem Ende eines Fußballspiels noch auf dem Stadiongelände vermummt, kann wegen Verstoßes gegen das im Versammlungsgesetz angeordnete Vermummungsverbot bestraft werden.

Das musste sich ein 21-jähriger Fußballfan aus Stuttgart vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm sagen lassen. Er hatte als Auswärtsfan das Bundesligaspiel des SC Paderborn gegen den VfB Stuttgart in der Benteler Arena in Paderborn besucht. Nach dem Abpfiff und dem Verlassen des Stadions hielt er sich noch auf dem zum Stadiongelände gehörenden Gästeparkplatz bei den dort geparkten Bussen auf. Hier kam es aus einer Gruppe der auf dem Parkplatz anwesenden Anhänger des VfB Stuttgart heraus zu einem Tumult. Pyrotechnik wurde gezündet. Eingesetzte Beamte forderten die Anhänger auf, sich ruhig zu verhalten, zu den Bussen zu gehen und in diese einzusteigen. Zudem beabsichtigten die Beamten, die Personalien einzelner Anhänger festzustellen. Als der Angeklagte, welcher bereits in einen der Busse eingestiegen war, den Tumult bemerkte, maskierte er sich. Er verbarg sein Gesicht hinter einem roten Schal bzw. einer Sturmhaube, sodass nur noch die Augenpartie zu erkennen war. Zudem zog er die Kapuze seines Sweatshirts und auch die Kapuze seiner Jacke tief ins Gesicht. So wollte er die Identifizierung seiner Person verhindern. Sodann verließ er den Bus und stellte sich den eingesetzten Polizeibeamten gegenüber. Der Aufforderung der anwesenden Beamten, wieder in den Bus einzusteigen, folgte er zunächst nicht. Vielmehr schrie er die Polizeibeamten an und schlug von außen aggressiv mit der flachen Hand kräftig gegen den Bus. Andere Anhänger des VfB Stuttgart konnten ihn nach kurzer Zeit in den Bus zurückdrängen. Die Identität des Angeklagten konnte später durch eine Auswertung eines von dem Vorfall aufgezeichneten Videos festgestellt werden.

Dieses Geschehen bewertete das Amtsgericht Paderborn als vorsätzlichen Verstoß gegen das Vermummungsverbot des Versammlungsgesetzes. Es verhängte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Berufung und Revision des Angeklagten blieben ohne Erfolg. Er sei zu Recht verurteilt worden.

Als Veranstaltungen unter freiem Himmel fielen Fußballspiele – wie auch das in Frage stehende Spiel in der Benteler Arena – unter die einschlägigen Vorschriften des Versammlungsgesetzes. Bei seiner Vermummungstat sei der Angeklagte noch auf der Veranstaltung gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass das Fußballspiel zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits abgepfiffen gewesen sei und der Angeklagte das Stadioninnere bereits verlassen gehabt habe. Solange er sich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem zuvor besuchten Spiel noch auf dem Stadiongelände selbst befunden habe, um ein ihm dort zur Verfügung stehendes Mittel zum Abtransport zu nutzen, habe er noch an der Veranstaltung teilgenommen. Die Veranstaltung sei öffentlich gewesen, weil grundsätzlich jeder eine Eintrittskarte habe erwerben und die Veranstaltung habe besuchen können. Die Vermummung des Angeklagten sei zudem geeignet und darauf ausgerichtet gewesen, die Feststellung seiner Identität zu beeinträchtigen. Er sei zum Zeitpunkt des Vorfalls so maskiert gewesen, dass nur noch seine Augenpartie zu erkennen gewesen sei. (OLG Hamm, Beschluss vom 7.9.2017, 4 RVs 97/17)

Rechtsschutzversicherung: Abgasskandal: Rechtsschutzversicherung muss bei Klage des Autokäufers gegen VW zahlen

Verlangt ein vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffener Autokäufer von Volkswagen Schadenersatz und will er den Kaufvertrag rückabwickeln, besteht dafür eine hinreichende Erfolgsaussicht. Der Rechtsschutzversicherer ist daher verpflichtet, Deckung zu gewähren.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall eines aus Sachsen stammenden Versicherungsnehmers. Er hatte einen vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen VW-Sharan gekauft. Nun verlangte er von seiner in Düsseldorf sitzenden Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage, um Ansprüche gegen die Herstellerin Volkswagen AG auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen geltend zu machen. Dies hatte die Rechtsschutzversicherung abgelehnt. Sie meint, es bestünden für die Verfolgung eines Schadenersatzanspruchs gegen die Herstellerin keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Denn der Käufer könne keinen konkreten Schaden benennen oder beziffern, da die Fahrtauglichkeit nicht eingeschränkt sei und auch die Betriebserlaubnis weiterhin bestehe. Der Mangel sei außerdem mit geringem Aufwand zu beheben. Sollte ein merkantiler Minderwert bestehen, könne dieser zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden.

Das sahen die Richter am OLG anders. Sie entschieden, dass der Versicherer einstandspflichtig sei. Es bestehe eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. Bereits mehrere Landgerichte erster Instanz hätten einen Schadenersatzanspruch eines Kraftfahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG wegen des Inverkehrbringens von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware bejaht, unter anderem gemäß § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung).

Der Versicherungsnehmer verstoße mit seiner beabsichtigten sofortigen Klage gegen die Herstellerin auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht. Ihm sei es nicht zuzumuten, trotz hinreichender Erfolgsaussichten mit rechtlichen Schritten gegen die Herstellerin zuzuwarten. Nach dem bisherigen Verhalten der Herstellerin spreche nichts dafür, dass sie freiwillig den vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch erfüllen werde und eine streitige Auseinandersetzung vermeidbar wäre. Im Übrigen sei es Sache des Autokäufers zu entscheiden, wann er seine Ansprüche gegen die Herstellerin geltend machen wolle. Dies sei von seinem Versicherungsvertrag gedeckt. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.9.2017, I-4 U 87/17)

Schmerzensgeld: Einwilligung in Tätowierung schließt einen Schmerzensgeldanspruch nicht aus

Die Einwilligung zum Stechen einer Tätowierung bezieht sich nur darauf, dass die Behandlung mangelfrei ist und nach den Regeln der Kunst erbracht wird.

So entschied es das Amtsgericht München im Fall einer Frau, die sich bei einer Tätowiererin auf den linken Unterarm folgende Schriftzüge tätowieren ließ: „Je t´aime mon amour, Tu es ma vie, Nous Ensemble Pour Toujours, L. • A.“. Sie zahlte hierfür 80 EUR in bar. Für ein Nachbessern musste sie weitere 20 EUR zahlen.

Die Frau ist der Meinung, das Tattoo sei handwerklich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Der gesamte Schriftzug sei verwaschen und unleserlich, die Wörter seien nicht in einer einheitlichen Größe gestochen, Abstände der verschiedenen Wörter und Zeilen würden teilweise deutlich abweichen, einzelne Wörter seien schief, die Linienführung mangelhaft, verwaschen, nicht durchgehend und an einzelnen Stellen ausfransend.

Die Klägerin erhob Klage zum Amtsgericht München. Sie fordert Schmerzensgeld und möchte gerichtlich festgestellt bekommen, dass ihr die zukünftigen Schäden aus der mangelhaften Tätowierung von der Beklagten ersetzt werden müssen. Sie beabsichtige, die Tätowierung mittelfristig entfernen zu lassen, wodurch weitere Kosten und Schmerzen entstehen würden.

Der zuständige Richter gab ihr recht. Er verurteilte die Beklagte dazu, 1.000 EUR Schmerzensgeld zu zahlen und die 100 EUR zurückzuerstatten. Außerdem muss sie der Frau sämtliche Folgeschäden aus der mangelhaften Tätowierung ersetzen.

Das Urteil stellt klar, dass die Beklagte die Frau in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt habe, indem sie das Tattoo mangelhaft erstellt hat. Bei dem Tattoo seien handwerkliche und gestalterische Mängel unübersehbar, wie etwa unterschiedliche Strichbreiten und verwackelte Linien, uneinheitliche Abstände zwischen den Buchstaben, teilweise zu eng, sodass ein Wort unleserlich würde; die Namen seien völlig unscharf, was wohl an einer mehrfachen Nachbesserung der Konturlinie liegen würde.

Ein professioneller Tätowierer – worunter die Beklagte nach ihren eigenen Angaben fällt – hätte solche Fehler nicht gemacht. Das Tattoo entspreche damit gerade nicht der Qualität, die die Frau erwarten durfte. Die entsprechenden Mängel seien auch nicht durch die mangelhafte Pflege der Frau begründet, sondern allein durch die Beklagte. (Amtsgericht München, Urteil vom 13.4.2017, 132 C 17280/16)

Haftpflichtversicherung: Keine Haftung für Sturz eines Reiters nach Pfiffen einer Hundehalterin mit der Hundepfeife

Pfeift eine Hundehalterin auf einer Hundepfeife nach ihrem Hund, um ihn von herannahenden Pferden wegzulocken, haftet sie nicht, wenn die Pferde aufgrund der Pfiffe durchgehen und die Reiter abwerfen.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall einer Frau, die ihren Hund ausgeführt hatte. Der frei laufende Hund lief in Richtung der herannahenden Pferde des Klägers und seiner Begleiterin. Die Frau pfiff zunächst einmal, dann noch mindestens ein weiteres Mal mit der Hundepfeife, um den Hund zur Umkehr zu bewegen. Dies gelang, allerdings gingen die Pferde durch und warfen beide Reiter ab.

Der Kläger behauptet, die Pferde hätten wegen der Pfiffe der Frau und wegen des herannahenden Hundes gescheut. Die Frau hafte daher für die durch den Sturz des Klägers und seiner Begleiterin verursachten Verletzungen. Die Haftpflichtversicherung der Frau bezahlte 1.000 EUR Schmerzensgeld an den Kläger. Dieser fordert mit der Klage weitere 4.000 EUR Schmerzensgeld sowie die Feststellung, dass die Frau für alle Unfallfolgen hafte.

Das Landgericht (LG) Karlsruhe nahm in erster Instanz an, dass die Frau mit einer Quote von 30 Prozent für die Unfallfolgen haftet. Die Frau hätte nach Auffassung des LG nach dem ersten Pfiff mit der Hundepfeife keine weiteren Pfiffe abgeben dürfen. Die Hundehalterin hätte erkennen können und müssen, dass die Pferde auf ihre weiteren Pfiffe reagieren würden.

Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Das OLG Karlsruhe hat daraufhin die Klage abgewiesen. Die Richter dort stuften die Pfiffe mit der Hundepfeife als angemessene und naheliegende Reaktion auf das Verhalten des Hundes ein. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Hundehalterin eine Schreckreaktion der Pferde auf die Pfiffe wahrgenommen hat. Sie haftet auch nicht als Hundehalterin für die Folgen des Unfalls. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass das Durchgehen der Pferde durch den Hund verursacht wurde. Grund für die Reaktion der Pferde waren vielmehr – auch nach Darstellung des Klägers selbst – die Pfiffe der beklagten Hundehalterin, die in der konkreten Situation aber sozialadäquat waren.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.8.2017, 7 U 200/16)

Haftungsrecht: Reifenhändler darf Reifen stehend im Kofferraum verladen

Der Wechsel von Winter- zu Sommerreifen läuft beim Reifenhändler meist unkompliziert ab. Manchmal kann es aber auch zu Problemen kommen. Über einen solchen Fall hatte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg zu entscheiden.

Ein Mann aus Wilhelmshaven hatte seine Reifen in der Werkstatt wechseln lassen. Er hatte die neu anzubringenden Sommerreifen bei zurückgeklappter Rückenlehne der Rückbank nebeneinander im Kofferraum liegend zur Werkstatt transportiert. Der Reifenhändler hatte nach der Montage die Rückenlehne hochgeklappt und die alten Winterreifen nebeneinanderstehend in den Kofferraum geräumt. Der Wilhelmshavener fuhr nach Hause, fuhr rückwärts seine abschüssige Garageneinfahrt hinab und öffnete von innen per Fernsteuerung die Kofferraumklappe. Die aufrecht transportierten Reifen rollten heraus und beschädigten das Garagentor. Es soll ein Sachschaden von rund 6000 EUR entstanden sein.

Der Mann verklagte den Reifenhändler. Dieser hätte die Winterreifen nicht stehend verladen dürfen, zumal er selbst die Sommerreifen extra liegend angeliefert habe. Er habe aufgrund der abgedunkelten Scheiben im Fond des Fahrzeugs nicht bemerken können, dass die Rückenlehne hochgeklappt worden sei.

Die Richter am OLG bestätigten jedoch die Entscheidung des Landgerichts, nach der dem Mann kein Schadenersatz zustehe. Er hätte durch einen kurzen Blick in den hinteren Wagenbereich ohne Weiteres feststellen können, dass die Rückenlehne hochgeklappt worden sei. Den Kofferraum trotzdem gleichsam blindlings zu öffnen, zeuge von einer hohen Sorglosigkeit. Den Autofahrer treffe daher ein so überwiegendes Mitverschulden, dass ein etwaiges Verschulden des Reifenhändlers vollständig dahinter zurücktrete. Der Mann müsse mithin seinen Schaden selbst tragen.

(OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 28.4.2017 und Beschluss vom 31.5.2017, 9 U 21/17)

Haftungsrecht: Tiefgarage: Fahrer großräumiger Fahrzeuge müssen Gefahren selbst abschätzen

Fahrer großer Automobile müssen selbst beurteilen, ob eine Tiefgarage von den Abmessungen her für derartige Fahrzeuge geeignet ist, und welche Gefahren zu erwarten sind.

Das musste sich die Fahrerin eines Porsche Cayenne vor dem Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth sagen lassen. Sie war mit dem Fahrzeug in die Tiefgarage eines Nürnberger Hotels gefahren. Die Einfahrt verlief problemlos. Beim Ausfahren bemerkte die Fahrerin, dass es aufgrund der Abmessungen des Fahrzeugs zu einer Kollision mit der hochgezogenen Bordsteinkante kommen musste. Sie fuhr so vorsichtig wie möglich aus. Allerdings konnte sie nicht vermeiden, dass die Felgen des Porsches hinten links und vorne rechts beschädigt wurden.

Es entstand ein Schaden von ca. 5.300 EUR. Die Frau hat daraufhin die Hotelbetreibergesellschaft verklagt. Sie argumentiert, dass die Gesellschaft durch Hinweisschilder auf die engen Verhältnisse in der Tiefgarage hätte aufmerksam machen müssen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt die Kammer aus, dass eine Verkehrssicherung, welche jegliche Schädigung ausschließt, nicht erreichbar sei. Es sei nur vor solchen Gefahren zu schützen, welche andere bei Anwendung der jeweils zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen und vermeiden können.

Im konkreten Fall hätte sich die Fahrerin, welcher die Abmessungen des Fahrzeugs bewusst waren, vorher davon überzeugen müssen, ob die Tiefgarage für ihr Fahrzeug geeignet ist oder nicht. Hinzu kommt nach Ansicht des LG, dass die Fahrerin Hilfe hätte holen können. Beispielsweise wäre es möglich gewesen, über die Gegensprechanlage jemanden von der Rezeption zu verständigen, der sie evtl. hätte einweisen können oder ihr eine Ausfahrt über die Einfahrspur ermöglicht hätte.

(LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16.5.2017, 8 O 5368/16)

Aktuelle Gesetzgebung: Künftig ist eine Live-Übertragung von Gerichtsverfahren möglich

Der Gesetzgeber hat im Zivilprozessrecht die Verfahrensgrundsätze überarbeitet. Zu den wichtigsten Neuerungen gehört, dass künftig Tonübertragungen für Journalisten in Medienarbeitsräume möglich sind. Dies war vor allem beim Münchener NSU-Prozess gefordert worden.

Außerdem kann die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in besonderen Fällen in Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlt werden. Das Gesetz sieht zudem vor, dass zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken Tonaufnahmen von Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts zulässig sind, wenn es sich um ein zeitgeschichtlich besonders relevantes Verfahren handelt. Ob es zu der jeweiligen Übertragung bzw. Aufzeichnung kommt, entscheidet das Gericht im Einzelfall. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar. So soll eine Verzögerung des Verfahrens ausgeschlossen werden.

Zudem schafft das Gesetz Erleichterungen für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen. So ist künftig der Einsatz von Gebärdendolmetschern im gesamten gerichtlichen Verfahren möglich. Für die betroffenen Personen entstehen dadurch keine Kosten.

Die Bestimmungen zu den Gebärdendolmetschern sollen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Die Änderungen der Audio- und Tonübertragungen hingegen noch weitere sechs Monate später.

(Bundesrat, Plenum kompakt)