Unbefugte WEG-Einberufung: Widerruf per einstweiligem Rechtsschutz möglich

Einzelne Wohnungseigentümer sind nicht zur Einberufung von Eigentümerversammlungen befugt. Tun sie dies trotzdem, können sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zum Widerruf der Einberufung verpflichtet werden. So sieht es das Amtsgericht (AG) Tettnang.

Wohnungseigentümer stritten um die Durchführung einer Eigentümerversammlung. Eine solche wurde von mehreren Eigentümern einberufen, die sich als „Organisationsteam“ bezeichneten. Ein Miteigentümer beantragte dagegen einstweiligen Rechtsschutz. Der gegen die Mitglieder des „Organisationsteams“ gerichtete Antrag hatte Erfolg. Denn grundsätzlich muss der Verwalter die Eigentümerversammlung einberufen. Einem einzelnen Eigentümer kommt diese Befugnis auch nach neuem Recht nicht ohne Weiteres zu. Dies ist nur aufgrund eines Beschlusses möglich, wenn der Verwalter die Einberufung pflichtwidrig verweigert.

Da die Beschlüsse, die auf einer durch Nichtbefugte einberufenen Eigentümerversammlung gefasst werden, anfechtbar sind, kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, ihre Durchführung zu unterlassen. Aufgrund der Kürze der Zeit zwischen Einberufung und Durchführung der Versammlung kann dies auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt werden, obwohl dort die Hauptsache vorweggenommen wird. Denn die Gefahr, dass vorläufig wirksame Beschlüsse gefasst werden, die nur im Anfechtungsverfahren beseitigt werden können, rechtfertigt ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache.

Quelle: AG Tettnang, Urteil vom 9.2.2021, 8 C 95/21

Mietende: Tod des Wohnraummieters kein vertragswidriger Gebrauch

Erben müssen keine Sonderreinigung einer Wohnung vornehmen, um Verwesungsgerüche und ähnliche Belastungen der Mietsache zu entfernen. Das hat das Landgericht (LG) Berlin klargestellt.

Die Kläger sind Erben eines verstorbenen Mieters. Der Vermieter der Wohnung hatte vom Verstorbenen eine Mietsicherheit in bar erhalten. Wegen des in der Wohnung nach dem Versterben des Mieters herrschenden schlechten Geruchs ließen die Erben eine Sonderreinigung, eine Wohnungsgrundreinigung und weitere Arbeiten durchführen. Der Vermieter behauptete, auch nach der von den Erben durchgeführten Sonderreinigung sei die Wohnung von Fliegen und Maden befallen gewesen; außerdem habe in der Wohnung weiterhin Verwesungsgeruch und strenger Geruch als Folge des von den Erben beauftragten Tatortreinigers geherrscht. Er wollte die Mietsicherheit daher nicht auszahlen.

Das AG hatte den Vermieter in erster Instanz dazu verurteilt, die Mietsicherheit auszuzahlen. Begründung: Das Versterben stelle keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Die Berufung des Vermieters vor dem LG Berlin hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Idee, dass der Tod eines Wohnraummieters in der angemieteten Wohnung eine vom Mieter verübte Pflichtverletzung darstellen und somit Grundlage von Sekundäransprüchen sein könne, hält das LG für abwegig. Die besondere Belastung der Räume durch die Folgen des nicht sogleich entdeckten Todesfalls seien mangels Rechtsgrundlage weder von den Erben des Verstorbenen zu vertreten noch von ihnen zu beseitigen.

Quelle: LG Berlin, Urteil vom 5.10.2021, 66 S 7/21

Mietmangel: Wasserschaden im Bad der Mietwohnung rechtfertigt Minderung um 40 Prozent

Für einen Wasserschaden im Bad der Mietwohnung, der dazu geführt hat, dass mehrere Wände, u.a. auch die zum Schlafzimmer, durchfeuchtet wurden und Schimmel auftrat, hält das Amtsgericht (AG) Paderborn eine Minderung in Höhe von 40 Prozent angemessen.

Welche Mietminderung angemessen ist, lässt sich nur für den jeweiligen Einzelfall festlegen und ist ggf. durch das Gericht zu schätzen. Bedeutsam ist insbesondere das Gewicht des Mangels sowie das Ausmaß der durch ihn verursachten Gebrauchsbeeinträchtigungen, ihre Dauer, die grundsätzlich taggenau zu berücksichtigen ist, sowie die vertragliche Leistungsbewertung und die Verkehrssitte.

Das AG hat betont: Die Nutzung des Badezimmers ist ein essenzieller Bestandteil des Gebrauchs einer Wohnung. Es komme nicht darauf an, ob die Dusche benutzbar war oder nicht. Ausreichend sei, dass man das Bad nicht benutzen sollte, um den Wasserschaden nicht zu vergrößern.

Quelle: AG Paderborn, Urteil vom 29.6.2021, 54 C 20/21

Wohnungseigentum: Anbringen eines Klimageräts ist bauliche Veränderung

,

Jede bauliche Veränderung von Wohnungseigentum bedarf eines wirksamen Beschlusses durch die Eigentümerversammlung. Selbst, wenn eine sog. Ermessensreduzierung auf Null vorläge, die Eigentümer also auf jeden Fall der Maßnahme zustimmen müssten, müsste ein entsprechender formeller Antrag an die Eigentümergemeinschaft herangetragen und von dieser beschieden werden. Das gilt auch für das Anbringen eines Klimageräts. So hat es das Amtsgericht (AG) Biedenkopf entschieden.

Das war geschehen

Der Eigentümer einer Einheit im Erdgeschoss einer Wohnungseigentumsanlage hatte diese als Spielothek vermietet und ein Klimagerät montiert. In einer Eigentümerversammlung wurde beschlossen, ihn aufzufordern, das Gerät fachmännisch beseitigen zu lassen.

Der Eigentümer erhob dagegen Klage. Er ist der Ansicht, das Gerät sei unabdingbar und notwendig, um eine gerade auch aufgrund der Pandemie-Lage erforderliche ausreichende Lüftung der Räumlichkeiten zu gewährleisten. Eine andere Art der Lüftung, etwa durch Fenster, sei aufgrund eines früheren Einbruchs nicht möglich, da man einen erneuten Einbruch fürchtete und die Fenster deshalb zumauerte. Die beklagten Eigentümer argumentierten, das Klimagerät sei eine störende bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum, die ohne Genehmigungsbeschluss nicht hätte angebracht werden dürfen.

Bauliche Veränderung: Beschluss erforderlich

Das AG entschied: Ein Anspruch auf Duldung des angebrachten Klimageräts besteht nicht. Es handelte sich vorliegend um eine solche bauliche Veränderung, für die nach neuem Recht in jedem Fall ein Beschluss nötig ist.

Hätte der Kläger hier einen formellen Antrag an die Eigentümergemeinschaft herangetragen und wäre dieser von der Gemeinschaft abgelehnt worden, wäre eine Zustimmungsklage zu erheben gewesen. Zudem bestand hier auch keine übergeordnete sachliche Notwendigkeit für das Anbringen des Geräts. Der Eigentümer hat sich die von ihm für erforderlich gehaltene Lüftungsmöglichkeit selbst verbaut, indem er zuvor die Fensteröffnungen zugemauert hatte.

Quelle: AG Biedenkopf, Urteil vom 8.4.2021, 50 C 220/20

Mietvertrag: Trotz Dauerbaustelle keine Mietminderung

Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen begründen, wenn anderslautende Beschaffenheitsvereinbarungen fehlen, grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung. Dies gilt auch, wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle herrühren. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Anders kann dies jedoch sein, wenn der Vermieter die Immissionen abwehren könnte oder sogar Entschädigungsmöglichkeiten hätte.

Ebenfalls anders kann dies zu bewerten sein, wenn eine abweichende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien existiert. Eine solche kann aber nicht mit der Begründung bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baulärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Abrede der Mietvertragsparteien.

Quelle: BGH, Urteil vom 24.11.2021, VIII ZR 258/19

Mietverhältnis: Hohes Alter kann genügen, um wegen Eigenbedarf zu kündigen

Die Kündigung einer Wohnung wegen Eigenbedarf ist rechtens, wenn ein über 80-jähriges Ehepaar bei Besorgungen unterstützt werden soll. Selbst, wenn es ihm gesundheitlich sehr gut geht und die unterstützende Person bisher nur etwa 2,7 km entfernt lebte, kann Eigenbedarf geltend gemacht werden. Das hat das Amtsgericht (AG) München entschieden.

Was war geschehen?

Ein 80-jähriges Ehepaar bewohnte eine Wohnung in einem Haus in München. Es besaß im selben Haus eine weitere 77 qm große Wohnung. Diese hatte es an ein ebenfalls älteres Ehepaar vermietet. Das Vermieter-Ehepaar übertrug das Eigentum an der vermieteten Wohnung gegen eine monatliche Leibrente von 800 Euro an die Großnichte, die in der Nähe wohnte. Diese unterstützte ihre Verwandten bei Besorgungen, Einkäufen und Arztbesuchen. Die Großnichte kündigte den o. g. Mietern wegen Eigenbedarf und hatte damit Erfolg.

So argumentieren die Mieter

Die gekündigten Mieter argumentierten, dass eine Hilfeleistung auch aus einer Distanz von 2,7 km entfernt möglich sei. Die Großnichte müsse nicht im gleichen Haus wohnen, zumal es dem Vermieter-Ehepaar gesundheitlich gut ginge. Den Mietern hingegen sei eine Wohnungssuche und ein Umzug angesichts des Münchener Wohnungsmarkts nicht zumutbar. Zudem litt die Mieterin laut eines vorgelegten Attests an Bluthochdruck mit Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall.

Amtsgericht: Wunsch nach Eigennutzung hinreichend bestimmt und konkret

Das AG sah dies anders: Der Wunsch, seine Wohnung selbst zu nutzen, sei grundsätzlich zu achten, wenn er hinreichend bestimmt und konkret ist. Bereits aufgrund des Alters des Vermieter-Ehepaars sei eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit derart naheliegend, dass selbst ein aktuell blendender Gesundheitszustand nicht ins Gewicht falle. Der attestierte Bluthochdruck der Mieterin hingegen begründe keine besondere Härte im Sinne des Gesetzes.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: AG München, Urteil vom 9.6.2021, 453 C 3432/21

Rücksichtnahme: Kinderlärm ist nicht unbegrenzt hinzunehmen

Kommt es in den nächtlichen Ruhezeiten wiederholt zu Kinderlärm, rechtfertigt dies die fristlose Kündigung des Mietvertrags. Das sagt das Landgericht (LG) Berlin.

Die Wohnungsmieter störten den Hausfrieden nachhaltig durch Lärm. Es kam durch ihre Kinder zu Streitereien, Geschrei und Türenknallen auch ab 22 Uhr. Nach wiederholten Abmahnungen stellte sich keine Besserung ein. Daraufhin kündigte der Vermieter fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Mieter weigerten sich, auszuziehen.

Das Amtsgericht (AG) gab der Räumungsklage statt, weil die fristlose Kündigung wirksam war. Das LG bestätigte, dass unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung die ordentliche Kündigung wirksam sei. Denn die Mieter haben entgegen dem Rücksichtnahmegebot erhebliche Lärmbelästigungen zu verschulden. Zwar sei Kinderlärm privilegiert. Das Toleranzgebot der Gesellschaft gegenüber Kindern finde aber seine Grenzen dort, wo nächtliche Ruhezeiten durch das Einwirken Erwachsener eingehalten werden können, dies aber nicht geschieht.

Quelle: LG Berlin 30.7.2021, 65 S 104/21

Sanierungsstau in WEG: Wann müssen Eigentümer handeln?

In vielen Wohnungseigentümergemeinschaften ist es zu einem regelrechten Sanierungsstau gekommen. Sie überlegen daher, ob und welche Maßnahmen sie ergreifen sollen. Hier kann eine aktuelle Entscheidung des Bundesgesrichtshofs (BGH) bedeutsam sein: Danach muss die Eigentümergemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung einen Sanierungsstau des Gemeinschaftseigentums beseitigen. Das gilt auch, wenn dieser erheblich ist.

Ein Sanierungsstau ist laut dem BGH keine „Zerstörung“ des Gebäudes im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (§ 22 WEG). Folge: Die Eigentümergemeinschaft muss das Gemeinschaftseigentum in dem Maße instand halten, dass sein Zustand gesetzeskonform ist und es gefahrlos genutzt werden kann.

Sie kann sich nicht auf den o. g. Ausnahmetatbestand berufen. Die WEG kann ihre Sanierungspflichten auch nicht dadurch vermeiden, dass sie statt zu sanieren einfach die Nutzung gefährlicher Bereiche des Gemeinschaftseigentums untersagt.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.10.2021, V ZR 225/20

Optische Beeinträchtigungen: Kein Mangel der Mietsache

Bei rein optischen Beeinträchtigungen handelt es sich nicht um Beschädigungen, die die Nutzung der Mietsache beeinträchtigen. Daher liege auch kein Mangel vor. So sieht es das Landgericht (LG) Hanau.

Vermieter und Mieter stritten darüber, ob bestimmte Sachmängel der Mietsache erheblich waren. Der Mieter behauptete Beschädigungen des Laminatbodens und legte ein Foto vor. Dieses Foto zeigte Abplatzungen, deren Größe nur im Millimeterbereich lagen. Ein weiteres Foto zeigte die Badezimmertür. Sie war an der Unterkante leicht aufgequollen.

Das Amtsgericht (AG) hatte die Klage des Mieters bereits abgewiesen und dies sogar, ohne Beweis zu erheben. Selbst bei Vorliegen der behaupteten Zustände der Wohnung, so das AG, fehle es an der Erheblichkeit der Mängel. Das LG sah es genauso. Es gab dem Mieter die Kosten beider Instanzen auf. Das Vorbringen des Mieters sei zu pauschal. Es werde nicht deutlich, ob und inwieweit die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache beeinträchtigt ist. Ausweislich der vorgelegten Fotos handele es sich nur um optische Beeinträchtigungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle.

Quelle: LG Hanau, Urteil vom 8.7.2021, 2 S 140/20

Nachstellung und Bedrohung: Nachbarliche Schikane zieht Schadenersatz nach sich

Wer seinem Nachbarn mit der Verletzung der Gesundheit oder des Lebens droht und ihn zum Wegzug veranlasst, ist zum Schadenersatz verpflichtet. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe klargestellt.

Ein 63 Jahre alter Mann hatte nach dem Einzug einer Familie in ihr neues Eigenheim damit begonnen, diese zu schikanieren. Er beobachtete sie ständig, klopfte nachts an die Hauswand und beleidigte sie wiederholt. Später sprach er zwei konkrete Todesdrohungen aus. Er drohte, eine Pistole zu holen, und lief dem Ehemann mit erhobenem Beil hinterher. Nur weil der Ehemann fliehen konnte, wandte sich der Nachbar den beiden Kfz des Ehepaars zu und schlug mit dem Beil auf sie ein. Hierdurch entstand hoher Sachschaden. Die Familie entschloss sich darauf, sofort umzuziehen. Sie bezog zunächst eine Mietwohnung. Später erwarb sie neues Eigenheim.

Gerichtlich verlangte die Familie Schadenersatz, insbesondere die Umzugskosten, die Nebenkosten für den Erwerb des neuen Hauses, einen Mindererlös aus dem Verkauf ihres verlassenen Familienheims (nachdem sie die Käufer auf die bisherigen Verhaltensweisen des Nachbarn hingewiesen hatten) sowie die Maklercourtage.

Das OLG sprach der Familie (nur) rund 44.000 Euro statt der ursprünglich geforderten ca. 113.000 Euro zu. Der Nachbar habe sich durch sein Verhalten wegen Nachstellung und Bedrohung strafbar gemacht. Hieraus resultiere ein Schadenersatzanspruch. Dieser reiche aber nur so weit, wie die geltend gemachten Schäden vom Schutzzweck der Strafnormen erfasst seien. Dieser umfasse die Kosten, die zur Wiederherstellung des persönlichen Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten, z. B. Umzugs- und die Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheims. Die Wertminderung hinsichtlich des verlassenen Hauses und die im Zusammenhang mit dessen Verkauf angefallene Maklerprovision hat das OLG jedoch als bloße Vermögensfolgeschäden bewertet, die der Kläger nicht erstatten musste.

Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.11.2021, 10 U 6/20