Kinderbetreuung: Landkreis muss Kita-Plätze gewährleisten

Das saarländische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat einen Landkreis verpflichtet, einem knapp dreijährigen und einem etwa eineinhalb Jahre alten Kind jeweils ab sofort einen wohnortnahen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege nachzuweisen.

Das war geschehen

Die Eltern hatten den Landkreis erfolglos aufgefordert, einen Kita-Platz für die Kinder nachzuweisen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb erfolglos. Die Beschwerde dagegen war im Wesentlichen erfolgreich.

Gesetzliche Grundlagen des Anspruchs

Einschlägig war das Sozialgesetzbuch VIII (hier: § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Dieses setzt nicht voraus, dass die Eltern auf den Betreuungsplatz angewiesen sind. Die Vorschrift verschafft Kindern, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen eigenen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geförderten Betreuungsverhältnisses.

Dieser Anspruch ist keinem Kapazitätsvorbehalt unterworfen. Der Landkreis muss eine Betreuungsinfrastruktur sicherstellen und ggf. die Kapazitäten so erweitern, dass sämtlichen Anspruchsberechtigten ein ihrem Bedarf entsprechender Betreuungsplatz nachweisbar ist.

Verlängerung der Elternzeit unbeachtlich

Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Mutter ihre Elternzeit verlängert hat. Sorgeberechtigte können eine Halb- oder Ganztagsbetreuung für ihr Kind in Anspruch nehmen, wenn sie nicht oder nur z. T. erwerbstätig sind. Sie können auch nicht darauf verwiesen werden, eine Tagesmutter in Anspruch zu nehmen.

Quelle: Saarländisches OVG, Beschluss vom 22.3.2023, 2 B 10/23

Trennung: „Umgangsrecht“ kann es auch für einen Hund geben

Haben die Partner einer Lebensgemeinschaft zusammen einen Hund gehalten, können sie nach einer Trennung verlangen, dass jedem der Ex-Partner eine Art „Umgangsrecht“ mit dem Tier eingeräumt wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal jetzt entschieden. Es hat einen Mann nach der Trennung von seinem Partner dazu verurteilt, in eine „Verwaltungs- und Benutzungsregelung“ für den gemeinsam erworbenen Hund einzuwilligen.

Lebensgefährten hatten sich getrennt der Hund blieb bei einem Partner

Der Mann aus dem Landkreis Bad Dürkheim und sein ehemaliger Lebensgefährte hatten sich während der Beziehung einen Labradorrüden angeschafft. Nach der Trennung blieb der Hund bei einem der beiden Ex-Partner. Der andere wollte sich ebenfalls um das Tier kümmern und verlangte von seinem ehemaligen Lebensgefährten einen regelmäßigen zweiwöchigen Umgang mit dem Hund. Dies wurde ihm mit der Begründung verweigert, es sei für den Hund als Rudeltier besser, wenn er ausschließlich bei einem der ehemaligen Partner bliebe. Er sei wie im Rudel die Hauptbezugsperson des Tieres und deshalb sei ihm allein das Tier zuzuweisen.

Gemeinschaftliches Eigentum

Dies sah das LG anders. Auch wenn es sich um ein Tier handele, sei der Fall nach dem Recht des gemeinschaftlichen Eigentums zu entscheiden, denn der Hund sei während der Partnerschaft gemeinsam angeschafft worden. Es müsse hier nicht zwingend eine Wahl zwischen einem der beiden Miteigentümer getroffen werden, dem der Hund zuzuweisen sei. Vielmehr stehe es beiden Miteigentümern zu, auch nach Ende der Partnerschaft an dem gemeinsamen Eigentum teilhaben zu können. Miteigentümer eines Hundes könnten daher untereinander Zustimmung zu einer „Benutzungsregelung nach billigem Ermessen“ verlangen.

Eine Regelung dergestalt, dass die beiden Miteigentümer sich abwechselnd jeweils zwei Wochen um den Hund kümmern, sei nach Ansicht des LG interessengerecht. Dass eine solche gleichberechtigte Teilhabe der Miteigentümer in Form eines „Wechselmodells“ das Tierwohl gefährde, vermochte die Kammer nicht zu erkennen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Das LG hat hier als Berufungsgericht entschieden und die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts (AG) überwiegend bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 12.5.2023, 2 S 149/22, PM vom 30.5.2023

Testament: Was bewirkt der Widerruf des Widerrufs?

Welche Rechtsfolgen hat der Widerruf eines Widerrufstestaments? Und ist trotz späteren Verlöbnisses oder einer Eheschließung auf die Einsetzung des Partners einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 2077 BGB) anzuwenden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen wird? Mit diesen Fragen hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig im Rahmen einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren befasst.

Das war geschehen

Der Erblasser errichtete im Jahr 1989 ein Testament, in dem er die Antragstellerin, die er später heiratete, zu seiner Erbin berief. Im Jahr 2005 schlossen sie notariell beurkundet u. a. einen Erbvertrag, in dem sie zunächst alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen widerriefen und wechselseitig Vermächtnisse bestimmten. Nachdem die Ehe scheiterte, schlossen die Antragstellerin und der Erblasser im Jahr 2009 u. a. erneut einen Erbvertrag. In diesem Zuge erklärten sie, dass sie alle ihre bisher gemeinsam errichteten Verfügungen von Todes wegen widerrufen, insbesondere den Erbvertrag von 2005, jedoch ihre bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollten. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Antragstellerin einen Erbschein als Alleinerbin.

So sieht es das OLG

Das OLG hat festgestellt: Der Widerruf eines Widerrufstestaments führt dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend wieder in Kraft tritt. Das Gericht stützt sich im Wesentlichen darauf, dass in der Kommentarliteratur die Frage der Wirkungen des Widerrufs des Widerrufstestaments unterschiedlich behandelt und „eher unklar“ formuliert wird. Da der Gesetzgeber mit dem Widerruf Wirkungen wie bei der Anfechtung habe erzeugen wollen, führe der Widerruf dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend in Kraft trete.

§ 2077 Abs. 1 BGB besagt: „Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte.“

Da der Anwendungsbereich dieser Vermutungsregel hier nicht erfüllt sei, könne diese Vorschrift trotz späteren Verlöbnisses oder Eheschließung auch dann nicht auf die Einsetzung des Partners einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament angewandt werden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen worden wäre.

Quelle: OLG Schleswig, Beschluss vom 30.1.2023, 3 Wx 37/22

Teil-Erbauseinandersetzung: Miterben bleiben Vertragspartner des Mieters

Im Mietrecht herrscht der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“. Das bedeutet: Veräußert der Vermieter den vermieteten Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter an einen Dritten, tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Dieser Grundsatz ist aber auf die Erbauseinandersetzung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Köln entschieden.

Das war geschehen

Eine Miterbengemeinschaft bestand aus drei Personen. Zum Nachlass gehörte eine vermietete Wohnung. Die Erbengemeinschaft übertrug einem Miterben die Wohnung im Wege einer Teil-Erbauseinandersetzung. Das bestehende Mietverhältnis wurde übernommen. Der Miterbe ging davon aus, alleiniger Vermieter geworden zu sein. Er kündigte den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs, da seine 19 Jahre alte Tochter die Wohnung beziehen wollte. Die Mieter widersprachen der Kündigung.

Räumungsklage scheiterte: Erbauseinandersetzung wirkt sich nicht auf Dritte aus

Die Räumungsklage scheiterte vor dem AG. Die Eigenbedarfskündigung habe das Mietverhältnis nicht beendet. Bei einer Mehrheit von Vermietern müsse die Kündigung, um wirksam zu sein, von allen Vermietern ausgesprochen werden, es sei denn, es bestehe eine wirksame Ermächtigung des einen Vermieters durch die jeweils anderen. Dies sei hier nicht der Fall. Der klagende Miterbe sei nicht alleiniger Vermieter der Wohnung. Das Mietverhältnis sei auf die Mitglieder der Erbengemeinschaft übergegangen. Auch durch die Teil-Erbauseinandersetzung sei der Kläger nicht alleiniger Vermieter geworden. Es existiere kein Grundsatz, wonach die Erbauseinandersetzung auf Schuldverhältnisse des Erblassers mit Dritten wirke. Der Kläger vermenge insoweit die dingliche Rechtslage bzw. schuldrechtliche Abreden der Erben im Innenverhältnis. Der Mietvertrag habe ab dem Versterben zwischen dem Kläger und den weiteren Erben als Personenmehrheit auf Vermieterseite einerseits und den beklagten Mietern als Personenmehrheit auf Mieterseite andererseits bestanden.

Quelle: AG Köln, Urteil vom 9.1.2023, 203 C 144/22

Betreuungsverfahren: Mehrere Betreuer nur bei besserer Versorgung des Betroffenen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Auf Wunsch des Betroffenen werden mehrere Betreuer nur bestellt, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können.

Betroffene wollte „Wunschbetreuer“ zusätzlich

Die Betroffene ist 82 Jahre alt und leidet an einem manisch-depressiven demenziellen Symptom und einer organischen wahnhaften Störung. Sie kann ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen. Sie hatte zwar ihrem Enkel, dem Sohn ihrer älteren Tochter, eine Vorsorgevollmacht erteilt. Zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung war sie aber bereits geschäftsunfähig. Das AG hat daher eine Betreuung für mehrere Aufgabenkreise eingerichtet und die jüngere Tochter zur Betreuerin bestellt. Dagegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Sie wünscht, dass ihr Enkel als ein weiterer Betreuer bestellt wird.

Während des Betreuungsverfahrens machten die jüngere Tochter und der Enkel sich wechselseitig Vorhaltungen über vermeintliche Verfehlungen. Das Landgericht (LG) hat die Betroffene nicht erneut angehört und die Beschwerde zurückgewiesen. Auch die Rechtsbeschwerde der Betroffenen zum BGH blieb erfolglos

Spannungen zwischen den Familienstämmen

Die jüngere Tochter ist bereit und in der Lage, die Betroffene zu betreuen. Ihre Bestellung entspricht deren Wohl und Willen, da diese sich gut mit dieser Tochter versteht. Ihr Wunsch, auch durch den Enkel betreut zu werden, ist zwar beachtlich. Diesem kann aber nur entsprochen werden, wenn die Angelegenheiten der Betroffenen dadurch besser besorgt werden könnten. Das ist nicht der Fall, da es Spannungen zwischen den Familienstämmen gibt.

Die Pflicht zur persönlichen Anhörung besteht zwar auch im Beschwerdeverfahren. Davon kann aber abgesehen werden, wenn die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften erfolgt ist und von einer erneuten Anhörung durch das Beschwerdegericht keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Eine erneute Anhörung ist folglich regelmäßig erforderlich, wenn das Beschwerdegericht eine neue Tatsachengrundlage heranzieht. Hierunter kann auch eine nachträglich erfolgte Willensänderung des Betroffenen fallen, wie hier der Wunsch nach einem weiteren Betreuer. Wenn die Beschwerde jedoch bereits aus Rechtsgründen zurückzuweisen ist, ist auch keine erneute Anhörung erforderlich, da keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Quelle: BGH, Beschluss vom 7.9.2022, XII ZB 211/22

Eheliche Lebensgemeinschaft: Keine Unterhaltsvorschussleistungen bei nur räumlicher Trennung der Eltern

Eine räumliche Trennung der Eheleute stellt kein Getrenntleben dar, solange sie eine häusliche Gemeinschaft herstellen wollen. Das hat nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden.

Räumliche Trennung kurz nach der Hochzeit

Die Klägerin meinte, dass ihr ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen in der Zeit vom 1.8.19 bis 24.10.20 zugestanden habe, da sie in dieser Zeit getrennt von ihrem Mann gelebt habe. Sie hatte den Mann am 31.7.19 im Libanon geheiratet. Erst ab dem 25.10.20 sei er zu ihr nach Deutschland gezogen. Das Verwaltungsgericht (VG) und auch das OVG sahen das anders.

Häusliche Gemeinschaft sollte hergestellt werden und wurde es auch

Die Frau war nicht dauerhaft von ihrem Mann getrennt. Maßgeblich dafür ist allein die zivilrechtliche Definition des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 1567 Abs. 1 BGB). Danach gilt ein Elternteil, bei dem das Kind lebt, u. a. als dauernd getrennt lebend „wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben i. S. d. § 1567 BGB vorliegt“.

Ehegatten leben folglich getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Eheleute wollten aber eine häusliche Gemeinschaft herstellen. Die Frau hatte eingeräumt, dass der Mann bei ihr eingezogen war.

Quelle: OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.12.2022, 14 PA 359/22

Ehegattentestament: Voraussetzungen einer Pflichtteilsstrafklausel

Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten sollen den Nachlass für den überlebenden Ehegatten möglichst ungeschmälert erhalten. Wird die Verwirkung der Pflichtteilsklausel von den Testierenden nicht nur an das Verlangen des Pflichtteils, sondern auch an den Erhalt des Pflichtteils geknüpft, setzt die Verwirkung der Klausel einen tatsächlichen Mittelabfluss voraus. Ohne Mittelabfluss besteht kein Sanktionierungsgrund. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Beanspruchen des Pflichtteils sollte sich nachteilig auswirken

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Sie hatte aus einer früheren Ehe eine Tochter, ihr verstorbener Ehemann hatte aus früheren Ehen zwei Töchter. Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Weiter hieß es: „Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern (…Namen der drei Töchter) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.“

Die Tochter der Erblasserin beantragte einen Erbschein, der sie und eine der zwei Töchter des vorverstorbenen Ehemanns zu je 1/2 als Erbinnen ausweisen soll. Sie meint, die weitere Tochter sei nicht Erbin der Erblasserin geworden sei, da sie nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

Erbanspruch nicht verwirkt

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Tochter der Erblasserin zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Gemäß der testamentarischen Schlusserbenbestimmung seien alle drei Töchter Erbinnen zu jeweils einem Drittel geworden, bestätigte das OLG. Die dritte Tochter habe ihren Erbanspruch nicht verwirkt. Nach dem Testament sollte dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen werden, das nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung sei damit abweichend von den üblichen Klauseln nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils, sondern zusätzlich ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen. Ob die Tochter hier überhaupt ihren Pflichtteil geltend gemacht habe, könne offenbleiben. Jedenfalls habe sie nicht ihren Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten.

Der Hinweis der anderen Töchter, sie habe ihren Pflichtteil erhalten, dieser sei aber „gleich null“ gewesen, überzeuge nicht. Ein „ins Leere gehender bzw. wertloser Pflichtteil … (löse) nicht die Sanktionswirkung der testamentarischen Pflichtteilsklausel aus“. Durch das zusätzliche Erfordernis des „Erhaltens“ hätten die Eheleute deutlich gemacht, dass es ihnen „um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten“ gegangen sei. Wenn die Tochter nichts aus dem Nachlass erhalten habe, sei der Nachlass nicht geschmälert und es bestehe nach dem Willen der Ehegatten kein Grund für eine Sanktionierung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.2.2023, 21 W 104/22, PM 13/23

Namensrecht: Klage auf Änderung des russisch klingenden Nachnamens erfolglos

Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines Ehepaares abgewiesen, das seinen russisch klingenden Nachnamen ändern wollte.

Die Kläger beantragten bei der beklagten Verbandsgemeinde eine Namensänderung, weil sie und ihre Tochter seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine aufgrund ihres russisch klingenden Nachnamens Benachteiligungen im Alltag erlebten. Die Verbandsgemeinde lehnte die Namensänderung ab. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und erhoben, nachdem dieser nicht innerhalb von drei Monaten seit Eingang beschieden worden war, Untätigkeitsklage beim VG.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Eine Änderung des Familiennamens, so das VG, sei nach den gesetzlichen Bestimmungen nur gerechtfertigt, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliege. Das sei hier nicht der Fall.

Die Tatsache allein, dass ein Familienname fremdsprachigen Ursprungs sei oder nicht Deutsch klinge, sei im Allgemeinen kein wichtiger Grund für eine Namensänderung. Für die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kläger sei die begehrte Namensänderung auch nicht im Interesse der weiteren Eingliederung geboten.

Soweit die Kläger darüber hinaus geltend machten, seit Beginn des Krieges in der Ukraine aufgrund ihres russisch klingenden Nachnamens Benachteiligungen im Alltag ausgesetzt zu sein, komme den geschilderten Vorkommnissen kein die Namensänderung rechtfertigendes Gewicht zu. Die Kläger hätten nicht dargelegt, dass der von ihnen getragene Nachname eine seelische Belastung für sie und ihre Tochter darstelle. Ein bloß vernünftiger Grund oder mit der Namensführung verbundene einfache Unzuträglichkeiten seien insoweit nicht ausreichend.

Wirtschaftliche Gründe berechtigten vorliegend ebenfalls nicht zur Namensänderung. Sie beträfen nur die Nebentätigkeit des Klägers. Unabhängig davon handele es sich um einen vereinzelt gebliebenen Vorfall, sodass sich schon mit Blick auf die hauptberufliche Stellung des Klägers keine Anhaltspunkte für erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Familie ergäben.

Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 5.4.2023, 3 K 983/22.KO, PM 8/23

Pfändungsfreibetrag: BGH ändert Rechtsprechung zu Unterhaltszahlungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Kehrtwende bezüglich der Frage gemacht, ob Unterhaltszahlungen bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nur in Höhe der tatsächlichen Unterhaltszahlungen oder in Höhe des gesetzlichen Anspruchs zu berücksichtigen sind.

Vater wollte von Teil der Pfändung verschont bleiben

Der Gläubiger vollstreckt gegen den Schuldner, seinen Vater, wegen Unterhalt. Der Vater zahlt einem weiteren Kind Unterhalt. Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) hat das AG festgesetzt, dass dem Vater für seinen eigenen notwendigen Unterhalt ein Betrag pfandfrei zu belassen ist. Im Hinblick auf den Unterhalt für das weitere Kind hat es festgesetzt, dass ihm darüber hinaus bis zu einem bestimmten Betrag weitere 50 Prozent zu belassen sind.

Das Amtsgericht (AG) hat die Vollstreckungserinnerung des Vaters zurückgewiesen. Auf dessen sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht den pfandfreien Betrag heraufgesetzt, damit der Vater seine Unterhaltspflicht gegenüber dem weiteren Kind erfüllen kann. Es hat die weitere Unterhaltspflicht des Vaters nicht in der sich aus dem Gesetz ergebenden Höhe, sondern nur in Höhe des tatsächlich geleisteten geringeren Unterhalts für das weitere Kind anerkannt. Im Übrigen blieb die sofortige Beschwerde erfolglos. Der Vater begehrte dann, allerdings erfolglos, mit der Rechtsbeschwerde zum BGH, den pfandfreien Betrag auf die Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflicht heraufzusetzen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH: Vollstreckt ein Gläubiger wegen Unterhalt, ist dem Schuldner so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt bedarf und um seine laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Berechtigten zu erfüllen. Das bedeutet: Beim pfandfreien Betrag sind diese Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Berechtigten nur in dem Umfang zu beachten, in dem der Schuldner diese Pflichten den weiteren Berechtigten gegenüber erfüllt oder diese gegen ihn vollstrecken.

Der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift der Zivilen Prozessordnung (hier: § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO) ist insoweit nicht eindeutig. Er kann zwar dahin verstanden werden, dass auf den Betrag abzustellen ist, der potenziell erforderlich wäre, um die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten zu erfüllen. Es kommt jedoch auch ein Verständnis in Betracht, wonach insoweit ein Bedarf des Schuldners nur in dem Umfang anzunehmen ist, in dem er tatsächlich leistet.

Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist aber die letztgenannte Auslegung zutreffend, so der BGH. Er betont: Solange der Schuldner seinen laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den weiteren Unterhaltsberechtigten nur teilweise nachkommt, werden diese durch die Zwangsvollstreckung des Unterhaltsgläubigers nicht benachteiligt. Sie können auch den pfandfreien Betrag dadurch erhöhen lassen, dass sie ihrerseits wegen ihres (teilweise) nicht erfüllten Unterhaltsanspruchs eine Änderung des PfÜB erwirken. Das schließt nicht aus, dass der Schuldner künftig freiwillig Unterhalt leisten wird. Er kann ebenfalls den PfÜB ändern lassen. Dem Problem, dass ihm vor einer Erhöhung des pfandfreien Betrags noch keine Mittel zur Verfügung stehen, um seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht in größerem Umfang nachzukommen, kann ggf. durch eine befristete Erhöhung Rechnung getragen werden.

Unterhaltsgläubiger sollen nicht benachteiligt sein

Würde man dem Schuldner stets den pfandfreien Betrag in Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflichten belassen, wäre nicht sichergestellt, dass dieser Betrag den weiteren Unterhaltsberechtigten zufließt. Hat der Schuldner seine Unterhaltspflichten nicht oder nicht vollumfänglich erfüllt, liegt nahe, dass der pfandfreie Betrag ganz oder teilweise bei ihm verbleibt. In diesem Fall würde der vollstreckende Unterhaltsgläubiger zum Vorteil des Schuldners benachteiligt, ohne dass den weiteren Unterhaltsberechtigten hiermit gedient wäre. Das würde dem im Zwangsvollstreckungsrecht bezweckten Schutz der Unterhaltsgläubiger zuwiderlaufen und wäre mit deren Privilegierung nicht zu vereinbaren.

Quelle: BGH, Urteil vom 18.1.2023, VII ZB 35/20

Erbauseinandersetzung: Anfechtung eines Testaments

Auch wenn ein Testament aus Sicht des Erblassers klar formuliert ist, kann die gesetzliche Erbfolge einsetzen. So zeigt es nun das Landgericht (LG) Wuppertal.

Das war geschehen

Die spätere Erblasserin war Eigentümerin eines neuwertigen Hausgrundstücks und verfügte über Barvermögen von rund 30.000 Euro. Ende 2002 verfasste sie ein handschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut: „Mein Sohn S soll Erbe sein. Meine Tochter T soll ihren Pflichtteil erhalten. Das ist nicht als Straf- oder Benachteiligungsaktion zu sehen. Aber dieser Weg ist die einzige Möglichkeit, ablaufmäßig und verfahrenstechnisch zu gewährleisten, dass der Sohn unser Wohnhaus, das eine Belastung ist, erhalten kann. Ein Verschleudern-Müssen wollten wir nicht.“ Damit schien aus Sicht der Erblasserin alles klar geregelt. Doch das war ein Irrtum.

Testamentsanfechtung der Tochter nach Veräußerung der Immobilie

Für Zwecke der Pflichtteilbemessung wurde für die Immobilie vom Gutachterausschuss ein Wert von 710.000 Euro ermittelt. Auf dieser Basis erfolgte der Abschluss eines „Erbauseinandersetzungsvertrags“. Kurze Zeit später veräußerte der Sohn die Immobilie zu einem Preis von 819.000 Euro. Daraufhin hat die Tochter den Erbauseinandersetzungsvertrag und das Testament angefochten. Mit Erfolg: Nach der Entscheidung des LG ist infolge der Anfechtung die gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Hintergrund: Jeder Motivirrtum berechtigt dazu, eine letztwillige Verfügung anzufechten. Hier war die Vorstellung der Erblasserin, der Sohn werde das Haus behalten, wenn er Alleinerbe wird, ein solches Motiv, das für die Verfügung der Erblasserin in ihrem Testament bestimmend war. Den Erhalt des Hauses hat die Erblasserin wörtlich verbunden mit der Erwägung, dass sie das Haus nicht verschleudert sehen wolle. Darin kommt zum Ausdruck, dass das Haus in der Familie bleiben und nicht verkauft werden sollte.

Quelle: LG Wuppertal, Urteil vom 5.12.2022, 2 O 317/21