Bundesverfassungsgericht: Vorschriften über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter nicht mit Grundgesetz vereinbar
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden: Die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, ist mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.
Das war geschehen
Der feststehend leibliche Vater eines 2020 nichtehelich geborenen Kindes führte mit der Mutter des Kindes eine Beziehung und lebte mit ihr in einem Haushalt. Nach der Trennung der Mutter von ihm hatte der Vater weiter Umgang mit seinem Kind. Die Mutter ging eine neue Beziehung ein. Nachdem der Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte, erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft für das Kind mit ihrer Zustimmung an und ist so dessen rechtlicher Vater geworden.
Zuletzt hatte das Oberlandesgericht (OLG) den Antrag des leiblichen Vaters darauf, festzustellen, dass er und nicht der rechtliche Vater Vater des Kindes sei, als unbegründet abgewiesen. Die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters scheitere an der inzwischen bestehenden sozial-familiären Beziehung des neuen Partners der Mutter und rechtlichen Vaters zum Kind.
Der leibliche Vater erhob daher Verfassungsbeschwerde. Er rügte, dass sein Elternrecht nach dem GG (hier: Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) verletzt sei. Vorschriften des BGB (hier: § 1600 Abs. 2 und 3 BGB), so wie das OLG es anwende, mache es ihm als leiblichem Vater unmöglich, die rechtliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen.
So sah es das Bundesverfassungsgericht
Die o. g. Regelung des BGB ist mit dem GG nicht vereinbar, so das BVerfG. Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Er kann dabei abweichend vom bisherigen Recht im BGB die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält der Gesetzgeber dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf zwei Elternteile fest, muss zugunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden.
Letzterem genügt das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen.
Das BVerfG: Die für mit dem GG unvereinbare o. g. Vorschrift des BGB über die Vaterschaftsanfechtung bleibt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30.6.2025, in Kraft.
Quelle: BVerfG, Urteil vom 9.4.2024, 1 BvR 2017/21, PM 35/24