Datenschutz: Wenn ein Bewertungsportal ungefragt ein Basisprofil anlegt

Ein Arzt, dessen Basisdaten ungefragt vom Bewertungsportal Jameda übernommen wurden, hat keinen Löschungsanspruch nach DS-GVO gegen den Anbieter. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun klargestellt, dass für die Speicherung ein berechtigtes Interesse besteht.

Der BGH sieht das berechtigte Interesse, das bei jeder Verarbeitung von Daten vorliegen muss, darin, dass das Bewertungsportal Jameda aktiven Nutzern dadurch die von der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ geschützte Abgabe und Verbreitung einer Meinung ermöglicht und passiven Nutzern die Möglichkeit verschafft, davon Kenntnis zu nehmen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist zur Verwirklichung der berechtigten Interessen auch „erforderlich“.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.2.2022, VI ZR 692/20

Wegfall der Geschäftsgrundlage: Möbelhaus: Gewerbemiete trotz Corona-Schließung?

Während des Lockdowns Ende 2020 mussten viele Geschäfte schließen. Die Mietverträge liefen trotzdem weiter, obwohl häufig kein Gewinn mehr erwirtschaftet werden konnte. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert: Es gibt ein neues Gesetz, nach dem ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vermutet wird, wenn die gemieteten Räumlichkeiten wegen des Lockdowns nicht oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen verwendet werden können. So steht es im deutschen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (hier Art. 240 § 7 EGBGB). Hierauf berief sich auch ein Möbelhaus, dem das Landgericht (LG) zunächst Recht gab: Die Miete für die angemietete Lagerhalle könne reduziert werden. Das sah das Oberlandesgericht (OLG) aber anders.

Das OLG: Es besteht kein Anspruch auf eine Anpassung der Miete. Denn die Lagerhalle sei in der Lockdown-Zeit durchaus nutzbar gewesen. Die Firma habe die Möbel nämlich online vertrieben und auch stationäre Verkäufe über „click & collect“ getätigt. Die Lagerhalle sei in ihrer Funktion durch den Lockdown daher gerade nicht betroffen gewesen. Etwas anderes könne gegebenenfalls für das Ladengeschäft selbst gelten.

Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, weil die Sache grundsätzlich Bedeutung hat und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die neue Gesetzesregelung auch auf Lagerhallen anzuwenden ist.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 29.3.2022, 2 U 234/21

Lieferstopp: Schadenersatzklage eines Automobilindustrie-Zulieferers abgewiesen

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat jetzt eine Schadenersatzklage eines Automobilzulieferers gegen einen Fahrzeughersteller (Mercedes Benz Group AG) abgewiesen. Der Zulieferer hatte dem Fahrzeughersteller mit einem Lieferstopp gedroht. Das war widerrechtlich.

Das war geschehen

Der Zulieferer (Kläger) belieferte den Hersteller (Beklagten) seit dem Jahr 2010 mit Kfz-Sitzbezügen, die in Slowenien produziert wurden. Aufgrund gestiegener Kosten hielt der Kläger die Fortsetzung dieser Geschäftsbeziehung zu den bisherigen Bedingungen nicht mehr für wirtschaftlich und kündigte am 13.12.2013 sämtliche Lieferverträge außerordentlich zum 31.1.2014. Der Beklagte wies die Kündigung zurück.

Nachdem die in der Folgezeit geführten Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, teilte der Kläger am 31.01.2014 mit, dass er ab dem Folgetag bis zu einer vertraglichen Einigung keine Sitzbezüge mehr liefern werde. Hierauf schlossen die Parteien am 4.2.2014 eine Vereinbarung, die u. a. eine Verlagerung der Produktion sowie eine dreijährige Abnahme- und Preisgarantie und eine monatliche Ausgleichszahlung für den Kläger vorsah. Anfang August 2014 focht der Beklagte diese Vereinbarung wegen widerrechtlicher Drohung an und verweigerte in der Folgezeit die Abnahme weiterer Sitzbezüge. Der Kläger hielt die Anfechtung für unwirksam und forderte vom Beklagten Schadenersatz, insbesondere entgangenen Gewinn, in Höhe von rund 40 Mio. Euro.

So entschied das Gericht

Das OLG: Zum Zeitpunkt des angekündigten Lieferstopps habe die ursprüngliche Vertragsbeziehung zwischen den Parteien fortbestanden, da der Kläger diese nicht zum 31.1.2014 habe kündigen können. Bei der Ankündigung des Lieferstopps, der sich massiv auf den Produktionsprozess des Beklagten ausgewirkt hätte, habe es sich daher um eine widerrechtliche Drohung gehandelt. Die unter dem Druck dieser Drohung zustande gekommene Vereinbarung vom 4.2.2014 habe der Beklagte wirksam angefochten, sodass der Kläger aus ihr keine Pflicht zur Abnahme von Sitzbezügen und daher auch keine Schadenersatzansprüche wegen Verletzung dieser Pflicht herleiten könne.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen steht dem Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) offen.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 7.4.2022, 2 U 3/21, PM vom 7.4.2022

Dokumentenversand: Abmahnschreiben als Dateianhang einer E-Mail: Wann gilt es als „zugegangen“?

Wird ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es in der Regel nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Hamm klargestellt.

Das war geschehen

Die Parteien sind Internetversandhändler. Am 19.3.2020 versandte der Prozessbevollmächtigte des einen Händlers (Kläger) eine E-Mail an den anderen Händler (Beklagter) mit der Betreffzeile „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“. Die E-Mail enthielt folgenden Text: „Sehr geehrter Herr B, bitte beachten Sie anliegende Dokumente, die wir Ihnen situationsbedingt zur Entlastung der angespannten Infrastruktur im Versandwesen nur auf elektronischem Wege zur Verfügung stellen.“ Unterhalb dieses Textes befanden sich die Kontaktdaten des Prozessbevollmächtigten des A. Als Dateianhänge waren der E-Mail zwei PDF-Dateien beigefügt: Eine PDF-Datei mit dem Dateinamen „2020000067EU12984.pdf“ enthielt ein auf den 19.3.2020 datiertes anwaltliches Abmahnschreiben wegen der im vorliegenden Verfahren verfahrensgegenständlichen lauterkeitsrechtlichen Vorwürfe. Die andere PDF-Datei mit dem Dateinamen „Unterlassungs.pdf“ enthielt den Entwurf für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Am 1.4.2020 versandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine weitere E-Mail mit der Betreffzeile „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“ an den Beklagten. Diese E-Mail enthielt folgenden Text: „Sehr geehrter Herr B, zur Erfüllung diesseitiger Ansprüche setzen wir eine Nachfrist bis zum 3.4.2020.“

Auf Antrag des Klägers erließ das Landgericht (LG) dann eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten mit einer Kostenentscheidung zu dessen Nachteil. Nach der Zustellung dieser einstweiligen Verfügung an den Beklagten gab dieser eine sog. Abschlusserklärung ab, wobei er sich die Erhebung eines Kostenwiderspruchs vorbehielt.

Von diesem Vorbehalt hat der Beklagte auch Gebrauch gemacht und Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung erhoben. Er hat behauptet, er habe von den beiden o. g. E-Mails keine Kenntnis erlangt. Er könne nicht ausschließen, dass diese im Spam-Ordner seines E-Mail-Postfachs eingegangen seien, könne dies allerdings nicht mehr überprüfen, weil E-Mails in diesem Ordner bereits nach zehn Tagen wieder gelöscht würden.

Landgericht bestätigt einstweilige Verfügung

Das LG Bochum hat die einstweilige Verfügung bestätigt und dem Beklagten auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen hat sich der Beklagte mit einer sofortigen Beschwerde zum OLG Hamm gewandt.

Oberlandesgericht gibt Beklagtem Recht

Das OLG gab nun dem Beklagten Recht: Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger aufzuerlegen. Denn der Beklagte hat dem Kläger durch sein Verhalten keine Veranlassung zu dessen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Dem Beklagten kann in diesem Zusammenhang insbesondere nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Abmahnung des Klägers nicht reagiert.

Dateianhang: erst nach Öffnen zugestellt

Denn das anwaltliche Abmahnschreiben vom 19.3.2020 ist dem Beklagten nicht zugegangen: Wird wie im vorliegenden Fall ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat. Denn im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, kann von dem Empfänger in einem solchen Fall nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen.

Eidesstattliche Versicherung überzeugte

Es sei fraglich, ob die in Rede stehenden E-Mails überhaupt im E-Mail-Postfach des Beklagten (dort möglicherweise im Spam-Ordner) eingegangen sind. Der Beklagte hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung jedenfalls glaubhaft gemacht, dass er von den beiden E-Mails des ihm zuvor nicht bekannten Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Kenntnis erlangt und dementsprechend auch den Dateianhang mit dem Abmahnschreiben nicht geöffnet hat.

Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 9.3.2022, 4 W 119/20

Kapitalanleger: Finanzverwaltung äußert sich zur Besteuerung von virtuellen Währungen

Virtuelle Währungen wachsen ständig. Das gilt für die Anzahl, das Volumen und die Zahl der Investoren. Daher wartete man auf ein Verwaltungsschreiben, das u. a. darlegt, in welchen Fällen Gewinne zu versteuern sind. Bereits im Juni 2021 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Entwurfsschreiben, das nun auf 24 Seiten finalisiert wurde.

Das Schreiben behandelt „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“. Auf den ersten Seiten werden beispielsweise Begriffe, wie Mining, Token und Blockchain definiert. Die folgenden Seiten setzen sich mit den ertragsteuerlichen Dimensionen (differenziert nach Privat- und Betriebsvermögen) auseinander.

Das BMF stellt u. a. heraus, dass Tätigkeiten im Zusammenhang mit Einheiten einer virtuellen Währung und mit sonstigen Token zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen) führen können.

Interessant sind insbesondere die Ausführungen unter der Rz. 53. Danach sind Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Daher können Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Beachten Sie: Gewinne bleiben allerdings einkommensteuerfrei, wenn die Summe der aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als 600 Euro beträgt.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. So ist z. B. beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Verfahren anhängig, in dem es um die Ausführungen der Finanzverwaltung unter der Rz. 53 geht.

Quelle: BMF-Schreiben vom 10.5.2022, IV C 1 – S 2256/19/10003 :001

Geänderte BFH-Rechtsprechung: Werden Sportvereine umsatzsteuerpflichtig?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine Rechtsprechung geändert: Bei einer aus dem deutschen Recht folgenden Umsatzsteuerpflicht können sich Sportvereine nicht auf eine aus der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) abgeleitete Steuerfreiheit berufen.

Das war geschehen

Ein Golfverein vereinnahmte u. a. allgemeine Mitgliedsbeiträge. Hierfür verlangte das Finanzamt (FA) keine Umsatzsteuer (nicht steuerbare Leistungen). Darüber hinaus erbrachte der Verein aber auch eine Reihe von Leistungen gegen gesondertes Entgelt: Berechtigung zur Platznutzung, leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagtraining mittels eines Ballautomaten, Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Verein Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte etc. Diese Leistungen behandelte das FA als umsatzsteuerbar und -pflichtig.

So sahen es Finanzamt und die gerichtlichen Instanzen

Die für den Veranstaltungsbereich mögliche Steuerfreiheit nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG) versagte das FA, da es den Verein nicht als gemeinnützig ansah. Es fehle an einer hinreichenden Vermögenszweckbindung für den Fall der Vereinsauflösung. Das Finanzgericht (FG) München sah das anders: Es ging wegen der bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass sich der Verein auf eine weiter gefasste Steuerfreiheit nach MwStSystRL (Art. 132 Abs. 1 Buchst. M) berufen könne.

In der Folge rief der BFH den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, der eine Berufung auf die Steuerfreiheit nach der MwStSystRL ablehnte. Dem hat sich der BFH nun angeschlossen.

Für die eigentlich unter das Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UstG) fallende Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Verein Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte, war keine Steuerbefreiung möglich. Denn für den EuGH setzt die Steuerfreiheit im Sportbereich voraus, dass das Vereinsvermögen im Auflösungsfall nur zweckgebunden verteilt werden kann, woran es hier fehlte.

Die Entscheidung des BFH betrifft unmittelbar nur Leistungen, die Sportvereine gegen gesonderte Vergütung erbringen. Aber: Nach der langjährigen Rechtsprechung sind Leistungen, die Sportvereine an ihre Mitglieder gegen allgemeine Mitgliedsbeiträge erbringen entgegen der gelebten Praxis der Finanzverwaltung weiterhin umsatzsteuerbar, sodass es durch die nunmehr versagte Steuerbefreiung zu einer Umsatzsteuerpflicht kommt.

Sportvereinen droht Umsatzsteuerpflicht

Sportvereine müssen jetzt, so der BFH, damit rechnen, dass die Rechtsprechung ihre Leistungen auch insoweit als steuerpflichtig ansieht, als sie derartige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sportliche Veranstaltung im Sinne des UStG (§ 4 Nr. 22 Buchst. b) handelt.

Beachten Sie | Die Problematik kann nach Ansicht des BFH nur der Gesetzgeber lösen, indem er die nach der Richtlinie bestehende Möglichkeit ergreift, Leistungen im Bereich des Sports weitergehend als bisher von der Umsatzsteuer zu befreien.

Kleinunternehmerregel als „Rettungsanker“

Ferner gibt es noch die Kleinunternehmerregel gemäß UstG (§ 19): Danach wird keine Umsatzsteuer erhoben, wenn der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird.

Quelle: BFH-Urteil vom 21.4.2022, V R 48/20

Außergewöhnliche Belastungen: Kosten für Rückentraining nicht absetzbar? Endgültige Entscheidung vertagt!

Aufwendungen für ein Ortho-Training, für nicht verschreibungspflichtige Medikamente und für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises sind laut dem Finanzgericht (FG) Münster nicht als außergewöhnliche Belastungen in der Einkommensteuererklärung absetzbar. Noch ist aber „nicht aller Tage Abend“. Denn der Bundesfinanzhof (BFH) muss sich dieser Frage bald in einer Nichtzulassungsbeschwerde eines Steuerzahlers annehmen.

Das FG Münster hatte in erster Instanz die Aufwendungen mangels entsprechender ärztlicher Verordnungen nicht anerkannt. Doch der Betroffene argumentierte wie folgt: Bei den Kosten für Medikamente handle es sich auch ohne Vorliegen entsprechender ärztlicher Verordnungen um ständig erforderliche Einkäufe, die nicht nur gelegentlich und damit zwangsläufig seien. Außerdem seien die Aufwendungen für das „Ortho-Training“ ebenfalls zwangsläufig. Dies ergebe sich aus dem vorgelegten fachärztlichen Gutachten sowie der amtsärztlichen Bescheinigung.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 17.1.2022, 9 K 1471/20 E

Einkommensteuer: Erstattungen für ein erweitertes Führungszeugnis sind kein Arbeitslohn

Erstattet ein kirchlicher Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Kosten für das Einholen eines erweiterten Führungszeugnisses, handelt es sich nicht um Arbeitslohn. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Münster liegt vielmehr steuerfreier Auslagenersatz im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 3 Nr. 50 EStG) vor. Gegen diese Entscheidung ist bereits die Revision anhängig.

Das Einholen der erweiterten Führungszeugnisse erfolgte im Streitfall vor dem Hintergrund eines überwiegend betrieblichen Interesses der Kläger (Arbeitgeberkreis des Generalvikariats des Bistums X-Stadt). Hierfür spricht bereits, so das FG Münster, dass sich die Regelungen der „Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen für die Diözese X-Stadt“ (PrävO) an die Kläger und nicht an die Beschäftigten richten.

Nach der PrävO (§ 5 Abs. 1) trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, sich im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen und nach den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen die insoweit anfallenden Kosten hierfür zu tragen. Die Kläger sind nicht in der Lage, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Soweit die Arbeitnehmer diese Aufwendungen zunächst selbst tragen, tun sie dies im unmittelbaren Interesse der Kläger.

Das FG berücksichtigte u. a. auch, dass die Arbeitnehmer kein bedeutsames eigenes Interesse am Einholen eines Führungszeugnisses hatten. Die mit der Kostenerstattung einhergehende „Bereicherung“ stufte es als sehr gering ein.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 23.3.2022, 7 K 2350/19 AO, Rev. BFH, VI R 10/22

Verkehrsunfall: Schnell zum Arzt bei Verletzung der Halswirbelsäule

Wer sich bei einem Verkehrsunfall verletzt, muss das auch aktenkundig machen. Die Klage eines Autofahrers gegen einen prominenten Fußballspieler vor dem Landgericht (LG) München I wegen eines Auffahrunfalls blieb aufgrund nicht mehr zu beweisender Verletzungen ganz überwiegend erfolglos, da sich der Patient nicht zeitnah zum Arzt begab.

Hintergrund: Der Kläger konnte seine behaupteten, unfallbedingten Verletzungen nicht beweisen. Bei einem Streitwert von rund 50.000 Euro hat das Gericht dem Kläger lediglich etwa 4.500 Euro für die Reparatur seines Pkw sowie ein Ersatzfahrzeug und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Verdienstausfall und Schmerzensgeld wegen einer vom Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörung seiner rechten Hand und einem sog. Schleudertrauma (HWS-Distorsion) erhielt er hingegen nicht.

Das war geschehen

Der Kläger hatte einen Spurwechsel mit seinem Maserati durchgeführt. Der Beklagte war im weiteren Verlauf mit seinem Mercedes aufgefahren. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden hier zum Tragen komme und somit der Beklagte dem Grunde nach für den Verkehrsunfall verantwortlich sei. Deshalb seien dem Kläger die Reparaturkosten, die Kosten für ein Ersatzfahrzeug und die Einschaltung eines Rechtsanwalts zuzusprechen.

Landgericht: Verletzungen nicht mehr beweissicher feststellbar

Dem Kläger stehe gegen den Beklagten jedoch weder ein Schmerzensgeldanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden, bzw. entgangenem Gewinn zu, da der Kläger den Eintritt unfallbedingter Verletzungen nicht habe beweisen können. Eine HWS-Distorsion beim Kläger sei nicht beweissicher feststellbar, ebenso wenig die vom Kläger geltend gemachten Sensibilitätsstörungen der rechten Hand. So komme zum einen das eingeholte biomechanisch und orthopädisch/unfallchirurgische Gutachten zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörungen der rechten Hand nicht dem streitgegenständlichen Unfall anzulasten seien. Sowohl aus biomechanischer als auch medizinischer Sicht sei nach dem Unfallhergang schon nicht eindeutig, dass der Kläger die unfallkausal geltend gemachten Beschwerden sicher erlitten habe.

Unverzüglicher Arztbesuch blieb aus

Zum anderen habe sich der Kläger nach eigener Einlassung erst ca. ein Monat nach dem Unfall in ärztliche Behandlung begeben, dies jedoch nicht wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule, sondern wegen der Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Hand. Hätte der Kläger entsprechende HWS-Distorsionsbeschwerden unfallbedingt erlitten, wäre zu erwarten gewesen, dass er sich unverzüglich zum Arzt begeben und dort die entsprechenden Symptome geschildert hätte, was nicht geschehen sei.

Dem Kläger stehe deshalb gegen den Beklagten mangels eindeutig unfallbedingter Verletzung weder ein Schmerzensgeldanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden/entgangenem Gewinn zu.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG München I, Urteil vom 11.3.2022, 19 O 16989/20, PM 8/2022 vom 18.3.2022

Verkehrsunfall: Urteil wegen fahrlässiger Tötung infolge von Textnachrichten am Steuer rechtskräftig

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die Verurteilung eines Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung bestätigt. Es hat zwar die ursprüngliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf ein Jahr und neun Monate herabgesetzt. Die Vollstreckung der Strafe wurde jedoch nicht, wie es der Angeklagte erstrebt hatte, zur Bewährung ausgesetzt. Die Verurteilung ist damit rechtskräftig.

Das war geschehen

Der Angeklagte befuhr eine Straße, bei der die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt war. Während er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr, las er auf seinem Mobiltelefon zwei Textnachrichten, schrieb eine sehr kurze Antwort und legte das Telefon anschließend in der Mittelkonsole ab. Infolgedessen hatte er nicht bemerkt, dass sich in einer langgezogenen Rechtskurve drei Personen auf Fahrrädern näherten: eine Mutter mit ihrer dreijährigen Tochter auf dem Fahrradkindersitz und die davor mit ihrem Kinderrad fahrende sechsjährige Tochter. Als er wieder aufschaute, bemerkte er die Familie zu spät. Er versuchte noch zu bremsen, kollidierte aber mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h oder mehr mit den Fahrradfahrern. Dabei wurden die Mutter getötet und die beiden Mädchen schwer verletzt.

Das Landgericht (LG) hat bei der Strafzumessung das umfassende Geständnis des Angeklagten, das auch den Kindern eine belastende Aussage in der Hauptverhandlung ersparte, und Schmerzensgeld von 10.000 Euro, für das der Angeklagte einen Kredit aufnahm, sowie mehrere Entschuldigungen des Angeklagten berücksichtigt. Außerdem hat es zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er zuvor weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich belastet war.

Erhebliche Sorg- und Verantwortungslosigkeit

Zu seinen Lasten hat es gewürdigt, dass der Angeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 15 km/h überschritt und während der Fahrt sein Mobiltelefon bediente. Vor allem das Verfassen der Textnachricht stelle eine massive Ablenkung vom Verkehrsgeschehen dar, sodass ihm insgesamt eine erhebliche Sorg- und Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen sei.

Verbreitete Einstellung: „Handyverbot“ wird nicht ernst genommen

Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam nicht in Betracht, da die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten sei. Insbesondere der vorsätzliche Verstoß gegen das Verbot, elektronische Geräte, wie Mobiltelefone, aufzunehmen und zu bedienen, stelle sich hier als besonders schwerwiegend dar. Der Angeklagte habe sich für einen belanglosen Austausch von Textnachrichten über dieses Verbot und die dadurch geschützten Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer ohne Bedenken hinweggesetzt. Die Tat sei dabei auch Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nehme und von vornherein auf die Aussetzung einer etwaigen Freiheitsstrafe zur Bewährung vertraue.

Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 8.3.2022, III-4 RVs 13/22, PM vom 8.3.2022