Wohnraummietverhältnis: Unerlaubte Untervermietung an Touristen: Fristlose Kündigung

Das Amtsgericht (AG) München verurteilte einen Mieter dazu, seine Wohnung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Grund: Er hatte seine Wohnung unerlaubt u. a. an Touristen weitervermietet.

Was war geschehen?

Der Beklagte war seit 2009 Mieter einer Dreizimmerwohnung in München-Pasing. Die monatliche Miete betrug 800 Euro. Im Vertrag war unter anderem geregelt: „Untervermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung der Mieträume oder Teilen davon an Dritte darf nur mit Einwilligung des Vermieters erfolgen.“ Noch im Jahr 2009 genehmigte der Vermieter die teilweise Untervermietung an eine Mitbewohnerin zur Gründung einer Wohngemeinschaft.

Im Frühjahr 2020 stellte die Klägerin fest, dass die Wohnung bzw. Teile davon über verschiedene Internetplattformen für 45 Euro pro Person und Nacht für Touristen angeboten wurden. Einer solchen gewerblichen Nutzung hatte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Sie mahnte den Mieter daraufhin schriftlich ab. Trotzdem vermietete der Beklagte im Winter 2020 erneut zwei Zimmer an Mitbewohner, ohne die Vermieterin zu informieren oder sich deren Erlaubnis einzuholen. Nachdem der Hausverwalter feststellte, dass sich am Klingelschild mehrere Namen befanden, kündigte die Vermieterin den Mietvertrag fristlos.

So verteidigte sich der Mieter

Der Mieter trug vor, er habe die Wohnung von Beginn an unter der Voraussetzung angemietet, dass die dort bereits vorhandene Wohngemeinschaft bestehen bleibe. Ihm stehe daher ein grundsätzliches Recht auf Untervermietung zu, ohne dass er dies im Einzelfall gegenüber der Vermieterin begründen oder von dieser genehmigen lassen müsse. Eine Vermietung per Internet an Touristen habe er nicht vorgenommen. Er habe auf den Internetseiten lediglich ein Nutzerkonto erstellt, um auf diesem Weg einen dauerhaften Mitbewohner zu finden. Er habe nur einmal einen festen Untermieter gesucht. Weder stamme der Text des Angebots von ihm noch könne er sich die dort abgegebenen Bewertungen erklären.

So sah es das Gericht

Das Gericht schenkte dem Beklagten keinen Glauben: Unstreitig zeigen die Lichtbilder des Angebotes (…) die Wohnung des Mieters. Auch ist die Adresse der Wohnung angegeben. Der Text, mit dem die Wohnung angeboten wurde, richtet sich nicht an potenzielle dauerhafte Untermieter, sondern an Touristen für die tageweise Anmietung. So wurden ausdrücklich die Nähe zu diversen Touristenattraktionen angepriesen wie auch die Sprachkenntnisse des Gastgebers sowie die Möglichkeit gemeinsamer Unternehmungen. Das Gericht war darüber hinaus auch davon überzeugt, dass Vermietungen an Touristen tatsächlich stattgefunden haben. Das Angebot war am 31.3.2020 mit 13 Kundenbewertungen versehen.

In dem bewussten Hinwegsetzen über den Willen und das Interesse der Vermieterin sah das Gericht eine erhebliche Rechtsverletzung, die zur fristlosen Kündigung berechtigte. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: AG München, Urteil vom 13.10.2021, 417 C 7060/21, PM 14/2022 vom 8.4.2022

Impfpflicht: Masernimpfung: Einzelimpfstoff aus der Schweiz reicht aus

Das Verwaltungsgericht (VG) Ansbach hat dem Eilantrag gegen eine Betretungsuntersagung von Kindertageseinrichtungen mangels Nachweises eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern jetzt stattgegeben.

Das war geschehen

Der dreijährige Antragsteller sollte von der Kinderkrippe in die Kindertageseinrichtung wechseln. Seine Eltern wiesen nach, dass er zweimal mit einem in der Schweiz, nicht aber in Deutschland zugelassenen Einzelimpfstoff gegen Masern geimpft worden war. In Deutschland gibt es nur Kombinationsimpfstoffe (z. B. gegen Masern, Mumps und Röteln). Das Gesundheitsamt untersagte dem Antragsteller den Wechsel bis zum Nachweis eines ausreichenden Masernimpfschutzes.

Das VG gab dem dagegen gerichteten Eilantrag statt: Der Antragsteller sei ausreichend gegen Masern geimpft. Das Infektionsschutzgesetz sieht keine Einschränkung auf nur in Deutschland zugelassene Impfstoffe vor.

Masern-Impfstoff: Keine Vorgaben wie bei Covid-19-Impfstoff

Im Gegensatz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht gegen Covid-19, die ausdrücklich die Zulassung des Impfstoffs durch die EU oder das EU-Ausland bei identischer Formulierung vorschreibt, hat der Gesetzgeber bei der Masern-Impfpflicht auf diese Einschränkung verzichtet. Der verwendete Impfstoff durfte von deutschen Apotheken importiert werden und stand damit deutschen Verwendern entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes „zur Verfügung“. Nicht ersichtlich sei, dass der Wirkstoff aus der Schweiz weniger sicher und wirksam sei als in Deutschland zugelassene Wirkstoffe.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) eingelegt werden.

Quelle: VG Ansbach, Beschluss vom 5.5.2022, AN 18 S 22.00535

Adoptionsverfahren: Gutes Verhältnis zu einem leiblichen Elternteil? Das kann einer Adoption entgegenstehen!

Ein Volljähriger kann als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Volljährigen ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits besteht, oder dies zu erwarten ist. Hat der Volljährige aber eine ungestörte, intakte Beziehung zu einem leiblichen Elternteil, können Zweifel am o. g. Eltern-Kind-Verhältnis berechtigt sein. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe nun entschieden.

Oberlandesgericht: Soziale Prägung zu leiblichen Eltern hat besondere Qualität

Das OLG betont, dass das natürliche Kindschaftsverhältnis zwar keine rechtliche Exklusivität für sich beanspruchen kann. Es entspräche jedoch grundsätzlich keiner Lebenserfahrung, dass derjenige, der auf der Grundlage seiner in der Kindheit erfahrenen sozialen Prägung weiterhin durch ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis mit seinen leiblichen Eltern verbunden ist, eine Beziehung von vergleichbarer Qualität zu entfernteren Verwandten oder gar zu familienfremden Personen aufzubauen vermag.

Beziehung zur leiblichen Mutter war intakt

Im vorliegenden Fall hatte das OLG solche Zweifel wegen der ungestörten und intakten Beziehung des Anzunehmenden zu seiner leiblichen Mutter, auch wenn das OLG betont, dass gute Beziehungen zu den leiblichen Eltern der Annahme eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Volljährigen nicht per se entgegenstehen. Sie sind aber geeignet, Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu begründen.

Beachten Sie: Die Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses kommt daher regelmäßig schon dann nicht in Betracht, wenn eine ungestörte intakte Beziehung des Anzunehmenden zu mindestens einem leiblichen Elternteil besteht, soweit nicht dieser Elternteil Lebensgefährte oder Lebensgefährtin des Annehmenden ist.

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.5.2022, 18 UF 60/21

Pflegeheim: Kein Einfluss pandemiebedingter Beschränkungen auf das Heimentgelt

Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung müssen trotz Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie das volle Heimentgelt zahlen. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden.

Die Klägerin schuldete der Beklagten ein Zimmer sowie Pflege- und Betreuungsleistungen nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz in Verbindung mit dem Pflegevertrag. Diese Kernleistungen konnte sie trotz der angeordneten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen voll erbringen. Eine Entgeltkürzung wegen Nicht- oder Schlechtleistung scheidet daher aus.

Das Heimentgelt war auch nicht wegen Störung der Geschäftsgrundlage herabzusetzen. Durch die Beschränkungen hat sich die Geschäftsgrundlage des Pflegevertrags nicht schwerwiegend geändert. Diese Beschränkungen dienten primär dem Gesundheitsschutz der (vulnerablen) Heimbewohner und der Mitarbeiter, ohne den Vertragszweck infrage zu stellen.

Die Schlussfolgerung des BGH: Der Beklagten war es zuzumuten, am unveränderten Vertrag festzuhalten. Er wies darauf hin, dass der Lockdown das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben erfasste, also auch Nichtheimbewohner.

Quelle: BGH, Urteil vom 28.4.2022, III ZR 240/21, PM 78/2022 vom 1.6.2022

Pflichtteilsstrafklausel: Korrektur eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen, bedeutet nicht, den Pflichtteil zu fordern

Setzen sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden ein, wird häufig eine sog. Pflichtteilsstrafklausel vereinbart. Danach verliert ein Schlusserbe seinen Erbanspruch nach dem Längstlebenden, wenn er schon nach dem Tod des Erstverstobenen seinen Pflichtteil fordert. Er erhält dann auch nach dem Tod des Längstlebenden nur seinen Pflichtteil. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat nun entschieden: Eine solche Pflichtteilsstrafklausel ist nicht bereits erfüllt, wenn der Schlusserbe nach dem Tod des Erstversterbenden eine Korrektur des ihm vorgelegten Nachlassverzeichnisses fordert.

Das war geschehen

Die Erblasserin war Witwe. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, von denen eines vorverstorben war und seinerseits zwei Kinder hinterließ. Einige Jahre vor dem Tod des erstverstorbenen Ehemanns errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und ihre Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge, zu Schlusserben des Längstlebenden beriefen.

„Berliner Testament“

Für den Fall, dass einer der Schlusserben nach dem Tod des Erstverstorbenen seinen Pflichtteil fordert, bestimmten die Eheleute, dass er dann auch nach dem Längstlebenden nur seinen Pflichtteil erhalten solle (sog. Pflichtteilsstrafklausel). Nach dem Tod des Ehemanns forderte die Schlusserbin die Erblasserin auf, ihr ein Nachlassverzeichnis vorzulegen und verlangte nach dessen Zusendung eine Nachbesserung sowie die Vorlage eines Wertgutachtens betreffend einer in den Nachlass fallenden Immobilie. Zu einer Auszahlung oder einer gerichtlichen Geltendmachung des Pflichtteils kam es nicht.

Als auch die Erblasserin gestorben war, beantragte die Antragstellerin als eine der Schlusserben einen gemeinschaftlichen Erbschein auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute. Sie berücksichtigte dabei allerdings nicht die Schlusserbin, da diese ihren Erbanteil verwirkt habe. Das Nachlassgericht kündigte mit dem angefochtenen Beschluss den Erlass des beantragten Erbscheins an. Hiergegen legte die Schlusserbin Beschwerde mit dem Argument ein, sie habe nicht ihren Pflichtteil nach dem Tod des Erstverstobenen von der jetzigen Erblasserin gefordert.

Pflichtteilsstrafklausel war hier nicht erfüllt

Das OLG gab ihr Recht. Die Pflichtteilsstrafklausel sei nicht erfüllt. Auch wenn das Einfordern des Nachlassverzeichnisses und die hieran geübte Kritik zu einer Belastung der überlebenden Ehegattin geführt habe, sei darin allein noch kein Fordern des Pflichtteils zu sehen. Dies sei zunächst nur das Verlangen einer Auskunft über den Wert des Nachlasses. Auf eine solche Auskunft sei der Pflichtteilsberechtigte angewiesen, um eine für ihn sinnvolle Entscheidung treffen zu können. Eheleute, die bereits den überlebenden Ehegatten vor einem Auskunftsverlangen der Schlusserben schützen wollten, müssten dies im Rahmen der testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel deutlich zum Ausdruck bringen.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 1.2.2022, 21 W 182/21, PM 26/2022 vom 28.3.2022

Straßenbauarbeiten: Ausfahrt aus Tiefgarage endet in Baugrube: Bauunternehmen haftet für den Fahrzeugschaden

Wer Straßenbauarbeiten ausführt, muss dafür sorgen, dass Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Er muss deutlich vor den Gefahren warnen. Wird im Bereich einer Tiefgarage ein Leitungsgraben ausgehoben, müssen besondere Vorkehrungen gerade für die Autofahrer getroffen werden, die aus der Tiefgarage ausfahren wollen. Es genügt dabei nicht, die Hausverwaltung von den Arbeiten zu unterrichten und irgendwo auf der Straße Warnschilder aufzustellen. Das hat jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal verdeutlicht.

Ein Bauunternehmen hatte im Rahmen von Straßenbauarbeiten vor einem Wohnhaus einen Graben zwischen Bürgersteig und Straße ausgehoben. Normalerweise war dieser im Bereich der Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage mit Stahlplatten abgedeckt, über die man den Graben gefahrlos überfahren konnte. An einem Tag im Februar 2021 jedoch hatten Arbeiter die Stahlplatten anlässlich von im Graben stattfindenden Arbeiten entfernt. Eine Bewohnerin bemerkte dies nicht, als sie mit ihrem Pkw aus der Tiefgarage herausfuhr, und landete mit den Vorderrädern ihres Pkw in dem Graben. Am Fahrzeug entstand ein Schaden in Höhe von rund 6.000 Euro, den sie von der Baufirma ersetzt verlangte.

Das LG gab der Pkw-Fahrerin Recht. Es verurteilte die Baufirma dazu, den Schaden zu ersetzen. Deren Arbeiter hätten die Pflicht zur umfassenden Sicherung der Baustelle verletzt, als sie die Stahlplatten entfernten, ohne eine anderweitige Absicherung vorzunehmen. Der Graben sei für die aus der Tiefgarage hochfahrende Frau nicht sichtbar gewesen. Zwar habe sie als Anwohnerin von den Bauarbeiten gewusst und sei auch durch die Hausverwaltung über die Arbeiten informiert worden. Doch sei es nicht ihre Sache gewesen, sich zu vergewissern, dass sie wie bisher ja auch gefahrlos aus der Tiefgarage herausfahren könne. Vielmehr sei es Sache des Bauunternehmens gewesen, deutlich auf die Gefahr durch den geöffneten Graben hinzuweisen, der noch keine Fahrzeuglänge von der Ausfahrt entfernt gewesen sei. Die üblichen Warnschilder an der Baustelle reichten insoweit nicht aus. In der Verhandlung hatte sich das Bauunternehmen noch damit verteidigt, dass ein Mitarbeiter vor der Garagenausfahrt positioniert worden sei, um die Ausfahrenden zu warnen. Dieser hatte jedoch nach den Feststellungen des LG kurz vor dem Unfall seinen Posten verlassen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann Berufung beim Pfälzischen Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken eingelegt werden.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 25.3.2022, 9 O 32/21, PM vom 29.4.2022

Bestandsschutz: Wenn alte Baugenehmigungen nicht auffindbar sind

Zulassungspapiere sind bei Bauwerken wichtig, vor allem beim Bauen im Bestand. Aber was passiert, wenn alte Baugenehmigungen nicht auffindbar sind? Dann hat der Bauherr ein Problem. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen sagt jetzt: Für das Vorliegen einer Baugenehmigung ist darlegungs- und beweispflichtig, wer sich gegenüber einer Nutzungsuntersagung darauf beruft, diese Nutzung sei genehmigt und deshalb formell baurechtmäßig.

Das gelte auch für einen behaupteten Bestandsschutz. Beim Bauen im Bestand ist es deshalb wichtig, sich schon in der Leistungsphase 1 alte Baugenehmigungen vorlegen zu lassen. Die Genehmigungsbehörden, die in der Vergangenheit Baugenehmigungen von Amts wegen dauerhaft aufbewahren mussten, sind seit Kurzem in einigen Bundesländern nicht mehr dazu verpflichtet. Ohne Klärung des Bestandsschutzes drohen Honorarverluste.

Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9.2.2022, 2 B 1964/21

Bebauungsplan: Wegfall der Wohnruhe kann hinzunehmen sein

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat klargestellt: Bei der Bestimmung der Eigenart eines durch Bebauungsplan festgesetzten Gebiets sind die bei der Planung vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse zwar als Kontext der Planung zu berücksichtigen. Zielt der planerische Wille aber gerade auf Veränderung der bisherigen städtebaulichen Situation ab, gebührt ihm bei der Bestimmung der Eigenart des Baugebiets der Vorrang. Diese etwas abstrakt klingende Vorgabe des Gerichts hatte für einen Antragsteller konkrete Folgen. Sie bedeutete, dass er sich gegen den Wegfall der völligen Wohnruhe durch neue Bebauung nicht wehren konnte.

Der Antragsteller hatte sich gegen eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung für zwei Mehrfamilienhäuser gewandt, da diese sein benachbartes Wohngrundstück unzumutbar beeinträchtigten. Die Stadt hatte den Bebauungsplan geändert und die rückwärtige Baugrenze, die Vorgabe zur Geschossigkeit und die Geschossflächenzahl aufgehoben. Offene Bauweise und Grundflächenzahl blieben bestehen. Neu festgesetzt wurde eine höhere Gebäudehöhe. Ziel der Planung war eine Nachverdichtung bereits bebauter Wohngrundstücke, um dem Leitbild des Vorrangs der Innenentwicklung Rechnung zu tragen.

Dem Nachbarn wurde im vereinfachten Verfahren die Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern auf dem Vorhabengrundstück erteilt. Insgesamt zwölf Stellplätze sollten entstehen. Die Zufahrt zu einigen dieser Stellplätze war entlang der östlichen, dem Antragstellergrundstück zugewandten Grundstücksgrenze vorgesehen. Das wollte der Antragsteller nicht hinnehmen.

Das OVG: Die Anordnung der Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück verletzt nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Zwar können solche Vorhaben unzulässig sein, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets in diesem selbst oder in seiner Umgebung unzumutbar sind. Hierbei sei insbesondere die örtliche Situation zu betrachten, in die ein Gebiet „hineingeplant“ worden ist. Wichtig sei auch der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist. Dabei sind die bei der Planung vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse zwar als „Kontext“ der Planung zu berücksichtigen. Zielt der in den Planfestsetzungen zum Ausdruck gekommene planerische Wille wie hier aber gerade auf Veränderung der bisherigen städtebaulichen Situation ab, gebührt ihm bei der Bestimmung der Eigenart des Baugebiets der Vorrang. Einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme erkannte das Gericht unter Berücksichtigung dieser Vorgaben daher hier nicht.

Quelle: OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.2.2022, 1 ME 186/21

Beamtenbezüge: Zu viel gezahlte Dienstbezüge müssen zurückgezahlt werden

Erhält ein Beamter nach einem Dienstherrenwechsel vom ehemaligen Dienstherren weiter Dienstbezüge ausgezahlt, sind diese zurückzuzahlen. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und wies die Klage eines Beamten ab, der die Beträge behalten wollte.

Das war geschehen

Der Kläger, ein Professor, folgte im Jahr 2020 dem Ruf einer Universität außerhalb von Rheinland-Pfalz und wurde dort mit Wirkung zum 1.9.2020 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor ernannt. Gleichwohl zahlte das Land Rheinland-Pfalz dem Kläger für September noch Bezüge in Höhe von rund 5.000 Euro netto aus.

Gegen den sodann ergangenen Rückforderungsbescheid erhob der Kläger erfolglos Widerspruch. Im sich anschließenden Klageverfahren brachte er vor, er habe seinen damaligen Dienstherren bereits im Juni 2020 über seinen Wechsel an die neue Universität informiert. Darüber hinaus sei er nicht verpflichtet gewesen, seinen Kontoauszug auf Zahlungen des Beklagten zu prüfen, da er mit einer weiteren Auszahlung von Dienstbezügen durch diesen nicht habe rechnen müssen. Schließlich habe der Beklagte die Überzahlung ausschließlich selbst zu verantworten, sodass aus Billigkeitsgründen jedenfalls teilweise von der Rückforderung abzusehen sei.

Verwaltungsgericht: Bezüge ohne rechtlichen Grund

Dem folgte das VG Koblenz nicht. Es wies die Klage ab. Es führte aus, dem Kläger seien Bezüge ohne rechtlichen Grund gezahlt worden. Diese seien grundsätzlich nach den entsprechenden Rechtsvorschriften zurückzuzahlen. Der Kläger könne nicht mit Erfolg einwenden, dass er „entreichert“ sei, weil er die Bezüge bereits verbraucht habe. Dies sei bei einer Überzahlung nur anzunehmen, wenn der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht habe. Zwar könne bei relativ geringen Beträgen monatlicher Überzahlungen über einen langen Zeitraum angenommen werden, dass die zu viel gezahlten Bezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht worden seien. Um einen solchen Fall handle es sich hier aber nicht. Dem Kläger sei vielmehr lediglich einmalig ein mehr als nur geringfügiger Betrag (ein vollständiges Nettogehalt nebst Berufungs- und Bleibeleistungsbezug) ausgezahlt worden. In Anbetracht dessen hätte es dem Kläger oblegen, darzulegen und zu beweisen, dass er den ihm überwiesenen Betrag bereits restlos verbraucht habe.

Überdies sei dem Kläger eine Berufung auf den Entreicherungseinwand verwehrt, da er der verschärften Haftung unterliege. Denn der Mangel des rechtlichen Grundes sei so offensichtlich, dass der Kläger ihn hätte erkennen müssen. Es gehöre aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht zu den Sorgfaltspflichten des Klägers, bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich erst recht im Falle des Dienstherrenwechsels auf Überzahlungen zu achten. Die vorliegende Überzahlung hätte dem Kläger aufgrund der Gesamtumstände auffallen müssen. Anlass für einen Teilerlass der Rückforderungssumme aus Billigkeitsgründen habe nicht bestanden. Der Beklagte habe zeitnah die Überzahlung erkannt und den Kläger zur Rückzahlung aufgefordert.

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zu.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 22.2.2022, 5 K 1066/21.KO, PM 8/2022

Gleichstellungsgesetz: Entschädigung wegen Transsexualität? – Ende offen!

In einem laufenden Güteverfahren vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf wurde über die Forderung einer transsexuellen Klägerin nach Entschädigung verhandelt. Ein interessanter Fall, bei dem sich Kundenwünsche und das Recht auf sexuelle Identität gegenüberstanden.

Die transsexuelle Klägerin hatte sich bei einem Wohn- und Pflegezentrum als Pflegerin beworben. Sie erhielt nach einem Bewerbungsgespräch und einem Probearbeiten eine Absage. Diese wurde mit den Rückmeldungen einiger Bewohner begründet, die sich aufgrund der „Neigung“ der Klägerin nicht von ihr pflegen lassen wollten. Die Klägerin sah sich wegen ihrer sexuellen Identität benachteiligt. Sie verlangt eine Entschädigung wegen der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (hier: § 15 Abs. 2 AGG) von etwa vier Gehältern, stellt die Höhe aber in das Ermessen des Gerichts.

Vor dem AG Düsseldorf trug der Rechtsanwalt der Beklagten vor, dass diese die Klägerin nicht habe benachteiligen wollen. Sie sei aber verpflichtet, die Wünsche ihrer Kunden zu berücksichtigen. Folge: Die Absage sei gerechtfertigt gewesen. Eine Entschädigung sei deshalb nicht geschuldet.

Die Beklagte bot aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Entschädigung an. Die Parteien kamen überein, eine außergerichtliche Einigung zu herbeiführen zu wollen. Ein neuer Gerichtstermin wurde noch nicht bestimmt.

Quelle: AG Düsseldorf, Urteil vom 25.2.2022, 3 Ca 600/22