Altfahrzeug-Umweltprämie: „Ein Fahrzeug muss ein Fahrzeug sein“

Ein Fahrzeughersteller lobte eine „Umweltprämie“ aus, die er selbst gewährte und die nichts mit staatlichen Umweltprämien zu tun hatte. Voraussetzung: Im Gegenzug zum Kauf eines Neufahrzeugs musste ein Käufer sein ihm gehörendes Altfahrzeug zur Entsorgung abliefern. Weitere Voraussetzung: Es musste sich bei dem Altfahrzeug um ein „noch rollfähiges Kraftfahrzeug“ handeln. Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg musste sich mit einem vermeintlich besonders „cleveren“ Käufer beschäftigen.

Dieser Käufer des Neufahrzeugs brachte nämlich eine weitestgehend ausgeschlachtete Karosserie mit Türen zum Hersteller. An diesem Torso waren Schwerlastrollen montiert. Das entspreche nicht den Voraussetzungen, die der Hersteller definiert hatte, so das OLG. Ein Motorschaden sei danach kein Hindernis für die Prämie, ein Fahrzeugtorso aber schon. Denn das vom Käufer angebotene Altfahrzeug genügte bereits auf den ersten Blick nicht einmal ansatzweise den Anforderungen an ein Fahrzeug. Dessen Motivation bestand überdies darin, möglichst viele Fahrzeugbestandteile als Ersatzteile für andere Fahrzeuge zu verwerten, insbesondere auch den Motor, was dem Sinn und Zweck einer Umweltprämie zuwiderlaufe.

Quelle: OLG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2021, 13 U 236/21

Verkehrsunfall: Keine taggenaue Berechnung von Schmerzensgeld

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Maßgebend für die Höhe von Schmerzensgeld sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden und dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. In erster Linie sind Höhe und Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt.

Das war geschehen

Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Über zwei Jahre verbrachte er im Rahmen von 13 stationären Aufenthalten insgesamt 500 Tage im Krankenhaus; u.a. musste der rechte Unterschenkel amputiert werden. Der Kläger ist seither zu mindestens 60 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Die Einstandspflicht der Beklagten (Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw) stand außer Streit.

Das Landgericht (LG) hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zugesprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht (OLG) die Beklagten zu einem Schmerzensgeld von 200.000 Euro verurteilt.

Keine rechnerische Lösung

Das OLG hatte das Schmerzensgeld nach der Methode der sog. „taggenauen Berechnung“ ermittelt. Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach der Entscheidung des BGH gilt: Die „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgelds ist abzulehnen. Die schematische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normalstation eines Krankenhauses verbracht hat und die er nach seiner Lebenserwartung mit der dauerhaften Einschränkung voraussichtlich noch wird leben müssen, lässt wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht. So bleibt unbeachtet, welche Verletzungen der Kläger erlitten hat, wie die Verletzungen behandelt wurden und welches individuelle Leid bei ihm ausgelöst wurde. Gleiches gilt für die Einschränkungen in seiner zukünftigen individuellen Lebensführung. Auch die Anknüpfung an die statistische Größe des durchschnittlichen Einkommens trägt der notwendigen Orientierung an der gerade individuell zu ermittelnden Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten nicht hinreichend Rechnung. Das OLG muss daher erneut über die Höhe des Schmerzensgelds befinden.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.2.2022, VI ZR 937/20, PM 20/22

Sicherheitskontrolle: Entschädigung bei verpasstem Flug

Verpasst ein Fluggast infolge überlanger Wartezeit an der Sicherheitskontrolle des Flughafens seinen Flug, kann er Entschädigung für entstandene Kosten des Ersatzflugs verlangen. Voraussetzung: Er hat sich gemäß den Empfehlungen des Flughafens rechtzeitig beim Check-In eingefunden und von dort ohne erhebliche Verzögerungen die Sicherheitskontrolle aufgesucht. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Das war geschehen

Die Fluggäste nahmen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadenersatz wegen eines verpassten Flugs in Anspruch. Die Beklagte organisiert die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen. Die Fluggäste wollten von dort in die Dominikanische Republik fliegen. Die Abflugzeit war 11.50 Uhr, das Boarding begann 10.50 Uhr; das Gate schloss um 11.30 Uhr. Die Fluggäste passierten die Sicherheitskontrolle zu spät; das Boarding war bereits abgeschlossen, als sie den Flugsteig erreichten. Sie verlangen nun Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung und behaupten, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen.

Keine Amtspflichten verletzt trotzdem Schadenersatz zu zahlen

Das Landgericht (LG) hatte die Beklagte zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Beklagte habe zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt, führte das OLG aus.

Den Fluggästen stehe aber ein Schadenersatzanspruch über die Grundsätze der Aufopferung bzw. wegen enteignenden Eingriffs zu. Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsposition des Eigentümers einwirke und zu einem Sonderopfer führe, das die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite, könne ein solcher Anspruch entstehen. Hier habe die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Fluggäste ihren Flug verpasst haben. Sie müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen. „Ein Fluggast muss sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern darf sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten“, betonte das OLG.

Die Fluggäste seien hier rechtzeitig erschienen. Gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge sollten sie sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden. Sie hätten unstreitig den Check-In bereits um 9.00 Uhr absolviert. Von dort hätten sie sich nach Bekanntgabe des Gates zur Sicherheitskontrolle begeben und in die dortige Warteschlange spätestens um 10:00 Uhr eingereiht. Auch dies sei rechtzeitig gewesen. Bis zum Ende der Boardingzeit verblieben um 10:00 Uhr noch 90 Minuten. Es gebe keine dem OLG bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht hinreiche.

Fluggäste haben nichts falsch gemacht

Den Fluggästen könne auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nach dem Check-In zu lange verweilt hätten. Der Fußweg sei in ca. 15 Minuten zu bewältigen gewesen. Der Flugsteig sei auf den Bordkarten nicht aufgedruckt gewesen und um 9.00 Uhr noch nicht auf den Anzeigetafeln bekannt gegeben worden. Ein erhebliches „Vertrödeln“ der verbliebenen Zeit nach dem Check-In sei nicht feststellbar. Zwar hätten die Fluggäste noch in einem Bistro Café Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es sei aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit beansprucht habe. Jedenfalls könne der Zeitraum, „soweit er für die Erledigung menschlicher Bedürfnisse benötigt wurde, (…) nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden“, resümierte das OLG. Es sei festzustellen, dass sie sich spätestens um 10:00 Uhr in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle angestellt hätten und damit 90 Minuten vor dem Abflug.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.1.2022, 1 U 220/20, PM 12/22 vom 3.2.2022

Energie-Grundversorgung: Zahlungsaufschub oder Zahlungsverweigerung

Einwände, die der Kunde gegen Rechnungen des Grundversorgers erhebt, berechtigen ihn nur zum Zahlungsaufschub oder gar zur Zahlungsverweigerung, wenn die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ besteht. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig entschieden.

Die Kunden haben allerdings die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum. Bestreitet der Kunde in diesem Sinne die Stromrechnung, obliegt es dem Versorger, die tatsächlichen Grundlagen der beanspruchten Forderung zu beweisen, insbesondere die Richtigkeit der Verbrauchsmenge.

Quelle: OLG Schleswig, Urteil vom 29.9.2021, 9 U 11/21

Sozialversicherung: Amateur-Fußballer sind abhängig beschäftigt

Zahlt ein Amateur-Fußball-Verein eine monatlichen „Garantiesumme“ von 800 Euro an einen Fußballspieler im Amateurbereich, spricht dies nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Der Fußballverein musste daher Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung nachentrichten (rund 4.000 Euro). Das LSG: Da es sich um eine vorsätzliche Beitragsvorenthaltung handelte, war zudem die 30-jährige Verjährungsfrist maßgeblich. Der Spieler hatte Glück: Das gegen ihn eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde gegen Geldauflage in Höhe von 175 Euro eingestellt.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.7.2021, L 2 BA 26/21

Schadenersatz: Bahnunternehmen haften bei Vollbremsung eines Zuges

Das Landgericht (LG) Koblenz hat jetzt entschieden, dass die Bahn haftet, wenn ein Fahrgast in einem ihrer Partywagen nach einer Vollbremsung stürzt.

Sturz beim Tanzen

Die Klägerin befand sich nach ihren Angaben gerade auf der Tanzfläche eines Sonderzugs samt Partywagen, als dieser plötzlich zwangsgebremst wurde. Stürzende Mitreisende hätten sie dann zu Boden gerissen. Folge: ein Innenbandanriss im Knie. Sie verlangte von dem Bahnunternehmen, das den Sonderzug betreibt, und dem Bahnunternehmen, das das Schienennetz betreibt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro und die Erstattung ihr entstandener Kosten.

Darum haftet „die Bahn“

Das LG hat die beklagten Bahnunternehmen als Gesamtschuldner verurteilt, ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro an die Klägerin zu bezahlen und die ihr entstandenen Kosten zu erstatten. Der Sturz aufgrund der Vollbremsung stelle einen sog. Bahn-Betriebsunfall dar. Die Klägerin kann sich also aussuchen, welches Bahnunternehmen zahlt.

Warum eine Zwangsbremsung ausgelöst worden sei, sei unerheblich. Diese Frage betreffe ausschließlich die interne Haftungsverteilung zwischen den beiden Bahnunternehmen.

Kein Mitverschulden der Reisenden

Die Klägerin treffe auch kein Mitverschulden. Wer sich auf der Tanzfläche eines Partyzugs aufhält, kann sich nicht festhalten. Es waren zudem auch keine Haltemöglichkeiten vorhanden. Auch Alkoholkonsum mindere den Anspruch nicht, denn er war für den Sturz nicht ursächlich. Auch „höhere Gewalt“ hat nicht vorgelegen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 20.1.2022, 3 O 325/20, PM 2/2022 vom 10.02.2022

Nachbarschaftsstreit: Drohung unter Einfluss von Cannabis: Gewaltschutzantrag erfolgreich

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main Familiengericht hat ein sechsmonatiges Annäherungsverbot nach Drohung eines Nachbarn anlässlich eines vorangegangen Streits wegen Cannabiskonsum ausgesprochen. Die Entscheidung kann in ähnlich gelagerten Fällen hilfreich sein.

Das war geschehen

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Antragsteller, der in seiner Wohnung Cannabis-Geruch wahrgenommen hatte, auf den Balkon ging, um wie schon in der Vergangenheit das Gespräch mit dem benachbarten Antragsgegner zu suchen. Nachdem dieser alles abstritt, und der Antragsteller ankündigte, alles Weitere über den Vermieter klären zu wollen, erwiderte der Antragsgegner: „Dann komm rüber und wir klären das wie Männer“. Als der Antragsteller wiederum ankündigte, die Polizei zu rufen, äußerte der Antragsgegner: „Wenn du das machst, dann hole ich fünf Jungs, die machen dich weg.“ Die hinzugerufene Polizei stellte in der Wohnung des Antragsgegners Cannabisgeruch fest und fand sog. Longpapers und eine Feinwaage vor.

Amtsgericht: Drohungen sind ernst zu nehmen

Das AG wertete die vom Antragsgegner getätigten Äußerungen als ernstlich gemeinte Drohung und nicht als bloßes Aufspielen im Rahmen eines Nachbarschaftsstreits. Der Antragsteller habe unter Beachtung der konkreten Umstände damit rechnen müssen, dass der Antragsgegner ihm gemeinsam mit anderen Männern auflauern und ihn verprügeln würde. In der Folge sei zu vermuten, dass weitere Beeinträchtigungen zu befürchten seien, weshalb ein Annährungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz auszusprechen war.

Der Anordnung stünde dabei nicht entgegen, dass der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Äußerung berauscht gewesen sein könnte. Weder stünde eine deliktsrechtlich eingeschränkte Verantwortlichkeit des Antragsgegners der Gewaltschutzanordnung von Rechts wegen entgegen, noch habe das Gericht im konkreten Fall eine solche positiv feststellen können.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: AG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.8.2021, 456 F 5146/21 EAGS, PM 1/22 vom 28.1.2022

Energie-Grundversorgung: Gesplittete Tarife für Neukunden zulässig

Ein Energieversorgungsunternehmen kann in seiner Preisgestaltung bei der Grund- und Ersatzversorgung im Sinne des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) zwischen Alt- und Neukunden unterscheiden. Das hat das Oberlandesgerichts (OLG) Köln entschieden und damit einen vorangegangenen Beschluss des Landgerichts (LG) Köln bestätigt.

Der klagende Verbraucherverband hatte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Antragsgegnerin, ein Energieversorgungsunternehmen, das die Grundversorgung von Haushaltskunden in bestimmten Gebieten u.a. in Köln vornimmt, wegen Unterlassung in Anspruch genommen. Die Vorgehensweise des Unternehmens, Haushaltskunden zu unterschiedlichen Preisen zu beliefern und für die Unterscheidung allein auf das Datum des Vertragsschlusses abzustellen, stelle einen Verstoß gegen die Vorschriften des EnWG dar. Das LG Köln hatte einen solchen Unterlassungsanspruch abgelehnt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Dieser Auffassung hat sich das OLG angeschlossen. Begründung: Ein Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in dem es die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt, ist zwar verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Preise öffentlich bekannt zu geben und jeden Haushaltskunden zu diesen Bedingungen und Preisen zu beliefern. Allerdings begründe dies keine Pflicht zur Belieferung sämtlicher Kunden zu gleichen Preisen. Vielmehr sei der im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (§ 36 Abs. 1 S. 1 EnWG) normierte Grundsatz der Preisgleichheit dahingehend zu verstehen, dass die Lieferung der Energie zu den Allgemeinen Preisen, die veröffentlicht wurden, und nicht ohne Bezug dazu angeboten wird. Zwar würden damit im Ergebnis die Kunden benachteiligt, die zu einem späteren Zeitpunkt die Grundversorgung in Anspruch nehmen und dafür höhere Preise zahlen müssten. Allerdings erfolge diese Benachteiligung aus einem sachlichen Grund. Denn alternativ müssten die Kunden, die bereits (ggf. aus wirtschaftlicher Not) die Grundversorgung in Anspruch nehmen, erhöhte Preise bezahlen. Ein anderes Verständnis der genannten Norm so wie von dem antragstellenden Verbraucherverband vertreten führe darüber hinaus zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Versorgungsunternehmens.

Quelle: OLG Köln, Beschluss vom 2.3.2022, 6 W 10/22, PM vom 8.3.2022

Trotz Krankheit und Pandemie: Zimmer in Studentenwohnheim kann nicht vorzeitig gekündigt werden

Den Mietvertrag über ein Zimmer im Studentenwohnheim kann der Mieter nicht vorzeitig kündigen; weder wegen eines krankheitsbedingten Abbruchs des Studiums, noch wegen einem pandemiebedingten Wegfall von Präsenzveranstaltungen an der Hochschule. Das hat das Amtsgericht (AG) Kehl jetzt entschieden.

Eine Vermieter-GbR stellte in einem Haus möblierte Zimmer zur Verfügung. Sie vermietete befristet ausschließlich an Studenten einer in der Stadt ansässigen Fachhochschule. Im Gesellschaftervertrag der GbR war eine entsprechende Verpflichtung geregelt. Die Mietverhältnisse passte sie dem Semesterbeginn und -ende an. Einzugstermine bot sie immer nur zum 1.3. oder 1.9. eines Jahres an. Die GbR vergab die Wohnungen nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

Ein studentischer Mieter erkrankte während der Mietzeit psychisch und konnte das Studium nicht mehr fortsetzen. Er kündigte den Vertrag ordentlich und stellte nach Ablauf der von ihm errechneten Kündigungsfrist die Mietzahlungen ein.

Das AG verurteilte den Studenten, die offenstehende Miete zu zahlen. Die ordentliche Kündigung sei ausgeschlossen. Es handle sich um ein Studentenwohnheim und der Mieter sei daher an die vereinbarte Mietzeit gebunden. Aufgrund der Aufteilung des Hauses sei das Gebäude auf ein gemeinschaftliches Wohnen zugeschnitten, weshalb ein objektiver Betrachter das Gebäude als Wohnheim ansehe.

Quelle: AG Kehl, Urteil vom 4.1.2022, 4 C 158/21

Unbefugte WEG-Einberufung: Widerruf per einstweiligem Rechtsschutz möglich

Einzelne Wohnungseigentümer sind nicht zur Einberufung von Eigentümerversammlungen befugt. Tun sie dies trotzdem, können sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zum Widerruf der Einberufung verpflichtet werden. So sieht es das Amtsgericht (AG) Tettnang.

Wohnungseigentümer stritten um die Durchführung einer Eigentümerversammlung. Eine solche wurde von mehreren Eigentümern einberufen, die sich als „Organisationsteam“ bezeichneten. Ein Miteigentümer beantragte dagegen einstweiligen Rechtsschutz. Der gegen die Mitglieder des „Organisationsteams“ gerichtete Antrag hatte Erfolg. Denn grundsätzlich muss der Verwalter die Eigentümerversammlung einberufen. Einem einzelnen Eigentümer kommt diese Befugnis auch nach neuem Recht nicht ohne Weiteres zu. Dies ist nur aufgrund eines Beschlusses möglich, wenn der Verwalter die Einberufung pflichtwidrig verweigert.

Da die Beschlüsse, die auf einer durch Nichtbefugte einberufenen Eigentümerversammlung gefasst werden, anfechtbar sind, kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, ihre Durchführung zu unterlassen. Aufgrund der Kürze der Zeit zwischen Einberufung und Durchführung der Versammlung kann dies auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt werden, obwohl dort die Hauptsache vorweggenommen wird. Denn die Gefahr, dass vorläufig wirksame Beschlüsse gefasst werden, die nur im Anfechtungsverfahren beseitigt werden können, rechtfertigt ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache.

Quelle: AG Tettnang, Urteil vom 9.2.2021, 8 C 95/21