Schadenersatz: Bauunternehmer und Planer können auch gemeinsam haften

Wird ein Mangel an einem Werk durch einen Planungsfehler des vom Auftraggeber beauftragten Planers (hier: Statiker) und unabhängig davon durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers verursacht, wobei beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten, liegt ein Fall der sog. Doppelkausalität vor. Planer und Bauunternehmer haften dann dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden.

Das bedeutet: Der Auftraggeber kann sich aussuchen, von wem er den Schaden ersetzt verlangt. Im Zweifel wird er sich daher für den zahlungskräftigeren Beteiligten entscheiden.

Außerdem hat das OLG klargestellt: In einem solchen Fall der Doppelkausalität kann der Bauunternehmer dem Auftraggeber das planerische Verschulden nicht anspruchsmindernd entgegenhalten, weil das Planungsverschulden für das Ausführungsverschulden nicht (mit-)ursächlich geworden ist.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2021, 10 U 336/20

Bauvertragsrecht: Was beinhaltet die Pauschale?

Hausanschlusskosten, die dem Bauunternehmer/Verkäufer eines zu errichtenden Hauses während der Bauphase dafür entstanden sind, dass er gegenüber dem Versorgungsträger seinerseits die Errichtung der Hausanschlüsse veranlasst hat, kann er im Rahmen eines Pauschalpreisvertrags nicht nachträglich auf den Erwerber/Käufer abwälzen, wenn dem zugrunde liegenden Vertrag eine solche nachträgliche Übernahmeverpflichtung nicht zu entnehmen ist. Das hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle klargestellt.

Nach Ansicht des OLG darf der Erwerber nach dem allgemeinen Verständnis davon ausgehen, dass der Verkäufer derartige Kosten im Vorfeld kalkuliert und beim Pauschalpreis berücksichtigt hat, sodass etwaige Hausanschlusskosten mit der Zahlung des Pauschalpreises abgegolten sind. Grundlage dieser Auffassung war die Annahme, dass erstmals anfallende Hausanschlusskosten im Gegensatz zu Erschließungskosten i. d. R. den Herstellungskosten des Gebäudes zuzurechnen sind.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 19.10.2021, 14 U 100/21, bestätigt durch Zurückweisungsbeschluss vom 26.11.2021

Honorarverluste: Haftung für vom Bauherrn verschuldete Verzögerungen

Zu Terminverzögerungen kommt es beim Bauen immer wieder. Ob dem Planer daraus Honorarverluste entstehen, ist u. a. davon abhängig, wer die Ursache für die Verzögerung gesetzt hat. Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hingewiesen.

Im Fall des OLG war ein Unternehmer damit beauftragt, eine Trafostation auf dem Grundstück des Auftraggebers zu errichten und in betriebsbereitem Zustand zu übergeben. Für die Fertigstellung der Trafostation war eine Frist von 18 Wochen vereinbart. Da die erforderliche Baugenehmigung erst 14 Monate nach Vertragsschluss vorlag, konnte die Trafostation letztlich erst nach ca. 16 Monaten fertiggestellt werden. Der Auftraggeber verlangte Schadenersatz wegen elfmonatigen Terminverzugs.

Das OLG Brandenburg hat den Schadenersatzanspruch verneint, weil der Auftraggeber die ihm obliegende Aufgabe, die Baugenehmigung rechtzeitig zu erwirken, nicht termingerecht erfüllt hatte. Im vorliegenden Fall war in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Auftragnehmers geregelt, dass der Auftraggeber für die Beibringung der Baugenehmigung verantwortlich war. Die gesetzliche Grundlage für die Mitwirkungspflicht des Auftraggebers ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 642 BGB) geregelt.

Quelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 11.11.2021, 12 U 79/21

Baugesetzbuch: Aushang von Bebauungsplänen

Nach dem Baugesetzbuch (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB) muss eine Gemeinde den Entwurf eines Bebauungsplans mit Begründung und nach den ihrer Einschätzung wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen einen Monat lang auslegen. Doch wie? Das hat jetzt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg ausgeführt.

Die o. g. Unterlagen müssen nach dieser Entscheidung der Öffentlichkeit am Auslegungsort sichtbar, griffbereit und als zusammengehörig erkennbar zugänglich sein. Bürger können sich ggf. auch durch Nachfragen im Dienstgebäude zurechtfinden.

Es genügt regelmäßig, wenn der Text im öffentlichen Bereich auf einem etwa 50 cm breiten, auf einer Höhe von ca. 1,30 m an der Wand angebrachten Brett dargelegt wird. Die Gemeinde muss weder einen Tisch noch Stühle bereitstellen, um Bürgern eine möglichst bequeme Einsichtnahme zu ermöglichen.

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2021, 5 S 3125/20

Nutzungsuntersagung: Hundezwinger im allgemeinen Wohngebiet

Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat entschieden: Eine sog. Nutzungsuntersagungsverfügung, mehr als zwei Hunde in einer Außenzwingeranlage zu halten, ist rechtmäßig.

Vier Jagdhunde im Außenzwinger

Der Antragsteller, Eigentümer eines Grundstücks innerhalb eines durch Bebauungsplan ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiets, hat ohne Baugenehmigung eine Außenzwingeranlage zur Unterbringung von insgesamt vier ausgewachsenen Jagdhunden errichtet. Nachdem die Bauaufsichtsbehörde aufgrund von Nachbarschaftsbeschwerden von der Errichtung der Anlage Kenntnis erlangt hatte, untersagte sie die Nutzung der Zwingeranlage insoweit, als dort mehr als zwei Hunde dauerhaft untergebracht sind. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und einen Eilantrag bei Gericht gestellt. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, von seinen Hunden gehe kein erhebliches Störpotenzial für die Nachbarschaft aus.

Rücksichtnahmegebot

Das VG bestätigte die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids. Das Bauvorhaben des Antragstellers sei sowohl formell als auch materiell baurechtswidrig. Mit der Errichtung eines Hundezwingers zur ständigen Unterbringung von vier Hunden gehe eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des Grundstücks einher. Das Halten von vier Hunden in einem allgemeinen Wohngebiet sei zwar nicht von vornherein baurechtlich zulässig oder unzulässig. Indes komme dieser neuen Nutzungsart unter städtebaulichen Gesichtspunkten in einem allgemeinen Wohngebiet eine neue Qualität zu (Rücksichtnahmegebot). Folge: Gerade für derartige Zweifelsfälle sei die Überprüfung in einem förmlichen Genehmigungsverfahren durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde erforderlich.

Nur zwei Hunde erlaubt

Eine entsprechende Baugenehmigung habe der Antragsteller jedoch nicht beantragt. Er könne eine solche auch nicht erhalten, weil sein Vorhaben nicht genehmigungsfähig und damit zudem materiell baurechtswidrig sei. Zwar gehöre zum Wohnen in einem gewissen Rahmen auch die Tierhaltung im Wohngebäude sowie die Errichtung von Anlagen, um Kleintiere im Gartenbereich unterzubringen. Allerdings dürfe das Maß der zulässigen Tierhaltung in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung nicht überschritten werden. Dies sei dann der Fall, wenn die Tierhaltung den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung nach Art und Anzahl der Tiere sprenge und geeignet sei, das Wohnen wesentlich zu stören, und damit der Eigenart eines allgemeinen Wohngebietes widerspreche. In einem allgemeinen Wohngebiet sei i.d.R. nur das Halten von zwei Hunden in einer Außenanlage zulässig. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in Zwingern gehaltene Hunde auch nachts zum Anschlagen neigen und damit die Nachtruhe erheblich stören. Dies gelte insbesondere, wenn mehrere Hunde gleichzeitig gehalten würden.

Keine Ausnahmesituation

Eine andere Betrachtung könne ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn z. B. in der Nachbarschaft bereits vergleichbare Nutzungen vorhanden seien und sich die Bewohner des Baugebiets damit abgefunden hätten, oder sonstige örtliche Besonderheiten bestünden, wie etwa eine aufgelockerte Bebauung mit großen Grundstücken in einem ländlich geprägten Raum oder die Lage des Hundezwingers am Ortsrand. Eine solche Ausnahmesituation sei vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere befänden sich in unmittelbarer Nähe des Vorhabens weitere Wohngebäude in Form von Doppelhäusern ohne oder mit nur geringem Grenzabstand. Zudem sei die Öffnung des Hundezwingers zur benachbarten Wohnbebauung hin ausgerichtet. Auch sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Hunde des Antragstellers einen besonders ruhigen Charakter hätten; dem stünden die vorhandenen Nachbarschaftsbeschwerden gegenüber.

Quelle: VG Trier, Beschluss vom 14.12.2021, 7 L 3342/21.TR, PM 39/21

Architektenhonorar: Wer Vorschüsse behalten will, muss abrechnen

Solange der Auftragnehmer im Prozess über die Rückzahlung von Abschlags- bzw. Vorauszahlungen von Architektenhonorar nicht endgültig abrechnet, kann es auf die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund oder lediglich eine sog. freie Kündigung vorliegt, nicht entscheidend ankommen. Denn der Auftragnehmer muss nicht nur im Fall einer Kündigung aus wichtigem Grund durch eine Endabrechnung darlegen (und ggf. beweisen), dass er die vereinnahmten Vorauszahlungen endgültig behalten darf. Vielmehr gilt dies ebenso im Fall einer freien Kündigung. Auch im letzteren Fall muss der Auftragnehmer seine gesamten Leistungen, also die erbrachten wie die nicht erbrachten, insgesamt abrechnen und in diese Abrechnung die geleisteten Abschlagszahlungen einstellen. Zudem muss er beziffern, was er sich an ersparten Aufwendungen bzw. als Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anzurechnen lassen hat. Diese Auffassung vertritt das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Das OLG: Auch wenn die Vertragsparteien über das Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund oder einer freien Kündigung streiten, muss der Auftragnehmer von seinem Standpunkt aus also zunächst entsprechend abrechnen. Solange er dies nicht tut, kann der Auftraggeber bei schlüssiger eigener Berechnung einen etwaigen Überschuss nach Ansicht des OLG zurückverlangen, ohne dass es auf eine Klärung der Kündigungsfrage ankommt.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 6.10.2021, 14 U 153/20

Stadt Koblenz: Nachbarklage gegen Swingerclub erfolglos

Die Nachbarn eines Swingerclubs und einer angrenzenden Gaststätte haben keinen Anspruch auf ein gaststätten- bzw. immissionsschutzrechtliches Einschreiten der Stadt Koblenz gegen deren Betrieb. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz.

Die Kläger, die ein Wohngebäude außerhalb der Ortslage eines Koblenzer Stadtteils bewohnen, sind Nachbarn der o. g. Betriebe, die sich in einem aus zwei Häusern bestehenden Gebäudekomplex befinden. Für den Betrieb des Swinger-Clubs erteilte die Stadt Koblenz im Jahr 2002 eine zunächst gaststättenrechtliche Erlaubnis als „Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit“. Nach Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung für die Nutzungsänderung wird dieser spätestens seit Mai 2006 in erster Linie als Swingerclub betrieben. Die gaststättenrechtliche Erlaubnis blieb jedoch zunächst unverändert. Im Jahr 2014 erteilte die Stadt Koblenz eine Gaststättenerlaubnis zur Weiterführung eines anderen Etablissements unter neuem Namen für den Betrieb einer „Schankwirtschaft mit Musikdarbietungen“. Beide gaststättenrechtlichen Erlaubnisse wurden mit der Auflage versehen, dass der vom Betrieb ausgehende Lärmpegel nicht zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwertes von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) führen dürfe und zwar gemessen 0,5 Meter vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses.

Insbesondere seit dem Jahr 2015 beschwerten sich die Kläger wiederholt bei der Stadt Koblenz über Lärm und sonstige Belästigungen, die von den Betrieben ausgehen würden. Ihren Antrag vom Februar 2019 auf Einschreiten gegen die beiden Betriebe lehnte die Stadt ab, da unzumutbare Einwirkungen durch den Betrieb nicht feststellbar seien. Dies belegten die zahlreichen von ihr durchgeführten Kontrollen. Gegen die bereits erteilten Auflagen hätten die Betreiber nicht verstoßen.

Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs verfolgten die Kläger ihr Begehren auf Einschreiten gegen den Betrieb. Das Verwaltungsgericht (VG) gab den Klagen statt und verpflichtete die beklagte Stadt, geeignete gaststättenrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor den Immissionen zu ergreifen, die von dem Gaststättenbetrieb ausgingen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der tatsächliche Betrieb der o. g. Häuser sei von den bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnissen nicht gedeckt. Den Klägern stehe aufgrund festzustellender Lärm- und sonstiger Belästigungen auch ein subjektiver Rechtsanspruch auf ein gaststättenrechtliches Einschreiten zu.

Nach Erlass der Urteile erteilte die Beklagte eine Änderungserlaubnis zum Betrieb einer „Schank- und Speisewirtschaft im Rahmen eines Swinger-Clubs“. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) die erstinstanzlichen Urteile auf und wies die Klagen ab.

Der tatsächliche Betrieb der beiden Gaststätten sei von der derzeit bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnislage zwar nicht gedeckt, in Ermangelung eines Verstoßes gegen nachbarschützende Normen könnten die Kläger jedoch keinen Anspruch auf behördliches Tätigwerden herleiten.

Allein auf die formelle Illegalität des Gaststättenbetriebs könne ein Anspruch der Kläger auf gaststätten- oder immissionsbehördliches Einschreiten nicht gestützt werden. Vielmehr bedürfe es eines Verstoßes gegen materielle nachbarschützende Normen, um hieraus einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Einschreiten ableiten zu können. Ein solcher Verstoß sei hier nicht feststellbar.

Der Hinweis auf „naturgemäß subjektive“ Nachbarbeschwerden vermöge objektiv nachvollziehbare Feststellungen nicht zu ersetzen. Für weitergehende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung habe aufgrund der fehlenden konkreten Anknüpfungstatsachen kein Bedarf bestanden. Durchgreifende Anhaltspunkte für sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen lägen ebenfalls nicht vor.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 23.11.2021, 6 A 10687/21.OVG und 6 A 10689/21.OVG, PM 26/2021

Milieuschutz: Gemeindliches Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung

Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft, wendet sich gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Sie erwarb ein im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegenes Grundstück, das mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1889 bebaut ist, in dem sich 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten befinden. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Verordnung, die dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen dient (sog. Milieuschutzsatzung). Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Werde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, seien nach Lage der Dinge die vom Bezirksamt geschilderten erhaltungswidrigen Entwicklungen zu befürchten. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor; die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien ebenfalls zu berücksichtigen.

Das BVerwG ist dem nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte durfte sein Vorkaufsrecht für das im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung gelegene Grundstück nicht ausüben. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nämlich ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel aufweist. Diese Voraussetzungen liegen vor, so das BVerwG.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 9.11.2021, 4 C 1.20, PM 70/21

Vertragsrecht: Was gilt bei Lieferung und Montage von Standardtüren?

Ein Vertrag über die Lieferung und Montage von Standardtüren und -zargen ist ein Werklieferungsvertrag. Folge: Es ist Kaufrecht anzuwenden. Wird die Ware nicht unverzüglich geprüft und gerügt, gilt sie daher als genehmigt, selbst wenn die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Teil B (VOB/B) vereinbart sind. Die Parteien haben kein Wahlrecht zwischen Werkvertragsrecht und Kaufrecht. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal klargestellt.

Verpflichtet sich ein Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Sache, kommt es für die Einordnung des Vertragsverhältnisses als Werk- oder Kaufvertrag mit Montageverpflichtung darauf an, auf welcher Leistung der Schwerpunkt liegt. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten.

Bei der Anwendung von Kaufrecht gilt: Der Auftraggeber muss die Ware unverzüglich prüfen und Mängel rügen. Unverzüglich bedeutet innerhalb von zwei bis drei Tagen. Wird nicht unverzüglich geprüft und gerügt, gilt die Ware als genehmigt. Auf die Abnahme, die regelmäßig erst viel später stattfindet, kommt es dann nicht an.

Quelle: LG Frankenthal, Beschluss vom 2.9.2021, 8 O 162/20

Fehlende Baugenehmigung: Wie schnell müssen Beseitigungsverfügungen umgesetzt werden?

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt hat jetzt entschieden: Die sofortige Vollziehung von Beseitigungsverfügungen aus brandschutzrechtlichen Gründen setzt voraus, dass die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr ein sofortiges Einschreiten erfordert. Das schließt auch ein, zu prüfen, ob der Gefahrenlage für die Dauer des Hauptsacheverfahrens durch anderweitige ergänzende Maßnahmen der Gefahrenabwehr begegnet werden kann, etwa durch Erlass einer Nutzungsuntersagung.

Was war geschehen?

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks, das straßenseitig mit einem mehrgeschossigen Gebäude bebaut ist. Im Erdgeschoss dieses Gebäudes betreibt er ein Bistro. Bei Vorortkontrollen stellte die Antragsgegnerin, die Stadt, fest, dass an der rückwärtigen Gebäudeseite ein eingeschossiger Anbau mit Pultdach mit einer Grundfläche errichtet worden war. Sie gab dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Anbau vollständig zurückzubauen. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Anbau sei ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden und könne auch nachträglich nicht genehmigt werden. Die Anforderungen an den Brandschutz, an Rettungswege und an Brandwände würden nicht erfüllt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse geboten. Aufgrund der Gefährdungslage für die Gäste und Bewohner des Grundstücks sowie des Nachbargrundstücks sei der weitere Bestand des Anbaus als Aufenthaltsraum nicht zu verantworten. Im Brandfall seien mit hinreichender Sicherheit Schäden an Leib, Leben und Gesundheit dieser Personen zu befürchten. Bei Beachtung der Länge eines Rechtsmittelverfahrens könne die bestehende Gefahr nicht in geeigneter Weise abgewendet werden, wenn der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe. Dem Antragsteller durch den Rückbau entstehende finanzielle Verluste seien nicht zu berücksichtigen, da diese lediglich auf der rechtswidrigen Errichtung und Nutzung beruhten und somit allein in der Verantwortungssphäre des Antragstellers lägen.

Das sagt das Oberverwaltungsgericht

Zunächst hat das OVG seinen eingangs geschilderten Grundsatz bekräftigt. Dann lässt es aber eine Ausnahme zu: Etwas anderes könne nämlich bei verhältnismäßig geringfügigen Auswirkungen einer Beseitigungsverfügung gelten, namentlich dann, wenn eine bauliche Anlage ohne Substanzverlust beseitigt werden kann und keine erheblichen Aufwendungen für die Entfernung und Lagerung der Anlage entstehen. So sah es das OVG hier als gegeben an.

Es hat dann ergänzt: Zwar könne die Bekämpfung einer negativen Vorbildwirkung ein besonderes Interesse am Sofortvollzug einer Beseitigungsanordnung begründen. Dies setze allerdings voraus, dass die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss.

Für den konkreten Fall hat das OVG eine solche Gefahr nicht gesehen. Hier fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass von dem streitigen Anbau bereits vor einem bestands- oder rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine konkrete Nachahmungsgefahr ausgeht. Die Antragsgegnerin habe nicht gezeigt, dass in der näheren Umgebung bereits vergleichbare Anbauten (an Gaststätten) errichtet wurden, für die der streitige Anbau Vorbild gewesen sein könnte. Aufgrund der Lage des Anbaus an der zur Straße abgewandten Seite des Hauptgebäudes könne auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Anbau andere Personen dazu verleiten könnte, einen solchen Anbau auf ihrem Grundstück zu errichten. Die von der Antragsgegnerin ins Feld geführte abstrakte Gefahr, dass andere Grundstückseigentümer, insbesondere Gastronomen oder sonstige Gewerbetreibende, dazu ermuntert werden könnten, illegal bauliche Anlagen zu errichten und zumindest für einen gewissen Zeitraum zu nutzen, genüge nicht.

Quelle: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.9.2021, 2 M 64/21