Behindertenparkplatz: Parkausweis auf der Mittelkonsole genügt nicht

Unberechtigtes Parken auf einem sog. Behindertenparkplatz kann teuer werden. Das gilt auch, wenn man einen Parkausweis im Pkw abgelegt hat. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Schwerin.

Eine „wilde“ Geschichte?

Der Autofahrer hatte seinen Pkw auf einer Fläche abgestellt, die als Parkplatz versehen mit dem Zusatzzeichen „Rollstuhlfahrersinnbild“ ausgeschildert war. Einen Parkausweis, der ihm das Abstellen in dem Bereich erlaubt hätte, hatte er nicht ausgelegt. Der Autofahrer hatte behauptet, dass er seinen Pkw am Tattag an der genannten Stelle abgestellt und das Fahrzeug für einige Zeit verlassen habe. Er habe an dem Tag einen Bekannten befördert, der im Rollstuhl sitzt. Der Bekannte sei im Besitz einer unbefristeten Parkerlaubnis, mit der er auf dem Parkplatz hätte stehen dürfen. Dieser Parkausweis habe sich auch im Inneren des Fahrzeugs auf der Mittelkonsole auf Höhe der Sitzflächen befunden.

Das Amtsgericht stellt auf „Lesbarkeit“ ab

Das AG ist von einem Parkverstoß ausgegangen. Es verweist auf die Erläuterungen zur Parkerlaubnis durch das Zusatzzeichen mit „Rollstuhlfahrersinnbild“. Danach gilt die Parkerlaubnis nur, wenn der Parkschein, die Parkscheibe oder der Parkausweis gut lesbar ausgelegt oder angebracht ist. Lesbar bedeutet so das AG „für die Augen zu entziffern und sich lesen lassend“. „Gut“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Lesen „leicht, mühelos geschehend“, also einfach und ohne Schwierigkeiten möglich sein muss. Das hat das AG für das Ablegen auf der Mittelkonsole in Höhe der Sitzflächen verneint. Zudem war auf einem vom Betroffenen zur Untermauerung seiner Einlassung eingereichten Fotografie zur Ablageposition der Ausweis selbst zur Hälfte verdeckt.

Quelle: AG Schwerin, Urteil vom 8.5.2023, 35 OWi 83/23

Führerscheinentzug: Fahrerlaubnisbehörde kann nicht zusätzlich das Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nicht verbieten

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat entschieden: Die derzeitige Rechtslage ermöglicht es den Fahrerlaubnisbehörden nicht, ein Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, z. B. Fahrräder oder E-Scooter, zu verhängen.

Das ist die Gesetzeslage

Die Fahrerlaubnisbehörden können das Führen von Fahrzeugen nach der bundesweit geltenden Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) verbieten, wenn sich jemand insbesondere durch Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss als hierzu ungeeignet erweist. Umstritten war dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen untersagt werden kann.

Das sagt das Gericht

Diese Frage hat der BayVGH nun geklärt: Das geltende Recht bietet demnach keine Grundlage für ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Dementsprechend hob der zuständige Senat ein entsprechendes an den Kläger gerichtetes Fahrverbot auf.

Zur Begründung führte das Gericht an, solche Fahrverbote stellten einen schweren Eingriff in die als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit grundrechtlich geschützte Mobilität und eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar. § 3 Abs. 1 S. 1 FeV, auf den die behördliche Praxis die Verbote stützt, könne nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, denn er regele die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt. Die Regelung lasse weder für sich allein, noch im Zusammenhang mit anderen Vorschriften erkennen, wann eine Person zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ungeeignet sei und wie man dies feststellen müsse. Anders als für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen (Kraft-)Fahrzeugen gebe es hierfür keine ausreichenden Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren oder andere konkretisierende Regelwerke. Eine Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern sei wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotenzials nicht möglich. Das Fehlen rechtlicher Maßstäbe könne zu unverhältnismäßigen Verboten führen.

Der unterlegene Freistaat Bayern kann gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Revision einlegen.

Quelle: BayVGH, Urteil vom 17.4. 2023, 11 BV 22.1234, PM vom 19.6.2023)

Sanktionen: Pkw kann nach gefährlichem Überholmanöver sichergestellt werden

Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat in einem Eilverfahren die Sicherstellung eines Fahrzeugs nach einem gefährlichen Überholmanöver als rechtmäßig bestätigt.

Das war geschehen

Das Fahrzeug ist auf die Antragstellerin zugelassen, wird aber nach Angaben ihres Ehemanns ausschließlich von ihm gefahren. Im April 2023 befuhr dieser eine Bundesstraße. In der Gegenrichtung war ein Funkstreifenwagen unterwegs. Die Polizeibeamten beobachteten, wie das hinterste der fünf ihnen entgegenkommenden Fahrzeuge der Porsche der Antragstellerin zunächst einen vor ihm fahrenden schwarzen Pkw überholte und danach nicht wieder einscherte, obwohl er nur noch ca. 200 bis 250 Meter von ihrem Fahrzeug entfernt war. Vielmehr fuhr er mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit auch an einem zweiten Fahrzeug, einem weißen Kastenwagen, vorbei. Um eine Frontalkollision zu vermeiden, bremste der Fahrer des Funkstreifenwagens bis zum Stillstand ab und lenkte das Auto nach rechts an den Fahrbahnrand, um Platz zu schaffen. Der Porsche fuhr währenddessen an dem Kastenwagen vorbei und wechselte etwa 15 Meter vor dem bereits stehenden Funkstreifenwagen zurück auf die eigene Fahrbahn. Beim Wiedereinscheren mussten der schwarze sowie der weiße Pkw ebenfalls bremsen, um eine Kollision zu vermeiden und Platz zu machen. Noch während des Passierens des Funkstreifenwagens startete der Fahrer erneut einen Überholvorgang und überholte einen dritten Pkw.

Die an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten nahmen unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn die Verfolgung des Ehemanns der Antragstellerin auf und stellten im Anschluss an die erfolgte Kontrolle des Fahrers den Porsche zur Gefahrenabwehr sicher. Weiter wurde ihm die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins eröffnet. Die Antragstellerin legte gegen die Sicherstellung Widerspruch ein und beantragte, das Fahrzeug herauszugeben. Wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wandte sie sich zudem mit einem Eilantrag an das VG.

Sicherstellung rechtlich nicht zu beanstanden

Dieser hatte keinen Erfolg. Die Sicherstellung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 22 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes könne die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen seien gegeben gewesen, denn im Zeitpunkt der Sicherstellung hätten ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Ehemann der Antragstellerin mit dem auf sie zugelassenen und ausschließlich von ihm gefahrenen Sportwagen in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Verkehrsverstöße begehen werde.

Der Ehemann der Antragstellerin habe bei dem Überholvorgang rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt und mehrere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Es sei augenscheinlich allein dem Verhalten des fahrenden Polizeibeamten zu verdanken, dass es nicht zu einem Zusammenstoß mit Personen- und Sachschäden gekommen sei. In einer solchen Verkehrssituation mit guter Übersicht auch bezüglich des Gegenverkehrs hätte jeder vernünftige, sich an die zulässige Höchstgeschwindigkeit haltende Verkehrsteilnehmer den Überholvorgang infolge des herannahenden Gegenverkehrs gar nicht erst gestartet bzw. sofort wieder abgebrochen. Nach der Straßenverkehrsordnung darf nur überholen, wer übersehen könne, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen sei. Gegen die danach bestehende Sorgfaltspflicht habe der Ehemann der Antragstellerin massiv verstoßen, indem er sehenden Auges mehrere Fahrzeuge überholt und deren Insassen sowie die Polizeibeamten im Dienstfahrzeug einer erheblichen Leib- und Lebensgefährdung ausgesetzt habe. Anstatt die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens einzusehen, habe er offensichtlich völlig unbeeindruckt unmittelbar nach dem Wiedereinscheren auf seine Fahrbahn einen weiteren Pkw überholt.

Rücksichtsloser und unbelehrbarer Verkehrsteilnehmer

Die handelnden Polizeibeamten hätten daher zu Recht annehmen dürfen, dass es sich bei dem Ehemann der Antragstellerin um einen rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer sowie eine unbelehrbare Person handele und damit die konkrete Gefahr der Wiederholung erheblicher Verkehrsverstöße bestanden habe. Aufgrund der besonderen Sachlage und des fehlenden Einsichtsvermögens hätten sie nach dem Anhalten des Ehemanns der Antragstellerin daher vom Fortbestehen der Gefahrenlage ausgehen und das Fahrzeug sicherstellen dürfen.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zulässig.

Quelle: VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 22.6.2023, PM 14/23

Luxuswagenkauf: Lamborghini kann nicht gutgläubig auf einem Imbiss-Parkplatz gekauft werden

Kann man einen Lamborghini nachts um ein Uhr auf einem Imbiss-Parkplatz erwerben? Oder muss man Zweifel haben, ob es in so einer Situation mit rechten Dingen zugeht? Über einen solchen nicht alltäglichen Fall hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.

Fahrzeug wurde gestohlen

Der Kläger aus Spanien hatte seinen Lamborghini an eine Agentur vermietet, die den Wagen weitervermietete. Nach der Mietzeit war das Fahrzeug weg. Es wurde zur Fahndung ausgeschrieben.

Der im Emsland ansässige Beklagte meldete sich auf eine Anzeige bei der Verkaufsplattform „mobile.de“, auf der das Fahrzeug angeboten wurde. Er kam in Kontakt mit zwei Brüdern, die vorgaben, das Auto für einen in Spanien lebenden Eigentümer verkaufen zu wollen. Man traf sich auf dem Parkplatz einer Spielothek in Wiesbaden, wo der Beklagte das Fahrzeug besichtigte, und verabredete die Übergabe wenige Tage später. Zuvor, so die Brüder, bräuchten sie das Fahrzeug noch für eine Hochzeitsfahrt.

Man traf sich einige Tage später auf dem Gelände einer Tankstelle in Essen. Die Brüder trafen mit mehreren Stunden Verspätung gegen 23 Uhr am verabredeten Treffpunkt ein und gaben u.a. an, in eine Polizeikontrolle geraten zu sein. Dort habe es Verzögerungen gegeben, weil noch „eine Rechnung beim Amt“ offen gewesen sei.

Kaufvertrag am Schnellrestaurant unterschrieben

Der Kaufvertrag wurde in dieser Nacht gegen 1 Uhr in einem Schnellrestaurant unterschrieben. Dem Beklagten wurde die Vorderseite einer Kopie des Personalausweises des angeblichen Eigentümers vorgelegt. Es ergaben sich auffällige Abweichungen der Schreibweise des Namens und der Adresse in dem Kaufvertrag und den Zulassungsbescheinigungen. Der Beklagte gab seinen alten Lamborghini für 60.000 Euro in Zahlung und zahlte an die Brüder weitere 70.000 Euro in bar. Er erhielt neben dem Auto die Zulassungsbescheinigungen sowie die Schlüssel. Als der Beklagte das Fahrzeug auf sich anmelden wollte, stellte sich heraus, dass dieses unterschlagen worden war.

Eigentümer verlangte Herausgabe

Der spanische Kläger verlangte nun als Eigentümer die Herausgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht (LG) wies die Klage ab. Der Beklagte, so das LG, habe „gutgläubig“ Eigentum erworben (§ 932 BGB). Denn er habe nicht gewusst, dass der im Kaufvertrag benannte Veräußerer in Wahrheit nicht Eigentümer sei, und habe auch nicht grob fahrlässig gehandelt.

Oberlandesgericht: Grobe Fahrlässigkeit des Käufers

Das OLG sah dies nun anders: Es bewertete das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässig. Trotz Vorlage von Original-Zulassungsbescheinigungen seien die Gesamtumstände so auffällig, dass der Beklagte habe stutzig werden müssen. Der Beklagte habe allein mit den als Vermittler auftretenden Brüdern verhandelt, ohne in Kontakt mit dem von den Brüdern benannten angeblichen Eigentümer zu treten oder sich von den Brüdern eine Vollmacht vorlegen zu lassen. Ort und Zeit des Kaufvertrags, die Nutzung des Fahrzeugs durch die Vermittler für eine Hochzeitsfeier, die fraglose Inzahlungnahme des alten Lamborghinis, die unterschiedlichen Schreibweisen der Personalien des angeblichen Eigentümers all dies hätte den Beklagten zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen.

Besondere Vorsicht sei auch deshalb geboten gewesen, weil es sich um ein Luxusfahrzeug handelte, das erst wenige Tage zuvor in Deutschland zugelassen worden war. Er könne sich daher nicht auf einen gutgläubigen Erwerb berufen. Der Beklagte muss nun das Auto an den spanischen Kläger herausgeben.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 27.3.2023, 9 U 52/22, PM 19/23 vom 13.4.2023

Schadenersatz: Versicherer erstattete vorgerichtlich 100 Prozent: Anerkenntnis

Der Versicherer erstattete vorgerichtlich die geltend gemachten Positionen ohne Vorbehalt zur Haftung dem Grunde nach auf der Basis hundertprozentiger Haftung. Allerdings kürzte er Positionen der Höhe nach. Die Differenz hatte der Geschädigte eingeklagt. Nun erhob der Versicherer auch Einwendungen zur Haftung der Höhe nach. Doch das ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig nicht mehr möglich.

Hier liegt keine unverbindliche Mitteilung vor…

Das Gericht argumentierte: Die Auslegung dieses Schreibens ergibt, dass die Beklagte keinerlei Einwände zur vollen Haftung dem Grunde nach hatte. Es ist unerheblich, dass in dem Schreiben nicht ausdrücklich von einem Anerkenntnis die Rede ist. Teilt die dem Grunde nach einstandspflichtige gesetzliche Haftpflichtversicherung dem Geschädigten nach vorangegangener Korrespondenz, in der sie auch die Vorlage von Urkunden und Belegen zwecks Überprüfung der vom Geschädigten geltend gemachten Schadenspositionen verlangte, mit, sie werde Beträge für einzeln aufgeführte Positionen zahlen, gilt: Es handelt sich bei dieser Mitteilung um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis und nicht lediglich um eine ohne Rechtsbindungswillen abgegebene unverbindliche Mitteilung.

… sondern ein deklatorisches Schuldanerkenntnis

Und es ging geschädigtenfreundlich weiter so. Das Gericht hob nämlich hervor: Zu Recht sieht die Geschädigte in dem Schreiben des Haftpflichtversicherers ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Die darin enthaltene konkrete Abrechnung diverser Forderungspositionen unter Nennung von konkreten Zahlungsbeträgen beinhaltet zusammen mit dem ausdrücklichen Hinweis, die aufaddierte Gesamtsumme zu überweisen, eindeutig den erkennbaren Willen, die vorherige Diskussion über die Höhe der einzelnen geltend gemachten Forderungen abzuschließen und insoweit auf weitere Einwendungen zu verzichten. Jedes andere Verständnis hätte für den reibungslosen Ablauf der Regulierung von Haftpflichtschäden fatale Folgen.

Quelle: OLG Schleswig, Hinweis vom 7.6.2023, 7 U 15/23

Parkverstoß: Kosten eines nicht beendeten Abschleppvorgangs

Das Verwaltungsgericht (VG) München hat sich mit den Kosten eines abgebrochenen Abschleppvorgangs befasst. Der Betroffene hatte seinen Pkw auf einem für Behinderte vorgesehenen Parkplatz abgestellt. Zum Abschleppen war es aber nicht mehr gekommen, weil der Betroffene den Parkplatz noch rechtzeitig frei gemacht hatte.

Das VG München bejaht eine Prüfpflicht des betroffenen Verkehrsteilnehmers. Dem Verkehrsteilnehmer im ruhenden Verkehr ist es danach zuzumuten, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen sorgfältig umzusehen und eingehend zu prüfen, ob er sein Fahrzeug an der von ihm gewählten Stelle abstellen darf. Das hatte der Betroffene hier versäumt. Er musste die im Zusammenhang mit den Abschleppkosten entstandenen Gebühren und Auslagen zahlen.

Quelle: VG München, Urteil vom 13.3.2023, M 23 K 21.5332

Verkehrsunfall: „Achtung Vorfahrt!“ beim Einbiegen vom Feldweg in eine Landstraße

Ein Autofahrer, der von einem Feldweg in eine Landstraße einbiegen will, muss die Vorfahrt des Verkehrs auf der Landstraße achten. Aber auch die Radfahrer auf einem parallel zur Landstraße verlaufenden Radweg, den der Autofahrer überqueren muss, haben Vorfahrt. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal jetzt klargestellt und die Klage einer Autofahrerin gegen einen Radfahrer abgewiesen.

Das war geschehen

Hintergrund war ein Verkehrsunfall. Eine Frau wollte mit ihrem Pkw aus einem Feldweg in die Landstraße einbiegen. Als sie dabei den parallel zur Landstraße verlaufenden Radweg überquerte, stieß sie mit einem von links kommenden Radfahrer zusammen. Die Frau war der Ansicht, der Radfahrer hätte ihr die Vorfahrt genommen und sei schuld an dem Unfall. Sie verklagte ihn und wollte von ihm die Schäden an ihrem Pkw ersetzt bekommen.

Radweg war eindeutig erkennbar…

Dies sah das LG anders. Da der parallel zur Landstraße verlaufende und somit „fahrbahnbegleitende“ Radweg insoweit zur Landstraße gehöre, nehme dieser Radweg auch an dessen Vorfahrtsrecht teil. Entgegen der Ansicht der Pkw-Fahrerin sei die Zugehörigkeit des Radwegs zu der Landstraße durch dessen Beschaffenheit und seinem Verlauf klar erkennbar und eindeutig.

…unabhängig davon, dass er weggeleitet wurde

Unerheblich sei es, dass er durch eine schmale bewachsene Fläche von der Straße getrennt sei. Auch wenn der Radweg in einiger Entfernung von der Landstraße weggeleitet würde, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Es komme nur auf die örtlichen Verhältnisse am Unfallort an.

Das Urteil ist rechtskräftig. Das LG hat hier als Berufungsgericht entschieden und die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts (AG) vollumfänglich bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 24.3.2023, 2 S 94/22, PM vom 28.4.2023

Schadensregulierung: Wenn der Versicherer einen gestellten Unfall vermutet

Viele Unfälle sind fingiert die Versicherungswirtschaft geht davon aus, dass es sogar jeder siebte Unfall ist. „Opfer“ und Täter kennen sich und verabreden sich zu einem „Unfall“ an einem abgelegenen Ort. Damit der Schaden bei der Versicherung geltend gemacht werden kann, holen sie die Polizei, um der Angelegenheit einen offiziellen Charakter zu geben. Oft ist das Schädigerfahrzeug deutlich größer und schwerer als das des „Opfers“, damit einerseits schon eine leichte Berührung bei niedriger Geschwindigkeit einen deutlichen Schaden hervorruft und andererseits so niemand verletzt wird. Oft sieht es aber auch nur nach einem fingierten Unfall aus so wie in einem aktuellen Fall des Landgerichts (LG) Stuttgart.

Wirtschaftlicher Totalschaden

Auf dem Parkplatz einer Kleingartenanlage hatte ein SUV-Fahrer beim Rangieren nicht aufpasst und ein älteres Fahrzeug eines Kleingartenkollegen so „erwischt“, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag.

Versicherer muss Manipulation beweisen

Das LG Stuttgart: Der Versicherer muss die behauptete Unfallmanipulation beweisen. Es hob hervor, dass jedes vom Versicherer vorgetragene Merkmal auch eine sinnvolle andere Erklärung haben konnte.

Warum fuhr der Schädiger? Unfall am hellen Tag

Für den konkreten Fall bedeutete dies: Der Kleingarten war einerseits nur 850 Meter vom Wohnort entfernt. Warum ist der Kläger also dorthin gefahren, statt zu laufen? Andererseits: Viele Menschen benutzen sogar für kürzere Strecken ihr Auto.

Ein weiteres Indiz, das gegen einen fingierten Unfall sprach: Der Unfall ereignete sich am hellen Tag. Die Parteien handelten also nicht im Verborgenen. Neutrale Zeugen hätten das Unfallgeschehen jederzeit beobachten können. Außerdem fehlen bei vielen Unfällen neutrale Zeugen sehr zum Leidwesen der Beteiligten.

Polizei herbeigerufen: kein Indiz für einen fingierten Unfall

Weil der SUV ein Leasingfahrzeug war, musste dessen Fahrer sogar die Polizei rufen. Er war hierzu vertraglich verpflichtet.

Größe und Gewicht des Autos

Ein beinahe 5 Meter langer und über 2 Tonnen schwerer SUV ist ein beliebtes Kfz-Modell, keine Rarität. Ein solches Auto führt aber bei hier vorliegenden beengten Verhältnissen auf einem Parkplatz zu Rangierfehler-Risiken. Diese hatten sich realisiert.

Für den Geschädigten heißt es hier „Ende gut, alles gut“

Am Ende musste der Versicherer zahlen. Die Einwände des Versicherers prallten am Gericht ab.

Quelle: LG Stuttgart, Urteil vom 12.9.2022, 16 O 35/22

Nutzungsausfallentschädigung: Oldtimer: Zwingend erforderlich für die eigenwirtschaftliche Lebensführung?

Voraussetzung für die Zuerkennung von Nutzungsausfallentschädigung ist, dass es sich um einen Gegenstand für die eigenwirtschaftliche Lebensführung handelt. Oldtimerfahrzeuge sind aber in der Regel Liebhaberstücke und weisen das grundsätzliche Gepräge von nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendigen Gegenständen auf. Das kann im Einzelfall anders sein, nämlich wenn der Geschädigte das historische Fahrzeug als Alltagsfahrzeug nutzt. Das muss der Geschädigte allerdings darlegen und ggf. beweisen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Subjektive Annehmlichkeiten allein rechtfertigen keinen Nutzungsausfallersatz, der sich als wirtschaftliche Einbuße an objektiven Maßstäben orientieren muss. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 253 BGB) die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 1.3.2023, 14 U 149/22

Schadenersatz: Kein Abzug „neu für alt“ bei Brillengläsern

Müssen bei einem Verkehrsunfall beschädigte Brillengläser durch neue ersetzt werden, ist kein Raum für einen Abzug „neu für alt“. Zwar kann es zutreffen, dass Brillengläser eine gewisse Lebensdauer haben. Dass durch die neuen Gläser allerdings eine spürbare Vermögensmehrung eingetreten ist, kann dennoch nicht angenommen werden. So sieht es das Amtsgericht (AG) Schwandorf.

Das Argument des AG: Brillengläser werden üblicherweise an das jeweilige Brillengestell angepasst. Auch der Augenabstand wird an den Träger der Brille angepasst. Die Brillengläser können daher schon nicht ohne Weiteres weiterverwendet oder gar weiterverkauft werden, wenn der Brillenträger sich irgendwann für ein neues Gestell entscheidet.

Quelle: AG Schwandorf, Urteil vom 19.4.2023, 2 C 263/22