Unfallschaden: Werkstatt darf Probefahrtkosten nach Reparatur berechnen

Die Probefahrt nach der Unfallreparatur muss keine kostenfreie Serviceleistung der Werkstatt sein. Der Aufwand, der in einem erheblichen Zeitaufwand besteht, ist nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) Stade wie jeder andere für die Reparatur erforderliche Arbeitsschritt auch gesondert zu vergüten. Er ist vom Schädiger bzw. dem dahinterstehenden Versicherer zu erstatten.

Dies gilt aber nur, wenn die Probefahrt infolge der Unfallreparatur notwendig war. Eine Probefahrt, die etwa nur ein Gespräch über eine ggf. weitere unfallunabhängige Reparatur vorbereiten soll, ist nicht notwendig. (AG Stade, Urteil vom 19.7.2021, 63 C 305/21)

Schadensregulierung: Nach Verkehrsunfall nicht zu lange warten

Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate wartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. So sieht es das Oberlandegericht (OLG) Dresden.

Diese Vermutung wird nach Ansicht des OLG nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird. So ist nämlich davon auszugehen, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird. (OLG Dresden, Urteil vom 17.5.2021, 4 U 382/21)

Schadenersatz: „Rennmodus“ erhöht Betriebsgefahr

Wird eine Motorsport-Rennstrecke bei einer sogenannten Touristenfahrt mit einer den Sichtverhältnissen nicht angepassten, hohen Geschwindigkeit („Rennmodus“) befahren, erhöht das die Betriebsgefahr. Folge: Die Betriebsgefahr tritt bei einem Unfall nicht zurück. Dies gilt, selbst wenn den Unfallgegner ein grobes Verschulden trifft. Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hingewiesen.

Unfall mit Folgen

Der Geschäftsführer der Klägerin unternahm mit einem ihrer Fahrzeuge eine sogenannte Touristenfahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke. In einer nur eingeschränkt einsehbaren Linkskurve verlor er die Kontrolle über das Auto. Er krachte in die Leitplanke. Unfallursache war eine Kühlmittelspur. Diese hatte das Fahrzeug des Beklagten hinterlassen.

Wie viel Schadenersatz stand der Klägerin zu?

Die Klägerin verlangte von der Beklagten und deren Haftpflichtversicherung Schadenersatz in Höhe von ca. 65.000 Euro. Das Landgericht (LG) sprach der Klägerin hiervon 75 Prozent zu. Es wies die Klage im Übrigen ab. Begründung: Die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr betrage 25 Prozent. Sie trete u. a. nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Unfall bei angepasster Geschwindigkeit zu verhindern gewesen wäre. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

Doch nach Ansicht des OLG hatte das LG richtig entschieden. Denn die konkrete Nutzung des Fahrzeugs habe dessen Betriebsgefahr erhöht. Daher trete diese nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück. Erhöht sei eine Betriebsgefahr, wenn die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbundenen Gefahren durch besondere Umstände vergrößert werden. Dies sei regelmäßig bei Fahrmanövern der Fall, die besondere Gefahren mit sich bringen.

Wer sich in Gefahr begibt …

Das sah das OLG hier als gegeben an: Das Kfz der Klägerin sei auf der Rennstrecke bei eingeschränkter Sicht mit hoher Geschwindigkeit im „Rennmodus“ gefahren worden. Der Spielraum, einen Unfall zu vermeiden, hätte dadurch quasi „null“ betragen. Die Betriebsgefahr könne somit nicht zurücktreten. Sie hatte daher mit 25 Prozent angesetzt werden können.

Folglich wies das OLG die Klägerin darauf hin, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben werde. Daraufhin hat die Klägerin das Rechtsmittel zurückgenommen. Das Verfahren ist hierdurch rechtskräftig abgeschlossen. (OLG Koblenz, Beschluss vom 5.1.2021, 12 U 1571/20, PM vom 15.6.2021)

Unfallschaden: Reifenpreis muss nicht der niedrigste sein

Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Wandsbek hat jetzt bei der fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens klargestellt: Auch soweit der Prüfbericht den Ansatz eines zu hohen Reifenpreises beanstandet, belegt das Nennen einer Bezugsquelle mit einem niedrigeren Preis nicht, dass der vom Sachverständigen ermittelte Preis unangemessen oder unüblich ist.

Oft wird in Prüfberichten auf den Preis eines Reifendiscounters abgestellt. Doch darauf kommt es nicht an. Der Preis muss im üblichen Rahmen liegen. Das genügt. (AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 1.6.2021, 715 C 81/21)

Fahrtenbuch: Keine weiteren Ermittlungen bei nur vagen Angaben zu in Betracht kommenden Fahrern

Die Fahrerlaubnisbehörde ist zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet, wenn der Fahrzeughalter bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage nur vage Angaben zu einem in Frage kommenden großen Personenkreis macht und es deshalb an hinreichend konkreten Beweisanzeichen fehlt, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden.

Der VGH: Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. Sie ist nicht verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden. Diese hängen vielmehr von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters ab, an der Feststellung des Fahrers mitzuwirken.

Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen. Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Er ist insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt.

Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben. (Hessischer VGH, Urteil vom 28.7.2021)

BGH-Beschluss: Strafbarkeit der sogenannten Polizeiflucht

Auch sog. Polizeifluchtfälle können strafbar sein. Es muss aber festgestellt werden, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der BGH hatte dies bereits früher angedeutet. Nun hat er es ausdrücklich festgestellt. Er weist aber darauf hin, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern. (BGH, Beschluss vom 29.4.2021, 4 StR 165/20)

Schadenersatz: Zulassung und Zulassungsdienst: Kosten erstattungsfähig

Der Geschädigte darf für die Zulassung seines Ersatzfahrzeugs einen Zulassungsdienst in Anspruch nehmen. Die dabei anfallenden Kosten muss die gegnerische Haftpflichtversicherung erstatten. So sagt es jetzt das Amtsgericht (AG) Wipperfürth wie schon etliche Gerichte zuvor.

Das AG Wipperfürth stellt klar: Der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung können sich nicht darauf berufen, dass es Sache des Geschädigten sei, sein Fahrzeug zuzulassen. Zwar ist dies auch erforderlich, wenn ohne den Unfall später ein neues Kraftfahrzeug angeschafft wird. Die Zulassung des neu beschafften Fahrzeugs wurde hier aber gerade aufgrund des Unfalls notwendig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte das unfallbeschädigte Fahrzeug selbst angemeldet hat. Da der Zeitaufwand des Geschädigten für den Unfall keinen ersatzfähigen Schaden darstellt, ist es gerechtfertigt, einen Zulassungsdienst in Anspruch zu nehmen, denn auch wenn die Zulassung eines neuen Kfz online schnell und unkompliziert möglich ist, bedeutet sie, so das AG, dennoch einen erheblichen Zeitaufwand, zumal die Fahrt zur Zulassungsbehörde und zurück auch noch eingerechnet werden muss. (AG Wipperfürth, Urteil vom 8.7.2021, 9 C 101/20)

Werkstattrecht: Wann muss ein Kunde Standgeld an das Autohaus zahlen?

Eine alltägliche Situation: In der irrigen Annahme, einen Nachbesserungsanspruch zu haben oder zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt zu sein, stellt der Kunde das Fahrzeug auf dem Hof des Autohauses ab. Dort bleibt es eine Zeit lang stehen, bis der Kunde sein Auto abholt. Doch das Autohaus verlangt nun „Standgeld“. Zu Recht? Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen „Standgeld“ zu zahlen ist, hat nun das Amtsgericht (AG) Werl entschieden.

Ein Kunde hatte nach dem Kauf eines Neufahrzeugs einen Mangel gerügt. Den hatte das Autohaus beseitigt, weitere Nachbesserungsarbeiten aber ausdrücklich abgelehnt. Daraufhin erklärte der Kunde den Rücktritt vom Kaufvertrag und stellte das Fahrzeug auf dem Gelände des Autohauses ab. Der Aufforderung, es innerhalb von vier Tagen abzuholen, weil andernfalls Standkosten anfielen, kam er nicht nach. Nach rund acht Wochen holte er sein Auto doch ab, ohne auf den zuvor erklärten Rücktritt zurückzukommen.

Das AG hat die Klage auf Ersatz von Standkosten in Höhe von 702,10 Euro abgewiesen. Unter keinem denkbaren Aspekt sei der Käufer zum Ersatz von Standkosten verpflichtet. Aus Sicht des AG hat sich der Käufer nicht im Annahmeverzug befunden, obwohl der Autohaus-Anwalt ihn unter Fristsetzung aufgefordert hatte, das Fahrzeug abzuholen.

Beachten Sie: Forderungen von Kfz-Betrieben in punkto Aufbewahrungsgebühr, Verwahrgeld, Standgeld oder -kosten sind juristisch keine Selbstläufer. Gerichte neigen oft zu einer zurückhaltenden Sicht. Der von den Gerichten anerkannte Tagessatz für Standkosten eines Pkw liegt zwischen 10 und 15 Euro. Das AG Coburg beispielsweise spricht sich für 15 Euro aus. (AG Werl, Urteil vom 8.4.2021, 4 C 110/19)

Bußgeldverfahren: Fahrverbot auch noch nach langer Verfahrensdauer?

Dauert das Bußgeldverfahren lange, stellt sich bei einem festgesetzten Fahrverbot immer auch die Frage, ob das Verfahren so lange gedauert hat, dass die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr zulässig ist. Damit hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg noch einmal auseinandergesetzt.

Das OLG: Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere, ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind. Hat der Betroffene Rechtsmittel ausgeschöpft und die in der Strafprozessordnung (StPO) und im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeräumten Rechte genutzt, kann ihm dies nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden. Etwas anderes gilt, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Betroffenen liegen. Das hat das OLG bejaht, da mehrfach der Hauptverhandlungstermin auf Wunsch des Betroffenen oder seines Verteidigers verschoben wurde und er mehrfach zur Hauptverhandlung nicht erschien, ohne sich vorher zu entschuldigen. (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.6.2021, 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21)

Schadenersatz: Was ist ein Oldtimer-Traktor von 1935 wert?

Ein Oldtimer-Traktor war gestohlen worden. In einem Verfahren, das das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig jetzt entschieden hat, ging es um den Wert des Traktors.

Der Käufer erwarb für 35.000 Euro einen Traktor Baujahr 1935. Er ließ ihn zunächst beim Verkäufer stehen. Dieser stellte den Traktor für mehrere Tage im Freien ab. Dort entwendeten ihn Unbekannte.

Von seiner Vollkaskoversicherung erhielt der Käufer 62.500 Euro, da er den Traktor so hoch versichert hatte. Da der Oldtimer nach Auffassung des Käufers jedoch viel mehr wert war, klagte er gegen den Verkäufer. Dieser sollte den unversicherten Schaden von 87.500 Euro ersetzen.

Das OLG gestand dem Käufer einen Anspruch auf Schadenersatz zu. Der Verkäufer habe seine Pflichten aus dem Verwahrungsvertrag grob fahrlässig verletzt. Denn er habe den auch ohne Schlüssel jederzeit startbereiten Traktor für mehrere Tage und Nächte unbeaufsichtigt im Freien abgestellt und nicht gegen Wegnahme gesichert.

Der Käufer habe aber nicht bewiesen, dass der von ihm gekaufte Traktor-Oldtimer ein bestimmter, höherwertiger Typ („H8“) gewesen sei. Die Wertschätzung beruhe auch auf der übereinstimmenden Angabe von zwei Sachverständigen. Zwar bewerteten diese den Traktor unterschiedlich. Dies hinderte den Senat aber nicht an der Schätzung des Schadens auf 72.500 Euro, die er durch Mittelung der von den Sachverständigen gefundenen Wertangaben vornahm. Damit hatte der Käufer nur in Höhe von 10.000 Euro Erfolg. (OLG Braunschweig, Urteil vom 20.5.2021, 9 U 8/20, PM vom 8.7.2021)