Rechtsstreit: Einvernehmliche Erledigung: Doch keine Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hält die Abgeltungsteuer für verfassungswidrig und hatte sie dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorgelegt. Doch eine Entscheidung wird es vorerst nicht geben.

In dem Streitfall hat das Finanzamt inzwischen die Einkommensteuerbescheide geändert und dem Klageantrag des Steuerpflichtigen (u. a. Erfassung der ihm zugerechneten Provisionseinnahmen bei einem Dritten) entsprochen. Daraufhin haben das Finanzamt und der Steuerpflichtige den Rechtsstreit einvernehmlich für erledigt erklärt. Somit ist die Vorlage des FG gegenstandslos geworden.

Quelle: FG Niedersachsen, Beschluss vom 10.8.2022, 7 K 120/21

Jubiläumsveranstaltung: Nachträgliche Lohnsteuerpauschalierung führt nicht zur Sozialversicherungspflicht

Die anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung erzielten Einnahmen sind nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen auch dann nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn sie erst nach dem 28.2. des Folgejahres nachträglich pauschal besteuert werden. Da die Revision anhängig ist, muss nun das Bundessozialgericht (BSG) entscheiden.

Das war geschehen

Ein Arbeitgeber hatte am 5.9.2015 anlässlich eines Firmenjubiläums eine Betriebsveranstaltung durchgeführt. Es entstanden Kosten von rund 214.500 Euro (einschl. Umsatzsteuer). Bei der Lohnsteueranmeldung für September 2015 vom 8.10.2015 berücksichtigte der Arbeitgeber diese Kosten zunächst nicht.

Am 31.3.2016 übermittelte der Arbeitgeber dem Finanzamt dann eine korrigierte Lohnsteueranmeldung. Mit dieser meldete er die Lohnsteuer auf den Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung mit einem pauschalen Steuersatz von 25 % gemäß Einkommensteuergesetz (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG) an, soweit er den Freibetrag in Höhe von 110 Euro je Teilnehmer überstieg. Auf den Betrag führte er keine Sozialversicherungsbeiträge ab.

Betriebsprüfung: Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen

Nach einer Betriebsprüfung wurden dann Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 60.050 Euro nachgefordert. Die Begründung: Nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung (§ 1 Abs. 1 S. 2 SvEV) sind die dort genannten Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen nur dann nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn sie vom Arbeitgeber tatsächlich lohnsteuerfrei belassen oder pauschal besteuert worden sind.

Eine unzutreffende steuer- und beitragsfreie Behandlung könne grundsätzlich nur bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung also längstens bis Ende Februar des Folgejahrs durch eine nachträgliche Pauschalbesteuerung geändert werden.

Gerichtliche Instanzen widersprechen

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg und das LSG Niedersachsen-Bremen sahen das aber anders.

Zwar vertreten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung die Auffassung, eine nachträgliche Pauschalbesteuerung könne stets nur bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, also längstens bis zum 28.2. des Folgejahrs, geltend gemacht werden. Aber diese Ansicht findet nach Meinung des LSG keine hinreichende Stütze im Gesetz. Insbesondere ist diese zeitliche Grenze nicht dem Einkommensteuergesetz (hier: § 41b EStG „Abschluss des Lohnsteuerabzugs“) zu entnehmen.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.3.2022, L 12 BA 3/20, Rev. BSG, B 12 BA 3/22 R

Ampel-Koalition: Drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht

Wegen steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise hat die Ampel-Koalition im September 2022 ein drittes Entlastungspaket geschnürt. Insbesondere steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte werden vorgestellt.

Zahlungen für Rentner und Studenten

Rentner sollen zum 1.12.2022 eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro erhalten. Die Pauschale ist einkommensteuerpflichtig. Je niedriger die Rente und die weiteren Einkünfte sind, desto höher ist somit die absolute Entlastung. Die Auszahlung erfolgt über die Deutsche Rentenversicherung.

Eine entsprechende Einmalzahlung soll es auch für die Versorgungsempfänger des Bundes geben.

Studenten und Fachschüler sollen einmalig 200 Euro erhalten.

Midijobs

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich hier gelten verminderte Arbeitnehmer-Beiträge zur Sozialversicherung wurde bereits mit Wirkung ab dem 1.10.2022 von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben. Diese Höchstgrenze soll ab dem 1.1.2023 auf 2.000 Euro steigen.

Dadurch sollen Arbeitnehmer in diesem Lohnbereich um ca. 1,3 Mrd. Euro jährlich entlastet werden, da sie weniger Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Umsatzsteuer

Die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie von 19 % auf 7 % soll verlängert werden, um diese Branche zu entlasten und die Inflation nicht weiter zu befeuern.

Vom 1.10.2022 bis zum 31.3.2024 soll auch für den Gasverbrauch der ermäßigte Steuersatz von 7 % gelten.

Weitere Maßnahmen im Überblick

Ab dem 1.1.2023 soll das Kindergeld um monatlich 18 Euro für das erste und zweite Kind erhöht werden; für das dritte Kind sind 12 Euro geplant.

Um eine Steuererhöhung wegen der Inflation zu verhindern (kalte Progression), sollen die Tarifeckwerte angepasst werden.

Der Bund ist bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Arbeitgeber an ihre Arbeitnehmer einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien.

Kurzarbeitergeld

Die Sonderregelungen sollen über den 30.9.2022 hinaus verlängert werden.

Für energieintensive Unternehmen, die gestiegene Energiekosten nicht weitergeben können, soll ein Programm aufgelegt werden. Unterstützung sollen Unternehmen bei Investitionen in Effizienz- und Substitutionsmaßnahmen erhalten. Bestehende Programme (z. B. das KfW-Sonderprogramm UBR 2022) sollen bis zum 31.12.2022 verlängert werden.

Beachten Sie: Die beschlossenen Maßnahmen unterliegen in einzelnen Aspekten der Zustimmungspflicht weiterer politischer Gremien und es können Änderungen eintreten.

Quelle: Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 3.9.2022: Maßnahmenpaket des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen; zur Kindergelderhöhung für das dritte Kind: BMF-Referentenentwurf für ein Inflationsausgleichsgesetz mit Stand vom 6.9.2022

Lohnsteuer: Führungskräftefeier: privilegierte Betriebsveranstaltung?

Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Köln ist die pauschale Besteuerung (Steuersatz von 25 %) für Betriebsveranstaltungen nicht auf Veranstaltungen anzuwenden, die nicht allen Betriebsangehörigen offenstehen (hier: Vorstands- bzw. Führungskräfte-Weihnachtsfeier).

Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung) führen zu Arbeitslohn. Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie jedoch nicht zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.

Ungeklärt ist die Frage, ob eine „Betriebsveranstaltung“ auch bei einem geschlossenen Kreis (z. B. Vorstands- und Führungskräftefeiern) vorliegt. Dann kann zwar kein Freibetrag von 110 Euro gewährt werden, aber es wäre eine Lohnsteuerpauschalierung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG) mit 25 % möglich.

Beachten Sie: Da bislang noch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu der Frage ergangen ist, ob eine Lohnsteuerpauschalierung auch für Betriebsveranstaltungen gilt, die nicht allen Betriebsangehörigen offenstehen, hat das FG die Revision zugelassen, die inzwischen anhängig ist.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 27.1.22, 6 K 2175/20, Rev. BFH, VI R 5/22

Steuernachzahlungen und -erstattungen: Der neue Zinssatz beträgt 0,15 % pro Monat

Der Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen gemäß Abgabenordnung (§ 233a AO) ist rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 auf 0,15 % pro Monat (das heißt 1,8 % pro Jahr) gesenkt worden. Die Angemessenheit dieses Zinssatzes ist dann unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 247 BGB) wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1.1.2024.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 2021 entschieden, dass der bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen angewandte Zinssatz von 0,5 % pro Monat seit 2014 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Für Verzinsungszeiträume bis Ende 2018 war jedoch keine Neuregelung notwendig. Vielmehr wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab 2019 erstreckt und dies ist jetzt erfolgt.

Beachten Sie: Der Beschluss des BVerfG erstreckt sich nicht auf andere Verzinsungstatbestände nach der AO (insbesondere Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen). Nach der Gesetzesbegründung muss die Frage, ob und inwieweit auch hier eine Anpassung erforderlich ist, noch geprüft werden.

Die Neuregelung kann derzeit technisch noch nicht umgesetzt werden. Bund und Länder haben daher beschlossen, die Festsetzung von Zinsen (nach § 233a AO) für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 für eine Übergangszeit weiter auszusetzen. Bislang vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzte Zinsen werden weiter unverändert vorläufig festgesetzt.

Beachten Sie: Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums beantwortet Anwendungsfragen zu den Rechtsänderungen.

Quelle: Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, BGBl I 2022, S. 1142; BMF-Schreiben vom 22.7.2022, IV A 3 – S 0338/19/10004 :007

Einkommensteuer: Steuerermäßigung für ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen

Die Steuerermäßigung für ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen kann auch von Steuerpflichtigen beansprucht werden, denen Aufwendungen für die Pflege und Betreuung eines Dritten erwachsen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch für Leistungen im Haushalt der gepflegten Person.

Eine Tochter begehrte eine Steuerermäßigung für die ambulante Pflege der in einem eigenen Haushalt lebenden Mutter durch eine Sozialstation. Die Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus. Die Tochter beglich sie per Banküberweisung.

Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und für Pflege- und Betreuungsleistungen können Steuerpflichtige nach dem Einkommensteuergesetz (§ 35a EStG) eine Steuerermäßigung in Höhe von 20 % der Aufwendungen geltend machen (maximal aber 4.000 Euro).

Im Gegensatz zur Steuerermäßigung (nach § 35a Abs. 2 S. 1 EStG), die nur für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen im eigenen Haushalt gewährt werden kann, sind ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen auch dann begünstigt, wenn sie nicht im eigenen Haushalt, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden.

Beachten Sie: Bei Pflege- und Betreuungsleistungen wird weder der Erhalt einer Rechnung noch die Einbindung eines Kreditinstituts in den Zahlungsvorgang vorausgesetzt. Anders ist dies aber bei haushaltsnahen Dienstleistungen und bei Handwerkerleistungen.

Der BFH hat den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen. Denn es war für ihn nicht ersichtlich, ob die Tochter mit der Bezahlung der Rechnungen eigene Aufwendungen nur hierfür kann die Steuerermäßigung gewährt werden oder Aufwand ihrer Mutter und damit steuerunerheblichen Drittaufwand getragen hat.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.4.2022, VI R 2/20

Bundesfinanzministerium: Energiepreispauschale: Fragen und Antworten zur Auszahlung im September 2022

Am 20.7.2022 hat das Bundesfinanzministerium Fragen und Antworten (FAQs) zur Energiepreispauschale aktualisiert.

Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende erhalten eine einmalige steuerpflichtige Energiepreispauschale von 300 Euro. Die Auszahlung erfolgt ab September 2022 über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Selbstständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.

Die FAQs thematisieren u. a. folgende Aspekte:

  • Festsetzung mit der Einkommensteuerveranlagung,
  • Anspruchsberechtigung,
  • Auszahlung an Arbeitnehmer durch Arbeitgeber,
  • Einkommensteuer-Vorauszahlungsverfahren und
  • Steuerpflicht.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 21.7.2022; FAQs zur Energiepreispauschale

Gesetzesvorhaben: Mindestlohn und Grenze für Minijobs: Erhöhung ab 1.10.2022

Der Bundestag hat der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mit Wirkung ab dem 1.10.2022 zugestimmt. Zudem wurden Änderungen bei Mini- und Midijobs beschlossen. Der Bundesrat hat am 10.6.2022 „grünes Licht gegeben“.

Die Mindestlohnkommission berät alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns. Von diesem Prozedere wurde nun einmalig abgewichen.

Im Jahr 2022 gelten diese Beträge:

  • ab 1.1.2022: 9,82 Euro pro Stunde
  • ab 1.7.2022: 10,45 Euro pro Stunde
  • ab 1.10.2022: 12 Euro pro Stunde

Derzeit gilt für eine geringfügige Beschäftigung eine monatliche (statische) Grenze von 450 Euro. Diese wurde nun dynamisch ausgestaltet: Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 S. 1 des Mindestlohngesetzes erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Das heißt: Bei einem Mindestlohn von 12 Euro ergibt sich daraus eine Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro (12 Euro x 130 / 3).

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich hier gelten verminderte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung wurde von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben (Midijob). Oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze wird der Arbeitgeberbeitrag zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 % angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen.

Quelle: Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung; Zustimmung des Bundestags am 3.6.2022

Auslagenersatz: Zählen Erstattungen für ein erweitertes Führungszeugnis zum Arbeitslohn?

Erstattet ein kirchlicher Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Kosten für die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses, handelt es sich nicht um Arbeitslohn. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Münster liegt vielmehr steuerfreier Auslagenersatz im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 3 Nr. 50 EStG) vor. Gegen diese Entscheidung ist bereits die Revision anhängig.

Die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse erfolgte im Streitfall vor dem Hintergrund eines überwiegend betrieblichen Interesses der Kläger (Arbeitgeberkreis des Generalvikariats des Bistums X-Stadt). Hierfür spricht bereits, so das FG, dass sich die Regelungen der („Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen für die Diözese X-Stadt“ (PrävO) an die Kläger und nicht an die Beschäftigten richten.

Gemäß PrävO trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, sich im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen und nach den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen die insoweit anfallenden Kosten hierfür zu tragen. Die Kläger sind nicht in der Lage, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Soweit die Arbeitnehmer diese Aufwendungen zunächst selbst tragen, tun sie dies im unmittelbaren Interesse der Kläger.

Das FG berücksichtigte u. a. auch, dass die Arbeitnehmer kein bedeutsames eigenes Interesse an der Einholung eines Führungszeugnisses hatten. Die mit der Kostenerstattung einhergehende „Bereicherung“ stufte es als sehr gering ein.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 23.3.2022, 7 K 2350/19 AO, Rev. BFH: VI R 10/22

Steuerpauschalen: Erste Tätigkeitsstätte bei einem angestellten Bauleiter

Wird eine Niederlassung eines international tätigen Bauunternehmens im Arbeitsvertrag eines Bauleiters als „Einstellungsort” bezeichnet, ist nicht allein deswegen von einer dauerhaften Zuordnung durch den Arbeitgeber zu dieser Niederlassung auszugehen. Die Niederlassung stellt nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern in diesen Fällen also keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar. Gegen diese Entscheidung ist die Revision anhängig.

Je nachdem, ob es sich beim Tätigkeitsort um eine erste Tätigkeitsstätte oder um eine Auswärtstätigkeit handelt, hat das u. a. folgende steuerliche Konsequenzen:

Erste Tätigkeitsstätte

  • Entfernungspauschale (0,30 Euro je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte; ab dem 21. Kilometer: 0,38 Euro)
  • grundsätzlich keine Verpflegungspauschale

Auswärtstätigkeit

  • „Dienstreisepauschale“ (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer)
  • grundsätzlich Verpflegungspauschale je nach Abwesenheitszeiten

Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG) ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens gemäß Aktiengesetz (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen durch den Arbeitgeber.

Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind im Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 3 EStG) aufgeführt:

  • unbefristetes Tätigwerden,
  • Tätigwerden für die Dauer des Dienstverhältnisses,
  • Tätigkeit über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten.

Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

Entscheidung des Finanzgerichts

Die Niederlassung stellt auch dann keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar, wenn er

  • einem Gruppenleiter dieser Niederlassung zugewiesen ist,
  • ca. einmal wöchentlich an einer Arbeitsberatung, sowie
  • einige Mal im Kalenderjahr an sonstigen Besprechungen in dieser Niederlassung teilnimmt, und
  • zwar ein Büro in dieser Niederlassung zur Verfügung hat, jedoch tatsächlich den größeren Teil der Schreibtischarbeiten außerhalb dieses Büros erledigt.

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, kommt es für die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwand nur darauf an, ob er ohne Übernachtung jeweils mehr als acht Stunden von seiner Wohnung entfernt war.

Beachten Sie: Auf die Dreimonatsfrist Verpflegungspauschalen sind auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt kommt es nur an, wenn der Steuerpflichtige an derselben Tätigkeitsstelle längerfristig tätig wird, und zwar an mindestens drei Tagen pro Woche. Das trifft jedoch bei einem Bauleiter nicht zu, wenn er die Arbeiten auf mehreren Baustellen zeitgleich leitet und damit typischerweise von Baustelle zu Baustelle fährt.

Quelle: FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.11.2021, 3 K 6/20, Rev. BFH: VI R 27/21