Erbengemeinschaft: Kunsthistorikerin schuldet hohen Schadenersatz

Eine Kunsthistorikerin aus Düsseldorf muss 980.000 Euro Schadenersatz an eine Erbengemeinschaft aus Essen zahlen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden.

Die beklagte Kunsthistorikerin hatte dem Erblasser im Jahr 2009 vier Skulpturen eines spanischen Künstlers für insgesamt 1.000.000 Euro verkauft. Wie das OLG feststellte, handelte es sich dabei jedoch um ungenehmigte Nachgüsse, die lediglich einen (Material-)Wert von 20.000 Euro haben. Im Prozess hatte die Kunstberaterin geltend gemacht, die Skulpturen von ihrem damaligen Ehemann geschenkt bekommen, jedoch jahrelang nicht ausgepackt zu haben und über ihre genaue Herkunft nichts zu wissen. Bei dem damaligen Ehemann handelt es sich um einen später wegen Betruges verurteilten Kunstberater. Der Künstler hatte 22 Originalskulpturen geschaffen, umarbeiten lassen und die hier in Rede stehende Vierergruppe aus dem Originalguss bereits veräußert, als er mit dem Ehemann Abreden zur Verwendung der restlichen Skulpturen traf. Von diesem Gespräch wusste die Kunsthistorikerin.

Nach Auffassung des Gerichts hätte sie Anlass gehabt, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu erkundigen, ob es sich bei den ihr geschenkten Figuren tatsächlich um Originale oder autorisierte Exemplare handelte. Weil sie diese Erkundigungspflicht verletzte und dies nicht offenlegte, muss sie für den Sachmangel der Skulpturen einstehen und der Erbengemeinschaft die Differenz zwischen Kaufpreis und Wert als Schaden ersetzen.

Damit bestätigt das OLG im Wesentlichen ein vorhergehendes Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf. Dieses richtete sich auch gegen den früheren Ehemann, der jedoch seine Berufung zurückgenommen hat. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Beklagte eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegen. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 2.2.2021, 3 U 22/19, PM Nr. 5/2021)

Ehescheidung: Zeitliche Grenze des Anspruchs auf nachehezeitliche Überlassung der Ehewohnung

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste jetzt die Frage beantworten, wie lange nach Rechtskraft der Scheidung ein Ehegatte vom anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen kann, wenn diese im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht.

Die Beteiligten bewohnten während ihrer Ehe gemeinsam eine Wohnung, die im Alleineigentum des Antragstellers steht. Seit der Trennung im Jahr 2014 und auch über die seit Dezember 2015 rechtskräftige Scheidung hinaus nutzt die Antragsgegnerin die Wohnung allein. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung, die sie im Jahr 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertrug. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie sein Herausgabeverlangen. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht (AG) einen Räumungs- und Herausgabeantrag gestellt. Diesem hat das AG mit einer Räumungsfrist entsprochen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der BGH hat auch die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zwar ist der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht durchsetzbar, solange das Ehewohnungsverfahren eröffnet ist. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung handelt, ist dabei nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen. Das Ehewohnungsverfahren ist jedoch immer eröffnet, wenn es sich bei den Räumen auch während des Getrenntlebens in rechtlicher Hinsicht um die Ehewohnung gehandelt hat.

Diese Sperrwirkung ist im Ergebnis aber zeitlich begrenzt. Denn ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung erlöschen nicht nur die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung, sondern auch diejenigen auf Überlassung der Ehewohnung, wenn sie nicht vorher rechtshängig gemacht worden sind.

Im Fall des BGH war die Jahresfrist längst abgelaufen, ohne dass die Antragsgegnerin Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung gerichtlich geltend gemacht hat. Da ihr auch nicht aus anderen Gründen, etwa einer sonstigen Vereinbarung zwischen den Beteiligten, ein Recht zum Besitz an der Wohnung zusteht, war sie verpflichtet, die Wohnung herauszugeben. (BGH, Beschluss vom 10.3.2021, XII ZB 243/20, PM Nr. 51/21)

Elterliche Sorge: Wenn die Eltern über Schutzimpfungen des Kindes uneinig sind …

Die Entscheidung über das Durchführen von Schutzimpfungen für ein gemeinsames Kind kann bei Uneinigkeit der Eltern auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientiert. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. wies daher die Beschwerde eines Vaters zurück.

Sachverhalt

Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Die Mutter möchte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen. Der Vater ist damit nicht einverstanden und verlangt eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Die Mutter hat deshalb vor dem Amtsgericht (AG) beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen zu übertragen. Diesem Antrag hat das AG stattgegeben.

Kindeswohl im Blick

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen werden. Die Entscheidung über das Durchführen von Schutzimpfungen sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest. Dabei sei die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, „dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird“. Gehe es um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, sei die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der insoweit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge.

Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ersetzt Gerichtsgutachten

Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen auf einen Elternteil könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt werden, „dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, wenn im Einzelfall kein Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht“.

Es könne davon ausgegangen werden, „dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter über vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept im Sinne der Rechtsprechung darstellt“, begründet das OLG. Bei der Abwägung zwischen Risiken im Fall einer Impfung und Risiken bei unterbleibender Impfung könne die Entscheidung auf den Elternteil übertragen werden, der den fachlichen Empfehlungen der STIKO folge. Diesen Empfehlungen komme die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu.

Da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Situation unter Berücksichtigung etwaiger Kontraindikationen ärztlich zu prüfen sei, bedürfe es auch keiner allgemeinen, unabhängig von einer konkreten Impfung vorzunehmenden gerichtlichen Aufklärung der Impffähigkeit des Kindes. Der Sorge des Vaters um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang selbst trügen die Empfehlungen der STIKO ebenfalls Rechnung. Für den Impfvorgang werde von der STIKO eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen. Dass diese Empfehlungen vorliegend unzureichend seien, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8.3.2021, 6 UF 3/21, PM Nr. 18/2021 vom 18.3.2021)

Ehescheidung: Nicht immer können Schwiegereltern Schenkungen zurückfordern

Mit einer zurückverlangten Schenkung hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg befasst. Kann eine Schwiegermutter von einem „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ ausgehen, wenn die Ehe scheitert, und daraufhin ihren ehemaligen Schwiegersohn zur Kasse bitten?

Das war der Sachverhalt

Die Klägerin, die Schwiegermutter des Ehemanns, verlangte von diesem 37.600 Euro zurück. Sie argumentierte, es liege ein sogenannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vor: Der Grund für die Schenkung sei die Förderung der Ehe zwischen ihrer Tochter und dem Ehemann gewesen. Ihre Erwartung, dass die Ehe Bestand haben werde, habe sich nicht erfüllt. Sie könne daher den Wert der Schenkung abzüglich eines Abschlags für die Zeit, die die Ehe noch bestanden habe, herausverlangen.

So argumentierte der Ex-Ehemann

Der Ehemann wies den Anspruch zurück. Er trug vor, die Klägerin habe die Wohnung ohnehin nicht mehr haben wollen, weil sie sich mit den Mietern gestritten habe und Renovierungsarbeiten angestanden hätten. Er und seine ehemalige Frau hätten viel Geld in die Wohnung gesteckt.

Schenkung: Keine Gegenleistung erforderlich

Das OLG Oldenburg bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts (AG) Osnabrück, nach der kein sogenannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vorliege und der Ehemann daher keine Rückzahlung schulde.

Es habe sich um eine Schenkung gehandelt, deren Rechtsnatur es nun einmal sei, dass keine Gegenleistung geschuldet sei und dass sie grundsätzlich nur bei einer schweren Verfehlung des Beschenkten gegen den Schenker zurückgefordert werden könne.

Beachten Sie | Etwas anderes könne bei der Übertragung einer Immobilie an das Kind und Schwiegerkind als Familienheim gelten. In einem solchen Fall einer zur Selbstnutzung geschenkten Immobilie bestehe ein direkter Zusammenhang mit der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sodass unter Umständen beim Scheitern der Ehe eine Rückforderung in Frage komme.

Begründung des Oberlandesgerichts

Hier sei aber die Immobilie als Renditeobjekt geschenkt und genutzt worden. Die Klägerin habe daher nicht damit rechnen können, dass die Immobilie langfristig für die Lebens- und Beziehungsgestaltung der Ehegatten genutzt werde. Hinzu komme, dass Motiv für die Schenkung nicht nur die Ehe der Tochter, sondern auch das Ersparen weiteren Ärgers mit den Mietern und der Renovierungsaufwendungen gewesen sei. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass allein der Fortbestand der Ehe die Geschäftsgrundlage für die Übertragung gewesen sei. Eine Rückforderung komme daher nicht in Betracht. (OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.10.2020, 11 UF 100/20, PM Nr. 3/21 vom 26.1.2021)

Ehescheidung: Was geschieht mit der Brautgabe nach der Scheidung?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat sich jüngst mit der Frage befasst, wie im Fall der Scheidung eine Brautgabe und Brautschmuck rechtlich zu behandeln sind.

Das war der Sachverhalt

Die Antragstellerin, eine türkische Staatsangehörige, und der Antragsgegner mit deutscher Staatsangehörigkeit sind beide in Deutschland geboren und aufgewachsen. Im November 2015 heirateten sie standesamtlich. Im April 2016 schlossen sie vor einem Imam mit drei Trauzeugen die religiöse Ehe. In der Heiratsurkunde zu dieser religiösen Eheschließung versprach der Antragsgegner der Antragstellerin eine Brautgabe von 7.000 Euro. Im Anschluss an die religiöse Eheschließung feierten die Eheleute mit vielen Gästen, die ihnen Geld und Gold schenkten, unter anderem 10 goldene, dreifach gewundene Armreifen, ein Goldschmuckset aus vier Teilen und 6 türkische Goldmünzen. Doch schon im Februar 2017 trennten sich beide, später wurde die Ehe geschieden.

Brautgabe und Brautschmuck („taki“) verlangt

Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner u. a., die versprochene Brautgabe zu zahlen und das anlässlich der Hochzeitsfeier geschenkte Gold herauszugeben.

Die erste Instanz lehnte ab

Vor dem Amtsgericht (AG) Gelsenkirchen hatte sie damit keinen Erfolg. Die Vereinbarung über die Brautgabe sei so das AG unwirksam, da sie nicht notariell beurkundet worden sei. Die Antragstellerin könne auch nicht das geschenkte Gold für sich beanspruchen, weil sie nicht die alleinige Eigentümerin des Goldes geworden sei und es sich nicht mehr im Besitz des Antragsgegners befinde. Gegen diesen Beschluss hat sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde zum OLG gewandt.

So argumentierte das Oberlandesgericht

Das OLG hat den Sachverhalt zum Teil anders als das AG bewertet: Das islamische Recht ordne eine Brautgabe als zwingende Zuwendung des Bräutigams an die Braut an. Sie sei zu unterscheiden von der Mitgift, die die Braut von ihrer Familie erhalte.

Beachten Sie | Solange die Brautgabe noch nicht ausgezahlt und damit vollzogen worden sei, bedürfe die getroffene Vereinbarung über die Brautgabe zu ihrer Wirksamkeit wie bei einer Schenkung der notariellen Beurkundung.

Weil die Antragstellerin die Brautgabe hier noch nicht erhalten habe und das Brautgabeversprechen nicht notariell beurkundet worden sei, könne die Antragstellerin den versprochenen Betrag von 7.000 Euro zwar nicht von ihrem ehemaligen Ehemann verlangen. Aber er müsse ihr das Gold herausgeben. Indem der Antragstellerin sämtliche Schmuckstücke bei der Hochzeitsfeier „umgehängt“ und damit übergeben worden seien, habe sie allein das Eigentum hieran erworben.

Hochzeitsfeier nach türkischer Tradition

Außer Streit stehe dabei, dass die Hochzeitsfeier nach türkischer Tradition abgehalten worden sei und die Beteiligten türkischstämmig gewesen seien. Vor dem Hintergrund der kulturellen Vorstellungen der ehemaligen Eheleute habe das der Braut übergebene Gold damit dem Zweck gedient, sie für den Fall des Scheiterns oder der Scheidung der Ehe abzusichern. In diesem Zusammenhang existiere der Begriff „taki“, der wörtlich zu übersetzen sei als das, was „angesteckt oder umgehängt werde“. Zwar gebe es bei Geschenken an die Braut viele lokale Bräuche. Soweit es aber um die angesteckten Schmuckstücke gehe, sei gesicherte Erkenntnis, dass diese der Braut allein zur Absicherung dienen und deshalb in ihr alleiniges Eigentum übergehen sollten.

Einigung erzielt

Nach diesen rechtlichen Hinweisen des Senats haben sich die ehemaligen Eheleute in einem Anhörungstermin geeinigt: Der Antragsgegner ersetzt der Antragstellerin den Wert des Goldschmucks, den er bereits zum Teil ohne Einverständnis seiner ehemaligen Ehefrau veräußert hatte (knapp 6.000 Euro). Die Brautgabe muss er nicht zahlen. (OLG Hamm, Anhörungstermin vom 17.6.2020, 12 UF 183/19, PM vom 28.1.2021)

Erbrecht: Wer den gemeinschaftlichen Erbschein bestellt, muss ihn auch bezahlen

„Wer die Musik bestellt, muss auch bezahlen.“ Auf diese Formel ließe sich ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bringen.

Das war geschehen

Nach dem Tod des Erblassers, der Eigentümer eines Grundstücks war, trat gesetzliche Erbfolge ein. Erben waren die Ehefrau sowie die Kinder des Erblassers. Eine Tochter beantragte offenbar gegen den Willen der übrigen Miterben einen gemeinschaftlichen Erbschein, der auch erteilt wurde. Auf Basis dieses Erbscheins wurde das Grundbuch berichtigt. Das Nachlassgericht stellte der Tochter für die Erteilung des Erbscheins Kosten von gut 1.800 Euro in Rechnung. Die Tochter beglich die Rechnung zwar. Sie forderte aber von den übrigen Miterben, die Kosten anteilig zu erstatten. Diese weigerten sich. Zu Recht, wie jetzt der BGH entschied.

Antragsteller = Kostenschuldner

Ein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich besteht nicht, da im Verhältnis zur Gerichtskasse keine Gesamtschuld der Parteien besteht. Kostenschuldner ist allein der Antragsteller. Ein Anspruch aus „gemeinschaftlicher Verwaltung des Nachlasses“ scheitert bereits daran, dass die Tochter keine Einigung der Miterben über die Beantragung eines Erbscheins dargelegt habe. Ein Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag schied ebenfalls aus, da sie den Erbschein gegen den Willen der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft beantragt hatte.

Grundbuchberichtigung nicht zwingend erforderlich

Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche wurden verneint. Es fehle bereits an einer herauszugebenden Bereicherung. Die übrigen Miterben hätten durch die Beantragung des Erbscheins keine Aufwendungen erspart, die ihnen ansonsten zwingend ebenfalls entstanden wären. Die Miterbenstellung ergibt sich bereits aus dem Gesetz und setzt keinen Antrag auf einen Erbschein voraus. Auch zu der anschließenden Grundbuchberichtigung für die zwingend ein Erbschein erforderlich ist sei die Erbengemeinschaft bereits kurz nach dem Erbfall nicht aufgrund grundbuchrechtlicher Vorgaben verpflichtet gewesen. (BGH, Urteil vom 7.10.2020, IV ZR 69/20)

Unterhaltsleitlinien: Beinahe alle OLG haben ihre Leitlinien aktualisiert

Zum 1.1.21 ist die Düsseldorfer Tabelle geändert worden. Die meisten Oberlandesgerichte haben ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien angepasst. Die folgende Übersicht zeigt, wo Sie diese abrufen können:

Erbrecht: Testamentarischer Ausschluss aller Verwandten aus der Erbfolge

Dass ein Erblasser Verwandte aus der Erbfolge ausschließt, ist keine Seltenheit. Doch wie ist es rechtlich zu beurteilen, wenn er die gesamte Verwandtschaft ausschließt? Ist seinem Willen buchstäblich zu folgen? Oder lässt die Formulierung Interpretationsspielraum zu? Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart jetzt entschieden.

Die Erblasserin hatte in ihrem Testament „alle Verwandten und angeheirateten Verwandten“ von der Erbschaft ausgeschlossen. Diese seien „mitleidlos gegenüber unserem Vertreibungsschicksal gewesen“. Und weiter: „Wir wurden von den Verwandten lächerlich gemacht! Das tut sehr weh!“.

Trotz dieser klaren Worte beantragte der Bruder der Erblasserin das alleinige Erbe. Das Land Baden-Württemberg vertrat allerdings die Ansicht, das Erbe falle an den Staat, denn die Verwandten seien ja komplett als Erben ausgeschlossen worden.

Nein sagt das OLG. Zwar könne ein Erblasser durchaus alle Verwandten von der Erbschaft ausschließen. Er müsse dann auch nicht weitere Erben nennen. In solchen Fällen müsse aber die Formulierung stets im Zusammenhang mit dem gesamten Testament gesehen werden auch wenn sie eigentlich klar und eindeutig scheint. „Was wollte der Erblasser mit seinen Worten sagen?“ Diese Frage stehe im Vordergrund, so das OLG. Der wirkliche Wille gehe dem buchstäblichen vor.

Dem im Testament wiedergegebenen Motiv der Erblasserin für den Ausschluss „der Verwandten“ lässt sich nach Ansicht des OLG entnehmen, dass die Erblasserin mit diesem Personenkreis ihren Bruder nicht mitumfasst wissen wollte. Im Testament unterscheidet die Erblasserin den mit „wir“ beschriebenen Personenkreis von dem der „Verwandten“. „Verwandte“ sind diejenigen, die sich nach Vorstellung der Erblasserin nicht hinreichend empathisch mit dem Vertriebenenschicksal gezeigt haben. „Wir“ umfasst diejenigen, die dieses Schicksal innerhalb der Familie selbst erlitten haben. Die Differenzierung nach diesen Personengruppen zeigt sich deutlich in dem Satz „Wir wurden von den Verwandten lächerlich gemacht!“ Dass die Erblasserin den Bruder nicht zu „den Verwandten“, sondern zu dem in der ersten Person Plural umschriebenen Personenkreis zählte, wird im Satz „Unser Leben ist eine offene Wunde sagte unsere leidgeprüfte tapfer geduldige Mutter!“ deutlich.

Zwar konnte bei der so vorgenommenen Auslegung die von der Erblasserin getroffene Regelung kaum praktisch relevant werden. Denn der Bruder wäre als einziger gesetzlicher Erbe der zweiten Ordnung auch ohne die Verfügung Alleinerbe geworden. Die Ausschlussregelung hätte im Fall seines Vorversterbens oder für den Fall seiner Erbschaftsausschlagung aber dennoch Bedeutung erlangen können. Ebenso ist denkbar, dass die Erblasserin bei der Regelung von der irrigen Vorstellung ausging, dass die genannten Verwandten neben dem Bruder primär zu Erben berufen sein könnten.

Letztlich wollte das OLG auch nicht ausschließen, dass die Erblasserin schlicht das von ihr empfundene Unrecht im Wege des Testaments noch einmal ausdrücklich betonen wollte, auch wenn sich die getroffene Regelung auf die erbrechtlichen Folgen ihres Ablebens nicht auswirken sollte. (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.11.2020, 8 W 359/20)

Mitwirkungspflichten: Jobcenter hat Anspruch auf Kenntnis des Namens des Kindesvaters einer Leistungsbezieherin

Beim Bezug von Sozialleistungen muss eine hilfebedürftige Alleinerziehende dem Jobcenter im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten den Namen des ihr bekannten Kindesvaters nennen, damit mögliche Unterhaltsansprüche realisiert werden können. Dem steht weder das Persönlichkeitsrecht noch eine eingegangene Verpflichtung der alleinerziehenden Kindesmutter entgegen, den Namen des Vaters nicht zu nennen. So sieht es das Sozialgericht (SG) Gießen.

Darum ging es

Streitig war die Höhe von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, insbesondere die Anrechnung von Unterhaltsleistungen. Die 1971 geborene alleinerziehende Klägerin steht beim beklagten Jobcenter im Leistungsbezug. Mit Bescheid versagte dieses die Leistungen ab August 2019 teilweise monatlich und legte der Berechnung hierbei einen Unterhaltsanspruch des 2007 geborenen Sohnes der Klägerin nach der Düsseldorfer Tabelle gegen den Kindesvater zugrunde. Ihr Widerspruch blieb erfolglos.

Klage war teilweise erfolgreich

Fiktive Unterhaltszahlungen sind auf den Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, solange die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten durch das Nennen des Kindesvaters nicht nachkommt. Das Jobcenter habe, so das SG, zu Recht die Leistungen teilweise versagt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch kein Recht, die Auskunft über den Namen des leiblichen Vaters ihres Sohnes zu verweigern. Es bestehe kein überragend schützenwertes Interesse der Klägerin an der Verweigerung der Vaterschaftsauskunft, das die hochrangigen Kindesinteressen, die Interessen des leiblichen Vaters sowie die gesetzlich ausdrücklich geschützten fiskalischen Interessen der nur behelfsmäßig zahlungspflichtigen staatlichen Gemeinschaft deutlich überwiegen würde.

Gleichwohl könne das Jobcenter, wie hier geschehen, nicht von der höchsten Stufe 10 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen 5.101 bis 5.500 Euro monatlich) bei der Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen ausgehen. Abzustellen sei vielmehr auf den durchschnittlichen Nettoarbeitslohn eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, sodass Stufe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen zwischen 1.901 und 2.300 Euro monatlich) zugrunde zu legen sei. Statt des vom Jobcenter angerechneten fiktiven Unterhalts sei daher ein geringerer monatlicher Betrag anzurechnen. (SG Gießen, Gerichtsbescheid vom 4.12.20, S 29 AS 700/19)

Revisionsurteil: Werbung für Schwangerschaftsabbruch: Verurteilung rechtskräftig

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Revision einer Ärztin verworfen, die auf ihrer Website nicht nur darüber informiert hatte, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt würden, sondern auch ausführliche Informationen über das „Wie“ veröffentlicht hatte. Damit könne sie sich nicht auf eine an sich mögliche Ausnahme von der Strafbarkeit berufen.

Die Angeklagte betreibt in Gießen eine Arztpraxis. Sie führt dort Schwangerschaftsabbrüche durch. Über ihre Tätigkeit informiert sie auf ihrer Website. Im November 2017 ist sie vom Amtsgericht (AG) Gießen wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das LG Gießen verwarf ihre Berufung gegen dieses Urteil. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung unter Hinweis auf die inzwischen geänderte Gesetzeslage. Das LG hat daraufhin das angefochtene Urteil geändert und die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 100 EUR verurteilt. Das Urteil enthält umfangreiche Feststellungen zum Internetauftritt der Angeklagten.

Das OLG hat die hiergegen eingelegte Revision der Angeklagten verworfen. Die Angeklagte habe auf ihrer Website über eine eigene Schaltfläche offeriert, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und die hierfür verwendeten Methoden sowie den konkreten Ablauf erläutert. Dies erfülle objektiv die Voraussetzungen des Anbietens von Diensten zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise anzunehmende Straffreiheit lägen hier nicht vor. (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.12.2020, 1 Ss 96/20; PM Nr. 4/21 vom 19.1.2021)