Teilbürgschaften: Wann kann ein Bauunternehmen Sicherheiten austauschen?

Ein Auftragnehmer möchte seinen Sicherheitseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft ablösen. Er möchte den Betrag in zwei Bürgschaften aufsplitten. Ist das in irgendeiner Form problematisch? Es ist diesbezüglich nichts vertraglich vereinbart.

Antwort: Das Aufsplitten der Bürgschaft wird man dem Auftragnehmer wohl nicht verwehren können. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hat diese Vorgehensweise für zulässig erachtet.

Dieses Begehren hat in der Regel den Hintergrund, dass der Bürge das Volumen für Einzelbürgschaften für den Auftragnehmer limitiert hat. Dann bleibt nur die Möglichkeit zu splitten. Vorsicht ist nur angesagt, wenn die Teilbürgschaften unterschiedliche Sicherungszwecke haben sollen (also z. B. eine Bürgschaft für Bauteil A und eine für Bauteil B). Davon würden wir abraten. Denn wenn Sie dann einen teuren Mangel am Bauteil A haben, haftet dafür nur die eine der beiden Bürgschaften. Ihr Auftraggeber hätte dann also nur die halbe Sicherheit. Außerdem gibt es Mängel, die sich nicht ohne Weiteres einzelnen Bauteilen zuordnen lassen oder mehrere betreffen. (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.12.2014)

VOB/B: Bauvertragsrecht 2018: VOB/B bleibt unverändert

Die VOB/B bleibt auch im Zeitalter des seit 1.1.2018 geltenden – neuen – Bauvertragsrechts im BGB unverändert. Es besteht zumindest derzeit kein Aktualisierungsbedarf. Das hat der beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit angesiedelte Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) bekannt gegeben.

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) wird vom DVA, einem von den Interessengruppen der öffentlichen Auftraggeber und der Auftragnehmer paritätisch besetzten Gremium, erarbeitet und fortgeschrieben. In ihr sind Bestimmungen für die Vergabe von Bauaufträgen öffentlicher Auftraggeber sowie Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen geregelt. Der DVA präferiert eine Weiterentwicklung der VOB/B, hält es jedoch für erforderlich, zunächst die Diskussion zum BGB-Bauvertrag in der Fachwelt und die Rechtsprechung zu beobachten. Eine Neuregelung der VOB/B wären zum aktuellen Zeitpunkt verfrüht. Die Praxis müsste sich zeitgleich zum Inkrafttreten des gesetzlichen Bauvertragsrechts im BGB auch auf eine veränderte VOB/B einstellen, die erforderliche Rechtssicherheit neuer VOB/B-Regelungen wäre mangels gesicherter Auslegung des BGB-Bauvertrags jedoch nicht gewährleistet. (Beschluss zur VOB/B vom 18.1.2018)

Honorarrecht: „Du kannst den Schampus aufmachen“: Mündlicher Auftrag ist erteilt

 „… Das heißt, du kannst schon mal ein Fläschchen Schampus auf den Zuschlag für das Projekt aufmachen, wenn deine Konditionen (wovon wir aufgrund unserer gemeinsamen Erfahrungen ausgehen) fair, nachvollziehbar und finanzierbar sind. Herzlichen Glückwunsch!“ Hat ein Auftraggeber dem Unternehmer ein solches oder ähnliches Statement zukommen lassen, gilt das als mündliche Auftragserteilung.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz – vom BGH gebilligt – entschieden. Die Entscheidung betrifft das ständige Thema in der Planungspraxis, ob ein mündlicher Auftrag erteilt wurde. Im Zweifel gilt: Wer behauptet, muss beweisen. Konkret: Will der Unternehmer Honorar für Planungsleistungen abrechnen, muss er den Beweis antreten, dass ein Vertrag mündlich zu Stande gekommen ist. „Auftraggeber-Zurufe“ wie hier kommen ihm dabei sehr zupass. Sie sind nämlich der Beleg dafür, dass ein mündlicher Auftrag erteilt worden ist. (OLG Koblenz, Urteil vom 20.11.2014, 1 U 372/14)

Bauvertragsrecht: Vertragsstrafe wegen Überschreitung des Fertigstellungtermins

Eine Vertragsstrafe kann sich nur auf einen einvernehmlich verschobenen neuen Fertigstellungstermin beziehen, wenn sie ausdrücklich auch für diesen neuen Termin vereinbart worden ist.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Dabei wiesen die Richter darauf hin, dass zumindest bei der Veränderung der Ausführungsfrist festgelegt worden sein muss, dass im Übrigen die vertraglichen Bestimmungen (insbesondere zur Vertragsstrafe) trotzdem fortgelten sollen. Die Entscheidung beschäftigte sich dann auch noch mit der Höhe der Vertragsstrafe. Dabei kam das OLG zu dem Ergebnis, dass ein einprozentiger Satz pro Kalenderwoche und eine vorgesehene Obergrenze von fünf Prozent der Auftragssumme nicht unangemessen ist. (OLG Hamm, Urteil vom 12.7.2017, 12 U 156/16)

Bauüberwachung: Abnahme: Bekannte Mängel müssen erfasst werden

Mängel, die der Bauüberwachung bereits bei der Abnahme bekannt sind, müssen als solche mit einem Vorbehalt ins Abnahmeprotokoll nach VOB/B aufgenommen werden.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig klargestellt. Erfolgt das nicht, gehen die Mängelbeseitigungsansprüche des Bauherrn gegen den Bauunternehmer höchstwahrscheinlich verloren – und er wird die Bauüberwachung dafür in Haftung nehmen wollen. (OLG Schleswig, Urteil vom 18.12.2015, 1 U 125/14)

Straßennutzung: Sondernutzungserlaubnis für Absenken des Bordsteins

Will ein Anlieger den Bordstein einer Straße absenken, um eine Gehwegüberfahrt herzustellen, greift er in den Straßenkörper ein. Das ist nach dem Gesetzeswortlaut des Straßen- und Wegegesetzes NRW nicht mehr vom Anliegergebrauch gedeckt. Für eine solche Maßnahme wird daher eine Sondernutzungserlaubnis benötigt.

Hierauf wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hin. In der Sache selbst wird die Sondernutzungserlaubnis aufgrund einer Ermessensentscheidung erteilt. Diese hat sich an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Im Rahmen der Ermessensausübung der Straßenbaubehörde im Zusammenhang mit einer Sondernutzungserlaubnis kann die Abkehr von der früheren Praxis, im Einzelfall Genehmigungen zur Herstellung einer Bordsteinabsenkung zu erteilen, rechtlich bedenkenfrei sein. Eine möglicherweise durch früheres Verwaltungshandeln eingetretene Selbstbindung der Verwaltung kann durch Umstellung der Verwaltungspraxis ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen für die Zukunft wieder aufgehoben werden. Vorausgesetzt ist, dass dies auf sachgerechten Erwägungen beruht. (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.11.2017, 11 A 2758/15)

Bebauungsplan: Bebauungsplan ohne Ausfertigungsvermerk unwirksam

Ein Bebauungsplan leidet an einem formalen, zu seiner Unwirksamkeit führenden Mangel, wenn er vor seiner Bekanntmachung nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden ist. Mit der Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt und sichergestellt, dass der textliche und der zeichnerische Gegenstand der Satzung mit dem Willen des Rates im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung übereinstimmen.

Diese Klarstellung traf das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen. Die Richter erläuterten dazu, dass es in Nordrhein-Westfalen für die Ausfertigung von Bebauungsplänen genügt, wenn eine Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der Bürgermeister als Vorsitzender des Rats zeitlich nach dem Ratsbeschluss und vor der Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen hat. Die Vorgaben für die Ausfertigung eines aus mehreren Blättern bestehenden Bebauungsplans sind dagegen verletzt, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan weder einen Ausfertigungsvermerk aufweist, noch mit dem Bebauungsplan körperlich fest verbunden ist. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.10.2017, 7 D 94/15 NE)

Baulast: Wer den Eigentümer schlägt, verliert sein Wegerecht

Mit einer Baulast verpflichtet sich ein Grundstückseigentümer gegenüber der Baubehörde, z. B. das Grundstück als Zuwegung für Nachbargrundstücke zur Verfügung zu stellen. Die Baulast begründet eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nur gegenüber der Behörde. Ein privatrechtliches Nutzungsrecht des Eigentümers des begünstigten Grundstücks beinhaltet sie nicht. Daher darf der Eigentümer einem Nachbarn, der ihn tätlich angegriffen hat, das Befahren der Zuwegung verbieten.

Den übrigen Nachbarn muss er allerdings das Befahren weiterhin gestatten, so das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Die Parteien des Rechtsstreits sind Eigentümer nebeneinanderliegender Wohnungseigentumsanlagen. Der hintere Teil kann nur über einen Weg angefahren werden, der dem Kläger gehört. Dessen Voreigentümer hatte gegenüber der Baubehörde eine Baulast abgegeben. Danach durfte der Weg als Zufahrt für das Nachbargrundstück genutzt werden. Nachdem es handfesten Streit zwischen dem Kläger und einem der Beklagten mit tätlichen Auseinandersetzungen gegeben hatte, untersagte der Kläger allen Nachbarn die Durchfahrt.

Das Unterlassungsbegehren des Klägers war nur gegenüber dem tätlich gewordenen Nachbarn begründet. Die übrigen Nachbarn sind weiter berechtigt, den Weg zu benutzen, um zu den Stellplätzen ihrer Wohnungseigentumsanlage zu gelangen. Die Baulast hat hier sicherzustellen, dass die Nachbarn die hinteren Stellplätze ihrer Wohnungen erreichen können. Nur so kann die bauordnungsrechtlich notwendige Anzahl von Stellplätzen erfüllt werden. (OLG Hamm, Urteil vom 6.7.2017, 5 U 152/16)

Baustellensicherung: Wenn der Bauzaun umkippt, haftet der Bauunternehmer

Der Bauunternehmer, der einen Bauzaun aufgestellt hat, haftet für ihn grundsätzlich bis er wieder entfernt wird.

Hierauf wies das Amtsgericht München hin. In dem Fall war ein Bauzaun während eines Sturms auf einen geparkten Pkw gefallen und hatte diesen beschädigt. Die Baufirma verweigerte sich, den Schaden zu ersetzen. Sie wandte ein, der Zaun sei von ihr sicher aufgestellt worden. Erst nachdem das Kranunternehmen ihn ab- und wieder aufgebaut hätte, sei er unsicher geworden.

Das Amtsgericht gab dem Autobesitzer recht. Die von dem Bauzaun ausgehende Gefahr besteht grundsätzlich fort, bis sie von einem anderen übernommen wird. Das war hier nicht der Fall. Das Ab- und wieder Aufbauen durch die Kranfirma ändert an der Haftungsfrage nichts, da die Kranfirma nicht tatsächlich die Verkehrssicherungspflicht übernommen hat. (Amtsgericht München, Urteil vom 12.1.2017, 251 C 15396/16)

Architektenrecht: Honorar für Objekt-, Tragwerks- und TGA-Planung wird addiert

Paukenschlag zum neuen Vergaberecht vom OLG München: Bei einem Verwaltungsgebäude eines Wasserversorgers bilden Objekt-, Tragwerks- und TGA-Planung eine funktionale, wirtschaftliche und technische Einheit. Das hat zur Folge, dass die Honorare für diese Planungsleistungen bei der Schwellenwertberechnung addiert werden müssen.

Im Zuge der Erarbeitung des neuen Vergaberechts (VGV) wurde besonders intensiv über die Schätzung des Auftragswerts nach § 3 VgV diskutiert. Zunächst war es so, dass bei einem Bauvorhaben, für das verschiedene freiberufliche Leistungen beauftragt werden sollen, die Auftragswerte der jeweiligen Leistungen entsprechend einer losweisen Betrachtung addiert werden sollten. Diese funktionale Betrachtungsweise, die die Rechtsprechung des EuGH umgesetzt hätte, hätte dazu geführt, dass auch kleinteiligere Leistungen EU-weit hätten ausgeschrieben werden müssen. Diese Regelung war von Berufs- und Spitzenverbänden hart kritisiert worden. Der Verordnungsgeber hatte es deshalb bei der alten Fassung belassen. Und die hat das OLG München jetzt kassiert.

Die Entscheidung des OLG München provoziert nicht nur Nachprüfungsverfahren nicht berücksichtigter Bieter. Sie ist auch für solche Auftraggeber gefährlich, die für das Projekt Fördermittel gewährt bekommen haben. Stellt irgendjemand fest, dass der Auftrag hätte EU-weit ausgeschrieben werden müssen, droht eine (Teil-)Zurückforderung gewährter Zuwendungen. (OLG München, Beschluss vom 13.3.2017, Verg 15/16)