Corona-Pandemie: Beschäftigungsanspruch:Eishockeyspieler ist kein Schauspieler

Für Bühnenkünstler gewährt die Rechtsprechung pauschalierten Schadenersatz von bis zu sechs Monatsgagen pro Spielzeit, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers verletzt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun: Dieser Anspruch kann nicht auf den Profimannschaftssport übertragen werden.

Saisonabbruch in der Corona-Pandemie: Kläger durfte nicht spielen

Der Kläger ist Eishockeyspieler. Er stritt mit seinem Arbeitgeber über einen Schadenersatzanspruch. Sein Arbeitgeber, der Beklagte, hatte ihn in der Saison 2019/2020 nicht beschäftigt, da diese aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen wurde. Bis dahin fungierte er als Kapitän und Leistungsträger der Mannschaft.

Außerordentliche fristlose Kündigung

Die Beklagte sprach eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus und bot gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an und erhob eine Änderungsschutzklage. Daraufhin stellte die Beklagte den Kläger vom Mannschaftstraining frei. Durch einstweilige Verfügung erstritt der Kläger die Zulassung zum Trainingsbetrieb. Anschließend erfolgte eine außerordentliche fristlose Kündigung.

Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen und der fristlosen Kündigung fest. Die tatsächliche Teilnahme am Training wurde dem Kläger jedoch durchgängig verweigert. Er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Schadenersatz aufgrund der Weigerung der Beklagten, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Ihm sei ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden, da er als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im Mannschaftstraining habe weiterentwickeln und verbessern können. Dadurch habe sein Marktwert gelitten, denn ein Profimannschaftssportler bedürfe der ständigen Trainingspraxis. Die Beklagte habe sich ihm gegenüber durchgängig unlauter verhalten. Die Vorinstanzen gaben der Klage in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern statt und wiesen die weitergehende Klageforderung ab.

Kläger blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos

Vor dem BAG blieb der Kläger erfolglos. Er hat keinen Anspruch auf weiteren Schadenersatz wegen der Verletzung seines Beschäftigungsanspruchs. Zwar besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung und damit korrespondierend eine Pflicht des Arbeitgebers, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Die Beklagte hatte den Beschäftigungsanspruch auch schuldhaft verletzt, indem sie ihn vom Mannschaftstraining suspendiert hatte. Dies und die anschließende außerordentliche fristlose Kündigung seien zudem eine Maßregelung gewesen, da der Kläger lediglich in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hatte.

Der Kläger hat aber nicht ausreichend dargelegt, dass ihm infolge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein solcher Schaden entstanden sei. Zudem dürfen, so das BAG, Schadenersatzansprüche von Profimannschaftssportlern nicht in Anlehnung an die Rechtsprechung für andere Berufsgruppen, z. B. Bühnenkünstler, pauschalierend festgesetzt werden. Für die Schätzung des Schadens eines Profimannschaftssportlers bedürfe es greifbarer Tatsachen. Hieran fehlte es vorliegend. Mangels konkreter Anhaltspunkte könnte nur eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens erfolgen, die vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre.

Quelle: BAG, Urteil vom 29.2.2024, 8 AZR 359/22

Neutralitätsgebot: Verwaltung muss keine sichtbaren Religionssymbole dulden

Eine öffentliche Verwaltung kann das sichtbare Tragen von Zeichen, die weltanschauliche oder religiöse Überzeugungen erkennen lassen, verbieten, um ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen. Eine solche Regel ist nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal dieser Verwaltung angewandt wird und sich auf das absolut Notwendige beschränkt. So sieht es der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Verbot eines islamischen Kopftuchs

Eine belgische Gemeinde hatte einer Bediensteten, die als Büroleiterin ganz überwiegend ohne Publikumskontakt tätig ist, untersagt, am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch zu tragen. Anschließend änderte die Gemeinde ihre Arbeitsordnung und schrieb in der Folge ihren Arbeitnehmern strikte Neutralität vor: Das Tragen von auffälligen Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit verbot sie allen Arbeitnehmern, auch denen ohne Publikumskontakt. Die Büroleiterin fühlte sich diskriminiert und in ihrer Religionsfreiheit verletzt.

Lag Diskriminierung vor?

Dem mit dem Rechtsstreit befassten Arbeitsgericht (ArbG) Lüttich stellt sich die Frage, ob die von der Gemeinde aufgestellte Regel der strikten Neutralität eine gegen das Unionsrecht verstoßende Diskriminierung begründet. Der EuGH antwortete, dass die Politik der strikten Neutralität, die eine öffentliche Verwaltung ihren Arbeitnehmern gegenüber durchsetzen will, um bei sich ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen, als durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann.

Wertungsspielraum der Mitgliedsstaaten, wie „Neutralität“ ausgestaltet wird

Ebenso gerechtfertigt ist die Entscheidung einer anderen öffentlichen Verwaltung für eine Politik, die allgemein und undifferenziert das Tragen von sichtbaren Zeichen u. a. weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen, auch bei Publikumskontakt, gestattet, oder ein Verbot des Tragens solcher Zeichen beschränkt auf Situationen, in denen es zu Publikumskontakt kommt. Die Mitgliedsstaaten und die unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Einheiten verfügen über einen Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes, die sie in dem für sie spezifischen Kontext am Arbeitsplatz fördern wollen. Dieses Ziel muss aber in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, und die zu seiner Erreichung getroffenen Maßnahmen müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt sind.

Quelle: EuGH, Urteil vom 28.11.2023, C-148/22

Langzeitarbeitslosigkeit: Fehlender Arbeitsantritt als sozialwidriges Verhalten?

Die unterlassene Aufnahme einer Arbeit ist kein sozialwidriges Verhalten, wenn das Jobcenter den Betroffenen „allein lässt“ und nicht die nötige Hilfe leistet. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen entschieden.

Langzeitarbeitsloser bewarb sich jahrelang erfolglos

Zugrunde lag das Verfahren eines Langzeitarbeitslosen, der bis 2003 als Buchhalter gearbeitet hatte. Hiernach folgten Zeiten der Arbeitslosigkeit und verschiedene Hilfsarbeiten. Der Mann bewarb sich viele Jahre erfolglos als Buchhalter, bis das Jobcenter schließlich ab 2017 keine weiteren Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen übernahm. Es müsse ein Strategiewechsel stattfinden, insbesondere weil Bewerbungen als Buchhalter nach so langer Zeit nicht mehr erfolgversprechend seien. Überraschend erhielt der Mann dennoch 2019 einen Arbeitsvertrag als Buchhalter bei einer Behörde in Düsseldorf. Zur Arbeitsaufnahme kam es jedoch nicht, weil das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution für eine neue Wohnung ablehnte und er deshalb nicht umziehen konnte.

Kein Verschulden des Arbeitslosen

2020 machte das Jobcenter gegenüber dem Mann eine Erstattungsforderung wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend, da er nicht zum Einstellungstermin erschienen sei. Er müsse daher Grundsicherungsleistungen von rd. 6.800 Euro erstatten. Hiergegen klagte der Mann. Den Mietvertrag in Düsseldorf habe er nicht unterschrieben, weil er kein Geld für die Kaution gehabt habe und noch nicht aus seinem alten Mietvertrag entlassen gewesen sei. Das LSG hat die Rechtsauffassung des Klägers bestätigt. Der Nichtantritt einer außerhalb des Tagespendelbereichs gelegenen Arbeitsstelle stelle kein sozialwidriges Verhalten im Sinne eines objektiven Unwerturteils dar, wenn der Arbeitsuchende am künftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten könne, weil ihm selbst die Mittel für eine Mietkaution fehlten und das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution abgelehnt habe.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.1.2023, L 11 AS 336/21

Betriebsratsvorsitzender: Kündigungsrecht: Folgen bei Lügen im Prozess

Behauptet der Betriebsratsvorsitzende in einem gerichtlichen Verfahren vorsätzlich oder leichtfertig falsche Tatsachen, deren Unhaltbarkeit auf der Hand liegt, kann dies an sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.

Falsche Erklärung im Arbeitsgerichtsprozess abgegeben

Das LAG weiter: Gibt der Betriebsratsvorsitzende im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren eine falsche Erklärung ab, ist jedoch auf der Ebene der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass bei einem Zusammentreffen von amts- und arbeitsrechtlicher Pflichtverletzung ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist, soweit das Betriebsratsmitglied gerade durch die Amtsausübung in Konflikt mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten geraten ist.

Hier Außerordentliche Kündigung nicht möglich

Im Fall vor dem LAG ging es um den Vorwurf eines lediglich „angedeuteten Kopplungsgeschäfts“. Dies rechtfertigt nach Ansicht des LAG von vornherein keine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebsratsvorsitzenden, wenn die entsprechende Interpretation des ArbG zu einer Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden spekulativ bleibt, auch andere Auslegungsergebnisse ebenso gut vertretbar wären und der ArbG sich nicht einmal die Mühe gibt, schlicht nachzufragen und nachzuhaken, um den genauen Erklärungswillen hinter einer objektiv offen gehaltenen Äußerung in Erfahrung zu bringen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Beschluss vom 22.8.2023, 3 TaBV 10/23

Gleichbehandlung: Keine Diskriminierung Schwerbehinderter bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Widerruft ein Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst seine Einstellungszusage aufgrund eines ärztlichen Attests, ist dies keine Diskriminierung aufgrund einer Schwerbehinderung. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg.

Einstellungszusage widerrufen

Der an Diabetes erkrankte, schwerbehinderte Kläger bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung im Januar 2023 auf eine von der beklagten Stadt ausgeschriebene Ausbildungsstelle als Straßenwärter. Er erhielt eine Einstellungszusage vorbehaltlich einer noch durchzuführenden ärztlichen Untersuchung. Der Arzt kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger wegen seiner Diabetes-Erkrankung nicht für die vorgesehene Ausbildungsstelle geeignet sei. Die Einstellungszusage wurde daraufhin zurückgenommen. Der Kläger erhob Klage auf Entschädigung wegen einer aus seiner Sicht erfolgten Diskriminierung als schwerbehinderter Mensch.

Kein Verstoß gegen geltendes Recht

Das ArbG wies die Klage ab. Eine diskriminierende Handlung und ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seien nicht erkennbar.

Der Kläger sei von der Beklagten wegen seiner Behinderung nicht schlechter behandelt worden als vergleichbare nichtbehinderte Bewerber. Die Stadt habe bei der Entscheidung, den Kläger nicht einzustellen, nicht auf seine Behinderung abgestellt. Vielmehr habe man den Kläger ungeachtet seiner Behinderung gerade einstellen wollen und ihm demgemäß eine Einstellungszusage erteilt, diese jedoch vom Ergebnis einer gesundheitlichen Eignungsuntersuchung bzw. seiner Eignung abhängig gemacht.

Diese gesundheitliche Eignung sei dann von dem von ihr beauftragten Arzt verneint worden. Daraufhin habe die Beklagte unter Berufung auf den zum Ausdruck gekommenen Vorbehalt ihre Einstellungszusage zurückgezogen.

Quelle: ArbG Siegburg, Urteil vom 20.3.2024, 3 Ca 1654/23, PM 1/24

Corona-Pandemie: Entgeltfortzahlung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion und behördlicher Absonderungsanordnung

Eine SARS-CoV-2-Infektion stellt auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (hier: § 3 Abs. 1 EFZG) dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. Voraussetzung: Es muss dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich sein, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Abzug vom Verdienst nach Covid-Erkrankung

Der Kläger ist als Produktionsmitarbeiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt, einem Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie. Er hatte sich keiner Schutzimpfung gegen das Coronavirus unterzogen und wurde am 26.12.2021 positiv auf das Virus getestet. Für die Zeit vom 27. bis zum 31.12.2021 wurde dem unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen leidenden Kläger eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausgestellt. Für diese Zeit leistete die Arbeitgeberin Entgeltfortzahlung. Am 29.12.2021 erließ die Gemeinde N. eine Verfügung, nach der für den Kläger bis zum 12.1.2022 Isolierung (Quarantäne) in häuslicher Umgebung angeordnet wurde. Für die Zeit vom 3. bis zum 12.1.2022 lehnte der Arzt die Ausstellung einer Folge-AU mit der Begründung ab, das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung würden zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichen. Mit der Verdienstabrechnung für Januar 2022 nahm die Arbeitgeberin für diese Zeit vom Lohn des Klägers einen Abzug in Höhe von ca. 1.000 Euro brutto vor. Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer Zahlung dieses Betrags verlangt. Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung des Arbeitnehmers das Urteil des ArbG geändert und die Arbeitgeberin verurteilt, zu zahlen.

Bundesarbeitsgericht gab Arbeitnehmer Recht

Die Revision der Arbeitgeberin blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, ohne dass es darauf ankam, ob bei ihm durchgehend Symptome von COVID-19 vorlagen. Die SARS-CoV-2-Infektion stellt einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat.

Die Absonderungsanordnung ist keine eigenständige, parallele Ursache für Arbeitsunfähigkeit, vielmehr beruht das daraus resultierende Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion (Monokausalität). Diese ist die nicht hinwegzudenkende Ursache für die nachfolgende Absonderungsanordnung. Aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion war es dem Kläger rechtlich nicht möglich, die geschuldete Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten zu erbringen.

Es konnte auch nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das Unterlassen der empfohlenen Corona-Schutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion ursächlich war. Das Berufungsgericht hat hierbei zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt, dass die Nichtvornahme der Schutzimpfungen einen groben Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten darstellte. Jedoch ließen die wöchentlichen Lageberichte des RKI und dessen Einschätzung der Impfeffektivität nicht den Schluss zu, dass Ende Dezember 2021 bzw. Anfang Januar 2022 die beim Kläger aufgetretene Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der Schutzimpfung hätte verhindert werden können.

Der Arbeitnehmerin stand ein Leistungsverweigerungsrecht wegen nicht vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zu. Das LAG hatte richtig erkannt, dass der Kläger der Beklagten durch Vorlage der Ordnungsverfügung der Gemeinde N. in anderer, geeigneter Weise nachgewiesen hat, infolge seiner Corona-Infektion objektiv an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert zu sein.

Quelle: BAG, Urteil vom 20.3.2024, 5 AZR 234/23, PM 8/24

Fehlverhalten: Abmahnungen müssen konkret genug sein

In einem Fall vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf ging es im Wesentlichen um angeblich unangemessene Äußerungen des Arbeitnehmers gegenüber Kollegen über Mitarbeitern. Die daraufhin vom Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung hatte keinen Bestand, weil sie zu unbestimmt war.

Das war geschehen

Der Arbeitnehmer hatte die Äußerungen bestritten. Auf seine Frage im Personalgespräch, weshalb keine Namen derjenigen Arbeitnehmer genannt würden, die die Vorwürfe an die Personalbetreuung herangetragen hätten, äußerte die Personalreferentin, dass die Arbeitnehmer eingeschüchtert seien und sich lediglich vertraulich an die Vorgesetzten sowie die Personalbetreuung gewandt hätten. Auch in der Abmahnung selbst erfolgte keine namentliche Nennung.

So sah es das Arbeitsgericht

Das ArbG stellte klar: Dieser Vorgang reicht nicht für eine Abmahnung. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Arbeitnehmer sich tatsächlich in der ihm vorgeworfenen Art und Weise verhalten habe. Die Abmahnung sei inhaltlich zu unbestimmt. Die „anderen Mitarbeiter“, gegenüber denen er die Äußerungen getätigt haben soll, würden in der Abmahnung nicht benannt, obwohl sie dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Abmahnung unstreitig bekannt gewesen seien. Da sich die Anforderungen an die Konkretisierung der in der Abmahnung enthaltenen Rüge an dem orientierten, was der Arbeitgeber wissen könne, sei die Abmahnung nicht hinreichend konkret.

Für den Arbeitnehmer als Adressat der Abmahnung diene die konkrete Nennung der Namen der Zeugen auch dazu, zu überprüfen, ob die Abmahnung inhaltlich richtig sei oder nicht; pauschale Vorwürfe ohne die Nennung der Zeugen würden diese Anforderung nicht erfüllen. Der Arbeitgeber sei auch nicht berechtigt, zum Schutz der Zeugen die Namen in der Abmahnung nicht zu nennen. Hierdurch könne zwar ein Konflikt zwischen dem Arbeitnehmer und den Zeugen im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe entstehen. Einen solchen Konflikt müsse ein Arbeitgeber, der den Aussagen der Zeugen im Hinblick auf ein angebliches Fehlverhalten eines Arbeitnehmers vertraue, allerdings hinnehmen. Es sei auch nicht ersichtlich, welche konkrete Gefahr den Zeugen durch ihre Nennung in der Abmahnung drohe.

Quelle: ArbG Düsseldorf, Urteil vom 12.1.2024, 7 Ca 1347/23

Gesetzliche Unfallversicherung: Vom versicherten Arbeitsweg zum unversicherten Abweg

Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen. Zu den Arbeitsunfällen gehören auch Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Auch ein Abweichen von dem direkten Arbeitsweg kann unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich unfallversichert sein. Dabei muss aber ein ausreichender Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen bleiben. Eine solche Ausnahme kommt gesetzlich etwa für einen vom Arbeitsweg abweichenden Weg in Betracht, um ein Kind wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen. In einem solchen Zusammenhang hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nun eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen.

Begleitung auf dem Schulweg

Die Klägerin hatte ihre Tochter im Grundschulalter zu einem Sammelpunkt auf dem Schulweg begleitet, an dem sich eine Gruppe von Mitschülern für den restlichen Weg traf. Dieser Sammelpunkt lag, von der Wohnung der Klägerin aus gesehen, in entgegengesetzter Richtung zu ihrer Arbeitsstätte. Auf dem Weg von dem Sammelpunkt zur ihrer Arbeit, aber noch vor Erreichen des Wegstücks von ihrer Wohnung zur Arbeit, wurde die Klägerin als sie trotz einer roten Fußgängerampel eine Straße überquerte von einem PKW erfasst. Sie erlitt unter anderem eine Gehirnerschütterung und verschiedene Knochenbrüche.

Nachdem die zuständige gesetzliche Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnte, bekam die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart zunächst recht. Sie hatte insbesondere geltend gemacht, dass die Begleitung ihrer Tochter aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen sei.

Landessozialgericht: Kein Arbeitsweg

Auf die Berufung des Unfallversicherungsträgers hat das LSG Baden-Württemberg die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsunfall setze, wie der zuständige Senat klargestellt hat, u.a. voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Die Klägerin habe sich zwar im Unfallzeitpunkt objektiv auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden. Dies sei aber nicht hinreichend, denn das Überqueren der Straße am Unfallort zum Unfallzeitpunkt sei nicht auf dem direkten Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit erfolgt, sodass der erforderliche sachliche Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit fehle.

Entscheidend: nicht Umweg, sondern Abweg

Bewege sich der Versicherte wie vorliegend die Klägerin nicht auf einem direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem fort, handele es sich eben nicht um einen bloßen Umweg, sondern um einen Abweg. Werde der direkte Weg mehr als geringfügig unterbrochen und ein solcher Abweg allein aus eigenwirtschaftlichen, also nicht betrieblichen Gründen ebenfalls wie vorliegend zurückgelegt, bestehe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Klägerin habe auch bis zum Eintritt des Unfallereignisses die unmittelbare Wegstrecke zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht. Der Wegeunfallversicherungsschutz sei damit zum Unfallzeitpunkt noch nicht erneut begründet worden.

Keine Ausnahme gegeben

Es liege auch kein ausnahmsweise versicherter Abweg vor. Die Klägerin habe ihre Tochter nicht wie für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz insoweit erforderlich zum Sammelpunkt begleitet, um ihrer Beschäftigung nachzugehen, sondern allein und ausschließlich aus allgemeinen Sicherheitserwägungen zum Schutz der Tochter. Damit fehle vorliegend jeglicher sachlich-inhaltlich kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der Klägerin und dem Begleiten der Tochter. Denn erfasst würden keine Fälle, in denen das Kind in fremde Obhut unabhängig davon verbracht werde, ob der Versicherte seine Beschäftigung alsbald aufnehmen wolle. Schließlich stelle auch die Begleitung der Tochter zu einem Sammelpunkt der Kinder-„Laufgruppe“, von wo aus die Grundschulkinder gemeinsam den Schulweg beschritten, schon kein „Anvertrauen in fremde Obhut“ im Sinne des Gesetzes dar.

Beachten Sie: Wenn ein Unfall wie in dem dargestellten Fall nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung erfasst ist, wird Versicherungsschutz typischerweise durch die gesetzliche oder private Krankenversicherung gewährleistet. Auch sind Schülerinnen und Schüler allgemein- und berufsbildender Schulen während des Schulbesuchs sowie auf dem Schulweg gesetzlich unfallversichert.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2022, L 10 U 3232/21, PM vom 19.3.2024

Vergütungsanspruch: Vergütung eines Betriebsrats darf nur unter engen Voraussetzungen gekürzt werden

Das Landearbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat die Berufung der VW AG in einem Verfahren über den Vergütungsanspruch eines zu 100 % freigestellten Betriebsratsmitglieds zum größten Teil zurückgewiesen.

Vergütung gekürzt und Differenz für vier Monate zurückgefordert

Die VW AG hatte sich veranlasst gesehen, die Vergütung des Klägers, eines Betriebsrats, von der Entgeltgruppe 20 auf die Entgeltgruppe 18 zu reduzieren. VW hat deshalb vom Kläger die Vergütungsdifferenz gut 500 Euro im Monat für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 zurückgefordert.

Dem hat der Kläger unter Vorbehalt entsprochen. Außerdem bezahlt VW seitdem eine Vergütung nach Entgeltgruppe 18. Der Kläger verlangt von VW einerseits die von ihm gezahlte Vergütungsdifferenz zurück und begehrt zudem die Feststellung, dass VW weiterhin verpflichtet sei, ihm monatlich Vergütung nach Entgeltgruppe 20 zu zahlen. Damit war er in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht (ArbG) erfolgreich.

Berufung des Arbeitgebers erfolglos

Die dagegen von VW eingelegte Berufung ist überwiegend erfolglos geblieben. Die Berufungskammer hat den Vergütungsanspruch des Klägers als begründet angesehen. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine hypothetische Karriereentwicklung dargelegt und VW diese nicht ausreichend bestritten.

Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne Ausübung des Betriebsratsamtes die Entgeltgruppe 20 erreicht hätte. Die Entscheidung des ArbG hat daher mit geringfügigen Änderungen in Bezug auf den Zeitpunkt des beruflichen Aufstiegs des Klägers und der Verzinsung des Klageanspruchs Bestand.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urteil vom 8.2.2024, 6 Sa 559/23, PM vom 12.2.2024

Sonnenschaden: Polizist: Hautkrebs-Erkrankung keine Berufskrankheit

Ein ehemaliger Polizist hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit infolge früher wahrgenommener Tätigkeiten u.a. im Streifendienst. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden.

Der Kläger begründete, er sei während seiner nahezu 46-jährigen Dienstzeit zu erheblichen Teilen im Außendienst eingesetzt gewesen, ohne dass sein Dienstherr ihm Mittel zum UV-Schutz zur Verfügung gestellt oder auch auf die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen hingewiesen habe. Infolgedessen leide er unter Hautkrebs am Kopf, im Gesicht und an den Unterarmen.

Das VG hat die Ablehnung der Anerkennung als Berufskrankheit bestätigt, denn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall lägen hier nicht vor. Erforderlich ist im Fall von Hautkrebs durch UV-Strahlung, dass der Betroffene bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist, d. h. das Erkrankungsrisiko aufgrund der dienstlichen Tätigkeit in entscheidendem Maß höher als das der Allgemeinbevölkerung ist. Davon kann bei Polizeibeamten im Außendienst nicht die Rede sein. Polizisten bewegen sich in unterschiedlichen örtlichen Begebenheiten und nicht nur bei strahlendem Sonnenschein im Freien.

Quelle: VG Aachen, Urteil vom 15.4.2024, 1 K 2399/23, PM vom 15.4.2024