Schadenersatz: Nichträumung durch den Untermieter

Gibt ein Untermieter nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses über eine Wohnung und Räumung durch den Hauptmieter die untergemieteten Wohnräume an den Eigentümer nicht heraus und wird ihm eine gerichtliche Räumungsfrist gewährt, kann der Eigentümer von ihm Schadenersatz verlangen, und zwar in Höhe der vom Hauptmieter bei Nichträumung geschuldeten Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung. So hat es nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der BGH: Für den Vermieter wäre es unzumutbar, wenn die dem in der Wohnung verbliebenen Untermieter gewährte Räumungsfrist dazu führte, dass er trotz Vorenthaltung der gesamten Wohnung eine Nutzungsentschädigung nur in Höhe des Untermietzinses bzw. der ortsüblichen Miete für die untervermieteten Teile der Wohnung erhielte. Er stünde dann schlechter als im Verhältnis zum Hauptmieter, der während der Räumungsfrist die Nutzungsentschädigung in voller Höhe schuldet. (BGH, Urteil vom 11.12.2020, V ZR 26/20)

WEG: Anspruch auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung auch in Corona-Zeiten?

Haben Eigentümer einen Anspruch auf persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen auch während der Corona-Pandemie? Ja, sagt eindeutig das Landgericht (LG) Frankfurt a. M. Es sei aber auch nicht zu beanstanden, wenn der Verwalter in der Einladung Vertretungsmöglichkeiten bewerbe und sich bei der Größe des angemieteten Saals an der zu erwartenden Teilnehmerzahl orientiere.

Es darf allerdings nicht dazu kommen, dass nur die Teilnahme einzelner Personen gewährleistet ist oder direkt zu einer Vertreterversammlung geladen wird. Denn die Eigentümer haben nicht nur das Recht, ihren Willen durch Abstimmungsverhalten auszudrücken, sondern auch, durch Wortmeldungen auf der Versammlung die Mehrheit in Richtung der von ihnen gewünschten Willensbildung zu beeinflussen. Die Teilnahme an einer Versammlung ist ein elementares Kernrecht der Eigentümer. (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.12.2020, 2-13 S 108/20)

Unterhaltsleitlinien: Beinahe alle OLG haben ihre Leitlinien aktualisiert

Zum 1.1.21 ist die Düsseldorfer Tabelle geändert worden. Die meisten Oberlandesgerichte haben ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien angepasst. Die folgende Übersicht zeigt, wo Sie diese abrufen können:

Erbrecht: Testamentarischer Ausschluss aller Verwandten aus der Erbfolge

Dass ein Erblasser Verwandte aus der Erbfolge ausschließt, ist keine Seltenheit. Doch wie ist es rechtlich zu beurteilen, wenn er die gesamte Verwandtschaft ausschließt? Ist seinem Willen buchstäblich zu folgen? Oder lässt die Formulierung Interpretationsspielraum zu? Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart jetzt entschieden.

Die Erblasserin hatte in ihrem Testament „alle Verwandten und angeheirateten Verwandten“ von der Erbschaft ausgeschlossen. Diese seien „mitleidlos gegenüber unserem Vertreibungsschicksal gewesen“. Und weiter: „Wir wurden von den Verwandten lächerlich gemacht! Das tut sehr weh!“.

Trotz dieser klaren Worte beantragte der Bruder der Erblasserin das alleinige Erbe. Das Land Baden-Württemberg vertrat allerdings die Ansicht, das Erbe falle an den Staat, denn die Verwandten seien ja komplett als Erben ausgeschlossen worden.

Nein sagt das OLG. Zwar könne ein Erblasser durchaus alle Verwandten von der Erbschaft ausschließen. Er müsse dann auch nicht weitere Erben nennen. In solchen Fällen müsse aber die Formulierung stets im Zusammenhang mit dem gesamten Testament gesehen werden auch wenn sie eigentlich klar und eindeutig scheint. „Was wollte der Erblasser mit seinen Worten sagen?“ Diese Frage stehe im Vordergrund, so das OLG. Der wirkliche Wille gehe dem buchstäblichen vor.

Dem im Testament wiedergegebenen Motiv der Erblasserin für den Ausschluss „der Verwandten“ lässt sich nach Ansicht des OLG entnehmen, dass die Erblasserin mit diesem Personenkreis ihren Bruder nicht mitumfasst wissen wollte. Im Testament unterscheidet die Erblasserin den mit „wir“ beschriebenen Personenkreis von dem der „Verwandten“. „Verwandte“ sind diejenigen, die sich nach Vorstellung der Erblasserin nicht hinreichend empathisch mit dem Vertriebenenschicksal gezeigt haben. „Wir“ umfasst diejenigen, die dieses Schicksal innerhalb der Familie selbst erlitten haben. Die Differenzierung nach diesen Personengruppen zeigt sich deutlich in dem Satz „Wir wurden von den Verwandten lächerlich gemacht!“ Dass die Erblasserin den Bruder nicht zu „den Verwandten“, sondern zu dem in der ersten Person Plural umschriebenen Personenkreis zählte, wird im Satz „Unser Leben ist eine offene Wunde sagte unsere leidgeprüfte tapfer geduldige Mutter!“ deutlich.

Zwar konnte bei der so vorgenommenen Auslegung die von der Erblasserin getroffene Regelung kaum praktisch relevant werden. Denn der Bruder wäre als einziger gesetzlicher Erbe der zweiten Ordnung auch ohne die Verfügung Alleinerbe geworden. Die Ausschlussregelung hätte im Fall seines Vorversterbens oder für den Fall seiner Erbschaftsausschlagung aber dennoch Bedeutung erlangen können. Ebenso ist denkbar, dass die Erblasserin bei der Regelung von der irrigen Vorstellung ausging, dass die genannten Verwandten neben dem Bruder primär zu Erben berufen sein könnten.

Letztlich wollte das OLG auch nicht ausschließen, dass die Erblasserin schlicht das von ihr empfundene Unrecht im Wege des Testaments noch einmal ausdrücklich betonen wollte, auch wenn sich die getroffene Regelung auf die erbrechtlichen Folgen ihres Ablebens nicht auswirken sollte. (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.11.2020, 8 W 359/20)

Mitwirkungspflichten: Jobcenter hat Anspruch auf Kenntnis des Namens des Kindesvaters einer Leistungsbezieherin

Beim Bezug von Sozialleistungen muss eine hilfebedürftige Alleinerziehende dem Jobcenter im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten den Namen des ihr bekannten Kindesvaters nennen, damit mögliche Unterhaltsansprüche realisiert werden können. Dem steht weder das Persönlichkeitsrecht noch eine eingegangene Verpflichtung der alleinerziehenden Kindesmutter entgegen, den Namen des Vaters nicht zu nennen. So sieht es das Sozialgericht (SG) Gießen.

Darum ging es

Streitig war die Höhe von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, insbesondere die Anrechnung von Unterhaltsleistungen. Die 1971 geborene alleinerziehende Klägerin steht beim beklagten Jobcenter im Leistungsbezug. Mit Bescheid versagte dieses die Leistungen ab August 2019 teilweise monatlich und legte der Berechnung hierbei einen Unterhaltsanspruch des 2007 geborenen Sohnes der Klägerin nach der Düsseldorfer Tabelle gegen den Kindesvater zugrunde. Ihr Widerspruch blieb erfolglos.

Klage war teilweise erfolgreich

Fiktive Unterhaltszahlungen sind auf den Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, solange die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten durch das Nennen des Kindesvaters nicht nachkommt. Das Jobcenter habe, so das SG, zu Recht die Leistungen teilweise versagt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch kein Recht, die Auskunft über den Namen des leiblichen Vaters ihres Sohnes zu verweigern. Es bestehe kein überragend schützenwertes Interesse der Klägerin an der Verweigerung der Vaterschaftsauskunft, das die hochrangigen Kindesinteressen, die Interessen des leiblichen Vaters sowie die gesetzlich ausdrücklich geschützten fiskalischen Interessen der nur behelfsmäßig zahlungspflichtigen staatlichen Gemeinschaft deutlich überwiegen würde.

Gleichwohl könne das Jobcenter, wie hier geschehen, nicht von der höchsten Stufe 10 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen 5.101 bis 5.500 Euro monatlich) bei der Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen ausgehen. Abzustellen sei vielmehr auf den durchschnittlichen Nettoarbeitslohn eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, sodass Stufe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen zwischen 1.901 und 2.300 Euro monatlich) zugrunde zu legen sei. Statt des vom Jobcenter angerechneten fiktiven Unterhalts sei daher ein geringerer monatlicher Betrag anzurechnen. (SG Gießen, Gerichtsbescheid vom 4.12.20, S 29 AS 700/19)

Revisionsurteil: Werbung für Schwangerschaftsabbruch: Verurteilung rechtskräftig

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Revision einer Ärztin verworfen, die auf ihrer Website nicht nur darüber informiert hatte, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt würden, sondern auch ausführliche Informationen über das „Wie“ veröffentlicht hatte. Damit könne sie sich nicht auf eine an sich mögliche Ausnahme von der Strafbarkeit berufen.

Die Angeklagte betreibt in Gießen eine Arztpraxis. Sie führt dort Schwangerschaftsabbrüche durch. Über ihre Tätigkeit informiert sie auf ihrer Website. Im November 2017 ist sie vom Amtsgericht (AG) Gießen wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das LG Gießen verwarf ihre Berufung gegen dieses Urteil. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung unter Hinweis auf die inzwischen geänderte Gesetzeslage. Das LG hat daraufhin das angefochtene Urteil geändert und die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 100 EUR verurteilt. Das Urteil enthält umfangreiche Feststellungen zum Internetauftritt der Angeklagten.

Das OLG hat die hiergegen eingelegte Revision der Angeklagten verworfen. Die Angeklagte habe auf ihrer Website über eine eigene Schaltfläche offeriert, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und die hierfür verwendeten Methoden sowie den konkreten Ablauf erläutert. Dies erfülle objektiv die Voraussetzungen des Anbietens von Diensten zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise anzunehmende Straffreiheit lägen hier nicht vor. (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.12.2020, 1 Ss 96/20; PM Nr. 4/21 vom 19.1.2021)

Architektenhonorar: Wird die Rechnungsstellung aufgeschoben, kann der Architektenvertrag nichtig werden

Vereinbaren Architekten mit ihrem Auftraggeber einen Aufschub bei der Rechnungsstellung, kann das zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Der Architekt verliert nicht nur seinen Honoraranspruch, sondern macht sich auch der Schwarzarbeit strafbar. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einem Architekten ins Stammbuch geschrieben.

Das sagt das Steuerrecht

Das Umsatzsteuergesetz schreibt vor: Führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung zu stellen. Damit gilt auch für planerische Leistungen eines Architekten für Umbau und Neubau die Pflicht, eine Rechnung innerhalb von sechs Monaten zu erteilen.

Der Fall des Oberlandesgerichts

Im Fall des OLG Düsseldorf war der Auftraggeber des Architekten ein Investor, der selbst Bauleistungen erbrachte. Im Prozessverlauf stellte sich heraus: Es war vereinbart, dass der Auftraggeber die Planungsleistungen zum einen durch anteilige Honorarzahlung und zum zweiten durch die unentgeltliche Erbringung von Bauleistungen für das Privathaus des Architekten vergüten werde. Diese Gegenleistung erfolgte nicht, weil man sich vorher zerstritten und der Investor den Vertrag gekündigt hatte. Folglich so das Gericht hatte also erst die Kündigung eine Rechnungsstellung veranlasst. Hätte es die Kündigung nicht gegeben, hätte der Architekt keine Rechnung gestellt.

Leistungen außerhalb der steuerlichen Rechtsordnung

Für das OLG war klar: Die o. g. Verabredung und der zeitliche Abstand von Leistungserbringung und Schlussrechnungen (mehr als die o. g. sechs Monate) waren Beleg dafür, dass die Leistungen außerhalb der steuerlichen Rechtsordnung hätten belassen werden sollen. Damit lag dann Schwarzarbeit vor.

OLG: Klare Regeln

Entsprechend klar stellte das OLG folgende Regeln auf:

1. Erbringt ein Architekt planerische Leistungen für einen Um- und Neubau, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen.

2. Stellt der Architekt keine Rechnung aus oder vereinbaren die Parteien einen Aufschub der Rechnungsstellung, ist der Architektenvertrag nichtig.

3. Sprechen mehrere Indizien für Schwarzarbeit, genügt es nicht, wenn eine oder beide Parteien die Vereinbarung von Schwarzarbeit schlicht leugnen. Die Häufung von Indizien kann vielmehr dazu Anlass geben, automatisch einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsverbot anzunehmen. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2020, 22 U 73/20)

Bauüberwachungspflicht: Abdichtungsmängel: Architekt haftet

Kommt ein Architekt, der mit der Bauaufsicht beauftragt wurde, Überwachungspflichten nicht hinreichend nach, gilt: Er kann für Feuchtigkeitsschäden haften, die durch unsachgemäßes Verschweißen von Bitumenbahnen entstanden sind. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden.

Das OLG hebt hervor: Abdichtungsarbeiten sind besonders gefahrgeneigte Arbeiten. Kommt es bei derartigen Arbeiten zu Ausführungsmängeln, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Architekt seine Bauüberwachungspflicht verletzt hat. Dies gelte, obwohl Abdichtungsarbeiten eine handwerkliche Selbstverständlichkeit sind. Denn sie sind für den Erfolg des Gesamtwerks mitentscheidend. Folglich kann vom Architekten erwartet werden, dass er diese Arbeiten (hier: Schweißarbeiten) kontrolliert. (OLG München, Endurteil vom 20.1.2021, 20 U 2534/20 Bau)

Architektenhonorar: Vortrag vor Gericht muss schon in der ersten Instanz passen

Um eine Honorarforderung vor Gericht durchzusetzen oder Schadenersatzansprüche abzuwehren, müssen Architekten ihre Sachargumente in der ersten Instanz vollständig vortragen. Es gilt, von Anfang an sämtliche Argumente und Leistungen schlüssig darzulegen. Die Folge: Vergisst der Architekt etwas und verliert er den Prozess in der ersten Instanz, kann er den entsprechenden Sachvortrag in der nächsten Instanz so gut wie nie nachholen.

Diese Rechtslage hat das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigt. Eine Berufung setzt im Regelfall nämlich voraus, dass sie Aussicht auf Erfolg hat, in der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung vorliegt, die Fortbildung des Rechts gefördert wird und sie eine einheitliche Rechtsprechung unterstützt.

Die Entscheidung ist rechtskräftig. (OLG München, Beschluss vom 20.9.2019, 28 U 2914/17)

Stellenausschreibung: Alterseinschränkung für persönliche Assistentin einer schwerbehinderten Frau

Eine Stellenausschreibung benachteiligt eine Bewerberin um eine Anstellung als „Persönliche Assistentin“ einer schwerbehinderten Frau zwar wegen ihres Alters, wenn ein bestimmtes Alter gewünscht und genannt wird. Die hohen beruflichen Anforderungen der Tätigkeit rechtfertigen dies aber. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Assistenzdienst, der behinderte Menschen in allen Belangen rund um das Thema „Persönliche Assistenz“ unterstützt. Durch „Persönliche Assistenten“ sollen Menschen mit Behinderungen ihr Leben selbstbestimmt leben, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und/oder seelischen Einschränkungen. Die Beklagte berät diese von der Beantragung des Budgets bis hin zur Bewilligung durch den Kostenträger. Ferner steht sie ihnen bei der Mitarbeitersuche zur Seite. Dies betrifft unterschiedliche Dienste, wie etwa Arbeitsassistenz, Alltagsassistenz, Freizeitassistenz, Elternassistenz, Studienassistenz oder auch 24-Stunden-Assistenz. Im Rahmen der Unterstützung bei der Mitarbeitersuche betreibt die Beklagte als Stellenmarkt auch ein Internetportal. Die behinderten Menschen können dort ein Stellenangebot inserieren. Die Beklagte stellt ihnen vorab einen Fragebogen zur Verfügung, in dem sie Wünsche im Hinblick auf die Person des Assistenten angeben können, wie etwa Geschlecht oder Alter. Bei erfolgreicher Vermittlung schließen die behinderten Menschen einen Dienstleistungsvertrag und die Assistenzperson einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten. Im August 2018 bewarb sich die Klägerin auf eine Stellenausschreibung im o. g. Internetportal der Beklagten. Hierin suchte eine 28jährige schwerbehinderte Studentin eine „Persönliche Assistentin“ in allen Lebensbereichen des Alltags, die am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein sollte. Die Beklagte wies die Bewerbung der 50 Jahre alten Klägerin mit der Begründung zurück, sie habe sich aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern für einen anderen Bewerber entschieden.

So entschied das Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe eines potenziellen Bruttomonatsengelts von 1.770 Euro zu zahlen. Denn durch die Stellenausschreibung werde die Klägerin wegen ihres Alters ungerechtfertigt benachteiligt. Das Alter stelle keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Assistenz eines behinderten Menschen dar. Die Beklagte könne sich nicht auf das Selbstbestimmungsrecht des behinderten Menschen berufen, denn dessen Selbstbestimmungsrecht werde nicht berührt. Bei persönlichen Assistenzleistungen komme es in erster Linie auf die vom Alter unabhängige zwischenmenschliche Beziehung und Empathie an.

Andere Sichtweise der höheren Instanz

Das sah das LAG anders. Zwar benachteilige die Stellenausschreibung die Klägerin wegen ihres Alters. Dies sei hier aber aufgrund der beruflichen Anforderungen der Tätigkeit der persönlichen Assistenz gerechtfertigt. Die Beklagte verfolge mit der Anstellung „Persönlicher Assistenten“, deren Anforderungsprofil individuell von dem behinderten Menschen vorgegeben wird und deren Beschäftigung zur Erfüllung dieser Vorgaben erfolgt, auch sozialpolitische Ziele, die im Allgemeininteresse liegen. Die Realisierung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung liegt im Allgemeininteresse. Assistenzleistungen sind ein vom Gesetzgeber anerkanntes Mittel zur Verwirklichung des sozialpolitischen Ziels. Das Instrument der „Persönlichen Assistenz“ ist ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Realisierung des Ziels, das die Klägerin nicht übermäßig benachteiligt, da ihr die Beschäftigung in anderen Formen der Assistenz verbleibt. (LAG Köln, Urteil vom 27.5.2020, 11 Sa 284/19)