Schadenersatz: Mietwagenkosten auch ohne Ersatzbeschaffung

Auch wenn der Geschädigte nach dem Unfall mit Totalschaden keinen anderen Pkw kauft, muss der Versicherer die Mietwagenkosten erstatten, soweit er den Verzicht auf ein Ersatzfahrzeug sinnvoll erklären kann. Es kann nicht daraus geschlossen werden, dass ein Nutzungswille fehlt, entschied jetzt das Amtsgericht (AG) Bochum.

Der Unfall hatte dazu geführt, dass der (ältere) Geschädigte sich nach und nach im Straßenverkehr nicht mehr sicher fühlte. Daraufhin gab er das Autofahren auf. Bereits das Nutzen des Mietwagens zeige aber, so das AG, dass der Geschädigte ursprünglich einen Nutzungswillen hatte. (AG Bochum, Urteil vom 19.11.2020, 45 C 139/20)

Hinterbliebenengeld: Auf konkrete gesundheitliche Auswirkungen kommt es nicht an

Mit dem Berechnungsansatz von Hinterbliebenengeld nach einem Verkehrsunfalltod hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz befasst. Es stellt klar: Hinterbliebenengeld ist kein Ausgleich für den Verlust eines Lebens, sondern eine Entschädigung für die Trauer und das seelische Leid, den dieser auslöst.

Das war geschehen

Der Kläger hatte wegen des Unfalltods seines Sohnes den Unfallgegner sowie den Halter und die Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten Fahrzeugs auf Zahlung von Hinterbliebenengeld in Anspruch genommen. Dabei hatte er ein hälftiges Mitverschulden seines Sohnes am Zustandekommen des Unfalls eingeräumt. Die Haftpflichtversicherung zahlte unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 Prozent ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 3.750 Euro. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Hinterbliebenengeld sei höher anzusetzen und die Zahlung von weiteren 8.750 Euro geltend gemacht.

Das entschied die Vorinstanz

Das Landgericht (LG) sah einen Zahlungsanspruch von lediglich weiteren 750 Euro, mithin ein Hinterbliebenengeld in Höhe von insgesamt 4.500 Euro (50 Prozent von 9.000 Euro). Hierbei orientierte es sich daran, dass der Gesetzgeber in seiner Kostenschätzung von einer durchschnittlichen Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro ausgegangen sei und bemaß den konkreten Betrag ähnlich einem Schmerzensgeld.

Das entschied das Oberlandesgericht

Das OLG Koblenz hat diesen Berechnungsansatz bestätigt und eine Berufung des Klägers daher für nicht erfolgversprechend eingeschätzt. Seine Begründung: Was der Verlust eines Menschen für seine Hinterbliebenen bedeutet, kann nicht in Geld bemessen werden. Das Hinterbliebenengeld ist daher auch kein Ausgleich für den Verlust eines Lebens. Es ist vielmehr eine Entschädigung für die Trauer und das seelische Leid, die durch den Verlust eines besonders nahestehenden Menschen ausgelöst werden.

10.000 Euro als Richtschnur

Für die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist weder eine feste Ober- noch eine feste Untergrenze vorgegeben. Eine Orientierungshilfe bietet jedoch die im Gesetzgebungsverfahren vorgenommene Kostenschätzung, bei der ein durchschnittlicher Entschädigungsbetrag von 10.000 Euro zugrunde gelegt wurde. Ausgehend hiervon wird die konkrete Höhe des Hinterbliebenengeldes im Einzelfall nach denselben Grundsätzen bestimmt, die bei der Bemessung eines Schmerzensgeldes, das wegen des Todes eines nahen Angehörigen zu zahlen ist, gelten.

Schmerzensgeld geht vor

Es ist aber zu berücksichtigen, dass das Hinterbliebenengeld gegenüber einem Anspruch auf Schmerzensgeld nachrangig ist und die Fälle abdeckt, in denen die Trauer und das seelische Leid bei dem Hinterbliebenen nicht zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung wie sie Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schmerzensgeldes ist geführt haben. Das Hinterbliebenengeld wird daher im Regelfall nicht die Höhe eines Schmerzensgeldes erreichen. (OLG Koblenz, Beschluss vom 31.8.2020, 12 U 870/20; PM vom 13.1.2021)

Bußgeldverfahren: Besser kein Handy zwischen Ohr und Schulter

Die Nutzung eines zwischen Ohr und Schulter eingeklemmten Mobiltelefons während der Fahrt kann ein Bußgeld nach sich ziehen. Dies hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden.

Auf einem im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Messfoto war zu erkennen, dass die Fahrzeugführerin ein Mobiltelefon zwischen der Schulter und dem Kopf eingeklemmt hatte. Sie hatte im gerichtlichen Verfahren auch eingeräumt, dass sie dieses zum Telefonieren genutzt habe. Sie habe aber das Telefon bereits vor Fahrtantritt in der abgebildeten Haltung gehabt und war der Auffassung, dass es sich hierbei nicht um ein „Halten“ im Sinne der Verordnung handele, da dieses ein Halten in der Hand voraussetzte. Gleichwohl war sie vom Amtsgericht (AG) zu einem Bußgeld verurteilt worden, wogegen sie sich mit der Rechtsbeschwerde zur Wehr setzen wollte.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das OLG ausgeführt: Sprachlich setze das „Halten“ eines Gegenstands nicht notwendig die Benutzung der Hände voraus. Das Bußgeld stehe auch mit dem Zweck der Verordnung in Einklang: In dem Einklemmen des Mobiltelefons liege ein erhebliches Gefährdungspotenzial, weil das Risiko bestehe, dass das Mobiltelefon sich aus seiner „Halterung“ lösen könne und den Fahrer dann zu unwillkürlichen Reaktionen verleite, um zu verhindern, dass es etwa im Fußraum des Fahrzeugs unauffindbar wird. Bereits um diesem Risiko entgegenzuwirken, werde der Fahrer einen ansonsten dem Verkehrsgeschehen zuzuwendenden Teil seiner Aufmerksamkeit seinem Mobiltelefon schenken. Dieser Umstand unterscheide eine solche Nutzung eines Mobiltelefons auch von der mittels einer Freisprecheinrichtung, bei der sich der Fahrer um die Stabilität der Halterung regelmäßig keine Gedanken machen müsse. (OLG Köln, Beschluss vom 4.12.2020, III-1 RBs 347/20; PM vom 20.1.2021)

Schadenersatz: Schutzpflichten von Pflegeheimen gegenüber demenzkranken Bewohnern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner darf bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit leicht zugänglichen und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden.

Das war geschehen

Die Klägerin nimmt die Beklagte, die ein Alten- und Pflegeheim betreibt, auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Der Ehemann der Klägerin lebte seit Februar 2014 in dem Pflegeheim. Er war hochgradig dement und litt unter Gedächtnisstörungen sowie psychisch-motorischer Unruhe. Zudem war er örtlich, zeitlich, räumlich und situativ sowie zeitweise zur Person desorientiert. Die Notwendigkeit besonderer Betreuung bestand wegen Lauftendenz, Selbstgefährdung, nächtlicher Unruhe und Sinnestäuschungen.

Die Beklagte brachte ihn in einem Zimmer im dritten Obergeschoss (Dachgeschoss) unter, das über zwei große Dachfenster verfügte, die gegen unbeaufsichtigtes Öffnen nicht gesichert waren. Der Abstand zwischen Fußboden und Fenstern betrug 120 Zentimeter. Vor den Fenstern befanden sich ein 40 Zentimeter hoher Heizkörper sowie in 70 Zentimeter Höhe eine Fensterbank, über die man gleichsam stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte. Im Juli 2014 stürzte der Heimbewohner aus einem der beiden Fenster. Dabei erlitt er schwere Verletzungen, an denen er trotz mehrerer Operationen und Heilbehandlungen im Oktober 2014 verstarb.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe geeignete Schutzmaßnahmen zur Verhinderung des Fenstersturzes unterlassen. Es hätten zwingende Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung vorgelegen. Ihr Ehemann sei gerade aufgrund seiner Demenz im Pflegeheim der Beklagten untergebracht worden. Daher stelle die Unterbringung im dritten Obergeschoss in einem Zimmer, dessen Fenster leicht zu öffnen gewesen seien, eine erhebliche Pflichtverletzung dar.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht (LG) hat die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) war nicht erwiesen, dass die Beklagte ihre vertraglichen Obhutspflichten oder die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Der Sturz habe sich im normalen, alltäglichen Gefahrenbereich ereignet, der der jeweils eigenverantwortlichen Risikosphäre des Geschädigten zuzurechnen sei. Vorkehrungen gegen das Hinausklettern des Bewohners über das Fenster hätten nur getroffen werden müssen, wenn mit einer solchen Selbstgefährdung wegen seiner Verfassung und seines Verhaltens (ernsthaft) hätte gerechnet werden müssen. Hierfür fehlten hinreichende Anhaltspunkte. Sein geistiger Zustand und das daraus resultierende inadäquate Verhalten hätten es nicht erforderlich gemacht, Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Fenster zu ergreifen.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat der Revision der Klägerin stattgegeben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Der Heimbetreiber hat die Pflicht, unter Wahrung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts der ihm anvertrauten Bewohner, diese vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen. Welchen konkreten Inhalt die Pflicht hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines körperlich oder geistig beeinträchtigten Heimbewohners zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Maßgebend ist, ob wegen der Verfassung des pflegebedürftigen Bewohners ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte. Dabei muss allerdings auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen.

Daher darf bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr ein an Demenz erkrankter Heimbewohner, bei dem unkontrollierte und unkalkulierbare Handlungen jederzeit möglich sind, nicht in einem zumal im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit unproblematisch erreichbaren und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung besteht hingegen keine Pflicht zu vorbeugenden Sicherungsmaßnahmen.

Die Sichtweise des OLG, die Beklagte und das betreuende Pflegepersonal hätten Vorkehrungen gegen ein Heraussteigen des Bewohners aus einem der Fenster seines Heimzimmers für entbehrlich halten dürfen, ist unvollständig und somit rechtsfehlerhaft, so der BGH. Denn es hat für die o. g. Abwägungsentscheidung wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt.

Bei dem Bewohner lagen schon zu Beginn seines Aufenthalts im Pflegeheim der Beklagten schwere Demenzerscheinungen vor, wie oben beschrieben. Da die leicht zu öffnenden, nicht gesicherten Fenster in dem Zimmer des Bewohners über den davor befindlichen Heizkörper und das Fensterbrett gleichsam treppenartig erreicht werden konnten, war es ohne Weiteres möglich, zur Fensteröffnung zu gelangen und nach draußen auf eine 60 Zentimeter tiefe horizontale Dachfläche zu treten. Bei dieser Sachlage konnten unkontrollierte und unkalkulierbare selbstschädigende Handlungen infolge von Desorientierung und Sinnestäuschungen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, wobei auch ein Verlassen des Zimmers über ein leicht zugängliches, möglicherweise sogar geöffnetes Fenster in Betracht gezogen werden musste. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein solcher Unglückfall nahelag, da auch eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, Sicherungspflichten des Heimträgers auslösen kann. Dies hat das OLG übersehen.

Im neuen Verfahren wird das Berufungsgericht ggf. sachverständig beraten im Rahmen einer medizinischen Risikoprognose das gesamte Krankheitsbild des Bewohners und insbesondere seine durch ausgeprägte Demenzerscheinungen gekennzeichnete geistige und körperliche Verfassung sorgfältig bewerten müssen. (BGH, Urteil vom 14.1.2021, III ZR 168/19; PM Nr. 7/21 vom 14.1.2021)

Corona-Pandemie: Wenn Reisender und Reiseveranstalter vom Vertrag zurücktreten …

Das Amtsgericht (AG) Stuttgart hat sich kürzlich mit der Rückerstattung des Reisepreises für eine COVID-19-bedingt stornierte Reise auseinandergesetzt. Zunächst hatte die Reisende die Reise abgesagt, nachdem die Pandemie im Reiseland ausgebrochen war. Daher berechnete das Reisebüro Stornogebühren. Als später eine allgemeine Reisewarnung ausgesprochen wurde, sagte der Reiseveranstalter seinerseits ab, bestand aber auf die Stornogebühr. Das lehnte das AG Stuttgart ab.

Das AG sprach Klartext: Tritt der Reiseveranstalter berechtigt vom Vertrag zurück, entfällt sein Vergütungsanspruch. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Reisende bei seinem vorherigen Rücktritt berechtigterweise auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände berufen hatte. (AG Stuttgart, Urteil vom 23.10.2020, 3 C 2852/20)

Ausbildungsförderung: Arbeitslosengeld II für behinderten Teilzeit-Studenten

Ein Teilzeitstudium ist nicht nach dem BAföG förderungsfähig. Denn es nimmt die Arbeitskraft des Studierenden nicht voll in Anspruch. Teilzeit-Studierende können aber Arbeitslosengeld II beanspruchen. Dies entschied jetzt das Landessozialgericht (LSG) Darmstadt.

Behinderter Teilzeit-Student beantragt Arbeitslosengeld II

Ein 1978 geborener und an Epilepsie erkrankter Mann studierte ab dem Jahr 2012 Theologie. Er brach dieses Studiums wieder ab und nahm im Jahr 2018 ein Studium der Geschichts- und Kulturwissenschaften auf. Die Universität gewährte dem Studenten aufgrund seiner chronischen Erkrankung ein Studium in Teilzeit.

Sein BAföG-Antrag wurde im Februar 2020 wegen des Fachrichtungswechsels abgelehnt. Daraufhin lehnte das Jobcenter den Antrag des Studenten auf Arbeitslosengeld II ab.

Teilzeit-Studierende ohne BAföG nicht von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen

Das LSG verurteilte das Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Studenten Arbeitslosengeld II zu gewähren. Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, hätten über die Leistungen nach dem SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die gesetzliche Regelung bezwecke, dass Ausbildungsförderung nur über das dafür vorgesehene System (BAföG) gewährleistet werde. Ein Teilzeitstudium sei nach dem BAföG jedoch nicht förderungswürdig, weil es die Arbeitskraft des Studierenden nicht voll in Anspruch nehme. Sogenannte Hartz IV-Leistungen seien in diesen Fällen nicht ausgeschlossen.

Ob in Teilzeit studiert werde, sei für das jeweilige Semester zu entscheiden und richte sich nicht nach den Verhältnissen der gesamten Ausbildung.

Der Beschluss ist unanfechtbar. (LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2020, L 9 AS 535/20 B ER; PM Nr. 1/21 vom 12.1.2021)

Corona-Pandemie: Hunde dürfen weiter frisiert werden

Viele Menschen warten nach der fortdauernden Schließung im Friseurhandwerk darauf, dass sie ab dem 1. März 2021 endlich wieder einen akkuraten Haarschnitt erhalten dürfen. Neid auf Vierbeiner könnte die folgende Entscheidung auslösen: Die Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Hundefriseurin in einem Hundesalon ist nicht durch die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7.1.2021 verboten. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster jetzt festgestellt.

Mit dem Beschluss hat das Gericht dem Eilantrag einer Hundefriseurin aus Emsdetten stattgegeben. Die Stadt Emsdetten hatte der Antragstellerin am 17.12.2020 auf Anfrage mitgeteilt, nach den Regelungen des neuerlichen Lockdowns, nach denen das öffentliche Leben bis auf die Versorgung mit Lebensmitteln und wichtigen Gütern des täglichen Bedarfs praktisch komplett herunterzufahren sei, sei der Hundefriseursalon der Antragstellerin vorläufig bis zum 10.1.2021 zu schließen. Hiergegen hatte sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das VG gewandt.

Das Gericht gab dem Antrag nun mit der Begründung statt: Die Coronaschutzverordnung auch in der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung vom 7.1.2021 verbiete die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin nicht. Hiernach seien Dienstleistungen und Handwerksleistungen untersagt, bei denen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden nicht eingehalten werden könne, insbesondere Friseurdienstleistung, Gesichtsbehandlung, Kosmetik, Nagelpflege, Maniküre, Massage, Tätowieren und Piercen. Im Übrigen blieben Einrichtungen des Handwerks und des Dienstleistungsgewerbes geöffnet, z. B. Reinigungen, Waschsalons, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten und Autovermietung. Die Antragstellerin biete als Hundefriseurin Dienst- bzw. Handwerksleistungen an. Der Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden werde nach deren Angaben eingehalten. Danach werde der Hund des Kunden unter Wahrung eines Abstands von 1,5 Metern an der Tür in Empfang genommen und das Entgelt in einer vor dem Haus auf einer Bank liegenden Dose deponiert, wobei sich einzelne Kunden nicht begegneten.

Soweit in der Coronaschutzverordnung exemplarisch aufgeführt sei, dass Friseurdienstleistungen untersagt seien, beziehe sich dies allein auf Friseurdienstleistungen, die an Menschen erbracht würden. Dies werde durch den Vergleich zu den ebenfalls aufgeführten Beispielen in der Verordnung bestätigt, wonach z. B. Kfz- und Fahrradwerkstätten geöffnet blieben. Auch hier komme es notwendigerweise zu einem Kontakt zwischen Dienstleister bzw. Handwerker und Kunde, wobei aber bei der Übergabe der zu reparierenden Sache die Unterschreitung eines Abstands von 1,5 Metern zur Erfüllung der Dienstleistung nicht erforderlich sei. Ebenso verhalte es sich bei der Übergabe eines Hundes zu Zwecken des Frisierens und Krallenschneidens. (VG Münster, Beschluss vom 11.1.2021, 5 L 7/21; PM vom 13.1.2021)

Vertragsrecht: Wenn die Bank den Darlehensvertrag unberechtigt kündigt …

Eine Bank, die einen Darlehensvertrag unberechtigterweise kündigt, verletzt ihre vertraglichen Pflichten. Sie muss dem Darlehensnehmer den hieraus entstehenden Schaden ersetzen. So hat es das Landgericht (LG) Bonn jetzt entschieden.

Die Bank hatte wegen der angeblichen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse des Darlehensnehmers das Darlehen gekündigt. Doch das stimmte nicht. Sie muss dem Darlehensnehmer nun die kündigungsbedingten Anwaltskosten und die Abschlusskosten für den darlehensabsichernden Bausparvertrag erstatten. Der Darlehensnehmer muss sich nicht einmal die ersparten Zinsen anrechnen lassen. Der Deckungsdarlehensvertrag wurde nämlich niedriger verzinst.

Das LG: Die Bank genügt ihren Pflichten nicht, wenn sie den Kündigungsgrund nur auf Plausibilität prüft. Sie muss vielmehr vollständig prüfen und alle Erkenntnisquellen ausschöpfen. Ist der Kündigungsgrund also falsch, wird auf das Verschulden der Bank geschlossen. (LG Bonn, Urteil vom 17.9.2020, 19 O 251/19)

Mietvertrag: Immer wieder Ärger bei Flächenabweichungen „nach unten“

Weicht die im Mietvertrag ausgewiesene Fläche der Wohnung oder der Gewerbeimmobilie von den tatsächlichen Gegebenheiten ab, kommt es oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen der Mietvertragsparteien bis hin zu den höchsten Gerichten. Meist wollen die Mieter dann, dass die Miete an die tatsächliche Fläche angepasst wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun ein Machtwort für zwei in der Praxis häufige Konstellationen gesprochen.

Unterschreitung der Fläche: Sachmangel

Der BGH hat zum einen klargestellt: Unterschreitet die vertraglich vereinbarte Fläche die dem Mieter vom Vermieter tatsächlich überlassene, stellt dies einen Sachmangel der Mietsache dar. Dies gilt auch dann, wenn die Flächendifferenz die Folge von nach Abschluss des Mietvertrags erfolgten Umbauarbeiten ist, durch die diese Fläche dem angrenzenden Mietobjekt zugeschlagen worden ist.

Mietminderung mit Darlegungspflicht

Zum anderen hat der BGH entschieden: Weist bei der Miete von Geschäftsräumen die Mietfläche eine Größe auf, die um weniger als 10 Prozent unter der im Mietvertrag vereinbarten Fläche zurückbleibt, ist eine Mietminderung zwar grundsätzlich möglich. Der Mieter muss in diesem Fall jedoch konkret darlegen und gegebenenfalls auch beweisen, dass durch die Flächenabweichung der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt wird. (BGH, Urteil vom 25.11.2020, XII ZR 40/19)

Eigenbedarfskündigung: Wie lange muss der Vermieter den Mieter auf den Wegfall des Eigenbedarfs hinweisen?

Hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt, muss er den Mieter wenn er ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vermeiden will auf einen späteren Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hinweisen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Aber Achtung: Dieser Zeitpunkt ist für das Bestehen einer Hinweispflicht grundsätzlich auch maßgebend, wenn die Parteien in einem (gerichtlichen) Räumungsvergleich einen späteren Auszugstermin des Mieters vereinbaren. Der BGH lehnt also eine nachvertragliche Hinweispflicht des Vermieters ab. Er begründet dies mit Grundsätzen der Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes.

Darüber hinaus hat der BGH noch klargestellt: Der ersatzfähige (Kündigungsfolge-)Schaden eines Mieters nach einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter umfasst nicht die zum Zwecke des Eigentumserwerbs einer Wohnung angefallenen Maklerkosten. Das Landgericht (LG) hatte das noch anders gesehen und dem Mieter auch die Maklerkosten zugesprochen. Doch der BGH lehnte dies auch in einer Entscheidung vom gleichen Tag in einer anderen Sache ab. (BGH, Urteil vom 9.12.2020, VIII ZR 238/18)