Ladenöffnungsgesetz: Auch ohne Personal betriebene Verkaufsmodule dürfen an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat entschieden: Die von der Stadt Fulda verfügte Schließung von ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen an Sonn- und Feiertagen hat Bestand.

Das war geschehen

Die Antragstellerin und Inhaberin einer Supermarktkette betreibt im Gebiet der Stadt Fulda Verkaufsmodule, die an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr geöffnet sind und zu denen die Kunden nach einer digitalen Kontrolle Zugang erhalten. Angeboten werden dort Waren des täglichen Bedarfs, die digital bezahlt werden. An Sonn- und Feiertagen wird in diesen Verkaufsmodulen kein Personal eingesetzt.

Die Stadt Fulda hatte gegenüber der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung verfügt, die im Stadtgebiet aufgestellten Verkaufsmodule insbesondere an Sonn- und Feiertagen zu schließen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem gerichtlichen Eilantrag, den das Verwaltungsgericht (VG) Kassel ablehnte.

So sieht es der Verwaltungsgerichtshof

Der VGH hat die Entscheidung des VG bestätigt und sich hierbei maßgebend auf die Bestimmungen des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes gestützt. Nach § 3 Abs. 2 dieses Gesetzes müssen Verkaufsstellen unter anderem an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein. Verkaufsstellen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes Ladengeschäfte aller Art, falls in ihnen von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann „feilgehalten“ werden.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der VGH im Wesentlichen ausgeführt, das VG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Verkaufsmodule Verkaufsstellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes seien. Das „Feilhalten“ von Waren im Sinne dieser Vorschrift setze nach der gesetzlichen Definition dieses Begriffs keinen persönlichen Kontakt mit einem Verkäufer voraus. Es mache für das „Feilhalten“ von Waren keinen Unterschied, ob der Kunde die begehrte Ware aus einem Automaten oder aus einem Verkaufsregal bzw. von einem Verkaufstisch an sich nehme; der Verkaufsvorgang setze in beiden Fällen ein aktives Handeln des Kunden voraus, dem nicht zwangsläufig ein aktives Tun des Verkäufers gegenüberstehe. Richtig sei zwar das von der Antragstellerin vorgetragene Argument, dass bei einem Verzicht auf den Einsatz von Verkaufspersonal das dem Ladenschlussrecht zugrunde liegende Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde.

Das Hessische Ladenöffnungsgesetz diene allerdings nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erholung zu schützen. Es bestehe auch keine Vergleichbarkeit zwischen dem Einkauf in den streitgegenständlichen Verkaufsmodulen und den auch sonn- und feiertags durchgängig möglichen Onlinebestellungen. Insbesondere habe der Onlinebestellvorgang keinerlei Außenwirkungen und sei daher nicht geeignet, die Sonn- und Feiertagsruhe der übrigen Bevölkerung zu beeinträchtigen.

Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar.

Quelle: VGH Kassel, Beschluss vom 22.12.2023, 8 B 77/22, PM 1/24

Wachstumschancengesetz: Gesetz ist endlich beschlossen

Bereits im Juli 2023 hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Referentenentwurf für ein milliardenschweres Wachstumschancengesetz vorgelegt. Das Ziel: Eine Verabschiedung im Jahr 2023. Bekanntlich wurde daraus nichts. Vielmehr kam das Gesetzgebungsverfahren einem „Possenspiel“ gleich, das durch die Zustimmung des Bundesrats am 22.3.2024 und der Gesetzesverkündung am 27.3.2024 nun beendet ist.

Das verabschiedete Gesetz enthält im Vergleich zum ursprünglichen Referenten- und Regierungsentwurf viele Änderungen. So wurde u. a. das Entlastungsvolumen reduziert und die Klimaschutz-Investitionsprämie gestrichen.

Zudem wurden zeitkritische Regelungen bereits Ende 2023 durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz umgesetzt, z. B. die Beseitigung von Unsicherheiten bei der Grunderwerbsteuer aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts sowie Anpassungen bei der Zinsschrankenregelung.

Dennoch enthält das Gesetzespaket weiterhin zahlreiche Änderungen bzw. Neuregelungen, die im Folgenden auszugsweise vorgestellt werden:

Degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter

Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2023 angeschafft oder hergestellt wurden, kann der Steuerpflichtige statt der linearen eine degressive Abschreibung von 25 % (höchstens das 2,5-Fache der linearen Abschreibung) wählen.

Die als Investitionsanreiz gedachte degressive Abschreibung wurde nun wieder eingeführt und zwar erneut befristet für Anschaffungen oder Herstellungen nach dem 31.3.2024 und vor dem 1.1.2025. Der Abschreibungssatz wurde auf 20 % (höchstens das 2-Fache der linearen Abschreibung) reduziert.

E-Fahrzeuge/Firmenwagen

Die Besteuerung eines Firmenwagens (außerdienstliche Nutzung) kann reduziert werden, indem kein Verbrenner, sondern ein Elektrofahrzeug gewählt wird. Denn hier ist nur ein Viertel des Bruttolistenpreises anzusetzen, wenn der Höchstbetrag von 60.000 Euro eingehalten wird. Dieser wurde für nach dem 31.12.2023 angeschaffte Fahrzeuge auf 70.000 Euro erhöht.

Geschenkegrenze

Geschenke an Geschäftspartner und Kunden sind nur dann steuermindernde Betriebsausgaben, wenn eine Grenze eingehalten wird. Diese wurde für nach dem 31.12.2023 beginnende Wirtschaftsjahre von 35 Euro auf 50 Euro erhöht.

Verlustvortrag

Nach der Regelung des § 10d Abs. 2 EStG ist ein Verlustvortrag bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagung: 2 Mio. Euro) unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Mio. bzw. 2 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte möglich. Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 gelten anstelle der 60 % dann 70 % (ab 2028 sind wieder 60 % relevant).

Thesaurierungsbegünstigung

Für bilanzierende Einzel- und Personenunternehmen sieht § 34a EStG eine steuerliche Begünstigung für nicht entnommene Gewinne vor, die (langfristig) im Unternehmen verbleiben sollen. Da von dieser Begünstigung (nicht zuletzt infolge der Komplexität) bis dato eher selten Gebrauch gemacht wurde, hat der Gesetzgeber § 34a EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 „reformiert“. Ob die Änderungen zu einer höheren „Nachfrage“ bzw. Nutzung führen, bleibt aber abzuwarten.

Option zur Körperschaftsbesteuerung

Nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) können Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften im ertragsteuerlichen Bereich wie Körperschaften behandelt werden. Durch einige Änderungen (z. B. können nun auch eingetragene GbRs optieren) soll die Option

attraktiver werden.

Elektronische Rechnung

Im Bereich der Umsatzsteuer stellt die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung für Umsätze zwischen inländischen Unternehmen (B2B) sicherlich die relevanteste Änderung dar.

Die Neuregelung tritt bereits am 1.1.2025 in Kraft. Da die Umsetzung aber einige Zeit beanspruchen wird, können nach den Vorgaben des § 27 Umsatzsteuergesetz (UStG) Übergangsregelungen genutzt werden. Der allgemeine Übergangszeitraum beträgt zwei Jahre (Pflicht somit ab 2027); drei Jahre gelten für Unternehmer mit einem Gesamtumsatz von bis zu 800.000 Euro im Jahr 2026.

Bürokratieabbau bei der Umsatzsteuer

Unter gewissen Voraussetzungen kann die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) berechnet werden, was einen Liquiditätsvorteil ermöglicht. Die relevante Vorjahresumsatzgrenze wurde von 600.000 Euro auf 800.000 Euro erhöht (gilt ab dem Besteuerungszeitraum 2024).

Die Grenze, ab der Unternehmer von der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung befreit werden können, wurde angehoben und zwar von 1.000 Euro auf 2.000 Euro (gilt ab dem Besteuerungszeitraum 2025).

Grundsätzlich sind Kleinunternehmer (§ 19 UStG) von der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung (Nullmeldung) ab dem Besteuerungszeitraum 2024 befreit.

Anhebung von Buchführungsgrenzen

Überschreiten gewerbliche Unternehmer gewisse Buchführungsgrenzen, können sie ihren Gewinn nicht mehr mittels Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, sondern sind zur Bilanzierung verpflichtet. Die in § 141 der Abgabenordnung geregelten Grenzen wurden von 600.000 Euro auf 800.000 Euro (Umsatz) und von 60.000 Euro auf 80.000 Euro (Gewinn) erhöht. Dies gilt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen (mit Übergangsregelung).

Auch die Buchführungsgrenzen in § 241a Handelsgesetzbuch (HGB) wurden auf 800.000 Euro (Umsatzerlöse) bzw. 80.000 Euro (Jahresüberschuss) erhöht.

Quelle: Wachstumschancengesetz, BGBl I 2024, Nr. 108

Investitionsabzugsbetrag: Steuerbilanzgewinn oder steuerlicher Gewinn: Wie ist die Gewinngrenze zu ermitteln?

Oft müssen sich die Gerichte mit den Voraussetzungen für einen Investitionsabzugsbetrag (IAB nach § 7g Einkommensteuergesetz [EStG]) beschäftigen. Jüngst haben es zwei Verfahren (Vorinstanz: Finanzgericht (FG) Niedersachsen) mit dieser Frage bis vor den Bundesfinanzhof (BFH) geschafft: Ist für die Gewinngrenze der Steuerbilanzgewinn oder ein um außerbilanzielle Effekte (wie nichtabziehbare Betriebsausgaben sowie einkommensteuerfreie Einnahmen) korrigierter Gewinn relevant?

Gewinngrenze von 200.000 Euro

Hintergrund: Für die künftige (Investitionszeitraum von drei Jahren) Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (beispielsweise Maschinen) können bis zu 50 % der voraussichtlichen Anschaffungs-/Herstellungskosten gewinnmindernd abgezogen werden. Da der Gesetzgeber durch diese Steuerstundungsmöglichkeit vor allem Investitionen von kleinen und mittleren Betrieben erleichtern will, darf der Gewinn 200.000 Euro nicht überschreiten.

Das war geschehen

In einem Fall des FG Niedersachsen betrug der Bilanzgewinn 189.821 Euro und lag damit unter der (in § 7g EStG normierten) Grenze von 200.000 Euro. Dennoch versagte das Finanzamt die Bildung eines IAB, da es nach der Hinzurechnung der Gewerbesteuer (vgl. hierzu § 4 Abs. 5b EStG) von 25.722 Euro auf einen über dem Grenzbetrag liegenden Gewinn von 215.543 Euro kam.

Unterschiedliche Sichtweisen

Die Frage, wie der Gewinn (nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. b EstG) zu ermitteln ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Hierzu werden (vereinfacht) zwei Meinungen vertreten:

Bundesfinanzministerium: keine Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen

Für das Bundesfinanzministerium (BMF) ist Gewinn der Betrag, der ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen (gemäß § 7g Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 EstG) der Besteuerung zugrunde zu legen ist; außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz sowie Hinzu-/Abrechnungen bei der Einnahmen-Überschussrechnung sind zu berücksichtigen.

Gegenteilige Position: allein steuerbilanzieller Gewinn „zählt“

Teile des Schrifttums vertreten indes die Position, dass allein auf den steuerbilanziellen Gewinn abzustellen ist, was im Streitfall zu einem günstigeren Ergebnis führen würde. Auch für das FG Baden-Württemberg ist der Steuerbilanzgewinn relevant und nicht der Gewinn i. S. des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen findet nicht statt.

Beachten Sie: Das FG Niedersachsen hat sich der Ansicht des BMF angeschlossen. Weil hiergegen die Revision anhängig ist, können Steuerpflichtige in geeigneten Fällen Einspruch einlegen.

Quelle: FG Niedersachsen, Urteile vom 9.5.2023, 2 K 202/22, Rev. BFH: X R 16/23 und 2 K 203/22, Rev. BFH: X R 17/23; BMF-Schreiben vom 15.6.2022, IV C 6 – S 2139-b/21/10001 :001; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.5.2023, 10 K 1873/22, Rev. BFH: III R 38/23

Auskunftsanspruch: Schadenersatz bei verspäteter datenschutzrechtlicher Auskunft

Zwei unterschiedliche Urteile zum Schadenersatz für immaterielle Schäden bei verspäteter Auskunft nach der Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 DS-GVO) lassen aufhorchen. So hat das Arbeitsgericht (ArbG) jetzt verbraucherfreundlich entschieden, während das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf unternehmensfreundlich war.

Arbeitsgericht Duisburg: „Unverzüglichkeit“ entscheidend

Das ArbG Duisburg entschied, dass einem Kläger, der sich am 14.3.2017 auf eine Stelle bei dem beklagten Unternehmen beworben und über sechs Jahre später (am 18.5.2023) erstmals Auskunft über ihn dort gespeicherte personenbezogene Daten verlangt hat, eine Geldentschädigung von 750 Euro (verlangt waren 2.000 Euro) zusteht. Dies geschah, obwohl das Unternehmen schon am 5.6.2023 die Auskunft in Form eines Negativattests erteilte also innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist (gemäß Art. 12 Abs. 3 DS-GVO).

Das ArbG sah die Auskunft nicht als „unverzüglich“ im Sinne dieser Vorschrift an. Die dortige Monatsfrist sei nicht als Regel- sondern als Höchstfrist zu verstehen. Sie dürfe nicht routinemäßig, sondern nur in schwierigen Fällen und bei Hinzutreten besonderer Umstände ausgeschöpft werden.

Hier habe das Unternehmen auch keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die eine Überschreitung dieser Zeitspanne rechtfertigen würden. Bei der Schadenersatzbemessung hat das ArbG berücksichtigt, dass die gesetzliche Frist nicht erheblich überschritten sei. Eine objektive Dringlichkeit der Anfrage sechs Jahre nach der Bewerbung sei unerheblich.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: keine datenschutzrechtsverletzende Datenverarbeitung

Da LAG Düsseldorf sieht dies jedoch anders: Es sprach einem Anspruchsteller trotz verspäteter Auskunft durch Überschreiten der Monatsfrist einen Schadenersatzanspruch ab.

Ein Verstoß gegen Art. 15 DS-GVO falle schon nicht in den Anwendungsbereich des Art. 82 DS-GVO. Es fehle an einer gegen die DS-GVO verstoßenden Datenverarbeitung bei einer rein verzögerten Datenauskunft oder einer anfänglich unvollständigen Erfüllung des Auskunftsbegehrens. Darüber hinaus liege allein in der schlagwortartigen Behauptung eines solchen „Kontrollverlusts“ über personenbezogene Daten auch keine Darlegung eines immateriellen Schadens.

Quelle: ArbG Duisburg, Urteil vom 3.11.2023, 5 Ca 877/23; LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2023, 3 Sa 285/23, PM 29/23

Wettbewerbsrecht: Kann Bier „klimaneutral“ sein?

Das Landgericht (LG) München hat ein Handelsunternehmen für Getränke dazu verurteilt, es zu unterlassen, das von ihm vertriebene Bier als WUNDERBRAEU zu bezeichnen, wenn dies in Zusammenhang mit einer auf der Bierflasche abgedruckten Münchner Adresse geschieht, an der das Bier jedoch nicht gebraut wird. Dies stelle eine Herkunftstäuschung dar. Zudem muss das beklagte Unternehmen in Zukunft die Bewerbung des Biers mit „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche unterlassen. Die Bewertungsmaßstäbe, aufgrund derer diese Äußerungen getroffen würden, seien auf den Etiketten der Flaschen nicht hinreichend transparent offengelegt.

Irreführende Bezeichnung des Biers

Die Beklagte hatte argumentiert, dass die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ für sich nicht irreführend sei. Zudem habe sie ihren Verwaltungssitz an der angegebenen Münchner Adresse und es sei gesetzlich vorgeschrieben, die Adresse auf der Flasche abzudrucken.

Dem folgte das LG nicht. Die für sich gesehen nicht eindeutige Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ sei jedenfalls mit der auf dem rückwärtigen Etikett enthaltenen Adresse einer für Brauereien bekannten Straße in München irreführend. Durch die fragliche Aufschrift werde ein Bezug des Produkts mit einer Anschrift in München hergestellt, obwohl dort unstreitig nicht die Produktionsstätte, sondern allein der Sitz des Handelsunternehmens sei. Zwar möge die Bezeichnung für sich gesehen auch für die Beklagte als Vertriebsunternehmen zulässig sein und die Angabe auch insgesamt den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Das ändere aber nichts daran, dass die Aufschrift im Zusammenhang den Eindruck erwecke, die angegebene Anschrift bezeichne den Herkunftsort des Produktes selbst. Dies sei unzulässig.

Eine Täuschung über die Herkunft des Bieres sei auch geeignet, die Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu beeinflussen.

Diese Bezeichnung mit Klimabezug ist verboten

Die weiteren, von dem klagenden Verband beanstandeten Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ stellen laut Gericht ebenfalls eine unzulässige Irreführung dar und wurden dem beklagten Unternehmen deshalb, so wie es die Angaben verwendet hatte, verboten.

Die Beklagtenseite hatte angeführt, dass ein QR-Code auf der Flasche zu den gewünschten Informationen über die Bedeutung der beanstandeten Angaben zur Klimabilanz führe. Dies reichte dem LG nicht aus. Gerade in der heutigen Zeit, in der Unternehmen in den Verdacht des sogenannten „Greenwashing“ kämen und in dem Ausgleichsmaßnahmen kontrovers diskutiert würden, sei es wichtig, die Verbraucher über die Grundlagen der jeweiligen werbenden Behauptung aufzuklären. Verbraucher hätten daher ein maßgebliches Interesse daran, inwieweit behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Ausgleichsmaßnahmen und, wenn ja, durch welche Ausgleichsmaßnahmen erreicht würden. Daher müssten den Verbrauchern die Bewertungsmaßstäbe für die werbenden Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche offengelegt werden.

Letztendlich bestünden zudem erhebliche Zweifel daran, ob die auf der Website des beklagten Unternehmens aufgeführten Informationen ausreichend wären. Denn genaue Angaben zur berechneten Klimabilanz und Angaben darüber, in welchem Umfang die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden sollen und in welchem Umfang durch Einsparung, fänden sich dort gerade nicht.

Quelle: LG München I, Urteil vom 8.12.2023, 37 O 2041/23, PM 32/23

Corona-Pandemie: „NRW-Überbrückungshilfe Plus“ ist steuerpflichtige Betriebseinnahme

Die „NRW-Überbrückungshilfe Plus“ für Selbstständige, die anlässlich der Corona-Pandemie gezahlt wurde, stellt nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf eine steuerpflichtige Betriebseinnahme dar.

Das war geschehen

Ein Freiberufler erzielte im Jahr 2020 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Er erhielt 3.160,22 Euro als Billigkeitsleistung gemäß der Landeshaushaltsordnung und auf der Grundlage der damals geltenden Landesrichtlinien zur Gewährung von Überbrückungshilfen. Der Betrag setzte sich aus Bundesmitteln (160,22 Euro) und zusätzlichen Landesmittelen (3.000 Euro) zusammen.

In seiner Steuererklärung minderte der Freiberufler seine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit um 3.000 Euro (monatlich 1.000 Euro für die Monate April bis Juni 2020), da dieser Betrag auf die „Überbrückungshilfe Plus“ für die private Lebensführung entfalle. Demgegenüber qualifizierte das Finanzamt die Soforthilfen als steuerpflichtige Betriebseinnahmen.

In seiner Klage führte der Steuerpflichtige u. a. Folgendes aus: Die an ihn ausgezahlte Coronahilfe könne, soweit sie als Unternehmerlohn zu qualifizieren sei, nicht als Einkunftsart i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 2 Abs. 1 EstG) erfasst werden, weil sie als Ersatz für die Grundsicherung gezahlt worden sei, die die Unternehmer bei Ausbleiben dieser Zahlung hätten in Anspruch nehmen müssen.

Finanzgericht gab der Finanzverwaltung Recht

Das FG Düsseldorf folgte dieser Argumentation allerdings nicht und erachtete den Ansatz der Corona-Überbrückungshilfe bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit als rechtmäßig.

Zwischen den Leistungen und dem Betrieb des Steuerpflichtigen besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang, da die Überbrückungshilfe NRW nur an Unternehmer gezahlt wurde, die ihre Tätigkeit während des Förderzeitraums im Haupterwerb von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung aus ausgeführt haben. Die Zahlung war zudem von der Höhe des Umsatzes im Förderzeitraum abhängig und wurde geleistet, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, sich weiterhin der betrieblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu widmen.

Diese betriebliche Veranlassung der Zahlungen der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ wurde nicht dadurch aufgehoben, dass die gewährten Mittel zur Deckung von Privataufwendungen verwendet werden durften.

Das FG führte weiter aus: Die Steuerbefreiungen in § 3 EStG enthalten Ausnahmeregelungen zum Grundsatz, dass steuerbare Einnahmen auch steuerpflichtig sind. Aufgrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses verbietet sich eine Ausdehnung der Steuerbefreiung für den Bezug von Arbeitslosengeld II auf die „NRW Überbrückungshilfe Plus“. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als der Freiberufler neben der Überbrückungshilfe Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. H. von 38.354 Euro erzielte und schon aufgrund der Höhe dieser Einkünfte keinen Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld II gehabt hätte.

Ferner versagte das FG auch eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG. Eine im Sinne dieser Vorschrift zu verstehende Hilfsbedürftigkeit ist insbesondere wegen des neben der Überbrückungshilfe erzielten Jahresgewinns von 38.354 Euro auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht festzustellen.

Bundesfinanzhof muss entscheiden

Der Freiberufler hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt, sodass nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden muss.

Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 7.11.2023, 13 K 570/22 E, Rev. BFH, VIII R 34/23

Tabakerzeugnisverordnung: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Ausgabeautomaten müssen gesundheitsbezogene Warnhinweise zeigen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen.

Das war geschehen

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) auf Unterlassung in Anspruch genommen.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat den Antrag abgewiesen, soweit der Kläger verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. Zigaretten werden zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne der einschlägigen Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher wie im Streitfall die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.

Abbildungen der Zigarettenverpackungen ohne Warnhinweis nicht erlaubt

Der Kläger hatte allerdings vor dem BGH Erfolg, soweit er sich gegen die Abweisung seines Antrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der BGH den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften den Anforderungen der TabakerzV zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften liegt nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung wie im Streitfall an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.

Quelle: BGH, Urteil vom 26.10.2023, I ZR 176/19 – Zigarettenausgabeautomat III, PM 178/23

Freiberufler und Gewerbetreibende: Wirtschafts-Identifikationsnummer ab Herbst 2024

Die Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) wird ab Herbst 2024 vergeben werden. Damit wird jede wirtschaftlich tätige natürliche Person, jede juristische Person und jede Personenvereinigung jeweils ein einheitliches und dauerhaftes Merkmal zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung in Besteuerungsverfahren erhalten. Darauf hat das Bundesfinanzministerium (BMF) hingewiesen.

Die Vergabe der W-IdNr. erfolgt wegen technischer und organisatorischer Anforderungen in Stufen. Sie setzt sich aus dem Kürzel „DE“ und neun Ziffern zusammen. Ergänzt wird die W-IdNr. durch ein 5-stelliges Unterscheidungsmerkmal für einzelne Tätigkeiten, Betriebe oder Betriebsstätten (Beispiel für eine W-IdNr.: DE123456789-00001).

Die W-IdNr. dient zugleich auch als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer nach dem Unternehmensbasisdatenregistergesetz. Das Unternehmensbasisdatenregister ist ein zentrales und ressortübergreifendes Vorhaben zur Verwaltungsdigitalisierung und -modernisierung. Ziel des Basisregisters ist es, Unternehmen von Berichtspflichten zu entlasten, indem Mehrfachmeldungen der Stammdaten an unterschiedliche Register vermieden werden („Once-Only“-Prinzip).

Quelle: BMF, Das ändert sich 2024, Mitteilung vom 28.12.2023

Arbeitgeber: Minijobs: Geringfügigkeits-Richtlinien wurden aktualisiert

Die Geringfügigkeits-Richtlinien bilden die Grundlage für alle Regelungen, die Arbeitgeber rund um Minijobs zu beachten haben. Nicht zuletzt wegen der Erhöhung der Minijob-Grenze ab dem Jahr 2024 (von 520 Euro auf 538 Euro) haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung die Richtlinien aktualisiert.

Die Geringfügigkeits-Richtlinien enthalten alle Regelungen, die wegen der gesetzlichen Vorgaben für Minijobs zu beachten sind. Arbeitgeber finden hier Informationen zu den zwei Arten von Minijobs, deren versicherungsrechtlicher Beurteilung, den verschiedenen Meldungen und zu den Abgaben, die zu leisten sind.

Quelle: Geringfügigkeits-Richtlinien vom 14.12.2023

Markenrechtsstreit: Kunstfreiheit: Luxus-Handtaschen nur eingeschränkt geschützt

Ein Berliner Modelabel stellt unter anderem Kleider, Röcke, Tops und Taschen her, die charakteristische Merkmale der besagten Luxus-Handtasche aufweisen. Das Label führte diese Modekreationen auf einer Fashionshow vor und bewarb die dortigen Darbietungen im Internet sowie auf sozialen Netzwerken. Die Herstellerin der Luxus-Tasche hat vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main verlangt, dem Berliner Modelabel diese Darstellungen zu untersagen ohne Erfolg.

Prägende Merkmale der Handtaschen (nur) Teil einer Inszenierung?

Die Designerinnen des Berliner Labels hatten sich auf ihre Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Ihre Modekreationen, in denen die prägenden Merkmale der Luxus-Handtasche aus dem Modekonzern der Antragstellerin gespiegelt werden, seien Teil einer Inszenierung. Es solle damit unter anderem auf weibliche Klischees hingewiesen werden, wonach sich Frauen diese Luxus-Handtaschen von sog. „Sugar Daddys“ schenken ließen. Die Akzeptanz dieses Vorurteils sei eine Form von Feminismus.

Abwägung erforderlich

Das LG entschied in zwei Beschlüssen vom 19.9.2023, die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg auf europäischen Markenrechtsschutz berufen. Es sei im vorliegenden Fall eine Abwägung erforderlich zwischen dem Eigentumsrecht der Herstellerin der Luxus-Handtasche und der Kunstfreiheit der Antragsgegnerin. Auch die Beschäftigung mit einer Marke kann von der Kunstfreiheit erfasst sein, meint das LG. Das in der Kunstfreiheit wurzelnde Interesse der Antragsgegnerin an der Darbietung ihrer Fashionshow überwiege im vorliegenden Fall.

Die Antragsgegnerin wolle mit ihren Kleidern und Taschen darauf hinweisen, dass Frauen von Männern zum Objekt degradiert und als gesellschaftliche Accessoires angesehen würden. Nach ihrer Ansicht würden sich Frauen emanzipieren, indem sie genau diese Rolle einnähmen. Sie würden Männer als „menschliche Bank“ für ihre Zwecke nutzen, wenn sie sich von ihnen Luxus-Taschen schenken ließen. „In dieser überspitzten gesellschaftlichen Darstellung tragen Frauen die Kleidungsstücke, die an die Luxus-Tasche der Antragstellerin erinnern, in aufreizender und lasziver Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit. (…) Hierbei ist das Spiel zwischen primitiver Direktheit und ultimativen Luxusgütern essenzieller Bestandteil der Darbietung“, erklärte die Kammer in ihrem Beschluss.

Keine Herabwürdigung der Marke

Das LG: Die Marke der Antragstellerin werde weder verunglimpft noch herabgesetzt. Vielmehr diene sie als ein gesellschaftlich angestrebter Bezugspunkt von Luxusgütern. Die Anlehnung an die Luxus-Handtasche der Antragstellerin sei dabei nur ein Teil der gesamten Inszenierung.

Die Entscheidungen sind rechtskräftig.

Quelle: LG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 19.9.2023, 2-06 O 532/23 und 2-06 O 533/23, PM vom 12.10.2023