Verbraucherschutz: Wann ist eine Verpackung eine „Mogelpackung“

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Verpackung eines Produkts in der Regel nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht („Mogelpackung“), wenn sie nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist.

Verbraucherschutzverband klagte

Die Klägerin ist ein Verbraucherschutzverband. Die Beklagte vertreibt Kosmetik- und Körperpflegeprodukte. Die Beklagte bewarb auf ihrer Internetseite ein Herrenwaschgel in einer aus Kunststoff bestehenden Tube mit einer Füllmenge von 100 ml. In der Online-Werbung ist die Tube auf dem Verschlussdeckel stehend abgebildet. Sie ist im unteren Bereich des Verschlussdeckels transparent und gibt den Blick auf den orangefarbigen Inhalt frei. Der darüber befindliche, sich zum Falz der Tube stark verjüngende Bereich ist nicht durchsichtig, sondern silbern eingefärbt. Die Tube ist nur im durchsichtigen Bereich bis zum Beginn des oberen, nicht durchsichtigen Bereichs mit Waschgel befüllt.

Die Klägerin hält diese Werbung für unlauter, weil sie eine tatsächlich nicht gegebene nahezu vollständige Befüllung der Tube mit Waschgel suggeriere, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass die Verpackung zwar dann ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge als vorhanden vortäusche, wenn der Verbraucher sie im Rahmen des Erwerbs im Laden in Originalgröße wahrnehme. Im Fall des hier vorliegenden Online-Vertriebs fehle es jedoch an der Spürbarkeit eines Verstoßes, weil dem Verbraucher die konkrete Größe der Produktverpackung im Zeitpunkt der Beschäftigung mit dem Angebot und dem Erwerb des Produkts verborgen bleibe. Auch eine Irreführung unter dem Gesichtspunkt der Täuschung über den Hohlraum in der Verpackung liege nicht vor.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH stellte klar: Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden. Insbesondere täuscht die beanstandete Produktgestaltung ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vor, als in ihr enthalten ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch eine spürbare Interessenbeeinträchtigung vor. Denn der Verkehr soll vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung („Mogelpackung“) geschützt werden. Dieser Schutzzweck ist unabhängig vom Vertriebsweg stets betroffen, wenn wie im Streitfall eine Fertigpackung ihrer Gestaltung und Befüllung nach in relevanter Weise über ihre relative Füllmenge täuscht.

Der Bundesgerichtshof hat die Beklagte daher zur Unterlassung verurteilt.

Die beanstandete Internetwerbung für das Waschgel verstößt gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (hier: § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG). Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung liegt unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium grundsätzlich vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Dies ist hier der Fall, da die Waschgel-Tube nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist und weder die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge zuverlässig verhindert noch die gegebene Füllmenge auf technischen Erfordernissen beruht.

Quelle: BGH, Urteil vom 29.5.2024, I ZR 43/23, PM 119/24