Unzumutbarkeit: Auflösungsantrag des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess
Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer ein Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, muss das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeitgeber verurteilen, eine angemessene Abfindung zu zahlen. So hat es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschieden.
Es kommt auf die Unzumutbarkeit an
Dieser Grundsatz folgt aus dem Kündigungsschutzgesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG). In entsprechenden Fällen ist meist die Frage der Unzumutbarkeit ausschlaggebend. Dazu hat das LAG entschieden: Die gegen den Arbeitnehmer zum Ausdruck kommende, durch geänderte und schlechte Arbeitsbedingungen bei der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs gekennzeichnete feindselige Haltung des Arbeitgebers kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers rechtfertigen.
Das war geschehen
In dem Fall des LAG war der Arbeitgeber in erster Instanz zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt worden. Während des Berufungsverfahrens hatte er ihm die bisherigen Aufgaben nicht mehr zugewiesen. Er hat ihn vielmehr in eine andere Niederlassung versetzt.
„Feindliche Haltung“ des Geschäftsführers
Die Begründung hierfür überzeugte das LAG in keiner Weise. Er hätte auch den im Lauf der Arbeitsunfähigkeit oder des Kündigungsschutzprozesses mit den ursprünglichen Aufgaben des Arbeitnehmers betrauten Mitarbeiter in die andere Niederlassung versetzen können. Das LAG hat in der Befragung und Diskussion mit dem Geschäftsführer zudem den nachhaltigen Eindruck gewonnen, dass dieser die angedeutete Entscheidung der Arbeitsgerichte über die Kündigung nicht nachvollziehen kann und dass er dies den Arbeitnehmer weiterhin spüren lassen wird. Dem entspricht, dass er von einem Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitnehmer allein deswegen ausgeht, weil dieser den Firmenlaptop nicht sofort zurückgegeben hat. Der Arbeitnehmer kann bei einer derart feindlichen Haltung des Geschäftsführers nach der Überzeugung des LAG nicht damit rechnen, dass in Zukunft eine störungsfreie Weiterarbeit und ein unbelastetes Miteinander möglich ist. Dies rechtfertigt die Auflösung auf seinen Antrag hin.
Quelle: LAG Nürnberg, Urteil vom 29.11.2022, 1 Sa 250/22