Testament: Was bewirkt der Widerruf des Widerrufs?
Welche Rechtsfolgen hat der Widerruf eines Widerrufstestaments? Und ist trotz späteren Verlöbnisses oder einer Eheschließung auf die Einsetzung des Partners einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 2077 BGB) anzuwenden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen wird? Mit diesen Fragen hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig im Rahmen einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren befasst.
Das war geschehen
Der Erblasser errichtete im Jahr 1989 ein Testament, in dem er die Antragstellerin, die er später heiratete, zu seiner Erbin berief. Im Jahr 2005 schlossen sie notariell beurkundet u. a. einen Erbvertrag, in dem sie zunächst alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen widerriefen und wechselseitig Vermächtnisse bestimmten. Nachdem die Ehe scheiterte, schlossen die Antragstellerin und der Erblasser im Jahr 2009 u. a. erneut einen Erbvertrag. In diesem Zuge erklärten sie, dass sie alle ihre bisher gemeinsam errichteten Verfügungen von Todes wegen widerrufen, insbesondere den Erbvertrag von 2005, jedoch ihre bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollten. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Antragstellerin einen Erbschein als Alleinerbin.
So sieht es das OLG
Das OLG hat festgestellt: Der Widerruf eines Widerrufstestaments führt dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend wieder in Kraft tritt. Das Gericht stützt sich im Wesentlichen darauf, dass in der Kommentarliteratur die Frage der Wirkungen des Widerrufs des Widerrufstestaments unterschiedlich behandelt und „eher unklar“ formuliert wird. Da der Gesetzgeber mit dem Widerruf Wirkungen wie bei der Anfechtung habe erzeugen wollen, führe der Widerruf dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend in Kraft trete.
§ 2077 Abs. 1 BGB besagt: „Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte.“
Da der Anwendungsbereich dieser Vermutungsregel hier nicht erfüllt sei, könne diese Vorschrift trotz späteren Verlöbnisses oder Eheschließung auch dann nicht auf die Einsetzung des Partners einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament angewandt werden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen worden wäre.
Quelle: OLG Schleswig, Beschluss vom 30.1.2023, 3 Wx 37/22