Schadenminderungspflicht: Überangebot bei nahezu zeitgleichem Verkauf verspätet
Bereits vor etwa elf Jahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Ein von der gegnerischen Versicherung übermitteltes höheres Restwertangebot („Überangebot“) ist zu berücksichtigen, falls das unfallbeschädigte Fahrzeug bis dahin noch nicht zum Restwert aus dem vom Geschädigten eingeholten Gutachten verkauft wurde. Nun stellt das Amtsgericht (AG) Lübeck klar: Geht ein Restwert-Überangebot des Versicherers ein, ist es möglich, dass sich dieses mit dem Verkauf des verunfallten Fahrzeugs zum gutachterlich ermittelten Wert überschneidet. Der Geschädigte verstößt dann nicht gegen die Schadenminderungspflicht, wenn er zum niedrigeren Betrag verkauft.
Im Fall des AG ging das Überangebot per Mail um 10:30 Uhr beim Anwalt des Geschädigten ein. Am gleichen Tag um 11:04 Uhr schickte der Geschädigte den Nachweis an die Kanzlei, dass er das unfallbeschädigte Fahrzeug kurz zuvor verkauft hatte.
Der eintrittspflichtige Versicherer meinte, das Überangebot habe vor dem Verkauf vorgelegen. Denn es komme darauf an, wann es beim Anwalt eingeht. Schließlich sei der Anwalt der Vertreter des Geschädigten. Davon abweichend könne man sich den Fall ja auch so denken, dass der Geschädigte nach der Arbeit zu seinem Händler fährt und verkauft, aber ein Überangebot seit ein paar Stunden bei ihm im Briefkasten liegt.
Das sah das AG anders. Denn nach der Verkehrsanschauung könne auch vom Anwalt nicht erwartet werden, dass er von einer E-Mail unmittelbar nach dem Eingang Kenntnis erlangt. (AG Lübeck, Hinweisbeschluss vom 10.2.2021, 27 C 2389/20)