Immobilienveräußerung: Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung bei krankheitsbedingtem Auszug vor Ablauf von zehn Jahren
Veräußert der Erbe das Familienheim innerhalb von zehn Jahren, entfällt die Erbschaftsteuerbefreiung nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster auch dann, wenn der Auszug auf ärztlichen Rat hin wegen einer Depressionserkrankung erfolgt.
Hintergrund: Die vom Erblasser zuvor selbst genutzte Immobilie kann erbschaftsteuerfrei vererbt werden, wenn das Familienheim vom Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner weitere zehn Jahre lang bewohnt wird. Ist dies nicht der Fall, entfällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit es sei denn, der Erwerber ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.
Eine Steuerpflichtige beerbte ihren im Jahr 2017 verstorbenen Ehemann zur Hälfte. Zur Erbschaft gehörte auch das hälftige Miteigentum an dem bislang gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus. Ende 2018 veräußerte sie das Haus und zog in eine zuvor erworbene Eigentumswohnung. Daraufhin versagte das Finanzamt die Steuerbefreiung. Hiergegen wandte die Steuerpflichtige ein, dass sie nach dem Tod ihres Ehemanns unter Depressionen und Angstzuständen gelitten habe, insbesondere weil ihr Mann in dem Haus verstorben sei. Ihr Arzt habe ihr geraten, die Wohnumgebung zu wechseln.
Nach Meinung des FG war die Steuerpflichtige nicht aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert. Dabei ging das FG zwar davon aus, dass die Depressionserkrankung und der Tod des Ehemanns im Einfamilienhaus die Steuerpflichtige erheblich psychisch belastet hatten. Ein „zwingender Grund“ im Sinne des Gesetzes ist jedoch nur gegeben, wenn das Führen eines Haushalts (etwa wegen einer Pflegebedürftigkeit) unmöglich ist und dies war hier nicht der Fall.
Das FG hält eine solche restriktive Gesetzesauslegung für verfassungsrechtlich geboten, da die Steuerbefreiung für Familienheime Grundeigentümer gegenüber Inhabern anderer Vermögenswerte bevorzugt.
Beachten Sie: Die Steuerpflichtige will diese Entscheidung aber so nicht hinnehmen. Sie hat Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. (FG Münster, Urteil vom 10.12.2020, 3 K 420/20 Erb; Rev. BFH, II R 1/21)