Haftungsrecht: Halter haftet für ausgelöstes „Getümmel“ durch seinen freilaufenden Hund

Das unkontrollierte Umherlaufen von Hunden als Reaktion auf das Zusammentreffen mit anderen Hunden ist eine typische tierische Verhaltensweise. Daher haftet der Hundehalter, wenn infolge des so entstandenen „Hundegetümmels“ ein Schaden entsteht.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz kürzlich im Fall einer Frau entschieden, die ihre beiden Jack-Russell-Terrier an der Leine ausführte. Als sie am Grundstück des Beklagten vorbeiging, lief plötzlich dessen Hund vom Grundstück hinunter und auf die beiden Terrier zu. In der Folge entstand zwischen den Hunden ein „Getümmel“. Dabei stürzte die Klägerin, die weiterhin die Leinen ihrer Hunde festhielt. Sie zog sich hierbei eine Radiuskopffraktur zu. Wegen der erlittenen Verletzung und der hiermit einhergegangenen Einschränkungen forderte sie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 6.000 EUR. Die Klägerin machte erstinstanzlich geltend, ihr Sturz sei durch den heranstürmenden Hund des Beklagten verursacht worden. Der Beklagte wandte unter anderem ein, die Klägerin habe sich in den Leinen der eigenen Hunde verheddert und sei hierdurch gestürzt.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Klägerin sei es nicht gelungen darzulegen, dass der Sturz auf das Verhalten des Hundes des Beklagten zurückzuführen sei. Vielmehr sei nicht auszuschließen, dass sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.

Dem sind die Richter am OLG entgegengetreten. Es sei unschädlich, dass die Klägerin nicht eingrenzen könne, weshalb sie letztlich zu Fall kam. Entscheidend sei, dass der Hund des Beklagten Auslöser des „Getümmels“ und der Sturz unmittelbare Folge dieses „Getümmels“ gewesen sei. Damit habe sich die von dem Hund ausgehende sogenannte Tiergefahr, das heißt die in dem unberechenbaren, instinktgesteuerten Verhalten des Tieres liegende Gefahr, in dem Sturz realisiert. Denn das unkontrollierte Umherlaufen von Hunden als Reaktion auf das Zusammentreffen mit anderen Hunden stelle eine in vorgenanntem Sinne typische tierische Verhaltensweise dar. Allerdings müsse sich die Klägerin die von ihren eigenen Hunden ausgehende und mitursächlich gewordene Tiergefahr anspruchsmindernd anrechnen lassen. Die Höhe des Mitverschuldens sei im konkreten Fall mit einem Drittel zu bewerten. (OLG Koblenz, Urteil vom 9.12.19, 12 U 249/19)